Sprachliche Eigenschaften – Diplomatik

Halit Temiz

Im Folgenden werden die Schreiben Selīms II. im HHStA nach ihren sprachlichen Eigenschaften und im Hinblick auf die Diplomatik vorgestellt und die formelhaften Bestandteile mit den von Anton C. Schaendlinger publizierten Schreiben Süleymāns I. an Karl V., Ferdinand I. und Maximilian II. sowie an Militärbeamte verglichen

1. Urkundentypen

Die Schreiben Selīms II. im HHStA setzen sich aus drei Arten von Urkunden zusammen: Nāme[1] (Schreiben), ʽAhdnāme (Vertragsschreiben) und Ḥükm (Befehlsschreiben). Ein Großteil der Schreiben, die an Kaiser Maximilian II. gerichtet sind (Urkunden Nr. 1, 2, 7, 9, 13, 15), stellen bis auf zwei Ausnahmen (Urkunden Nr. 4 , 5) Urkunden des Nāme-Typus dar. Außer der Urkunde Nr. 2 enthalten diese Schreiben die Formel gerekdür ki („es ist notwendig, dass“). Wie bereits Schaendlinger[2] angemerkt hat, ist diese Formel, die in Urkunden des ḥükm-Typus auch statt buyurdum ki („ich befehle, dass“) vorkommen kann, keinesfalls charakteristisch für einen Urkundentyp. Die erste Ausnahme ist das Schreiben an Maximilian II. (Urkunde Nr. 5), in dem die Übergabe des Tributs durch die Gesandten bestätigt wird. Diese Urkunde gehört zum Ḥükm-Typus, weil die typologische Bezeichnung aus dem Text (Zeile 5) entnommen werden kann: bu ḥükm-i hümāyūnumuz vėrilmişdür gerekdür ki („dieser unser großherrlicher Befehl wurde erlassen, es ist notwendig, dass …“). Das Ratifikationsschreiben Selīms II. (Urkunde Nr. 4) ist eine Urkunde des ʽAhdnāme-Typus.

Die Schreiben an Muṣṭafā Paşa (Urkunden Nr. 3, 6, 8, 10, 11, 12/1, 12/2, 14) gehören alle zum Ḥükm-Typus, wobei es sich hier nur um Abschriften (ṣūret) handelt. Mit Ausnahme von zwei Urkunden (Nr. 10, 12/2) kommt in allen diesen Dokumenten die Formel buyurdum ki („ich befehle, dass“) vor. In den Urkunden Nr. 12/1 und 12/2 heißt es emr-i şerīf bzw. emr-i şerīfüm vardụkda („sobald der erhabene bzw. mein erhabener Befehl einlangt“). Sowohl der Typus als auch die Information, dass es sich um eine Abschrift des eigentlichen Befehlsschreibens handelt, wird in einigen Urkunden folgendermaßen angeführt: ḥükm-i hümāyūn ṣūretidür („Abschrift des großherrlichen Befehls“, auf der Rückseite der Urkunde Nr. 3), Budūn beglerbegisine ḥükm ki („Befehl an den Statthalter von Ofen“) (Urkunde Nr. 6, 8, 10, 11, 14), ṣūret-i ḥükm-i şerīf („Abschrift des erhabenen Befehls“, Urkunde Nr. 11), Budūn beglerbegisine yazılan emr-i şerīfün͂ ṣūretidür („Die Abschrift des an den Beglerbegi von Budūn geschriebenen edlen Befehls, Urkunde Nr. 11).

Bei Urkunden, die zum ḥükm-Typus gehören, wird noch zwischen aḥkām-i mühimme [3] und ḥükm-i şikāyet [4] unterschieden. Es handelt es sich bei den Befehlsschreiben an Muṣṭafā Paşa um den Typus aḥkām-i mühimme.

2. Sprachlich-diplomatisches Formular (erkān)

Invocatio[5] (daʽvet) und die Devotionsformel

Entsprechend der islamischen Kanzleitradition wird ein Teil der in dieser Edition behandelten Urkunden mit der Invocatio eingeleitet. Die einfachste Form der Invocatio ist hüve („Er“). Diese Form kommt in sechs Urkunden vor (Urkunden Nr. 1, 2, 3, 5, 7, 8). Wie es bei den Schreiben Süleymāns I. der Fall war, fehlt auf Grund von Beschädigungen in manchen Urkunden (Nr. 6, 9, 10, 11, 12/1, 12/2, 13, 14, 15) die Invocatio. Einzig das Ratifikationsschreiben Selīms II. (Urkunde Nr. 4, ʽAhdnāme) enthält die erweiterte Invocatio bzw. die Invocatio-Devotionsformel, die verglichen mit den Urkunden Süleymāns I. an die Habsburger und früheren Schreiben Selīms II. in dieser Form zum ersten Mal vorkommt:

