Schlussschrift des Kaisers zum 1. Hauptartikel (Türkenhilfe) (1576-10-03)
Textgrundlage: Wien HHStA, MEA RTA 72/2, fol. 223r-228v
Lectum 5. Octobris anno 76 a prandio. Ubergeben Regenspurg, den 3. Octobris anno 1576. 1.
Waß die anwesende stendt und der abwesenden reth, pottschafften unnd gesanten auf der römischen ksl. Mt., unnsers allergnedigisten herrn, außfüerliche replic schrifften und derselben beilagen1, die hungerische frontier und türckisch kriegs wesen belangendt, sich verner entschlossen unnd ir ksl. Mt. gehaimen rethen neulicher tagen in schrifften zugestellet, das alles seindt ir ksl. Mt. nach aller notturfft berichtet worden.
Nuhn wolten ire ksl. Mt. nichts liebers sehen noch wünschen, dann das es umb berürte grenitzen und türckische macht und anschleg also gelegen, das ire ksl. Mt. der stendt mit angeregtem irem repliciern und weiterm begern hette verschonen und es bey neherm irem erpieten beruhen lassen mögen, sintemal irer ksl. Mt. dise vorwesende schwere und theure zeitten , deßgleichen auch andere der stendt obligen unverporgen seindt. Wann aber die stendt, reth und pottschafften baide, aus irer Mt. proposition und berürter replic schrifften, nach aller lengs vernommen, das dem wesen damit nit geholffen werden mögen, sonder sowol der stendt und ins gemain des Hailigen Reichs teütscher nation selbst als ir ksl. Mt. und dero nechstgesessner landtschafften höchste und unumbgengcliche notturfft ervordert habe , disfals die vor augen schwebendt eüsserste gefahr und nott den stenden frey rundt zuentdecken und sie umb ein merere ersprießlichere hilff antzulangen, so versehen sich ir ksl. Mt. gnedigclich, sie werde deßwegen bey churfürsten, fürsten und stenden wol entschuldigt sein und sie selbsten berürte gemaine grössere nott den sonderbarn ringern obligen gern vorsetzen.
Waß nun die yetzig weiter bewilligung der baiden eilenden unnd beharrlichen hilffen anlanget : Ob wol die stendt, reth und gesanten aus übergebener alten und newen grenitz verfassungen[Falz] vermercken, das die jerlich zehen ainfachen monat zu demselben[Falz] weitleüffigen werck nit erklecken, danebens auch leichtlich ermessen künden, wo sich einkommenden kundtschafften nach (welches der allmechtig gnedigclich abwenden welle) zutragen solte, das einzwer der türckisch kaiser selbst personlich heraus zohe oder aber ein bellerbegen mit einem gewaltigen höhr herauß schickte, das auch die zwaintzig monat zu eilender gegenwehr und abtreibung solches mechtigen vheindts bei weitem nit genug sein wurden, sintemal ermelter vheindt auf dergleichen zug alle seine macht wendet und nit mit einem höhr und hauffen noch an einem ortt allein , sonder ettlich unterschidliche höhr der tartern2, walachen und anderer völcker an sich zuhencken und an mehr dann einem ort antzuziehen und antzugreiffen pfleget. Daher notwendig ervolget, da man sich anders vor ime ettwas aufhalten und die christliche frontier entsetzen will, das neben eim ansehenlichen kriegsvolck zu roß und fueß, so ime entgegen kommen soll, auch die grenitzheüser allenthalben vil stercker als sonsten besetzt und munirt und also vil ein merers, als bemelte zwaintzig monat ertragen, aufgewendet werden mueß . Yedoch aus denen durch die stendt, reth und gesanten hievor [225r] unnd yetzo vorgewendten beschwernissen und ursachen wellen ir ksl. Mt. sie dißmals verner nit bemühen, sonder nemmen also der stendt, reth und gesanten guthertzige und ansehenliche bewilligung der sechtzig monat beharrlicher und in eventum zehen monat eilender hilff sambt den benenten zalfristen und legstetten zu sonderer freundtschafft und gnaden an und thuen sich derselben so guthertzigen betzaigung und getrewen mitleidenlichen zuesetzung der stendt bey irer Mt. und deroselben erb künigreichen und landen gantz freundtlichs und gnedigs vleiß bedancken; mit dem freundtlichen, gnedigen und gnedigisten erpietten, solches gegen churfürsten, fürsten und stend, danebens auch den rethen und gesanten hinwider in allem gutem und kaiserlichen gnaden zubeschulden und zuerkennen. Des entlichen unzweifenlichen versehens, es werden churfürsten, fürsten und stende solliche bewilligte hilff, ein jeder nach seiner angepürnis, zu bestimbten terminen an guten, groben, gangbarn reichsmüntzen aufrichtig und one abgang erlegen und laisten und in solcher vorsteender oder kunfftiger gemeinen nott zu rettung des vaterlandts und der löblichen teütschen nation gerne alles vermögen auffsetzen.
