Das Reportagebuch „Accurater Abriß, von der Auswechslung Ihro Römisch Kayser. Mayest. Gross. Bottschaffter, mit dem Gross-Bottschafter der Ottomanischen Porte. So den 15. Juni 1719 zwischen Parachin und Raschna oder zwischen der Land=strasse von Bellgrad nach Nissa, und dem Schupelach pach oder Stolaz geschehen […], Augsburg 1720, verlegt von Jeremias Wolff, mit Kupferstichen von Georg David Nessenthaler / Johann Gottfried Pfautz“ (ediert an dieser Stelle)[1]

Laila Dandachi

1. Einleitung

Zur Bestätigung des Friedens von Passarowitz, abgeschlossen am 21. Juli 1718, wurde die Entsendung zweier Großbotschafter vereinbart, die gemäß einem streng geregelten Zeremoniell am 15. Juni 1719 die Grenze zwischen der Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich überschritten. Das Zeremoniell wurde spätestens seit den 1620er Jahren in den habsburgisch-osmanischen Beziehungen und in der Diplomatie verwendet.[2]

Die bildliche Umsetzung des Grenzzeremoniells wurde durch eine Folge von insgesamt 18 Kupferstichen (einschließlich des Vorwortblattes) mit den jeweiligen Begleittexten verwirklicht. In der mittleren Kolumne des Vorwortblattes wird der Autor, der in der Festung von Belgrad dienende Ingenieurleutnant Johann Conrad Weiss, angegeben, der das Album seinem Kommandanten, dem Grafen Oduyer, widmete. Ebenso wird darin vermerkt, dass die Übergabe des Albums am 20. April 1720 in Belgrad erfolgte.[3] Der Titel des Werks „Accurater Abriß…“ weist bereits auf die besondere Gattung der „Reportagebilder des diplomatischen Zeremoniells“ hin, die in Gemälden und Kupferstichen bis ins späte 18. Jahrhundert verbreitet war. Ihren Charakter kennzeichnen sowohl die Betonung des historischen Wahrheitsgehalts als auch die künstlerische Standardisierung (z.B. die vereinheitlichte Darstellung von Regimentern, Kostümen und Waffen). Das historische Ereignis wurde für gewöhnlich auf einem einzigen grafischen Blatt (Einblattdruck) veranschaulicht, aber in diesem auf mehrere Blätter übertragen. Die Kupferstecher Georg David Nessenthaler und Jeremias Wolff schufen eine auf den von Augsburg dominierten mitteleuropäischen Markt zugeschnittene Darstellungsweise, die von einer Reduktion der historischen Komplexität geprägt ist.[4]

Eric Gornik erwähnt in seinem neulich erschienenen Aufsatz nur zwei bzw. drei weitere Exemplare und geht daher davon aus, dass das Reportagebuch nur auf einen eingeschränkten Leserkreis zugeschnitten war.[5] Jedoch haben weitere Recherchen ergeben, dass das Album in Europa weiter verbreitet war: Neben dem kolorierten Exemplar in der Österreichischen Nationalbibliothek (Bild- und Grafiksammlung, 260420-E) existieren noch eine Dublette, die von der k. k. Hofbibliothek 1895 ins Heeresgeschichtliche Museum (KG/525/1) in Wien überführt wurde, eine weitere in der Stiftsbibliothek in Kremsmünster (Saal der Benediktiner, 4*Ga 39) sowie zwei Exemplare in Serbien (Nationalmuseum[6] und Stadtmuseum Belgrad, GI/1187)[7] sowie eines in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden (Kupfertischkabinett, B 1919, 2) und in den Staatlichen Museen zu Berlin (Sammlung Modebild –Lipperheidische Kostümbibliothek, R-Lipp Sba 27 quer). Weitere Exemplare befinden sich in den USA (John Hay Library, Anne S.K. Brown Military Collection, 3-Size DR 2119.2 W45x 1720), in Stockholm (Königliche Bibliothek zu Stockholm, RAR 161 G2a 1719) sowie in Ungarn (Bibliothek der ungarischen Akademie der Wissenschaften, Hauptbibliothek, Régész. Qu. 284 und Orientalische Sammlung, 716. 725). Alle gefundenen Exemplare sind in deutscher Sprache abgefasst, dies lässt die Vermutung zu, dass sie vor allem für die deutschsprachige Oberschicht angefertigt wurden.[8] Neben dem Aufsatz von Gornik existiert noch ein Artikel von Ana Milosevic, die das Thema nicht nur aus historischer Perspektive betrachtet, sondern auch kunsthistorische Vorbilder zu Beginn der Frühen Neuheit für den Großbotschafterwechsel ausmachen konnte.[9]

2. Der Verleger

Der Augsburger Verleger und Kupferstecher Jeremias Wolff (1663–1724) ließ unter Mitarbeit der Kupferstecher Georg David Nessenthaler und Gottfried Pfautz das Reportagebuch anfertigen. Wolff war neben Johann Andreas Pfeffel und Martin Engelbrecht einer der berühmtesten Verleger in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er begann zunächst als Uhrmacher und spezialisierte sich danach auf die Herstellung von Automaten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts eröffnete Wolff eine kleine Handlung mit Kupferstichen, wo er, selbst kein Kupferstecher, die besten Künstler für sich arbeiten ließ. Die meisten größeren Werke wurden sowohl mit dem Erscheinungsort Augsburg und seinem Herausgeber Jeremias Wolff – „Jeremias Wolff excudit Augustae Vindelicorum“ – beschriftet. Außerdem sind auf den meisten Blättern die Namen der beiden Kupferstecher Nessenthaler und Pfautz („…sculpsit“) genannt. Am 3. März 1700 erhielt Wolff von Kaiser Leopold I. (reg. 1658–1705) das kaiserliche Privileg. Der Freiheitsbrief garantierte ihm die Möglichkeit, seine Werke beliebig zu illuminieren und zu verkaufen. Sämtliche Blätter sind daher mit der Aufschrift „Cum Privilegio Sacrae Caesaris Majestatis“ versehen. Als privilegierter Großverleger schuf Wolff das erfolgreichste Kunstverlag-Unternehmen in Augsburg und gab eine unüberschaubare Menge an Karten, Porträts, Architektur- und Ornamentbildern sowie historischen Tabellen und Veduten heraus. Doch vor allem seine Ansichten- und Architekturbücher wurden nicht nur in Augsburg, sondern auch in vielen anderen Städten Europas gehandelt. Bei der Herausgabe der Werke bediente Wolff sich nicht nur der Vorbilder aus früherer Zeit, sondern er ließ auch neue Vorlagezeichnungen herstellen, womit er bestimmte Künstler betraute.[10] Seine berühmtesten Publikationen waren die Traktate von Leonhard Christoph Sturm[11] und der „Fürstliche Baumeister” von Paul Decker.[12] Sein Nachfolger Johann Balthasar Probst veröffentliche posthum die Vedutenwerke von Salomon Kleiner (z.B. Ansichten vom Wiener Belvedere und vom Augsburger Rathaus) [13] sowie Matthias Diesels “Erlustrierende Augen-Weyde”.[14] Die Ermittlung der Auftraggeber der Werke Wolffs gestaltet sich schwierig, da über den Vertrieb des Verlages bis heute kaum Untersuchungen existieren. Der traditionelle Vertriebsweg über Buchhandel, Jahrmärkte und Messen kam für kostspielige Werke Wolffs, wie das Reportagebuch kaum in Frage. Vielmehr spielten für die europaweite Verbreitung des Werks Kunstagenten aus anderen Städten oder freie Werbeexemplare für die in der Widmung erwähnten Persönlichkeiten eine große Rolle, die sie an interessierte Kundschaft weitergaben.[15]

Wiewohl bereits Werner Schwarz den Kaiser als Auftraggeber des prunkvollen Tafelwerks „Repraesentatio Belli “– das den Verlauf der Kämpfe des spanischen Erbfolgekrieges illustriert – in Frage stellt und vielmehr Jeremias Wolff und Balthasar Probst als eigenständige Financiers vermutet,[16] könnte man dieselbe Annahme auch für das Reportagebuch aufstellen: Die Standardisierung der künstlerischen Stilmittel und die Reduzierung der historischen Komplexität sprechen eigentlich gegen einen kaiserlichen oder fürstlichen Auftraggeber.

Neben Künstlern, Architekten und Festorganisatoren traten auch immer wieder Verleger und Kunsthändler als Auftraggeber in Erscheinung, die die auf die Wiedergabe von bestimmten Kunstgenres spezialisierten Zeichner und Stecher anwarben. Dabei konnten die Verleger von den in diesen Werken gehuldigten Personen reiche Entlohnung für die Anfertigung von Geschenkexemplaren, die für andere europäische Höfe bestimmt waren, erwarten. Der Verkauf der Restauflagen ermöglichte dem Verleger das Interesse des bürgerlichen Publikums für höfische Prachtentfaltung zu stillen und zugleich auf die Einmaligkeit des historischen Ereignisses hinzuweisen.[17]

3. Künstler

Während der Verleger sowie die Kupferstecher namentlich in dem Werk genannt werden, gibt es über die Künstler der Stichvorlagen (Delineationen) keine Angaben. Gewöhnlich wurden diese von Malern, Architekten und Kunsthandwerkern geliefert, die als freie Mitarbeiter angeworben wurden. Am Beispiel des Tafelwerks „Repraesentatio Belli“, das von dem Verlagswerk des Jeremias Wolff in mehreren Kupferstichen zwischen 1725 und 1730 herausgegeben wurde, konnte man u.a. die Zeichnungen bzw. Radierungen des Historienmalers Georg Phillip Rugendas d. Ä. oder jene des Goldschmieds Abraham Drenttwett als Stichvorlagen ausfindig machen.[18] Die Zeichnungen beruhen jedoch nicht so sehr auf den Vorstellungen oder Beobachtungen der Künstler, sondern vielmehr auf diversen Vorlagen, die die verwendeten Bildmotive bereits thematisierten. [19] Die folgende Bildanalyse beschränkt sich daher auf die Beschreibung der militärischen, festlichen und zeremoniellen Charakteristiken des Reportagebuchs, wobei auf mögliche Vorbilder der Bildmotive nur fallweise eingegangen wird.