Çün mālikü l-mülk ve melikü l-müteʽāl ve-müfīżü l-āmāl ve vāhibü n-nevāl /II/ celle şānühū ʽani ş-şebīhi ve-l-mis̠āl ve-tenezzehe mine l-infiʽāl ve-l-iḫtilāl ḥażretinün͂ /III/ ʽināyet-i seʽādet-ġāyet-i ezelīye ve hidāyet-i ʽizzet-nihāyet-i lem-yezelīyesiyle /IV/ ve ḥażret-i server-i nesl-i ādem ve sebeb-i raḥmet-i dū ʽālem şefīʽ-i ʽuṣāt-i ümem /V/ menbaʽi l-lüṭfi ve-l-kerem seyyid-i enbiyā’-i güzīn mesned-i aṣfiyā’-i evvelīn ve āḫirīn /VI/ ḥabību l-lāh Muḥammed resūlu llāhun͂ ṣalla llāhü teʽālā ʽaleyhi ve-sellem teslīmen kes̠īren /VII/ muʽcizāt-i kes̠īretü l-berekātı vesīlesiyle.

„Da […] durch die ewige, höchst glückliche Gnade und unaufhörliche, unendlich rühmliche Führung des Herrn der Herrschaft, des erhabenen Königs, des Spenders der Hoffnungen und dessen, der Geschenke gibt, dessen Ruhm Seinesgleichen nicht hat, und durch die Vermittlung der segenreichen Wunder Mohammeds, des Ersten des Menschengeschlechts, der Ursache der Gnade auf beiden Welten, des Fürsprechers für die Sünder der Gemeinschaft, der Quelle der Güte und der Großmut, des Herrn der erwählten Propheten, der Stütze der ersten und letzten Reinen, des Freundes Allahs, des Gesandten Allahs, Allah, der Erhabene segne ihn und spende ihm reichlich Frieden .“

Schaendlinger, der diese Formel aus Münşeʽātü s-selāṭīn übernommen hat, nimmt an, dass im Original der Urkunde die Formel nicht mit der Konjunktion çün („da“) eingeleitet wird.[6] Diese syntaktische Modifizierung war bereits im – an die Florentiner gerichteten – ʽAhdnāme von 1563[7] enthalten und ist auch in späteren Urkunden gängig.[8]

Ṭuġra[9]

In den Urkunden ist die Ṭuġra in sieben Exemplaren (Nr. 1, 2, 4, 5, 7, 9, 13) vorhanden und befindet sich zwischen der Invocatio (bzw. Invocatio-Devotionsformel) und Inscriptio (bzw. Intitulatio im ʽAhdnāme). Sie lautet: Selīm Şāh bin Süleymān Şāh Ḫān el-muẓaffer dā’imā („Selīm Şāh, Sohn des Süleymān Şāh, Ḫān, immer siegreich“).[10]

Intitulatio (ʽunvān)

Die Herrschaftsattribute und -titel des Sultans werden nur im ʽAhdnāme (Urkunde Nr. 4) angeführt:

ben ki sulṭān-i selāṭīn-i memālik-i Rūm ve ʽArab ve ʽAcem ve ḫāḳān-i ḫavāḳīn-i Çin ve Ḫaṭā ve Türk ve Deylem nerīmān-i ṣavlet [u] gīr-u-dārī ḳahramān-i sāḥa-i taḫt-gīrī vü tāc-dārī şehsüvār-i ʽarṣa-i leşker-keş ü kişver-güşāyī şehriyār-i iḳlīm-baḫş u memleket-ārāyī fermān-fermāy-i ḳayāṣire-i ʽaṣr u āvān ṣāḥib-ḳırān-i ḳarn-i nuṣret-iḳtirān olub Aḳ den͂iz eknāfında olan bilād-i sipihr-irtifāʽun͂ ve Ḳara den͂iz eṭrāfındaki ḳilāʽ u biḳāʽun͂ ve nādire-i ʽaṣr olan Mıṣr u Saʽīd -i aʽlānun͂ ve Baġdād -i dārü s-selām ve bilād-i Ḥaleb ve Şām un͂ ve bender-i Cidde ve Beytü llāhi l-ḥarāmun͂ ve Medīne -i münevvere ve Ḳuds-i şerīf -i lāzimü l-iḥtirāmun͂ şerrefehümü l-llāhü teʽālā şerefen ve taʽẓīmen ve vilāyet-i Yemen ve ʽAden ve Ṣanʽā nun͂ ve memālik-i Ḥabeş ve Baṣra ve Laḥsā nun͂ ve Kürdistān ve Gürcistān ve Lūristān ve Vān un͂ ve deşt-i Ḳıpçaḳ ve diyār-i Tātārun͂ ve küllīyen vilāyet-i Anaṭolı ve Ḳaramān ve Rūm ve Z̠ū l-ḳadrīye nün͂ ve ʽumūmen memālik-i Rūmėli ve Eflāḳ ve Boġdān un͂ ve bunlardan māʽadā niçe şemşīr-i ẓafer-te’s̠īrümüzle fetḥ olmış diyār-i ʽaẓīmü l-iʽtibārun͂ ve ança ḳilāʽ ü bilād-i nām-dārun͂ pādişāhı ve sulṭānı Sulṭān Selīm ḫān bin Süleymān ḫān bin Selīm ḫān bin Bāyezīd ḫān bin Meḥemmed ḫān bin Murād ḫānam.