Unnd obgleich wol ire ksl. Mt. dem jhenigen, so von wegen einpringung der hilffen und fiscalischen proceß [225v] jungstlich zu Augspurg und Speier verabschidet3 unnd yetzo widerumb erholet werden soll, nichts zuzuthun wissen, yedoch dieweil ir ksl. Mt. vermercken, das irer Mt. cammerprocurator fiscal biß dahero auf yeden termin bewilligter hilffen sondere proceß außtziehen mussen, daraus ervolgt, dasnit allein ire ksl. Mt. mit costen und schaden lang aufgehalten, sonder auch die partheien selbst sambt dem gericht mit vilen processen und recessen beschwert und verhindert worden: So hielten ir ksl. Mt. in alweg für ratsam, zu abschneidung solchs vertzugs, costens und verhinderung des gerichts in yetzigem abschidt zuversehen, das solche gantze hilff und alle termin in ein proceß verfasset und dem fiscal nach verfliessung eines oder mehr termins allein den ersten proceß zureproducirn zugelassen sein und er zu außtziehung sovil sonderer proceß nit gemüssiget werden solte .
Was dann fürters die außteilung, besterckung und verwarung der grenitzen anlanget, da hetten ire ksl. Mt. vorder gern gesehen, wie auch noch, da es der stendt, reth und gesandten gelegenhait sein wellen, das auff die durch ir Mt. übergebne ungeverliche fürschleg yetzo als gleich were beratschlagung fürgenummen, dabey auch ettliche personen, so als kriegs reth, muster- und zalmaister [226r] den sachen beiwonen, das peste mit einrathen und alle ding anordnen helffen mögen, von des Reichs wegen benennet worden. Dieweil aber die stendt, reth und gesandten dises alles irer ksl. Mt. guthertzig heim vertrawen , die beratschlagung aber berürtes grenitzwesens aus etlichen beweglichen ursachen auff schierst kunfftigen deputation tag gehn Franckfort4 verschieben, so lassen es ire ksl. Mt. in baiden solchen puncten bey yetzo angeregtem der stendt bedencken ires tailspillig auch verpleiben. Und seindt erpietig, nit allein mit denen hiezwischen bemelts deputation tags erscheinenden zielen der sachen alsgleich ein anfang zumachen, sonder auch in dessen allen müglichen vleiß fürtzuwenden und mit iren erb künigreichen und landen dahin zuhandlen, damit irer Mt. neherm andeuten nach zwischen inen ein ordenliche verfassung der landthilffen, auch außteilung der frontierpletz begriffen und abgehandlet und den deputirten stenden zu bestimbtem tag zu vernerm nachgedencken communicirt werden möge und neben demselben auch irer verrichtung und wie und wartzu sie angeregte zill, so sie durch ire leüt und pfenningmaister aufheben lassen, geprauchet, gute aufrichtige anzaig und bericht zuthun.
Sovil dann auch die vernere nutzliche anwendung bemelter hilffen, deßgleichen bestellung , betzalung und proviantierung des kriegsvolcks betrifft, da achten ir ksl. Mt. nit [226v] allein für gantz pillig, das der stendt bedencken nach dise hilff nirgent anders wohin als allein zu nottwendiger defension gegen dem türcken und erpawung und besetzung der grenitzen aigentlich gehöre und darumb zu kainem andern gebrauch[Falz] verwendet, deßgleichen das auch das kriegsvolck mit proviant[Falz] und gebürlicher betzalung an guten, derselben ort gangbarn mün[Falz]zen betzalet werden sol, sonder sie seien auch des gnedigen entlichen willens und erpietens, demselben allem so wol mit den Reichs- als irer Mt. selbst landthilffen dermassen würck[Falz]lich und aufrichtig nachzusetzen, danebens auch gegen die jhenigen, die sich eines andern betzaigen und mit irem gesuch den armen kriegsman zuvervorthailn unterstehn wolten, solchs einsehens zuthun, das churfürsten, fürsten und stendt irer Mt. versehens nit weniger als die kriegsleüt selbst damit allerdings wol zufriden und benügig sein sollen. Wie dann ir ksl. Mt. gleichergestalt auch erpiettig ist, des jhenigen , weß von wegen der landt Steyr, Kerndten, Crain und fürstlichen graffschafft Görtz angeregt worden5, der gebür mit gnaden indenck zu sein.