Einzelbilder

Die habsburgische und osmanische Prozession wurde jeweils auf sieben Blättern dargestellt. Beide bewegen sich von der jeweils anderen Seite symmetrisch auf das Zentralbild mit dem Grenzzeremoniell zu. Im Anschluss daran wird noch der gegenseitige Empfang der bedeutendsten Repräsentanten auf zwei weiteren Blättern dokumentiert, der sich aber erst nach dem Grenzzeremoniell ereignete und daher nachträglich hinzugefügt wurde. [20] Die Geschenkwagons, Handpferde und Truppenregimenter werden sehr detailliert dargestellt, womit ein größeres Augenmerk auf Feinheiten wie Kostümierung, Gestik, Mimik, Bewegung und Anordnung im Raum gelegt wird, die nicht nur die politische Bedeutung des Geschehens zum Ausdruck bringen, sondern auch die Exklusivität bzw. Einzigartigkeit des Großbotschafteraustausches kolportieren. Die Relevanz des Geschehens ist daher nicht abhängig von der Aktualität, sondern von der politischen Bedeutung und dem sozialen Rang der Akteure. Der jeweilige Rang der höfischen Repräsentanten wird durch universelle Stilelemente und Techniken dokumentiert und soll dem Betrachter die Simultaneität und die sinnliche Erfahrung des Geschehens vor Augen führen. Im Gegensatz zu detaillierten schriftlichen Beschreibungen konnten die Bilder der Druckmedien auch die nicht höfische Gesellschaft erreichen. [21] Darüber hinaus galten vor allem Kupferstiche als Ausdruck der höfischen Gedächtniskultur, da es an den Höfen der Frühen Neuzeit noch keine systematische Zeremonialordnung gab. Einmalige zeremonielle Abläufe wurden in Bildern transferiert und fungierten somit als Speichermedium. Dadurch konnte man sich bei der Organisation neuer höfischer Ereignisse auf vergangene Exempla beziehen, die man nicht nur aus der eigenen Dynastie, sondern aus den Festpublikationen der Bibliotheken von Nachbarhöfen bezog.[22]

Die Bedeutung des Militärs ist in diesem Ereignis unübersehbar, wie die Beschreibungen der Einzelbilder zeigen werden. Militärische Handlungsmuster im Staatszeremoniell wurden seit dem 16. Jahrhundert immer häufiger: Im Rahmen von Herrschereinzügen wurde auf Einblattdrucken die Gelegenheit genutzt, auf das militärische Potenzial des Gastes oder des Gastgebers ostentativ aufmerksam zu machen. Seit dem Spätmittelalter führten die Herrscher ihre Leibgarden mit sich, die zwar prächtig gekleidet waren, aber deren Anzahl zunächst eher bescheiden war. Die Einführung der stehenden Heere im 17. Jahrhundert führte zu einer neuen Formensprache bei Herrschaftsinszenierungen, die auf starke formale Vereinheitlichungen setzen. Die Uniformierung des Militärs und die motivische Vereinheitlichung der mitgeführten Fahnen bekräftigten die Wirkung von Ordnung, Ästhetik und Harmonie.[23] Damit war im 18. Jahrhundert der Weg frei für die Schaffung eines Staatszeremoniells, womit nun Staaten ihre Herrschaftsansprüche nach innen und nach außen repräsentieren konnten. Die Darstellung von Truppenparaden mit Fahnen, klingendem Spiel und donnernden Kanonenfeuer wurde daher nicht nur intellektuell, sondern sinnlich erfahrbar.[24]

Das zentrale Element der Darstellungsweise in den Einzelbildern ist neben der Symbolik des Militärischen auch die Theatralität. Das gesamte Ereignis des Botschafterwechsels wird dem Betrachter bühnenhaft vor Augen geführt. Dafür spricht die festliche Prachtentfaltung, die sich in der Kostümierung der Protagonisten und ihrer Höflinge, in der Größe und Aufwand des Gefolges und der Regimenter sowie in der Körperlichkeit (Gestik, Mimik und Bewegung im Raum) aller dargestellten Personen zeigt.[25] Das Ziel dieser bühnenhaften „Vorstellung“ des Großbotschafterwechsels war, die politische Ebenbürtigkeit der beiden Großmächte durch freundschaftliche Gesten und ritualisierte Handlungen zu kommunizieren.[26] Mit dieser Annäherung an den einstigen Erzfeind wollte man ethnographisches Wissen über die Osmanen zur Schau stellen, die vor allem im Militär und Zeremoniell ähnlich bzw. kompatibel schienen. Zwar gab es bereits seit dem 15. Jahrhundert positive Wahrnehmungen über die Türken – z.B. in Sachen Disziplin, Gehorsamkeit und Frömmigkeit etc. – aber die feindliche Gesinnung gegenüber dem übermächtigen Feind wich Anfang des 18. Jahrhunderts zunehmend seiner Entzauberung.[27]

Bis auf das Vorwortblatt und die beiden Blätter am Ende des Albums, die ausführlicher über das bevorstehende bzw. abgebildete Ereignis berichten, beschränken sich die Begleittexte zu den einzelnen Bildern auf kurze Beschreibungen der Personen und Gegenstände. Somit kommentieren die Texte zwar das Ereignis, aber geben keine persönlichen Eindrücke oder Interpretationen wieder. Die Bilder und Begleittexte entsprechen daher den bei Festpublikationen angewandten Methoden. Aber nicht nur die schriftlichen Beschreibungen, sondern auch die sparsame Ausgestaltung der Bildszenen können dem Rationalisierungsdruck geschuldet sein.[28]

Das Vorwortblatt

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Dieses Blatt erwähnt die grundlegenden Elemente des Großbotschafterwechsels. Die mittlere Kolumne ist durch einen festlichen Rahmen hervorgehoben und beinhaltet die Widmung des Buches durch den Ingenieurleutnant, Goldschmied und Autor des Texts Johann Conrad Weiss (1670–1758),[29] an Johann Josef Graf von Oduyer, den General Feld-Wachtmeister der Festung Belgrad. Graf Oduyer, ein gebürtiger Ire, wurde erstmals von Graf Guido Starhemberg für militärische Dienste in Anspruch genommen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts konnte er in der kaiserlichen Armee seine militärische Karriere fortsetzen und wurde aufgrund seiner verdienstvollen Leistungen in Spanien und Italien durch Kaiser Karl VI. 1713 in den Grafenstand erhoben. Daraufhin konnte er sich im venezianisch-österreichischen Türkenkrieg (1716–1718) bewähren und wurde daher 1718 zum Generalfeldwachtmeister der Grenzfestung Belgrad im Königreich Serbien ernannt. Neben militärischen und administrativen Aufgaben leistete er auch in diplomatischen Angelegenheiten Unterstützung, wie es in der Begegnung des habsburgischen Großbotschafters Damian Hugo Graf von Virmont (1666–1722)[30] mit dem osmanischen Großbotschafter Ibrahim Pascha (ca. 1662–1730)[31] überliefert ist. Die erste Kolumne des Vorwortblattes erwähnt den Großbotschafterwechsel, der sich am 15. Juni 1719 auf der Straße von Belgrad nach Niš zwischen Paracín und Ražanj ereignete. Die dritte Kolumne weist schließlich auf seine bedeutende Rolle als Vermittler in diesem Ereignis hin: Er übergab den kaiserlichen Großbotschafter Virmont symbolisch in die Hand des Seraskiers Abdullah Pascha, Beylerbey von Niš und Rumelien.[32] In ähnlicher Weise nahm Oduyer den osmanischen Großbotschafter Ibrahim Pascha in seine Obhut. Anschließend begleiteten Abdullah Pascha und Oduyer die beiden Repräsentanten auf ihren Weg zur vereinbarten Grenze.[33] Der Verlauf des Großbotschafterwechsels geht einer intensiven und präzisen Planung voraus, die sowohl vom Hauptmann der Festung von Belgrad, Graf von Oduyer,[34] als auch vom Ingenieurhauptmann und Kartograph Otto Friedrich von Öbschelwitz [35]vorgenommen worden ist. Der gesamte Reiseverlauf der Großbotschaft des Grafen Damian Hugo von Virmont von Wien nach Konstantinopel wurde von dessen Sekretär und Kartograph Gerard Cornelius Driesch ausführlich beschrieben.[36]

