Werk 1
Kommentar
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Werk 5
Koflers Titel bezieht sich parodierend auf den Film »Deutschland, bleiche Mutter« (1980) von Helma Sanders-Brahms – die sich mit diesem Titel wiederum auf den ersten Vers des Gedichts »Deutschland« (1933) von Bert Brecht bezog: »O Deutschland, bleiche Mutter!« (Brecht 2016, 256) In dem Film spielt Eva Mattes eine Mutter, die ihre Tochter durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs bringt.
PersonSchauspielerIn/RegisseurInAutorIn/JournalistInMedienFilm/Fernsehen/RadioZitate
Sigmund Freud, in dessen Schriften Penisneid und Kastrationskomplex zentrale Paradigmen menschlicher Entwicklung sind, erwähnte den Gebärneid im Rahmen »früher Sexualwünsche« (Freud 1969, 551); auch andere Psychoanalytiker konstatierten einen Neid des Mannes auf die weibliche Gebärfähigkeit. Zur Zeit der Entstehung von Koflers Text dürfte das Thema medial präsent gewesen sein (vgl. [red.] 1980a), es waren vor allem die Ausführungen des Psychoanalytikers Bruno Bettelheim, die damals diskutiert wurden. Bettelheim hatte bereits 1954 in seiner Studie »Symbolische Wunden« einen Gebärneid namhaft gemacht und bei Urgesellschaften Rituale männlicher Geburtsimitation beobachtet (vgl. Bettelheim 1954).
Helma Sanders-Brahms (1940–2014), deutsche Drehbuchautorin und Filmemacherin, begann als Fernsehansagerin beim WDR; ein Interview mit Pier Paolo Pasolini 1969 führte sie zum Filmemachen (vgl. [red.] 2010), ihre Filme setzen sich mit der Arbeits- und Lebenswelt von Frauen auseinander, »Unter dem Pflaster ist der Strand« (1975), der die Nachwirkungen der Studentenrevolten von 1968 in Deutschland thematisiert, beeinflusste die deutsche Frauenbewegung.
Kofler legt den Aussagen Helma Sanders-Brahms ein Interview zugrunde, das sie mit den Herausgeberinnen der Publikation »FrauenBilder LeseBuch« (1980) – einer mit vielen Illustrationen versehenen Bestandsaufnahme historischer und aktueller feministischer Positionen – geführt hat. Kofler zitiert wortwörtlich, die Hervorhebungen in Majuskeln sind von ihm (vgl. Tühne/Olfe-Schlothauer 1980, 154)
Gertrud Scholtz-Klink (1902–1999), 1934–1945 »Reichsführerin« der NS-Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerks, damit »mächtigste, politisch einflussreichste Frau« im NS-Herrschaftsapparat (Livi 2005, 16), rege publizistische Tätigkeit, Scholtz-Klink brachte 1978 die »Dokumentation« »Die Frau im Dritten Reich« heraus, in der sie kritiklos ihr Engagement für den Nationalsozialismus darlegt, s. Eintrag ›Gertrud Scholtz-Klink‹. Mit der Gegenüberstellung feministischer Positionen zur Mutterschaft und dem Mutterkult des Nationalsozialismus stand Kofler zur Zeit der Publikation seines Textes (1981) nicht allein. Marion Schmid etwa sprach von einem»Emanzipationsfanal« der NS-Politik, dem der »von der heutigen Frauenbewegung wiederbelebte Mutterkult« folge, ohne etwa »das Geschichtsbild der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholz-Klink« zu kennen (Schmid 1984, 30).
Dieser Satz findet sich wortwörtlich in dem von Horst Kurnitzky und Marion Schmid herausgegebenen Band »Deutsche Stichworte« (vgl. Schmid 1984, 30). Obwohl »Deutsche Markenbutter« drei Jahre früher erschien, ist durchaus denkbar, dass Kofler den Satz von Kurnitzky (s. Eintrag ›Kurnitzky‹) bezog. Kurnitzky war Herausgeber der Publikation »Nachstellungen« (1981), in die »Deutsche Markenbutter« aufgenommen wurde. Für diese Provenienz spricht auch der Umstand, dass sich der Satz nicht in Texten Scholtz-Klinks findet. Ein Bezug besteht zum Begriff »Geburtenkrieg«, den der Journalist und Autor Paul Danzer, Mitarbeiter des Rassenpolitischen Amts der NSDAP, prägte (vgl. Danzer 1936). Hitler sagte bei einer Rede auf dem Reichsparteitag 1934 über die Rolle der Frau: »Jedes Kind, das sie zur Welt bringt, ist eine Schlacht, die sie besteht für das Sein und das Nichtsein ihres Volkes« (Hitler/Scholtz-Klink 1934, 4). Und »Reichsorganisationsleiter« Robert Ley schreibt in einem Vorwort 1942: »Jedes Kind, das durch eine deutsche Mutter zur Welt gebracht wurde, war eine gewonnene Schlacht für unser Volk« (Ley 1942).