Waß dann zu endt der stendt duplick von wegen der niderlendischen empörung angeregt und gepeten worden, da zweifeln ire ksl. Mt. nit, es sey den stenden, rethen und gesanten unverporgen, was ire ksl. Mt. biß dahero so mit [227r] ansehenlichen schickungen baide, in Hispaniam und die Niderlandt, so auch mit vilfaltigen schreiben und ermanungen in derselben sachen gethan und wie gern ir ksl. Mt. yeder zeit gesehen, auch ainigen vleiß nit gesparet, damit nur solche gemainschedliche unruhe hette widerumb zu richtigkait und friden und also auch die päß geöffnet und die commercia in vorigen gang gebracht werden mögen. Das nuhn solche irer Mt. vilfaltige wolgemainte bemühung so wenig statfunden und die verhoffte endtschafft nit erraicht,sonder die sachen noch immer ye weitleüffiger werden, darinnen würdt der ksl. Mt. verhoffens ir ainige schuldt nit zugemessen, sonder ir ksl. Mt. vermercken solches sambt den stenden nit mit ringer kommernis6. Aber wie deme, so haben ir ksl. Mt. alberait vor diser der stendt wolmainender erinderung sich entschlossen gehabt, die sachen baider ortten noch einest zuversuchen und zu demselben ende nit allain irem oratori am künigclichen hispanischen hof über das jhenig, was ime hievor diser niderlendischen unruhe halben zuwerben und handlen auferlegt gewesen, noch weiters ausfüerlichen bevelch gethan, sonder ir auch fürgenommen, in kurtzem ein ansehenliche pottschafft in die Niderlandt abzufertigen; alles zu dem ende, disen beschwerlichen krieg sovil immer möglich zu stillen und die sachen widerumb zu ruhen und gewünschtem friden befürdern zuhelffen. Darunter dann [227v] ir ksl. Mt. nachmals, sovil an ir, keinen vleiß, mühe und costen zusparen und sonsten alles, wes zu erlangung yetzoangeregtes endes dinlich, mit allem vätterlichen willen fürtzunemmen gedencken.
Letzlich haben ire ksl. Mt. auch vernommen, was die stendt, reth und gesandten des ritterordens halben, so in Hungarn gegen dem erbvheindt aufgericht werden möchte, für ratsam angesehen7. Und dieweil dasselbig werck von menigclich für gantz nutzlich und notwendig geachtet und derwegen pillig befürdert würdt, so hetten ire Mt. wol leiden mögen, das dasselbig bey diser versamblung were beratschlagt worden. Weil aber die gesanten darauff nit bevelcht und one das darunter noch allerlay vorberaittung und erkundigung zuthun vonnötten, so lassen die ksl. Mt. ir gnedigclich auch gefallen, das solche berathschlagung auf schierst kunfftigen deputation tag8 zu dem obberürten grenitz wesen verschoben werde. Doch achten ir ksl. Mt. danebens für ratsam, hiezwischen in den kraißen den sachen auch nachzudencken und auf etlich angedeüte puncten erkundigung zunemmen, danebens auch die deputierten mit gewalt zuversehen, damit man zu berürtem deputation tag desto gefaster erscheinen [228r] möge. Hergegen wellen ire ksl. Mt. auch nit underlassen, der stendt wolmainlichemandeuten nach mit baiden ordens maistern9 handlung zupflegen, danebens auch nottwendigen bericht einzutziehen und solches alles durch ire kaiserliche commissarien zu kunfftigem deputationtag den deputierten stenden zucommunicirn.
Welches alles ir ksl. Mt. den anwesenden stenden und der abwesenden rethen, potschafften und gesanten auff obbemelte ire zwaite antwort zu glücklichem beschluß des ersten artikels irer Mt. proposition gnedigclich nit verhalten wellen. Unnd seien inen sambt und sonders mit allen gnaden wol genaigt.
Siehe textkritische Fassung.