Der kaiserliche Zug

1. Doppelbild: „Die Inszenierung der Gepäck- und Paradewagen“

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Die drei dargestellten Wagen unterscheiden sich in der Ausstattung, Anzahl der Pferde und der Gespannführer, die hier in typischer blauer Tracht mit goldenen Knöpfen, roten Manschetten und schwarzem Dreispitz dargestellt werden.[37] Während die ersten beiden Fahrzeuge, der Gepäck- und Präsentwagen, von einem Dreigespann gezogen werden, besteht die Kutsche aus einem Coupé (Zweiersitz) und einem Sechsergespann. Der Rang und die Bedeutung dieser Gespanne zeigen sich anhand des Präsentwagens durch seine rote mit Gold bestickte Hülle und anhand der schwarzen Kutsche durch die goldenen Ornamente auf der Oberfläche des Coupés. Sie unterscheiden sich daher deutlich von dem schlichten Gepäckwagen am Ende des Zuges. Der Fokus dieses Blattes liegt aber eindeutig auf der Repräsentation der Personenkutsche, deren Pferde noch durch ihr goldenes Zaumzeug und ihren roten Kopfschmuck hervorgehoben werden. Außerdem weist die Kutsche zwei Gespannführer auf, von denen der vordere – Postillion genannt – die ersten beiden Pferde lenkt, während der eigentliche Kutscher oder Hofwagenmeister auf einem erhöhten Sitz die hinteren vier Pferde anführt. Die goldbordierten Decken der Pferde demonstrieren außerdem die zeremonielle Bedeutung des Gefährts gegenüber den von Unterwagenmeistern geführten Gepäck- und Geschenkwagen.[38]

Die Pferdekutsche galt Anfang des 18. Jahrhunderts als zentrales Element der höfischen Repräsentation: Die Fahrt drückte nicht nur eine hierarchische Distanzierung aus, sondern bestach auch durch ihre mystische Dimension, die – wie im Fall der schwarzen Kutsche des Großbotschafters – durch geschlossene Vorhänge noch verstärkt wurde.[39] Die drei dargestellten Wagen dienen hier nur als Illustrationsbeispiel eines sehr langen Großbotschafterzuges, der sich – wie in der Beschreibung angegeben – aus mehreren hundert Fahrzeugen zusammensetzte. Die Anzahl der Kutschen, des Gepäcks und der Präsente spiegelt nicht nur die zeremonielle, sondern auch die politische Bedeutung des Botschafters, der die Hoheit und den Reichtum des Herrschers angemessen repräsentieren sollte. [40]

2. Doppelbild: „Aufmarsch der Grenadiere“

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Auf dem linken Bild sind noch weitere nicht militärische Teilnehmer des Großbotschaftereinzuges abgebildet: Die sieben Maultiere, die von zwei Beiläufern angeführt werden, sind mit goldbestickten Schabracken aus rotem Samt und goldenem Zaumzeug geschmückt. Außerdem befinden sich noch dreifarbige Federbüsche auf ihren Köpfen und auf den „höckerförmigen Aufsätzen“, was den theatralischen Charakter des Großbotschaftereinzuges unterstreicht. Darüber hinaus sind die Maultiere im Vergleich zu der Anordnung der Grenadiere auf dem rechten Bild noch deutlich größer dargestellt.

Bereits seit dem Ende des 15. Jahrhunderts sind neben Paradepferden, Geschenk- und Gepäckwagen auch prunkvoll geschmückte Maultiere bei fürstlichen Einzügen bezeugt: Der Aufbruch des Hofes des Herzogs von Ferrara nach Rom beinhaltete u. a. mehrere hundert Paradepferde und Maultiere, von denen etliche mit karmesinrotem Samt geschmückt und mit wertvollen Einrichtungsgegenständen beladen wurden.[41] Daher könnte es sich bei den „höckerförmigen Aufsätzen“ der Maultiere im Reportagebuch auch um wertvolle Utensilien des höfischen Gefolges handeln. Prunkvolle Einzüge mit prachtvollen Kutschen, Handpferden und Maultieren als Gepäcksträger gehörten auch noch im frühen 18. Jahrhundert zum Standard der höfischen Repräsentation.[42]

Der Aufmarsch der Grenadiere charakterisiert zur Gänze das rechte Bild und betont das militärische Rahmengefüge des Großbotschaftereinzuges, der in den folgenden Doppelbildern noch verstärkt wird.

Hier werden zwei Regimenter von Grenadieren gezeigt, die jeweils in 6 Reihen zu je 6 Personen angeordnet sind. Sie tragen enge Hosen mit rosafarbenen Gamaschen, graue, knielange Mantelkleider mit roten Manschetten, Halbschuhe mit kurzen Absätzen und schwarz-gelbe, spitz zulaufende Pelzmützen mit herabhängendem Beutel. Außerdem trägt jeder Grenadier bis auf die zwei Trommler, die jeweils in der Mitte der vordersten Reihe der Regimenter stehen, einen Säbel und ein Gewehr.[43] Die Trommler gehören neben den Pfeifern zu jenen Militärmusikern, die die Infanterie mit Marschmusik begleiten.[44] Die Grenadiere als Infanterietruppen werden in der kaiserlichen Armee erstmals 1664 erwähnt. Um 1720 war bereits die Vereinheitlichung ihrer Uniformierung weitgehend abgeschlossen.[45] Die Einfärbung der Hosen, Pelzmützen und Manschetten dienen hier und in den folgenden Doppelbildern zur Unterscheidung der verschiedenen Infanterie- und Kavallerieregimenter.

3. Doppelbild: „Die Militärparade des Großbotschafters Damian Hugo von Virmont“

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An der Spitze des Zuges befindet sich der Großbotschafter Virmont, der in herrschaftlicher Manier ein schwarzes Pferd reitet und von 12 Infanteriesoldaten, gruppiert in 3 Reihen zu je 4 Personen, begleitet wird. Ihre Kostüme – graue Mantelkleider mit roten Manschetten und rosafarbenen Gamaschen – ähneln den Grenadieren im 2. Doppelbild, wohingegen ihre Bewaffnung auf den Degen beschränkt ist. Der höhere Rang dieses Infanterieregiments und ihre Zugehörigkeit zum Großbotschafter erklärt sich durch die goldenen Knöpfe ihrer Mantelkleider. Der Großbotschafter selbst trägt, wie alle Teilnehmer dieses Blattes, einen Dreispitz als Kopfbedeckung und ein rotes Mantelkleid mit Goldstickerei. Zusätzlich wird er noch durch sein schwarzes Pferd hervorgehoben, das mit einer blauen, goldbestickten Satteldecke und einem goldenen Zaumzeug ausgestattet ist. Sein bedeutender Rang erklärt sich durch seine Positionierung am Anfang des Zuges, seine Haltung, Kleidung und der Anzahl seiner Begleiter,[46] von denen die restlichen noch auf dem 4. Doppelbild dargestellt werden. Die Darstellung des Großbotschafters als führender Reiter seines Zuges erinnert an herrschaftliche Reiterporträts, die den Fürsten oder König in derselben Reiterpose zeigen, wie z.B. den französischen König Ludwig XIV. in einem Reiterbildnis aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts im Musée des Beaux-Arts in Dijon:[47] Die Präsenz der dargestellten Person – im Reportagebuch vertritt der Großbotschafter den Kaiser – wird durch die Kleidung und Insignien zeichenhaft überhöht, wodurch die Theatralität der Herrscheridee nach außen getragen wird.[48] In ähnlicher Aufmachung, aber in etwas weniger prunkvoller Darstellung, folgt der Zug des Oberstallmeisters, der sich aus Infanteristen und Kavalleriesoldaten zusammensetzt, deren Pferde rote, goldbestickte Satteldecken tragen. Die besondere Stellung des Oberstallmeisters kennzeichnet wieder, wie im Fall des Großbotschafters, seine Positionierung am Beginn des Zuges, sein rotes mit Goldbordüren geschmücktes Mantelkleid und die blaue mit Goldstickerei versehene Satteldecke seines weißen Pferdes.

In der Kostümierung und Ausstattung des Gefolges des Oberstallmeisters ergeben sich im Vergleich zu den Fußsoldaten des Großbotschafters keine Unterschiede. Der Oberstallmeister erfüllte im kaiserlichen Hofstaat die Aufsicht über die Sattel- und Rüstkammer sowie die Wagenburg und den Marstall. Darüber hinaus ist dieser eng mit der Person des Fürsten bzw. mit der des Grafen Virmont verknüpft, da er ihn bei seinem Ausritt gewöhnlich begleitet.[49]

Der musikalische Rahmen des Zuges wird von den sich auf der linken Bildhälfte gruppierenden Hauptboisten gebildet, wodurch der festliche und bühnenhafte Charakter der Militärparade verstärkt wird. Das Regiment der Hauptboisten entwickelte sich aus den Spielleuten, die die kaiserliche Armee spätestens seit dem Dreißigjährigen Krieg mit ihren Pfeifen und Trommeln begleiteten, um die Signale für verschiedene Marschbefehle anzuzeigen. Ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen dann die Oboen und Fagotte hinzu, die ab 1700 den Kern kleinerer Ensembles aus „Harmonien“ oder Hauptboisten bildeten.[50]

Das Ende des Zuges besteht aus drei Repräsentanten der kaiserlichen Infanterie, deren Dienstgrade durch die Farbe ihrer Kostüme sowie ihre unterschiedlichen Waffen (Hellebarde, Fahne und Lanze) hervorgehoben werden. In der Prachtentfaltung unterscheiden sie sich aber kaum. Die erste und ranghöchste Position nimmt der „Capitain“ bzw. der Hauptmann ein, der die militärische Truppe anführt, welchem die beiden niedrigeren Ränge wie der Fähnrich, dem die ehrenvolle Aufgabe der Verteidigung der Fahne gebührt, und der Sergeant unterstellt sind.[51]

4. Doppelbild: „Aufmarsch der Kavallerie“

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Auf der linken Bildhälfte setzt sich der Zug des Großbotschafters vom 3. Doppelbild fort: Er besteht aus insgesamt 24 Infanteriesoldaten, die mit dem gleichen Kostüm ausgestattet sind wie jene, die den Großbotschafter umgeben.

