Über das Werk
Von Laila Dandachi
Der niederländische Kupferstecher und Verleger Pieter Schenk I. (1660–1711)
arbeitete mit seinem Neffen Leonhard Jansson Schenk sowie mit dem Kupferstecher
und Radierer aus Utrecht, Adolf van der Laan zusammen. Den Schwerpunkt seiner
Arbeiten bildeten zunächst Porträts, topographische Ansichten und Schabkunst.
Erst später erweiterte er sein Verlagsprogramm auf Landkarten. Sein
Hauptstandort befand sich in Amsterdam, wo er 1695 zusammen mit dem dort
ansässigen Kupferstecher und Verleger Gerard Valck das Druckprivileg der
holländischen und westfriesischen Stände erwarb. Später gründete sein Sohn
Pieter Schenk II. eine weitere Niederlassung in Leipzig und spezialisierte sich
auf mitteldeutsche Landkarten und Stadtpläne, insbesondere des kursächsischen
Raumes, wie z.B. Ansichten von Dresden, Leipzig, Merseburg und Weißenfels.
Darüber hinaus fertigte er für den polnischen König Friedrich August III. (reg.
1733–1763) eine Postkartenroute des Kurfürstentums Brandenburg (1710) und auch
eine Karte des polnischen Reiches (1711) an. Nach seinem Tod kümmerten sich sein
Sohn Pieter Schenk II. und sein Neffe Leonhard Schenk um den Druck der Bildwerke
und Karten aus seinem Verlagsprogramm. [1]
Leonhard Schenk übernahm für seine Darstellung der habsburgischen Audienz beim
Sultan (unterstes Bildregister rechts außen)[2] nicht die von Vanmour eingesetzten Bildmotive,
wie z.B. die Elemente des Zeremoniells sowie die Architektur und Ausstattung des
Audienzsaales, sondern setzte sich vielmehr mit der künstlerischen Vorlage im
Reisebericht von Driesch (vgl. Audienz des
habsburgischen Großbotschafters bei Sultan Ahmed III.) auseinander:
Neben dem Sultan befinden sich auch hier nur die Schreibschatulle auf der linken
und der Säbel auf der rechten Seite, wohingegen der Turban sowie die Reihe mit
den vier Prinzen – bis auf einen Repräsentanten – fehlen. Gegenüber dem Sultan
positioniert sich der Botschaftssekretär, der jedoch nicht im Begriff ist, ihm
in ehrerbietender Weise die Briefe zu übergeben. Außerdem werden weder der Wesir
noch die anderen beiden osmanischen Würdenträger neben dem Botschaftssekretär
abgebildet, sondern ihre Position nimmt die Perspektive des Betrachters ein, die
den Blick auf den Empfang der habsburgischen Gesandtschaft vor dem Sultan lenkt.
[3]Zwischen den
osmanischen Offizieren treten nacheinander die ausgewählten Mitglieder und
Begleiter Virmonts in den Audienzsaal ein, die jedoch nicht wie bei Driesch und
Vanmour an den Armen herangeführt, sondern nur auf Distanz zu dem vor dem Sultan
vortretenden Großbotschafter gehalten werden.
Man gewinnt hier leicht den Eindruck, dass sich der niederländische Künstler das
französische Zeremoniell am Hof von Versailles zum Vorbild nahm. Dafür sprechen
auch die Anbringung von barocken Dekorelementen wie die Rocaille auf dem
Türrahmen und auf dem Thron sowie die Hinzufügung von Tapisserien mit der
königlichen Jagd als Hintergrundkulisse. Beispielsweise kann man anhand des
Empfangs der osmanischen Gesandtschaft unter Führung des Großbotschafters
Çelebi Mehmet Effendi am Hof von Versailles bei König Ludwig XV. (Blatt XXIII,
oberstes Bildregister, rechts außen)[4] feststellen, dass Leonhard Schenk die von
Pieter Schenk I. verwendeten Motive (Thron, Ausstattung des Audienzsaales,
Gestaltung des Zeremoniells, Perspektive etc.) in seiner Darstellung der Audienz
Virmonts beim Sultan übernommen hatte. Darüber hinaus diente ihm die
Hintergrundgestaltung mit der königlichen Jagd des ebenfalls von Pieter Schenk
I. gestalteten Einzugs König Ludwigs XV. in das französische Parlament (Blatt
XVI, unterstes Bildregister, links außen)[5] als Anleitung für die Tapisserien des osmanischen Audienzsaales.
Die Bedeutung der Friedensdarstellungen in der bildenden Kunst der Frühen Neuzeit
(wie beispielsweise in Gemälden, Kupferstichfolgen, Flugschriften,
Reiseberichten, Gedenkmedaillen etc.) erreichte vor allem nach dem Ende des
Dreißigjährigen Krieges ihren Höhepunkt. Daher wurde der bildlichen Aufarbeitung
von Friedensschlüssen kaum weniger Beachtung geschenkt als kriegerischen
Auseinandersetzungen oder politischen Erfolgsgeschichten, wobei die darin
vermittelten Bilder eine große Rolle in der medialen Kommunikation und in dem
Prozess der frühneuzeitlichen Meinungsbildung – hier insbesondere über das
vorherrschende Türken(feind)bild – spielten:[6] Da seit dem Ende des
17. Jahrhunderts die Osmanen von den europäischen Mächten zunehmend als
friedenswillig eingestuft wurden, wurden in der Publizistik die zeremoniellen
Handlungen im Rahmen von Friedenschlüssen, wie hier der Empfang der
habsburgischen Großbotschaften beim Sultan in Konstantinopel, als gleichwertig
empfunden[7] und daher entweder nach
europäischen Vorstellungen modifiziert (vgl. Audienz des habsburgischen Großbotschafters bei Sultan Ahmed III.)
oder auch den im frühen 18. Jahrhundert vorherrschenden künstlerischen
Traditionen, wie der französischen Bildtradition am Hofe Ludwigs XV. angepasst.