„Ich, der ich Sultan der Sultane der Länder der Rhomäer, der Araber und der Perser, Ḫāḳān der Ḫāḳāne von China und Nordchina, Türk und Deylem, Nerīmān des Angriffs und des Kampfes, Held des Feldes der Herrscher und der Ländereroberung, gewandter Reiter des Schlachtfeldes der Heerführer und Eroberer, Herrscher, der die (7) Klimata verleiht und die Länder verziert, Gebieter der Kaiser des Zeitalters und der Zeiten, Herr der glücklichen Konjunktion der mit dem Sieg verbundenen Epoche, Pādişāh und Sultan der himmelhohen Städte, die sich in der Umgebung des Mittelmeeres befinden, der Festungen und Länder rund um das Schwarze Meer, von Ägypten, des Gelobten des Zeitalters und des höchsten Ṣaʽīd, von Baġdād, dem Haus des Friedens, der Städte Aleppo, Damaskus, der Hafenstadt Jiddah und des geheiligten Beytullāh[11] , des erleuchteten Medīna, von erhabenen Jerusalem, dessen Verehrung notwendig ist, Allāh, der Erhabene möge sie ehren mit Ehrerbietung und Hochachtung, des Landes Jemen, von ʽAden und Sanʽā, der Länder von Äthiopien; von Baṣra, Laḥsā, von Kurdistan, von Gürcistān, von Lūristān und von Vān, der Ḳıpçaḳischen Steppe, aller Länder Anatoliens, von Ḳaramān, von Rūm und von Z̠ūlḳadrīye, allgemein der Länder von Rūmėli, der Walachei und Moldau und der vielen, sehr angesehenen Länder, die (sonst) außer diesen durch unser siegreiches Schwert erobert wurden und so vieler ruhmreicher Festungen und Gebiete, Sulṭān Selīm Ḫān, Sohn Süleymān Ḫāns, des Sohnes Selīm Ḫāns, des Sohnes Bāyezīd Ḫāns, des Sohnes Meḥemmed Ḫans, des Sohnes Murād Ḫāns bin.“

Folgende Herrscherattribute unterscheiden sich von den Schreiben Süleymāns I. an die habsburgischen Kaiser:[12]

  • ḫāḳān-i ḫavāḳīn „Ḫāḳān der Ḫāḳāne“ (statt bürhānü l-ḫavāḳīn („Beweis der Ḫāḳāne“)
  • nerīmān-i ṣavlet [u] gīr-u-dārī („Nerīmān des Angriffs und des Kampfes“)
  • ḳahramān-i sāḥa-i taḫt-gīrī vü tāc-dārī („Held des Feldes der Herrscher und der Ländereroberer“)
  • şehsüvār-i ʽarṣa-i leşker-keş ü kişver-güşāyī („Gewandter Reiter des Schlachtfeldes der Heerführer und Eroberer“)
  • şehriyār-i iḳlīm-baḫş u memleket-ārāyī („Herrscher, der die (7) Klimata verleiht und die Länder verziert“)
  • fermān-fermāy-i ḳayāṣire-i ʽaṣr u āvān („Gebieter der Kaiser des Zeitalters und der Zeiten“)
  • ṣāḥib-ḳırān-i ḳarn-i nuṣret-iḳtirān („Herr der glücklichen Konjunktion der mit dem Sieg verbundenen Epoche“)[13]