Die Bedeutung des Blattes konzentriert sich auf das Zentrum mit der Darstellung der Kavallerie, deren Kleidung oder Satteldecken farblich und mit Goldstickerei hervorgehoben werden und daher der prachtvollen Darstellung des Oberstallmeisters im 3. Doppelbild in nichts nachsteht. Dieselbe Stufe der Prachtentfaltung trifft auch auf die Dienerschaft der Kavalleristen zu.

Die Hierarchisierung innerhalb dieses Regiments ist im Vergleich zum Zug des Großbotschafters deutlich zurückgenommen. Der Schwerpunkt des Blattes verschiebt sich daher auf die militärische Komponente des Zuges: In der vordersten Reihe der Kavallerie befindet sich in mittiger Position der Fahnenträger, der eine Fahne mit dem Bild des kaiserlichen Doppeladlers trägt. Sein Habitus ähnelt ein wenig der Reiterpose des Großbotschafters, dennoch versinnbildlicht er nicht so sehr die kaiserliche Präsenz, sondern vielmehr seine äußerst ehrenvolle Funktion in dem Regiment: Der Fahneneid verpflichtet den Träger, der oft den niedrigsten Rang in der adeligen Offizier-Charge einnimmt, die kaiserliche Fahne bis auf den letzten Blutstropfen vor dem Gegner zu verteidigen. Der Ruhm und Geist dieser Truppe steht daher völlig im Dienst des Monarchen. Die Erbeutung von gegnerischen Fahnen galt als besonders ehrenvoll. Das Bild unterstreicht somit ihre symbolische Bedeutung für die kaiserliche Armee.[52]

5. Doppelbild: „Der Paradezug des Hofmarschalls“

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Im Gegensatz zum vorhergehendem Doppelbild ist hier wieder eine deutliche Hierarchisierung der Hofbeamten zu beobachten: Der vordere Zug wird vom Hofmarschall geleitet, der wieder durch seine Positionierung an der Spitze und durch seine Reiterpose als die wichtigste Person dieses Doppelbildes gekennzeichnet wird. Die Prachtentfaltung der Kostümierung (Farbe, Material etc.) seines aus 18 adeligen Reitern („Gentilhommes“) bestehenden Paradezuges ist dem Zug der Kavalleristen im 4. Doppelbild ebenbürtig. Damit tritt die repräsentative Symbolik des Fahnenträgers, der sich auch hier in der Mitte der vorderen Reihe befindet, etwas zurück.

Auf der linken Bildhälfte gruppiert sich der hierarchisch niedrigere Zug des Legationssekretärs, der sich aus sechs geistlichen Teilnehmern zusammensetzt. Seine Position ist mit demjenigen des Hofmarschalls vergleichbar, da er in derselben Prachtentfaltung und Reiterpose dargestellt wird, wobei hier zusätzlich zwei mit Degen bewaffnete Diener die vorderen Zügel halten. Die Rangabstufung der Teilnehmer ist nicht durch die Farbwahl und den Aufwand ihrer Kleidung erkennbar, sondern durch die Positionierung des Prälaten bzw. ihres Vorstehers am Ende des Zuges. Dieses Doppelbild weist auf die zeremonielle Funktion des Hofmarschalls als Empfänger ausländischer Gesandtschaften hin, die er am Tag des Einzuges vor den Toren der Stadt abholte, um sie danach in ihr Quartier zu geleiten.[53]

6. Doppelbild: „Paradezug des Hofmeisters“

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Wie auch im Fall der Darstellung des Hofmarschalls im vorangehendem Doppelbild, ist hier der Hofmeister vor allem durch seine Positionierung an der Spitze seines Regiments - bestehend aus 15 Offizieren der Kavallerie - hervorgehoben. Dahinter folgt der Zug der Sprachknaben mit den adeligen Kanzlei- und Hofbediensteten, die hier wieder nicht durch ihre Kostümierung, sondern durch ihre hierarchische Anordnung differenziert werden. Die höchste Stellung am Hof gebührt dem Hofmeister, dem die Leitung und Organisation der kaiserlichen Hofämter obliegt, wie z.B. des Personals der Hofbibliothek, das neben den Dolmetschern auch die Sprachknaben einschließt, deren Bedeutung für die Großbotschaft durch ihre Positionierung an der Spitze demonstriert wird. Erst danach folgen die Mitglieder der Hofkanzlei und ihre adeligen Diener auf dem linken Bildrand. [54] Auf der rechten Bildhälfte treten noch die hochangesehenen Militärmusiker der Kavallerie - bestehend aus vier Trompetern und einem Pauker in der Mitte - auf. Die Trompeter und der den Takt vorgebende Pauker begleiten mit ihrem Marschsignal die Offiziere des Hofmeisters.[55] Sie tragen schwarze Kostüme mit goldenen Bordüren und sitzen auf den mit Gold bestickten Satteldecken ihrer Pferde und sind daher ähnlich prachtvoll gekleidet wie die Sprachknaben und Hofdiener auf der linken Bildhälfte. Der hohe Rang des Hofmeisters innerhalb des kaiserlichen Hofstaats wird somit durch die große Anzahl der ihm unterstellten Mitglieder der Großbotschaft (9 Sprachknaben, 4 Kanzleibeamte und 18 „Gentilhommes“, 15 Kavalliere und 5 Musiker) veranschaulicht.

7. Doppelbild: „Die kaiserliche Militärparade des Großbotschafterwechsels“

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Das letzte Blatt vor dem Grenzzeremoniell veranschaulicht die Militärmacht des Kaiserreichs. Die verschiedenen Infanterie- und Kavallerieregimenter der kaiserlichen Armee kommen auf 60 bzw. 80 Schritt vor der ersten Grenzsäule zum Stehen[56]: Die Einheiten (Husaren, Dragoner, Kürassiere und Grenadiere) sind auf der rechten Bildhälfte in 8 Reihen zu je 4 Mann angeordnet, während auf der linken der Paradezug mit 14 Handpferden und der gleichen Anzahl von Dienern unter Führung des Stallmeisters, der von zwei Hofkurieren begleitet wird, abgebildet ist. Wie bereits in den anderen Doppelbildern beschrieben, werden die bedeutendsten Persönlichkeiten des Zuges auch hier wieder durch ihre Positionierung, Habitus, Kleidung und Anzahl des Gefolges hervorgehoben. Die Spitze des Zuges bilden die beiden Hofkuriere, die durch ihre mit Goldbordüren geschmückten und farblich unterschiedlichen Kostüme hervorstechen. Während sich die beiden berittenen Kuriere vom Betrachter abwenden, folgt der Stallmeister auf seinem Pferd in Dreiviertelansicht, was seine Funktion und seinen Rang in dieser Parade hervorhebt.

Die prächtige Ausstattung der Handpferde mit goldbestickten Schabracken aus rotem Samt geben Einblick in das festliche Rahmengefüge des Großbotschafterwechsels, worauf bereits im 1. Doppelbild und 2. Doppelbild eingegangen wurde. Der theatralische Einzug der österreichischen Prinzessin Maria Josepha am 2. September 1719 in Dresden veranschaulicht deutlich das Zusammenspiel von Militär, Fest und Kostümierung, spezifische Elemente, die sich auch in politischen Ereignissen wie dem Großbotschafterauswechsels widerspiegeln. Im Kupferstich-Kabinett in Dresden wird der festliche Einzug jeweils auf einem Blatt in drei Streifen dargestellt, wo der Generalpostmeister mit den Postillionen die Parade eröffnet. Danach treten der Oberstallmeister, die Handpferde, Maultiere, Paradewagen auf, die von den höchsten sächsischen Hofbeamten und militärischen Truppen wie Kürassieren, Dragonern und Grenadieren begleitet werden.[57] Mögliche Vorbilder für diese in einem militärischen Rahmen eingebetteten Einzüge stammen noch aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, wie es z.B. der Kupferstich von Wenzel Holler (1607–1677) veranschaulicht.[58]

