Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark


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ME 2

Unecht.

Bischof Ulrich [I.] von Passau bezeugt die am 10. Februar 1115 von ihm vollzogene Weihe der Pfarrkirche in Weikendorf und die Feststellung des zugehörigen Zehentbereiches, desgleichen die Überlassung des ihm zustehenden Drittel des Pfarrzehents daselbst und des gesamten Zehents in den Dörfern Baumgarten und Chuonendorf gemeinsam mit seinem Vogt Adalbert [von Österreich] an das Kloster Melk im Tausch mit Abt Engilschalk und dessen Vogt Rudolf [von Perg] gegen das Klostergut in [Nie­der-]Kreuz­stetten und Inprugg.

– – – , – .

2 angebl. Or. Melk StiftsA: AUR (A¹ und A²).

Hueber, Austria ex archivis Mellic. illustrata (1722) 5 Nr. 6 aus A². — Keiblinger, Gesch. Melk 2/2 (1869) 241 Nr. 2 aus A² und 242 Nr. 3 aus A¹.

Ausz.: Mitis, Studien (1908) 200 Anm. 1 aus A². — BUB 4/1 (1968) 51 Nr. 616 (W 1) aus A².

Reg.: BUB 4/1 (1968) 50 Nr. 616 (W 1 und W 2) zu 1115 Febr. 10 (1117-1120). — Boshof, RBP 1 (1992) 153 Nr. 508 (Fassung I und II) zu 1115 Febr. 10.

Schriftproben: Hueber a. a. O. 289 (1 Zeile von A¹ und A²).

Abb.: (Katalog) Benediktiner in Melk (1989) 158 (Nr.) 10.02 (von A²).

Die offensichtlich auf einer echten Notiz betreffend Weihe und Ausstattung — siehe Nr. Me 4 — beruhende Urkunde ist in einer kurzen, objektiv formulierten Fassung (= A¹) und in einer längeren, subjektiv abgefaßten Form (= A²) überliefert. Mit ihren formalen und inhaltlichen Problemen beschäftigten sich bereits Mitis a. a. O. 205f., ihm zum Teil nachfolgend Dirnberger, Studien (1965) 13-17 und 27, vor allem aber eigenständig Lechner in JbLKNÖ NF 29 (1948) 138f. sowie in JbLKNÖ NF 36/1 (1964) 137ff., denen aber für ihre Untersuchungen nur die vorgenannten Drucke und die keineswegs ausreichenden Schriftproben zur Verfügung standen, da die einst im Melkerhof in Wien verwahrten Urschriften nach der Einsichtnahme durch Keiblinger seit 1869 lange Zeit verschollen waren.

A¹ bewahrt im Schriftbild, abgesehen von der ersten Zeile mit der Zeitangabe in verlängerter Schrift, mit einer schmucklosen Minuskel den Charakter der ursprünglichen Notiz. Von der gleichen Hand wurden die angebliche “Stiftungsur­kun­de" für Melk von Bischof Ulrich I. mit dem Datum 1113 Oktober 13 (BUB 4/1, 47 Nr. 613; Boshof, RBP 1, 148 Nr. 490) — mit ihr wurde die Pfarre Weiken­dorf nebst Traiskirchen und anderen samt dem Drittel des Zehents von Markgraf Leopold III. von Österreich dem Kloster übergeben — und die kürzere Fassung der Weiheurkunde des gleichen Bischofs für die Pfarrkirche Traiskirchen (s. Nr. Me 3) angefertigt. Bedenken erregt die Beglaubigung mit einem nur für Melker Urkunden, die Kirchweihen, Feststellung der Zehentbereiche sowie Überlassung von Zehenten und Tausch von Gütern betreffen, verwendeten Siegel; vgl. dazu Steiner, Bischofs­siegel 1 (1998) 69f. Nr. 4 sowie 70f. Nr. 5 und 2 (1998) Tafel XII Abb. 39 bzw. Abb. 40. Eindeutiger Beweis für die Fälschung ist auch die Tatsache, daß Abt Engilschalk 1115 den Tausch gar nicht vornehmen konnte, da er erst 1116 zum Abt erwählt wurde (s. Melker Annalen; MGH SS 9, 501). überdies hat Bischof Ulrich laut einer unverdächtigen Quelle (s. Nr. Me 4) die Kirche in Weikendorf 1120 und just wieder am 10. Februar geweiht, desgleichen den Zehentbereich be­stimmt und seinen Zehentanteil überlassen — allerdings ist dabei keine Rede vom ganzen Zehent in Baumgarten und Chuonendorf — und einen anderen Gütertausch durchgeführt. Eine Wiederholung aller dieser Handlungen nach so wenigen Jahren ohne ersichtlichen Grund ist unwahrscheinlich.