Kofler zitiert hier aus einem Artikel einer Mitarbeiterin der »Reichsfrauenführerin« Gertrud Scholtz-Klink, Erna Köpke (»Hauptabteilungsleiterin des Deutschen Frauenwerks, Mütterdienst«), im Muttertagsheft 1939 der Zeitschrift »NS-Frauen-Warte« (Ausgaben dieser Zeitschrift lieferten auch Material für »Am Schreibtisch«, s. Eintrag ›NS-Frauenwarte‹): »Zum fünfzigsten Geburtstag des Führers hat so manche Mutter ihren Jungen oder ihr Mädel ihm begeistert entgegengestreckt, weiß sie doch, daß er erst die Voraussetzungen schuf, daß manche Kinder das Licht der Welt erblicken konnten!« (Köpke 1939, 722f.)
Der vorangehende Satz ist ein wortwörtliches Zitat aus dem Sanders-Brahms-Interview, dieser ist leicht abgeändert: »Dies [die Erfahrung der Geburt] kann ein Mann nicht haben, wenn sicherlichFreudunrecht hat mit seiner Theorie des Penisneides, so glaube ich, daß Männer einen ganz starken Gebärneid haben, d.h. daß sie eine große Sehnsucht nach dieser Erfahrung haben, die das totale Auslöschen des Selbst bedeutet« (Tühne/Olfe-Schlothauer 1980, 154).
Der gesamte Absatz ist ein wortwörtliches Zitat aus dem Artikel »Die Kraft der mütterlichen Liebe« des Schriftstellers Hermann Gerstner (1903–1993) im »Muttertagsheft« der »NS-Frauen-Warte« 1939 (Gerstner 1939).
Der gesamte Satz ist ein wortwörtliches Zitat aus dem Sanders-Brahms-Interview (Tühne/Olfe-Schlothauer 1980, 154).
Der gesamte Absatz ist ein wortwörtliches Zitat aus Hermann Gerstners »Muttertagsartikel «(Gerstner 1939). Der Bindestrich zeigt an, dass die beiden Sätze aus unterschiedlichen Absätzen stammen.
Wortwörtliches Zitat aus dem Sanders-Brahms-Interview (Tühne/Olfe-Schlothauer 1980, 156)
»In diesem Jahr nun wird die Frau als Erhalterin des Lebens und als mitverantwortliche Staatsbürgerin einen besonderen Platz in Nürnberg einnehmen« (Scholtz-Klink 1939, 136). Zitat aus Gertrud Scholtz-Klinks Text »Frau und Mutter – Lebensquell des Volkes« zur gleichnamigen geplanten Ausstellung in der Nürnberger Noris-Halle (der »Reichsparteitag des Friedens« und die Ausstellung im September 1939 wurden wegen des Kriegsbeginns abgesagt)
Zitat aus Scholtz-Klinks Text »Frau und Mutter – Lebensquell des Volkes«, die den oben genannten »besonderen Platz« der Frau beim bevorstehenden (wegen des Kriegsbeginns abgesagten) Reichsparteitag 1939 begründet: »Einmal war es die tapfere Haltung österreichischer Frauen, die unter persönlichstem Einsatz mithalfen, die Ostmark auf ihren großen Tag der Vereinigung vorzubereiten« (Scholtz-Klink 1939, 136).
Wortwörtliches Zitat aus dem Sanders-Brahms-Interview (Tühne/Olfe-Schlothauer 1980, 155)
Ein Zitat Adolf Hitlers – »Worte des Führers an die deutschen Frauen« am Reichsparteitag 1935: »Wir sehen in der Frau die ewige Mutter unseres Volkes und die Lebens-, Arbeits- und auch Kampfgefährtin des Mannes« (Hitler 1935, 3). Kofler zitiert den Satz aus Scholtz-Klinks Text »Frau und Mutter«»– Lebensquell des Volkes« (Scholtz-Klink 1939, 136), die Ausgabe der »NS-Frauen-Warte« ist im Kofler-Nachlass erhalten (11/W7/S1).
Bei Sanders-Brahms lautet die Passage: »Ich glaube, daß die ganze Kultur der Männer sozusagen der Ersatz für den Pfauenschwanz ist, den sie vor den Weibchen ausbreiten, einfach als Gegengewicht zu dieser ungeheuren Fähigkeit der Frauen, neue Menschen zu machen. Die Geburt meiner Tochter hat mir das auch so stark bestätigt, es gibt nichts, was sich mit dem vergleichen läßt. Faschismus und er ganze krieg und was da sonst noch so läuft bei den Männern, das sind ja totale Männererfindungen alles, sind dieser Geburtsfähigkeit total entgegengesetzt« (Tühne/Olfe-Schlothauer 1980, 154).
Beide Sätze sind ein Zitat aus Hermann Gerstners Muttertagsartikel (Gerstner 1939). »Genau« sowie »Tag für Tag« hat Kofler hinzugefügt.
Bei Sanders-Brahms lautet der Satz: »Und trotz der genannten Widersprüche sehe ich in der Figur meiner Mutter die Gegenkraft zum Faschismus, insofern, als das Leben zu erhalten und zu geben letztenendes wenigstens garantiert, daß es nach allem Schrecken doch weitergeht« (Tühne/Olfe-Schlothauer 1980, 156).
Zitat aus Hermann Gerstners »Muttertagsartikel« (Gerstner 1939)
Adaptiertes Zitat aus Hermann Gerstners »Muttertagsartikel« (Gerstner 1939)
Untertitel (ohne »aber«) des Textes »Frau und Mutter – Lebensquell des Volkes« von Gertrud Scholtz-Klink (Scholtz-Klink 1939, 136)