Die einzelnen Regimenter im Reportagebuch sind hier deutlich durch ihre Kopfbedeckung, Bewaffnung (Gewehr, Säbel, Degen etc.) sowie durch die Art und Einfärbung ihrer Ausrüstung unterschieden. Die Husarentracht setzt sich aus dem Krummsäbel mit abgeflachter Klinge, einer Beutelmütze, weiter Hose und langem Mantelkleid in blauer Farbe, das jedoch im Gegensatz zu den Kostümen der anderen Einheiten keine Knöpfe aufweist, zusammen. Farbe und Form der Uniform dieser ungarischen Militäreinheit war bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr unterschiedlich.[59] Die Dragoner sind mit Degen bewaffnet und tragen schwarze Dreispitze und graue Kostüme, lediglich die Armborten sind mit roter Farbe hervorgehoben. Die danach folgenden Kürassiere unterscheiden sich von ihnen kaum. Grundsätzlich sind die Kürassiere im Gegensatz zu den Dragonern, die unter der Bekleidung einen ledernen Koller tragen, mit einem eisernen Burstharnisch ausgestattet. Die rote Farbe dient bei ersteren als Unterscheidung der Regimenter, was jedoch hier auch auf die Dragoner übertragen wird.[60]

Die dritte Gruppe setzt sich aus zwei Kompanien Grenadiere zusammen, wie aus der des Prinzen Alexander und der des Kommandanten Geschwind, die unter der Befehlsgewalt des Grafen von Waldeck stehen.[61] Die letzteren tragen gelb-schwarze Mützen und ein graues Mantelkleid mit roten Manschetten und ähneln daher den Grenadieren, die im 2. Doppelbild dargestellt sind. Die ersteren unterscheiden sich zwar durch ihre gelben Mantelkleider und rot-schwarzen Mützen, gleichen sich aber in der Tracht sowie der Bewaffnung völlig. Im Vergleich zum Zug des Stallmeisters ist die Pracht der Ausrüstung und Bewaffnung stark reduziert und die eigentlich 1700 Mann erfassende Armee beschränkt sich wie die Kutschen und Gepäckwägen im 1. Doppelbild auf eine verkürzte Darstellung von insgesamt 128 Soldaten. Die symmetrische und gestaffelte Anordnung der einzelnen Regimenter verweisen auf die Prinzipien der Ordnung und Disziplin in der kaiserlichen Armee zu Beginn des 18. Jahrhunderts sowie auf die zunehmende Vereinheitlichung der militärischen Formensprache.

8. Doppelbild: „Das Grenzzeremoniell“[62]

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Dieses Blatt visualisiert den Ablauf und die Struktur des Grenzzeremoniells, das in drei Phasen abläuft: In der ersten Phase stehen die beiden Repräsentationsmächte einander als gegensätzliche Militäreinheiten gegenüber, was sich in den kaiserlichen Doppelbildern vor und in den osmanischen Pendants nach dem Zeremoniell zeigt. Die hier dargestellte zweite Phase kennzeichnet die Auflösung der kriegerischen Grenze durch das Zeremoniell der symmetrischen Annäherung. Die zeitweise Aufhebung der Rangunterschiede ermöglicht gleichzeitig auch eine Neutralisierung der Gegensätze, die durch die Schaffung von räumlichen Symmetrien hergestellt wird. Die Grenze versinnbildlicht die Front einer Schlacht, deren kriegerisches Potenzial durch eine symmetrische Annäherung an einen neutralen Ort gänzlich aufgelöst wird und zu einem Akt der Verbrüderung führt.[63] Der durch das Zeremoniell geschaffene harmonische und alle Konflikte ausblendende Begegnungsraum löst sich beim Auseinandergehen in der dritten Phase auf.[64] Die letzte Phase ist in diesem Doppelbild nicht mehr dargestellt, sondern der „Akt der Verbrüderung“ erfährt seine Fortsetzung beim Empfang und gemeinsamen Mahl im Festzelt einige Zeit später (siehe Audienzen).

Die symmetrische Annäherung geschieht im Bild — wie in beiden Berichten beschrieben[65] — innerhalb der drei Säulen: Im Zentrum befindet sich die mittlere Säule, die von beiden Seiten jeweils von zwei Stühlen umgeben ist. Auf der linken Seite nimmt Oduyer auf dem unteren Stuhl Platz, wobei der obere für den Großbotschafter reserviert bleibt. Hinter Oduyer steht der kaiserliche Dolmetscher, der ihm gerade den Stuhl zurechtrückt. Sowohl der Generalfeldwachtmeister als auch der nächste im Rang, der Hofmarschall, fallen durch ihre farbige und prachtvolle Kleidung auf: Oduyer trägt einen roten, goldbestickten Rock sowie einen blauen, ebenso bestickten Mantel, während beim Hofmarschall nur der rote Mantel vergleichbaren Dekor aufweist. Ein kleines Stück hinter dem Hofmarschall halten sich noch der Leutnant und der Adjutant Oduyers mit den Hofdienern und zwei Beiläufern auf. Der Rang des Freiherrn wird hier weniger durch seine aufwendige Kleidung als durch seine vorrangige Position in der Gruppe verdeutlicht.

In angemessenen Abstand hinter Oduyer und seinen Begleitern beziehen elf Kavaliere mit dem Stallmeister, ihren Dienern und den Pferden Stellung. Diese beiden Verbände bilden eine geschlossene Reihe hinter der Gruppe um Oduyer. Der Mantel des Stallmeisters und eines jeden Reiters sind ähnlich aufwendig dekoriert wie bereits beim Hofmarschall beschrieben. Die Pferde tragen farbige, mit Mustern bestickte Schabracken, von denen das erste neben dem Stallmeister, der im Gegensatz zu den Reitern zu seiner Linken einen Dreispitz trägt, dem Grafen Oduyer zugeordnet werden kann.

Gleich hinter seinem Pferd, etwas oberhalb der äußeren Säule, gruppieren sich die serbischen Infanteriesoldaten Oduyers: acht Fußsoldaten, die Hayduken (Heyducken), die zur Verteidigung der Militärgrenze herangezogen wurden, zeichnen sich durch ihre „national“ geprägte Uniform aus. Sie tragen aufwendig bestickte Mäntel und „bienenkorbförmige“ Filzmützen, die ähnlich wie die Janitscharenmützen (vgl. 16. Doppelbild und 17. Doppelbild) auf der Vorderseite eine Feder aufweisen.[66] Dahinter gruppiert sich noch die lange Reihe ihrer zwölf Diener, die beinahe bis an den linken Bildrand reicht, was auf die hohe Stellung und Funktion der Hayduken im kaiserlichen Heer hinweist.

Die rechte Bildhälfte wird von der osmanischen Delegation eingenommen: Auf dem unteren Stuhl sitzt der Seraskier von Niš, Abdullah Pascha, in Begleitung seines Dolmetschers. Der obere Stuhl wird wie auf der kaiserlichen Seite für den Großbotschafter Ibrahim Pascha freigehalten. Die fünf osmanischen Würdenträger, die sich um den Seraskier gruppieren, tragen farbige Kleider und Turbane. Während der höhere Rang des Seraskiers durch einen hohen Turban angedeutet wird,[67] gibt es bei den beiden Paschas, dem Feldflaschenträger (Matarani bzw. Mataracı) und dem Vorsteher der Zeltaufschlager (Doffisi bzw. Deveci) kaum Unterschiede in Bezug auf Kleidung, Position und Habitus. Die Repräsentation der osmanischen Delegation ist hier im Vergleich zur kaiserlichen bewusst zurückhaltender gestaltet, was sich nicht nur in der geringeren Anzahl der Paschas um den Seraskier, sondern auch in der reduzierten Größe und Prachtentfaltung der osmanischen Würdenträger und Militäreinheiten zeigt. Kurz vor der türkischen Säule erscheinen auf der rechten bzw. osmanischen Bildhälfte als Gegenbild zu den kaiserlichen Kavalleristen und Hayduken zwei verschiedene Einheiten von Fußsoldaten: Die erste Reihe besteht aus sechs Zeltaufschlagern bzw. Çadiren (Chatirn) und die beiden hinteren Reihen aus ebenso je sechs Mantelträgern bzw. Çuhādāren (Cruhatarn).[68] Sie tragen wie die anderen osmanischen Würdenträger farbige Kleidung, aber kleinere bzw. einfachere Turbane. Im Gegensatz zu den kaiserlichen Militäreinheiten sind jene aber mit Säbeln und Gewehren ausgestattet. Als Ausgleich erscheint am unteren Ende der linken bzw. kaiserlichen Bildhälfte der in einem roten Mantel erscheinende Kanonenmeister, der die sechs aneinandergereihten Kanonen mitsamt seinen drei Gehilfen im Blick behält.

Obwohl die Reihe der Paschas, Agas und Janitscharen in Anzahl und Pracht reduziert dargestellt ist, wird die Ebenbürtigkeit der Großbotschafter durch die hinter der äußeren Säule erscheinenden 8 Pferde der begleitenden Aghas angedeutet, die in den dargestellten Pferden des kaiserlichen Großbotschafters auf der linken Bildhälfte ihr gleichwertiges Pendant finden.