In der Aufzählung der beherrschten Länder gibt es gegenüber den Schreiben Süleymāns I. auch einige Unterschiede. Es heißt zum Beispiel nicht mehr Aḳ den͂iz ün͂ ve Ḳara den͂iz ün͂ […] pādişāhı („Pādişāh des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres“), sondern mit einer erweiterten Form Aḳ den͂iz eknāfında olan bilād-i sipihr-irtifāʽun͂ ve Ḳara den͂iz eṭrāfındaki ḳilāʽ u biḳāʽun͂ […] pādişāhı („Pādişāh der himmelhohen Städte, die sich in der Umgebung des Mittelmeeres befinden und der Festungen und Länder rund um das Schwarze Meer“). In den Urkunden Süleymāns I. kam die Stadt Bagdad entweder ohne Attribut oder mit vorangestelltem dārü s-selām („Haus des Friedens“) oder dārü s-sedād („Haus der Richtigkeit“) vor. In unserem Urkundentext wird das Attribut dārü s-selām („Haus des Friedens“) nachgestellt. Außerdem werden bender-i Cidde („die Hafenstadt Jiddah“), Beytü llāhi l-ḥarām („der geheiligte Beytullāh“), Saʽīd -i aʽlā („der höchste Ṣaʽīd“) und memālik-i Ḥabeş („die Länder von Ḥabeş“) in der Intitulatio zum ersten Mal genannt.[14]

Inscriptio (elḳāb)

Analog zu den Schreiben Süleymāns I. lautet die Form der Inscriptio in den Schreiben, die an Maximilian II. gerichtet sind (Urkunden Nr. 1, 2, 5, 7, 9, 13, 15): iftiḫāru l-ümerā’i l-ʽiẓāmi l-ʽīsevīye muḫtāru l-küberā’i l-fiḫāmi fī l-milleti l-mesīḥīye muṣliḥu maṣāliḥi cemāhīri ṭ-ṭāyifeti n-naṣrānīye sāḥibü ez̠yāli l-ḥaşmeti ve-l-vaḳār ṣāḥibü delāyili l-mecdi ve-l-iftiḫār.

„Ruhmvoller der mächtigen christlichen Fürsten, Erwählter der geehrten Großen in der christlichen Glaubensgemeinschaft, Ordner der Angelegenheiten der christlichen Staaten, Träger der Schleppe von Ruhm und Würde, Inhaber der Zeichen der Majestät und der Ehre.“

Nur im ʽAhdnāme (Urkunde Nr. 4), die eine Intitulatio enthält, wird die Inscriptio mit sen ki („Du, der Du …“) eingeleitet und mit folgenden Titeln erweitert: sen ki iftiḫārü l-ümerā’i l-ʽiẓāmi l-ʽīsevīye muḫtārü l-küberā’i l-fiḫāmi fī milleti l-mesīḥīye muṣliḥu maṣāliḥi cemāhīri ṭ-ṭāyifeti n-naṣrānīye sāḥibü ez̠yāli l-ḥaşmeti ve-l-vaḳār ṣāḥibü delāyili l-mecdi ve-l-iftiḫār Maḳsimilyānūş ḳırālsın Rīm ḫalḳınun͂ güzīde ve ḥürmetlüsi ve Ālāmān vilāyetlerinün͂ īmperādorı ve Çeh ve İslovīn ve Ḫırvāt memleketlerinün͂ ve sāyir bun͂a muʽādil niçe memālikün͂ ḥākimi ve ḳırālısın.

„Und Du, der Du der Ruhmvolle der mächtigen christlichen Fürsten, Erwählter der geehrten Großen in der christlichen Glaubensgemeinschaft, Ordner der Angelegenheiten der christlichen Staaten, Träger der Schleppe von Ruhm und Würde, Inhaber der Zeichen der Majestät und der Ehre, König Maximilian bist, und der Erwählte und Geehrte des Volkes von Rom und der Imperator der deutschen Länder, und der Beherrscher und König der Länder der Tschechen, Slowenen und Kroaten und vieler gleichartiger (dem ähnlicher) Länder bist.“

In den hier edierten Urkunden werden für Maximilian II. noch folgende Titel verwendet:

Nemçe imperādorı („Kaiser von Österreich“, Urkunde Nr. 1), Rīm ḫalḳınun͂ imperādorı Nemçe ḳırālı („Kaiser des römischen Volkes, König von Österreich“, Urkunde Nr. 2), vilāyet-i Beç ḳırālı („König des Landes Wien“, Urkunden Nr. 5, 7, 15), vilāyet-i Beç imperādorı („Kaiser des Landes Wien“, Urkunde 9) und vilāyet-i Peç ve Alāmān īmperādorı („Kaiser des Landes Wien und Deutschland“, Urkunde Nr. 13).[15]

