Replik des Kaisers zum 3. Hauptartikel (Justiz) (1576-09-15)
Textgrundlage: Wien HHStA, MEA RTA 72/2, fol. 261r-264v
Iustitia. Ubergeben den 15. Septembris anno 1576. Lectum 17. Septembris anno 1576, Ratisbonae ä prandio.
Waß die anwesenden fürsten unnd stendt sambt der abwesenden churfürsten unnd stendt rethen unnd gesanten auf den dritten artikel diß reichstags proposition, das gemain justici wesen belangendt, für bedencken zusamen getragen, das haben die röm. ksl. Mt., unnser allergnedigster herr, aus derselben übergebnen relation notturfftigclich vernommen1, der sachen auch ires tails mit gnedigem vatterlichen vleiß nachgedacht. Unnd wiewol ir ksl. Mt. sich anfengclich guter massen zuerindern wissen, mit was sonderer wolmaindenden bemühung berürter artikel bey nechstgehaltenem speirischem reichstag2 tractirt unnd verabschidet worden, und derwegen darinnen ungern ichtwas endern wolten, danebens aber auch das bedencken , so zu anno vierundsibentzig gehaltener visitation der contumacien halben [Marginalie: Von contumacien.] durch die beisitzer übergeben worden3, zu befürderung des proceß nit undinlich halten. Yedoch dieweil die stendt für ratsam ermessen, dz bey schirstkunfftiger visitation dises und anderer puncten halben solle erkundigung genommen und alßdann nach beschehener relation unnd befindung der sachen zu annderer glegenhait die gebür darüber disponirt werden soll, so lassen es ir ksl. Mt. dabey auch gerne beruhen. Unnd wellen nit underlassen, darauff ire ksl. commissarien, welche sie zu berürter visitation abordnen , zuinstruirn; ungezweifelt, solchs [261v] werde gleichsfals von den anndern visitatoribus auch beschehen.
Nicht weniger lassen ir ksl. Mt. ir auch gnedigclich gefallen, ob gleichwol von abstellung und vergleichung der mißhelligung, so bißweilen in erkennung oder abschlahung der proceß [Marginalie: 2) Erkennung der proceß.] fürfallen, also auch annemmung der presentierten personen[Marginalie: 3) Praesentation [Lücke] personen.], fürnemblich aber der commissarien unnd visitatorn gewalt, so wol der personen als des proceß verpesserung halben[Marginalie: 4) Gewalt der ksl. commißarien und visitatorn.], hiebevor tails in der ordnung4, tails aber in den zu Augspurg des sechsundsechtzigisten und zu Speyr des verflossnen sibentzigisten jars publicirten abschiden gute, wolbedechtliche versehung beschehen, das dannoch dieselben puncten [Marginalie: Zum abschid.] in yetzigem abschidt umb merer richtigkait willen möchten erholet unnd nit allain den visitatoribus, sonder auch dem collegio eingebunden werden, sich baider tails angeregten abschiden allerdings und one ainigen respect gemeß und gehorsam zuverhalten und fürnemblich auf die jhenigen, so ettwa mißverstendt und widerwillen unter den gerichtspersonen zuerregen geflissen, guet aufmerckens und einsehens fürtzunemmen.
Gleichergestalt mögen ire ksl. Mt. leiden[Marginalie: 5)], das die inn dem beigelegten extract des in anno dreiundsibentzig [262r] zu Speier gemachten visitations abschidt begriffene puncten, als so ir Mt. ermessens zu fürderung des proceß nit wenig dinlich, zu menigclichs wissen yetzigem Reichs abschidt einverleibt werden. Unnd lassen es ire ksl. Mt. des jhenigen halben, was in dem nachvolgenden versikel von vergleichung der substantial qualiteten und stylo, so in erkennung der proceß gebraucht werden sollen, der stendt , reth und pottschafften bedencken nach bey dem speirischen abschiedt auch gnedigclich beruhen.
[Marginalie: 6) Vota.] Sovil die vota, so yeweils ad protocola dictirt werden, anlanget, halten ire ksl. Mt. für nöttig, das deßwegen einsehens beschehe, sintemal bißdahero mit solchem dictirn nit wenig zeit zupracht worden. Dieweil aber auch sich offtermals zutregt, das man in alten sachen die motiva der urteiln aufsuchen unnd wissen muß, so ermessen ir ksl. Mt., das gleichwol, wie gemeldet, die lange dictationes votorum eingetzogen, aber danebens die vota und motiven in schrifften zu den protocolen zulegen unnd zuverwaren nit verwert werden sol.
[Marginalie: 7)] Was verners von wegen außteilung der beisitzer in mehr reth vermeldet würdt, da zweifeln ir Mt. gleichwol nit, das durch ermehrung der reth die beschlossene sachen mögen umb ettwas groß befürdert werden. Wann aber auch hergegen nach glegenhait der sachen unnd personen aus solcher tailung leichtlich allerhandt unrichtigkaiten ervolgen könten, so achten ire ksl. Mt., das solches punctens wegen gueter zeitlichen erwegung unnd nachdenckens wol vonnötten sey, damit man in deme, da man die sachen zufürdern vermainet, deroselben verwirrung und aufftzug nit verursache. Unnd darumben solcher artikel vermög der stendt vernünfftigen bedenckens pillig auf kunfftige visitation zu weiterer erkundigung verschoben würdt.
[Marginalie: 8)] Also auch lassen die ksl. Mt. ir gnedigclich gefallen, das die sechs jar deren in anno sibentzig angenommenennewenbeisitzer noch auf anndere sechs jar continuirt werden.
[Marginalie: 9)] Daß dann des Heiligen Reichs ertzcantzler, der ertzbischof unnd churfürst zu Maintz, zu den jerlichen visitationen neben einem vom adel und seiner L. cantzlern noch ain gelerten rath, deßgleichen der visitierendt fürst, so persönlich erscheinet [Marginalie: 10)], einen oder zwen qualificirte reth zu sich in rath zutziehen, macht haben soll, das achten ir ksl. Mt. nit allein für pillig, sonder auch zu vorkummung unnöttiger disputationen, so sich etlich jar anhero bey den ordenlichen visitationen deßwegen erhaben, zuverabschiden nöttig.
[Marginalie: 11)] Sovil dann letzlich die jungst zu Speier aufgerichte constitution von den arresten antrifft5, da wellen die ksl. Mt. iren zu schirst kunfftiger visitation verordneten kaiserlichen commissarien bevelch thun, sambt den geordneten visitatoribus des angetzogenen mißbrauchs unnd zu weit extendirter constitution halben gebürliche erkundigung zunemmen und nach befindung derselben allen vleiß fürtzuwenden, damit alle solche unordnung und extension , da ainige befunden, der gebür abgestellet und eingetzogen werden.
Unnd wolten ire ksl. Mt. solches alles den stenden unnd gesanten auff obberürte ire relation in anttwort gnedigclich nit pergen; denen sie sambt und sonders mit kaiserlichen gnaden wol genaigt seindt.
Siehe textkritische Fassung.