Neben der Darstellung von verschiedenen Waffen sind die mit Goldstickerei versehenen Schabraken der Pferde der einzige Verweis auf die sonst prunkvoll ausgestatteten Prozessionszüge der Osmanen. Beispielsweise tragen die Teilnehmer der osmanischen Botschaft des Mehmed Effendi im Tuilerien-Palast von Paris am 21. März 1721 aufwendige Kostüme, Turbane, Waffen und Schmuckgegenstände, wie sie der französische Künstler Charles Parrocel in seinem Ölgemälde veranschaulicht.[69]

Der Osmanische Zug

9. Doppelbild: „Die osmanische Militärparade vor dem Großbotschafterwechsel“

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Die linke Bildhälfte wird von zwei verschiedenen Regimentern der osmanischen Armee bestimmt: Es gruppieren sich Infanterie- (Janitscharen bzw. Yeñiçeri) und Kavallerieregimenter (Spahi bzw. Sipāhī) nebeneinander, die wie die kaiserliche Militärparade im 7. Doppelbild 1700 Mann umfassen. Im Gegensatz zu den Janitscharen, die hauptsächlich aus der Auslese christlicher Knaben bestanden und am Hof des Sultans erzogen (devşirme) worden waren, besaßen die „Spahi“ eigenes Land (tīmār).[70] Allerdings geriet diese reguläre, leicht bewaffnete Reiterei nicht nur gegenüber den mit Pistolen und Gewehren ausgestatteten Janitscharen ins Hintertreffen, sondern hielt kaum noch den schwer bewaffneten Husaren (siehe 7. Doppelbild) stand, die sich aus Kroaten, Ungarn und Serben zusammensetzte und nach dem Vorbild der irregulären, leichtbewaffneten Kavallerie der Deliler (siehe 10. Doppelbild) gebildet wurde.[71]

Was die Uniform und Kopfbedeckung dieser Truppen betrifft, sind sie sehr einheitlich gestaltet und werden allenfalls nur farblich voneinander unterschieden. Die osmanischen Reiter sind mit Säbel, Speer und Bogen ausgerüstet, während die Janitscharen neben dem Säbel auch ein Gewehr tragen. In der Bildmitte ist eine weitere Infanterieeinheit der Janitscharen, die Deveci (Deferckerisch) abgebildet, die vor allem als Eskorte bei zeremoniellen Anlässen eingesetzt werden.[72]

In der rechten Bildhälfte erkennt man noch den Anführer der Kavallerieeinheit der Kapı kulı („Sklaven der Pforte“), hier als „Ianati“ bezeichnet, die sich aufgrund ihrer auf Speere befestigten Fähnchen identifizieren lassen.[73] Sie gleichen zwar hinsichtlich Mannstärke und Ausrüstung der Einheit der Deliler, gehören aber wie die oben erwähnten Janitscharen zur stehenden Armee des Sultans.[74]

Somit präsentiert sich hier die gesamte Militärmacht der Osmanen mit samt den im unteren Mittelfeld platzierten Kanonen (Artillerie), die jedoch bei der habsburgischen Delegation im 8. Doppelbild bereits im Rahmen des Grenzzeremoniells erscheinen. Die größte Gruppe der Regimenter bilden jedoch die Janitscharen, die nicht nur wichtige militärische Funktionen innehaben, sondern sich auch durch ihre zeremonielle Rolle im osmanischen Staat (diwān-i hümāyūn) auszeichnen.[75]

10. Doppelbild: „Der Zug der Fahnen- und Standartenträger“

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Hier bestimmen drei unterschiedliche militärische Einheiten das Geschehen: Zunächst findet man auf der rechten Bildhälfte die Parade des Oberstallmeisters, die bis in die linke Bildhälfte des 11. Doppelbildes hineinreicht. Die wichtigste Darstellung des Doppelbildes konzentriert sich auf die Gruppe der Standarten- und Fahnenträger, deren hierarchische Stellung durch ihre Kopfbedeckungen erkennbar werden: Die beiden Anführer in der Mitte der hinteren Reihe tragen hohe Turbane, die von einer Aigrette geschmückt sind.[76] Außerdem verweisen die beiden Ross-Schweife (Tugs) auf den Rang eines Paschas.[77] Der Bostancı (Postacri) und Ḫaṣṣekī (Husaki) Pascha sind die Anführer der militärischen Kompanie der „Gärtner“, die ursprünglich aus der Palastschule der Janitscharen stammten[78] und gleichzeitig die manuelle Arbeit in den imperialen Gärten leisteten, bevor sie zu Beginn des 18. Jahrhundert auch als militärische Einheiten bei öffentlichen Paradezeremonien und bei osmanischen Feldzügen eingesetzt wurden.[79] Außerdem wurde dem Pascha dieser Einheit das Privileg zuteil, den Steigbügel und Helm des Sultans während seiner Paraden in Istanbul zu führen.[80]

Die Fahnen (Bayrak) sind detailliert mit goldenen Borten und Monden dargestellt, die eine große Bedeutung in der Ideologie und Organisation des Osmanischen Reiches spielen. Jedes größere Regiment in der osmanischen Armee erhielt vom Sultan eine eigene Fahne. Die Fahnen variierten nach Größe, Form, Farbe und Kostbarkeit der Materialien: Die wertvollsten Fahnen (heilige Fahne Muhammeds, Fahne des Sultans und seiner Wesire) sowie die der hohen osmanischen Würdenträger waren aus kostspieligen Stoffen (z.B. Seide) gefertigt und trugen aufwendige Inschriften in Gold und Silber sowie komplexe, künstlerische Motive.[81]

Kleinere Untereinheiten des osmanischen Heeres verfügten über einfachere Fahnen aus groben Leinenstoff, wie z.B. bei der Kavallerieeinheit der Gauckler und Narren (Deliler): Diese waren irreguläre, leichtbewaffnete Soldaten, die von hohen osmanischen Würdenträgern vor allem für die Verteidigung der nördlichen Grenze des osmanischen Reiches in den Dienst genommen wurden. Obwohl der Anführer dieser Einheit (deli-başı) normalerweise eine Kompanie mit bis zu 60 Soldaten kommandiert, zeigt sich sein höherer Rang im Doppelbild nur durch seine Positionierung am Beginn des Zuges, der sich hier aus 3 Reihen mit je 7 Mann zusammensetzt.[82]

11. Doppelbild: „Der Zug des Stallmeisters“

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Der Anfang der rechten Bildhälfte wird von weiteren Teilnehmern der Paradezeremonie des Großbotschafters im 12. Doppelbild bestimmt: Als erstes erschient wahrscheinlich der Tafelmeister oder Tafeldecker (Gablug bzw. Sofradschi) im Rang eines Paschas, der sich von den beiden voranschreitenden Dolmetschern durch seinen hohen Turban mit zentraler Aigrette und einem mit goldenen Ornamenten geschmückten Mantel unterscheidet. Dieser Würdenträger gehörte zu den Agas des inneren Palastes.[83] In der Bildmitte präsentiert sich der Unterstallmeister (küçük Mir-Aḫūr), der die gleiche prachtvolle Kostümierung und Kopfbedeckung aufweist wie der Tafelmeister, da er hier als Anführer von 15 osmanischen Würdenträgern (Agas) zu erkennen ist. Zur Aufgabe des Unterstallmeisters gehörte die Aufsicht des geheimen Stalles des Sultans, in dem sich eine kleinere Anzahl an Paradepferden und deren wertvolle Silberausrüstung befand. Danach folgen die mit silbernen Armschilden ausgestatteten Stallburschen (Crausch bzw. Çavūş[84]) in Begleitung mit den prachtvoll geschmückten Pferden des großen Stalles, die häufig bei zeremoniellen Anlässen oder auch bei militärischen Unternehmungen verwendet wurden. Die Aufsicht über den großen Stall hatte der Oberstallmeister (büyük-Mīr Aḫūr) inne, der noch mit weiteren Stallburschen im 10. Doppelbild dargestellt ist.[85]

Die Verwendung von Metallschilden in der Frühen Neuzeit war die Antwort auf die aufkommenden Feuerwaffen, da jene einen besseren Schutz vor tödlichen Verletzungen als die bis dahin verbreiteten Lederschilde boten. Aber auch anlässlich bedeutender Zeremonien wurden Prunkschilde aus Metall verwendet, da sie aufgrund ihrer glänzenden Eigenschaft bei den Betrachtern einen großen Eindruck hinterließen. Die silbernen Armschilde sind vielleicht das Pendant zu der silbernen Ausrüstung der Paradepferde, die aus dem Schatz des geheimen Stalles des Sultans stammen.[86] Jedoch werden im Bild weder das Zaumzeug der Pferde noch die Schilde durch Silbereinfärbungen hervorgehoben. Sie sind stattdessen mit einem schlichten Grau koloriert, um deren prunkvolle Erscheinung etwas in den Hintergrund zu rücken.