In den Schreiben, die an den Statthalter von Buda gerichtet sind, lautet die Anrede: Emīrü l-ümerā’i l-kirām kebīrü l-küberā’i l-fiḫam z̠ū l-ḳadri ve-l-iḥtirām ṣāḥibü l-ʽizzi ve-l-iḥtişām el-muḫtaṣṣu bi-mezīdi ʽināyeti l-meliki l-ʽallām. „Emir der ehrwürdigen Emire, Großer der geehrten Großen, Inhaber der Macht und der Ehre, Besitzer von Ruhm und Würde, Erwählter der reichen Gnade des allwissenden Königs“. Diese Formel finden wir in den Urkunden Nr. 3 und Nr. 12/1, wobei die letztere die Form el-maḫṣūṣu („Erwählter“) statt el-muḫtaṣṣu („Erwählter“) enthält und bi-mezīdi („mit der reichen …“) fehlt: Emīrü l-ümerā’i l-kirām kebīrü l-küberā’i l-fiḫām dū l-ḳadri(!) ve-l-iḥtirām ṣāḥibü l-ʽizz ve-l-iḥtişām el-maḫṣūṣ bi-ʽināyeti l-meliki l-ʽallām. „Emir der ehrwürdigen Emire, Großer der geehrten Großen, Inhaber der Macht und der Ehre, Besitzer von Ruhm und Würde, Erwählter der Gnade des allwissenden Königs.“

Die Inscriptio fehlt in den Urkunden (Abschriften) Nr. 6, 8, 10, 11, 12/2 und 14. Stattdessen wird – ohne den Namen – der Adressat genannt: Urkunden Nr. 6, 8, 10, 11 und 14: Budūn beglerbegisine ḥükm ki („Befehl an den Beglerbegi von Budūn“), Urkunde Nr. 12/2 nur Budūn beglerbegisine („An den Beglerbegi von Budūn“).

Salutatio (duʽā)

Ebenfalls analog zu den Urkunden Süleymāns I., kommt in den Urkunden für Maximilian II. die Salutatio-Formel ḫutimet ʽavāḳibühū bi-l-ḫayr („sein Leben möge im Guten enden“, Urkunden Nr. 1, 2, 5, 7, 9, 13, 15) und für den Statthalter (Muṣṭafā Paşa) von Buda dāme iḳbālühū („währen möge sein Glück“, Urkunden Nr. 3, 12/1) vor. Sowohl im ʽAhdnāme (Urkunde Nr. 4) als auch in den Schreiben, die keine Inscriptio enthalten, fehlt der Segenswunsch (Urkunden Nr. 6, 8, 10, 11, 12/2, 14).

Notificatio

Die Notificatio, also die Formel tevḳīʽ-i refīʽ-i hümāyūn vāṣıl olıcaḳ maʽlūm ola ki („Sobald das erhabene großherrliche Schreiben einlangt, möge bekannt werden“), die den Übergang zur Narratio bildet, finden wir in den Urkunden des Ḥükm-Typus (Urkunden Nr. 1, 3, 5, 7, 9, 12/1, 12/2, 13, 15) und des Nāme-Typus (Urkunde Nr. 2). Nicht enthalten ist sie im ʽAhdnāme (Urkunde Nr. 4) und in den Abschriften (Ḥükm-Typus: Urkunden Nr. 6, 8, 10, 11, 14).

Narratio und Expositio (naḳl)

Alle hier edierten Urkunden enthalten eine Narratio, in der auf den Anlaß zur Ausfertigung des Schreibens Bezug genommen wird. Zur Einleitung der Narratio werden ḥālīyen („nun“, Urkunden Nr. 1, 2, 11) und ḥālen („nun“, Urkunden Nr. 12/1, 13) gebraucht. Für den Abschluss der Narratio ist eine Formel nicht unbedingt notwendig.[16] In einigen Urkunden wird die Narratio mit andan ġayrı daḫı nāme-i muṣādaḳat-maṣḥūbun͂uzda her ne derc olınmış ise ʽalā vechi t-tafṣīl pāye-i serīr-i ʽālem-maṣīr-i ḫusrevānemüze ʽarż olunub ʽilm-i şerīf-i ʽālem-şümūl-i ḫıdīvānemüz muḥīṭ ü şāmil olmışdur („Was darüber hinaus noch in Eurem von Aufrichtigkeit erfülltem Brief aufgeschrieben wurde, ist in allen Einzelheiten dem Fuße unseres ḫosrowischen Thrones, dem Zufluchtsort der Welt unterbreitet worden und von unserem erhabenen, weltumfassenden ḫidivischen Wissen erfasst und aufgenommen worden“, Urkunde Nr. 2) abgeschlossen. Weitere Formeln mit Variationen sind in den Urkunden Nr. 1, 7, 9 und 13 vorhanden.