A² beruht weitgehend wörtlich auf A¹. Das Schriftbild entspricht nun mit den Verschleifungen der Oberlängen den Gewohnheiten des frühen 12. Jahrhunderts. Von dem gleichen Schreiber wurde auch die längere, unechte Fassung der die Pfarre Traiskirchen betreffenden Urkunde (s. Nr. Me 3) angefertigt; daher findet man dort auch die ungewöhnliche Bezeichnung des Ausstellers mit Patauiensis episcopus est und das gleiche falsche Siegel. Weitere Hinweise auf die erweiterte Fälschung sind die ausdrücklich angeführte Bitte des Abtes Engilschalk um die Kirchweihe, die Betonung der sorgfältigen Feststellung des Zehentbereiches durch die Befragung der Bewohner (subtilissime investigando et inquirendo ab industrioribus et senissimis comprovincialibus) und die Sicherung durch den bischöflichen Bann. Auffallend ist auch ein wesentlicher Abschreibfehler des Fälschers: Das Tauschobjekt Grizansteten (Niederkreuzstetten) der Fassung A¹ wurde beeinflußt durch den zweiten Zeugen Dietrich von Kreuzenstein irrig zu Grizanstein, wo Melk keinen Besitz hatte.

Anlaß und Zeitpunkt für die Anfertigung der formalen Fälschung A¹ und der nachfolgenden besser als Urkunde gestalteten Fälschung A² ist dem Eintrag der Melker Annalen zum Jahre 1136 (MGH SS 9, 502) zu entnehmen, nämlich daß Bischof Reginmar von Passau die Freiheit des (Rom unterstellten) Klosters mißachtete und die Zehente der dem Kloster zugehörenden (Pfarr)kirchen beanspruchte, weshalb sich Abt Erchenfrid bei Papst Innozenz II. beklagte und tatsächlich am 3. Januar 1137 ein Schutzprivileg erhielt (s. Brackmann, GP 1, 229 Nr. 3)

Huius rei testes * sunt istia : Ekkebrehtb de Butine, Dieterichc de Grizanesteind, * Manegolt de Acchesbache , Adalram de Vttendorff, Ruotprehtg de Palsenze.


a) A¹, fehlt A²

b) A¹, Ekipreht

c) A¹, Dietrich

d) A¹, Grizansteine

e) A¹, Acchispach

f) A¹, Vttindorf

g) A¹, Roͮtpreht A².


Metadaten

Aussteller Bischof Ulrich I. von Passau
EmpfängerMelk
RegestBischof Ulrich I. von Passau bezeugt die Weihe der Pfarrkirche von Weikendorf und die Feststellung des zugehörigen Zehntbereiches
Datum (ISO 8601)unbekannt
Ortunbekannt
SpracheLatein
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MetadatenTEI anzeigen TEI
LizenzCreative Commons BY-NC-SA
Permalink/Handlehttps://gams.uni-graz.at/o:stub.26, hdl.handle.net/11471/505.10.85
ZitiervorschlagUrkundenbuch des Herzogtums Steiermark I,1, bearb. v. Friedrich Hausmann, ME 2, digitale Fassung: hdl.handle.net/11471/505.10.85, Graz: Historische Landeskommission für Steiermark, 2007 (29.03.2024)