12. Doppelbild: „Die Paradezeremonie des osmanischen Großbotschafters“

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Das zentrale Element dieses Bildes ist die Inszenierung des Großbotschafters Ibrahim Pascha, umgeben von hohen osmanischen Würdenträgern und Infanterietruppen. Die Bedeutung der einzelnen Personen und bestimmter militärischer Einheiten wird hier entweder farblich oder durch die Form ihrer Kopfbedeckung hervorgehoben. Darüber hinaus ist für den Rang nur die Positionierung der Pagen oder Würdenträger innerhalb eines Zuges entscheidend. In der Mitte der mit Säbeln und Speeren bewaffneten Mantelträger (Cruhatar bzw. Çuhādār) des inneren Palastes (vgl. 13. Doppelbild) sitzt der Großbotschafter Ibrahim Pascha in einem goldbordierten Mantel gekleidet auf einem weißen Pferd, dessen blaue Satteldecke mit goldenen Ornamenten geschmückt ist. Das Kennzeichen seines hohen Ranges ist der hohe, rote Turban mit einer großen, zentralen Aigrette. Diese Art von Turban tragen weder die ihn flankierenden Würdenträger noch jene Hofbeamte und Pagen, die sich jeweils an den Bildaußenseiten befinden. Nur die Fußsoldaten bzw. Mantelträger tragen hier den gleichen Turbantyp, obwohl ihre Kostüme farblos gestaltet sind. Dennoch könnte es sich um die Anführer (Agas) handeln, die zum persönlichen Geleit des Großbotschafters ausgewählt wurden.[87] Im Gegensatz dazu sind die Zeltaufschlager (Crattin bzw. Çadır Mehteri) in farbiger Kleidung dargestellt, die dem Zug voranschritten, um am nächsten Rastplatz die Zelte aufzustellen.[88]

Die hohen Würdenträger werden mit „Pascha“ tituliert und stehen mit dem Großbotschafter unmittelbar in Beziehung, da sie auf beiden Seiten neben dem Großbotschafter aufgestellt sind. Das Amt des Säbelträgers (Zilligtar bzw. Silāḥdār), gehörte – zusätzlich zu den Steigbügelträgern (Rikābdār), den Mantelträgern (Çuhādār) sowie zu den neben ihm stehenden Feldflaschenträgern (Mataracı) – zu den vier oder fünf wichtigsten Ämtern des inneren Palastes (Enderün). Diese Amtsträger begleiteten ihn häufig bei zeremoniellen Anlässen.[89] Die äußeren Paschas (Doffezi bzw. Deveci) gehören jedoch den Kameltreibern an, die für die Instandhaltung der Zelte und die Aufrechterhaltung des Nachschubes für militärische Truppen zuständig waren. Daher unterstanden ihnen auch die dem Zug voranschreitenden Zeltaufschlager.[90]

Am rechten Bildrand sind weitere wichtige Amtsträger des inneren Palastes hierarchisch angeordnet: Direkt hinter dem Zug des Großbotschafters folgen die ranghöchsten Hofbeamten des inneren Palastes: Der Schatzmeister des Sultans (Hasnatar bzw. Ḫazīnedār-Başı) und ein weiterer Würdenträger, der wie Ibrahim Pascha das Amt des Säbelträgers (Silligahar bzw. Silāḥdār) innehatte. Dieser beaufsichtigte die Waffen und Rüstungsgegenstände und begleitete beispielsweise den Sultan als sein Säbelträger bei öffentlichen Zeremonien.[91] Danach folgen noch zwei weitere Agas, der Schreiber bzw. Sekretär des Schatzmeisters („Hasnakatipi“) sowie der Schüsselverwahrer („Agrator Agisi“ bzw. Anaḫtar Aġası).[92] Danach bildet ein Zug von acht berittenen Kammerdienern (Iitsch Uglani bzw. İç-oġlanı) den Abschluss.[93]

Die Würdenträger auf der linken Bildhälfte bekleideten weitere wichtige Funktionen, wie der Zeremonienmeister (Salama Agasi bzw. Selām Aġası) am Beginn des Zuges,[94] gefolgt vom Pförtner (Capischilar Cagasi bzw. Ḳ̣apucılar Kaḥyā), der den Botschaftssekretär (Divan Effendisi Teutsch Secretary bzw. Diwān Effendisi Çavuş) mit einem Geistlichen (Imam)[95] begleitet. Sowohl der Pförtner als auch der Botschafter gehörten der Ratsversammlung (Diwan) des Sultans an.[96] Dort wurden nicht nur Beschwerden geschlichtet oder Weisungen erteilt, sondern auch Audienzen gegeben und Verhandlungen mit ausländischen Gesandtschaften geführt.[97] Die oben erwähnten Agas waren aber auch Teilnehmer der zeremoniellen Prozession des Sultans (diwān-i hümāyūn).[98]

Doppelbild 13: „Das Gefolge der Kammerherren“

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Die Präsentation der zivilen Hofbeamten des osmanischen Staates wird auf der linken Bildhälfte fortgesetzt mit einem Fokus auf die Darstellung von berittenen Kammerdienern (Itsch mechter bzw. İç-oġlanı)[99]des inneren Palastes (Enderün), die als christliche Knaben in den Provinzen ausgehoben wurden, um in den Palastschulen des Sultans in Istanbul eine differenzierte Ausbildung zu erhalten (devşirme).[100] Dies ermöglichte ihnen, später hohe Posten in der Provinzverwaltung des osmanischen Reichs zu erlangen.[101] Die hierarchische Gliederung der Kammerherren und ihrer Diener zeigt sich dadurch, dass ihre Anführer, ein Aga[102] und ein „Caga” bzw. Kaḥyā[103], in der Mitte des Zuges stehen. Weitere wichtige Angaben bezüglich Kostümierung, Bewaffnung und Schmuck werden hier offensichtlich bewusst ausgespart, um nicht den Eindruck eines mächtigen osmanischen Staates zu vermitteln.

Der rechte Bildrand wird noch von zwei Beiläufern mit ihren Handpferden sowie einer Infanterie-Einheit eingenommen, die aus mit Säbeln und Gewehren bewaffneten Mantelträgern (Czuhatar bzw. Çuhādār) besteht, die zu den persönlichen Dienern der inneren Kammer des Sultans gehörten und für seine Außenbekleidung zuständig waren. Wie die Kammerdiener gehörten auch sie dem inneren Teil des Palastes (Enderün) an, wobei hier jedoch auch auf ihre Schutzfunktion hingewiesen wird.[104]

Doppelbild 14: „Der Aufzug der Musikkapelle“

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Wie bereits im 15. Doppelbild beschrieben, bestimmt die rechte Bildhälfte noch die Fortsetzung des repräsentativen Geschenkzuges der Osmanen, während sich die linke Bildhälfte auf zwei von osmanischen Hofbeamten angeführte Züge konzentriert. Im allgemeinen lassen sich deutliche Unterschiede in der Darstellung im Vergleich zu den adeligen Mitgliedern des kaiserlichen Hofstaates und seiner Militärparaden erkennen: Die detailgetreue Abbildung von osmanischen Kostümen tritt deutlich in den Hintergrund, d.h. die höheren Würdenträger sind fallweise nur – wie auch hier der Musikdirektor und Hofmarschall – durch die mit Goldbordüren dekorierten Mäntel zur erkennen sowie durch deren Pferde mit goldenem Zaumzeug oder prachtvoll ornamentierten Schabracken. Die hierarchische Rangabstufung beschränkt sich bei der Darstellung der Osmanen auf Position und Habitus des Würdenträgers sowie auf die Größe seines Gefolges. Auch die militärischen Einheiten werden für gewöhnlich nur farblich voneinander unterschieden, während man auf Details wie Schmuck und Bewaffnung, mit Ausnahme der Kopfbedeckungen, die vor allem die hierarchische Stellung der Person im Zug noch deutlicher hervorheben, weniger Aufmerksamkeit legt.

Der osmanische Würdenträger des ersten Paradezuges ist der Hofmarschall, der hier auch als „Caga“ bezeichnet wird und ein Gefolge bestehend aus zwei Reihen zu je sieben Hofbeamten anführt. Im Osmanischen bezeichnete man mit „Caga“ bzw. Kaḥyā/Ketḫüdā einen autorisierten Stellvertreter des eigentlichen Würdenträgers.[105] Seine hohe Position wird hier durch seinen aufwendigeren Turban, der mit einer Agraffe geschmückt ist, sowie durch seinen mit Goldbordüren bestickten Mantel hervorgehoben.

Besonderes Interesse dürfte den osmanischen Musikkapellen gegolten haben, da der auf einem Kamel reitende Musikdirektor mit einer Trommel den Takt für den Marsch seines in 3 Reihen zu je 7 Mann geordneten Gefolges vorgibt. Die verwendeten Musikinstrumente ähneln der kaiserlichen Militärmusik wie verschiedene Schlag- (Trommeln, Tamburine) und Blasinstrumente (Flöten, Schalmeien), wovon die letzteren eine besondere Position in den um die Mitte des 18. Jahrhunderts gebildeten Janitscharenkapellen einnehmen werden.[106]

Doppelbild 15: „Der Transport von osmanischem Gepäck und Geschenken“

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Im Gegensatz zur Inszenierung der kaiserlichen Kutschen im 1. Doppelbild erfährt die Darstellung des „Leibwagen[s] des Botschafters“ eine viel schlichtere Ausgestaltung. Während der Leibwagen noch von zwei Pferden gezogen wird, der mit Gold und Silber bestickten Schabracken ausgestattet ist, werden die einfachen Gepäckwagen nur mit einem Ochsengespann geführt. Ebenso wenig wird die Größe des gesamten Botschafterzuges veranschaulicht, da hier im Vergleich zum kaiserlichen Pendant die Angaben zur Anzahl von Last- und Kutschenwagen fehlen. Das Hauptaugenmerk des osmanischen Transportzuges liegt auf der Darstellung der mit den Einrichtungsgegenständen beladenen Maultiere, sowie auf den zahlreichen Präsentpferden, die mit kostbaren Schabracken ausgeschmückt sind, die sich in Material und Ornamentik dem osmanischen Stil angleichen.[107] Im Gegensatz dazu ist die Darstellung der Maultiere und Kamele, die mit grünen Schabrunken und dreifarbigen Federbüschen ausgestattet sind, den kaiserlichen Maultieren auf dem 2. Doppelbild sehr ähnlich: Wie die Kutsche oder der Schlitten erfüllen Pferde und Maultiere in höfischen Kostümfesten hohe repräsentative Funktionen.[108] Die Darbietung der Geschenkpferde, die sich in einem Zug von der linken bis in die rechte Bildhälfte des 2. Doppelbildes fortsetzt (insgesamt 16 Pferde), entspricht jedoch den osmanischen Gepflogenheiten bei Gesandtschaftseinzügen: Je wertvoller und aufwendiger die Geschenke der Osmanen für den hier habsburgischen- Verhandlungspartners sind, desto höher wird dessen diplomatischer Rang eingestuft.[109]