Manifestatio

Schaendlinger hatte innerhalb der Narratio oder zwischen der Narratio und Dispositio einen Passus festgestellt, den er als Manifestatio bezeichnet hatte. In der Manifestatio wird eine bestimmte Grundsatzerklärung ausgedrückt bzw. werden die zu treffenden Maßnahmen gerechtfertigt.[17] In zwei Urkunden gibt es Teile, die als Manifestatio bezeichnet werden können und sich nach der Abschlussformel der Narratio bzw. vor der Dispositio befinden:

Urkunde Nr. 1: imdi āsitāne-i seʽādet-āşiyānümüz dāyimā meftūḥ u mekşūf olub eger dostlıḳ eger düşmenlik içün kimesnenün͂ gelüb gitmesine menʽ ü redd yoḳdur gerekdür ki („Nun ist unsere Schwelle, die Wohnstätte der Gerechtigkeit immer offen und geöffnet. Niemand wird im Kommen und Gehen behindert und zurückgewiesen, sei es um der Freundschaft oder der Feindschaft willen. Es ist notwendig, dass …“).

Urkunde Nr. 2: imdi ḫavāḳīn-i ʽālī-miḳdārun͂ recā’ ü iltimāsları ḥayyiz-i ḳabūlde vāḳiʽ olmaḳ ʽādet-i ḳadīme-i ḫānedān-ı ʽadālet-bünyānumuz olmaġın ol-bābda işʽār ü iẓhār olunan muṣāfāt ü müvālātun͂uz mevḳiʽ-i ḳabūlde vāḳiʽ olub („Nun, da es ein alter Brauch unserer gerechten Familie ist, dass die Erwartungen und Bitten der hochgeehrten Ḫāḳāne an den Ort des Annehmens gelangen (erhört werden), ist die von Euch bekanntgegebene und dargelegte, aufrichtige Freundschaft an den Ort des Annehmens gelangt“).

Dispositio (emr, ḥükm)

Die in den hier edierten Urkunden sprachlich frei gestaltete Dispositio wird mit gerekdür ki („es ist notwendig, dass …“, Urkunden Nr. 1, 5, 7, 9, 13, 15) und buyurdum ki („ich befehle, dass…“[18], Urkunden Nr. 3, 6, 8, 11, 12/1, 12/2, 14) eingeleitet. Das ʽAhdnāme (Urkunde Nr. 4) enthält keine Dispositio.

Comminatio (laʽnet)

In den Urkunden kommt keine Fluchformel vor.

Sanctio (te’kīd)

Die Bekräftigungsformel ist in vier der hier bearbeiteten Urkunden in zwei Formen enthalten: şöyle bilesiz („so sollt Ihr es wissen“, Urkunden Nr. 3, 7) und şöyle bilesin („so sollst Du es wissen“, Urkunden Nr. 12/1, 12/2). Alle anderen Urkunden enthalten keine Sanctio-Formel, obwohl sie – mit der Ausnahme der Urkunde Nr. 4 – Dispositiones haben.

Corroboratio

Der Hinweis auf das Beglaubigungsmittel kommt nur in drei Urkunden in der einfachsten Formulierung vor: ʽalāmet-i şerīfe iʽtimād ḳılasız („Ihr sollt dem erhabenen Zeichen Vertrauen schenken“, Urkunde Nr. 3) bzw. in der 2. Person Singular ʽalāmet-i şerīfe iʽtimād ḳılasın („Du sollst dem erhabenen Zeichen Vertrauen schenken“).

Datatio (ta’rīḫ)

Die Datierung der Urkunden, ausgenommen jene ohne Datumsangabe (Urkunden Nr. 6, 8, 11), erfolgt in arabischer Sprache und wird mit der in der osmanischen Diplomatik üblichen Formel taḥrīren fī („Geschrieben am“, Urkunden Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 7, 9, 10, 13, 15) eingeleitet. Es werden der Reihe nach zuerst die Dekade (evāyil erste, evāṣiṭ mittlere oder evāḫir letzte), danach der Name des Monats und zum Schluss das Jahr angegeben. Es findet sich keine Urkunde mit einer genauen Datumsangabe. Dem Monat des muslimischen Mondjahres geht in einigen Urkunden (Nr. 1, 2, 5, 7, 13, 15) das arabische Wort şehr („Monat“) voraus und ist meistens mit ehrenden Attributen versehen. Vor der Jahreszahl steht immer das arabische Wort sene „Jahr“ (eigentlich arab. Genitiv seneti „des Jahres“). In einigen Urkunden (Nr. 12/1, 12/2, 14) erfolgt die Angabe der Jahreszahl in Ziffern.