Die Audienzen[110]

16. Doppelbild: „Gegenseitige Visiten des türkischen Großbotschafters und des Generalfeldmarschalls im Festzelt am 27.–28. Juni 1719“[111]

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Auf diesem Doppelbild sind zwei Szenen dargestellt: Das linke Bild zeigt den osmanischen Großbotschafter Ibrahim Pascha beim Empfang in dem Festzelt von Generalfeldmarschall Oduyer. Beide Repräsentanten werden in prächtiger, mit Gold bestickter Kleidung dargestellt, umgeben auf der linken Seite von dem osmanischen Dolmetscher und den hohen osmanischen Würdenträgern (Agas und Paschas) sowie gegengleich auf der rechten Seite vom kaiserlichen Dolmetscher und den adeligen Offizieren. In der Mitte vor dem Zelt warten zwei Stallburschen mit dem Pferd des Großbotschafters, während dahinter und am linken Rand des Zeltes sich noch jeweils vier Gardesoldaten der beiden Repräsentanten positionieren. Es ergibt sich durch die gleiche Anzahl von Hofbediensteten und Fußsoldaten auf beiden Seiten eine symmetrisch aufgebaute Empfangszeremonie, die wie das Grenzzeremoniell auf die politische und militärische Ebenbürtigkeit der beiden Reiche hinweisen soll. Auch die wertvollen Geschenke (Schnalle, Steigbügel, Pferdegeschirr, Säbel) der osmanischen Repräsentanten sind ein Symbol für die Anerkennung der diplomatischen Aufwertung der Habsburger durch den Sultan.[112]

Der Empfang Oduyers durch Ibrahim Pascha im türkischen Festzelt auf dem rechten Bild weist nur wenige Unterschiede auf: Zunächst hebt sich das Festzelt Ibrahim Paschas durch die Bekrönung mit dem Halbmond und seiner Ausstattung im osmanischen Dekorationsstil (z.B. drei türkische Teppiche) deutlich von seinem kaiserlichen Pendant ab: Während der Generalfeldmarschall auf dem linken Bild den osmanischen Großbotschafter auf Stühlen sitzend empfängt, sitzen sie hier auf Sofas unter einem Baldachin. Dadurch wird der Wertschätzung von osmanischer Lebensart und Kultur besonders Ausdruck verliehen, da nach dem Frieden von Karlowitz (1699) die einstige militärische Bedrohung durch das osmanische Reich deutlich zurück gegangen war.

Um die Jahrhundertwende setzte daher eine zunehmende Orientalisierung der höfischen Festkultur ein,[113] was sich anhand der Ausgestaltung und Innenausstattung von Zelten, die im Rahmen von öffentlichen Ereignissen, wie z.B. des Empfangs der habsburgischen Prinzessin Maria Josepha in Dresden nachweisen lässt: Nachdem die Vermählung zuvor am 20. August 1719 in Wien während der Anwesenheit des osmanischen Großbotschafters Ibrahim Paschas stattgefunden hatte, reiste das Brautpaar nach Dresden, wo es am 2. September ankam, um danach in osmanischen Festzelten empfangen zu werden. Die Federzeichnung von Raymond de Leplat zeigen ähnlich wie auf diesem Doppelbild Zelte mit osmanisch beeinflussten Bekrönungen, wie z.B. einem Halbmond oder einer Fahne mit scheinbar türkischen Inschriften.[114]

Außerdem wird noch der „Akt der Verbrüderung“ (siehe 8. Doppelbild) durch das gemeinsame Mal demonstriert, in dem die Repräsentation des Botschafters zum Ausdruck kommt: Das beim Empfang verwendete Tafelgeschirr sowie die Art und Materialität der Sitzmöbel sollen wie die Kleidung seinem Rang entsprechen.[115] Die fürstlichen Tafeln hatten in der Frühen Neuzeit die Aufgabe, die gesellschaftlichen Schichten durch die Auswahl der Speisen, des Tafelgeschirrs, der Ausstattung des Tafelzimmers sowie durch die Einhaltung der Tisch- und Sitzordnungen zu unterscheiden. Der Vorteil zu anderen zeremoniellen Handlungen zeigt sich im Tafelzeremoniell im gemeinschaftlichen Akt, der die soziale Distinktion zurücktreten lässt. Daher dient es insbesondere bei diplomatischen Ereignissen zur Überbrückung von kulturellen Unterschieden.[116] Dementsprechend ist in diesem Doppelbild der Vorrang der Einzelperson nicht erwünscht. Dies zeigt sich nämlich in der Auswahl der runden Tischform, aber auch in der Verwendung bestimmter Sitzmöbel: Während des kaiserlichen Empfangs sitzen die beiden Repräsentanten auf gepolsterten Sesseln ohne Armlehnen, wohingegen die anderen beiden Botschafter auf einem osmanischen Sofa Platz nehmen, womit nicht nur ihrem gesellschaftlichen Rang, sondern auch der Angleichung an die Gepflogenheiten der jeweils anderen Kultur Rechnung getragen wird.[117]

Darüber hinaus fällt bei der Darstellung der Mahlszene im türkischen Zelt ein interessanter Ausstattungsgegenstand auf: Die beiden Repräsentanten sitzen auf Sofas, über denen sich ein auf vier Säulen ruhender Baldachin erhebt. Dieser besteht aus einem roten, mit Blumen bestickten Atlas und erinnert an den in einem Ölgemälde von Jean Baptiste Vanmour dargestellten Thron Sultan Ahmeds III., der in seinem privaten Audienzraum aufgestellt ist. Auch hier sitzt der Sultan auf einem Sofa unter einem Baldachin auf vier Säulen, der mit einem sehr kostbaren, vergoldeten Stoff ausgestattetet ist.[118] Das mit einem Ehrenteppich oder Baldachin versehene Tafelzimmer galt auch im kaiserlichen Hofzeremoniell als Standessymbol.[119]

Das Interesse an der höfischen und militärischen Kultur des Osmanischen Reichs verdrängte zunehmend der Furcht vor dem einst übermächtigem Feind, was sich in der Reduktion der militärischen Präsenz vor dem osmanischen Zelt zeigt: Man verzichtet hier auf die Darstellung der vier Grenadiere und stattdessen werden hier nur wie auf der linken Szenerie die vier Offiziere der Janitscharen wirklichkeitsgetreu dargestellt, da sie ihre typische Kopfbedeckung, die hohen Mützen mit den Federhülsen, tragen, wie es das Beispiel eines hochrangigen Janitscharenoffiziers im Ölgemälde von Jean Baptiste Vanmour im Rijksmuseum in Amsterdam zeigt.[120] Der Respekt und die Anerkennung gegenüber dem osmanischem Militär und Hofzeremoniell zeigt sich aber auch in deren Integration in höfische Festumzüge, wie z.B. das Cartel-Rennen von 1697, bei dem der sächsische Kurfürst August der Starke als Sultan verkleidet mit einer Einheit von Janitscharen auftritt.[121]

17. Doppelbild: „Gegenseitige Visiten der diplomatischen Repräsentanten im Festzelt kurz nach dem Großbotschafterwechsel am 15.6.1719“[122]

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Gegenüber dem 16. Doppelbild ergeben sich hier kaum formale und inhaltliche Unterschiede: Auf der linken Seite wird der Empfang des osmanischen Großbotschafters beim Generalfeldmarschall im kaiserlichen Zelt dargestellt, während die rechte Seite den Empfang des kaiserlichen Großbotschafter Virmont durch den Seraskier von Niš zeigt. Die Ereignisse fanden kurz nach dem Botschafterauswechsel statt: Daher sind hier auf beiden Seiten jeweils vier Grenadiere und Janitscharen dargestellt, was die vom Grenzzeremoniell implizierte militärische und politische Ebenbürtigkeit noch deutlicher als im 16. Doppelbild veranschaulicht. Außerdem verzichtet man unter Rücksichtnahme des Prinzips der Gleichwertigkeit auf eine ausführliche Darstellung der Innenausstattung des türkischen Zelts. Ein weiterer Unterschied betrifft die Darstellung der beiden Tafelszenen: Während die Empfangsszene im kaiserlichen Zelt gleich wie im 16. Doppelbild gestaltet wird, nimmt der Großbotschafter Virmont im türksichen Zelt sein Mal nicht auf einem Sofa, wie der Seraskier, sondern in erhöhter Position auf einem Schemel sitzend ein, wodurch man auf seinen höheren Rang aufmerksam macht.[123]