Für die muslimischen Monate werden folgende Attribute verwendet: Ramażānü l-mübārek („der gesegnete Ramażān“, Urkunden Nr. 1, 4, 5), Şevvālü l-mükerrem („der geehrte Şevvāl“, Urkunde Nr.2), Şaʽbānü l-muʽaẓẓam („der geehrte Şaʽbān“, Urkunden Nr. 3, 15) und Z̠ī l-ḥicceti ş-şerīfe („der edle Z̠ī l-ḥicce“, Urkunde Nr. 13).

Ausstellungsort

Der Ausstellungsort befindet sich – ausgenommen, es erfolgt keine Angabe (Urkunden Nr. 6, 8, 10, 11, 12/1, 12/2, 14) – immer im linken unteren Teil der Urkunden. Sowohl der Residenzstadt Konstantinopel als auch der alten Residenz Edirne geht die Formel bi-maḳāmi („in der Residenz …“) voraus (Urkunden Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 7, 13, 15). Sie werden außerdem durch die Attribute el-maḥmīye „die Wohlbehütete“ bzw. el-maḥrūse „die Beschützte“ ergänzt. Nur die Urkunde Nr. 9, die im Feldlager zu Īnecik geschrieben wurde, enthält die Formel be-yurt „im Feldlager“.

In zwei Urkunden ist der Ausstellungsort durch Appositionen erweitert: Urkunde Nr. 13: bi-maḳāmi Ḳosṭanṭinīye el-maḥrūse el-maḥmīye ṣānehā llāhü ʽani l-belīye („in der Residenz, im wohlbehüteten, beschützten Ḳoṣṭanṭinīye, möge Gott vor Unglück bewahren“), Urkunde Nr. 15: bi-maḳāmi dāri s-salṭaneti l-ʽalı̄ye Ḳosṭanṭinīye el-maḥmīye („in der Residenz, im hohen Sitz des Sultanats, im wohlbehüteten Ḳoṣṭanṭinīye“).


Fußnoten

[1] Beziehungsweise Nāme-i hümāyūn (großherrliches Schreiben).

[2] Vgl. Anton C. Schaendlinger, Die Schreiben Süleymāns des Prächtigen an Karl V., Ferdinand I. und Maximilian II. aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien, Wien 1986, XIIf.

[3] Befehlsschreiben, die sich im Wesentlichen mit Staatsangelegenheiten befassen. Vgl. dazu Josef Matuz, Das Kanzleiwesen Sultan Süleymāns des Prächtigen, Wiesbaden 1974, 103–105.

[4] Befehlsschreiben, die auf Grund einer Beschwerde oder Petition erlassen wurden. Diese waren ausnahmslos an Ḳāḍıs (Richter) gerichtet. In wichtigen Fällen fungierten auch Beglerbege oder Sancaḳbege als Mitadressaten. Vgl. Matuz, Kanzleiwesen, 107–109.

[5] Auch daʽvet („Anrufung“), temcīd („Lobpreisung“) oder taḥmīd („Lobpreisung“) genannt. Vgl. Schaendlinger, Schreiben, XIII.

[6] Aḥmed Ferīdūn, Münşeʽātü s-selāṭīn, Bd. 2, 2. Auflage, İstanbul 1274, 96–98; Schaendlinger, Schreiben, XVIII.

[7] Die Invocatio-Devotionsformel des ʽAhdnāme an die florentinischen Fürsten ist mit der hier vorliegenden beinahe identisch; Ferīdūn, Münşeʽāt, Bd. 2, 78–80.

[8] Wie Ménage in seinem Artikel anführt, leitet das persische Bindewort çün im Türkischen – wie das Türkische -dükleri ecilden – einen Kausalsatz ein. Vgl. Victor Louis Ménage, On the Constituent Elements of Certain Sixteenth-Century Ottoman Documents, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies, University of London 48/2 (1985), 303f. Für die ausführliche Diskussion dieses Komplexes siehe Gisela Procházka-Eisl / Claudia Römer, Osmanische Beamtenschreiben und Privatbriefe der Zeit Süleymāns des Prächtigen aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien, Wien 2007, 12–14.

[9] Auch tevḳīʽ („Schreiben“), nişān („Zeichen“) oder ʽalāmet („Zeichen“) genannt; Schaendlinger, Schreiben, XVI.

[10] Lesung des Ṭuġra laut Suha Umur, Osmanlı Padişah Tuğraları, İstanbul 1980, 29.

[11] Beytullāh = Mekka.

[12] Hier sei erwähnt, dass ein Großteil dieser Herrscherattribute bereits im ʽAhdnāme Süleymāns I. mit Florenz (1563) vorkommt. Vgl. Ferīdūn, Münşeʽāt, Bd. 2, 78–80.

[13] Der Begriff ṣāḥib-ḳırān setzt sich aus den beiden arabischen Wörtern ṣāḥib („Herr“) und ḳırān („Vereinigung, Konjunktion“) zusammen, wobei ḳırān hier die „Konjunktion der Planeten“ bedeutet. Das persische -i des Eżāfe wird der persischen Grammatikregel fakk-i eżāfe zufolge wie in ṣāḥib-ḫāne („Hausherr“) oder ṣāḥib-dil („fromm“) weggelassen. Ḳırān al-saʽdān ist die Konjunktion der beiden glückverheißenden Planeten (Jupiter und Venus) und ḳırān al-naḥsayn die Konjunktion der beiden ungünstigen Planeten (Saturn und Mars). Im Herrschertitel bezieht sich das Wort, wie in der Übersetzung im Text, auf die erstere Bedeutung. Der Titel diente zur Beschreibung von heiligen, glücklichen, immer siegreichen Welteroberern und wurde zum ersten Mal von Emīr Tīmur angenommen – die zeitgenössischen Chronisten nannten ihn immer ḥażret-i ṣāḥib-ḳırān. Einige osmanische Sultane, wie Meḥmed II., Selīm I. und Süleymān I., haben sich diesen Titel im Rahmen der Welteroberung angeeignet. Später wurde er in der osmanischen Literatur außerhalb seiner eigentlichen Bedeutung für Sultane und sogar für Paschas gebraucht. Vgl. Hayrunnisa Alan, Sâhipkıran,in: TDVİA, Ek 2, 443–444; T.W. Haig, Ṣāḥib Ḳirān, in: Peri J. Bearman, Hg., Encyclopaedia of Islam, 2. Auflage, online unter: http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_SIM_6468 (09.04.2021).

[14] Die genannten Orte und Länder in der Intitulatio deuten auf Besitzansprüche des Absenders. Hierzu wäre ein Schreiben İbrāhīm Paşas an Karl V. vom 11. Juli 1533 zu nennen: Der Großwesir kritisierte spöttisch die Verwendung des Titels „König von Jerusalem “ in einem zuvor geschickten Schreiben des Kaisers und betrachtete dies als Besitzanspruch eines Gebietes, das „unter der Macht eines anderen [und zwar des osmanischen Sultans] steht.“ Bereits in einem weiteren Schreiben (1535) an die Osmanen verzichtete Karl V. auf die Anführung dieses Titels. In seinem eigenen Herrschaftsbereich jedoch wurde dieser Titel weiterhin verwendet. Vgl. Jean-Louis Bacqué-Grammont, Autour d’une correspondance entre Charles Quint et İbrahim Paşa, in: Turcica 15 (1983), 236–245.

[15] Es sei hier darauf hingewiesen, dass in den in dieser Edition behandelten Schreiben Selīms II. nicht klar erkennbar ist, wann ein kurzer (vilāyet-i Beç ḳırālı) und wann ein längerer Titel (wie vilāyet-i Peç ve Alāmān īmperādorı) für Maximilian II. verwendet wurde. Wie es in den Schreiben Süleymāns I. der Fall war, kann man davon ausgehen, dass die Herrschaftsattribute wahllos verwendet wurden. Nur in den beiden Schreiben vor dem Friedensvertrag von Edirne 1568 kommt zwei Mal Nemçe („Österreich“) vor. Vgl. Schaendlinger, Schreiben, XXIIf.

[16] Vgl. ebd., XXV.

[17] Vgl. ebd., XXV.

[18] Eigentlich ist die Willensentscheidung des Padischahs in der Dispositio buyurdum ki eine Vergangenheitsform im Türkischen und bedeutet genau übersetzt „ich habe befohlen, dass“. Dies lässt darauf schließen, dass die rechtssymbolische Handlung nicht in der Ausstellung der Urkunde, sondern in der mündlichen oder schriftlichen Erteilung des Beurkundungsbefehls bestand. Vgl. Matuz, Kanzleiwesen, 107. Für eine Analyse aus linguistischer Perspektive siehe: Lars Johanson, Aspekt im Türkischen, Uppsala 1971, 122: „Koinzidenzfall“.