Erklärung des Kaisers zur zweiten Supplikation der CA-Stände (1576-09-24)
Textgrundlage: HStA München, Kasten blau 110/5, fol. 511r-515v
Der röm. ksl. Mt. fernere haubtsächliche resolution uff der evangelischen stend den 9. Septembris uberreichte weitere supplication schrifft. Präs. Regenspurg, den 24. Septembris anno 76.
Der römischen ksl. Mt., unnserm allergnedigsten herrn, ist verlesen worden, was die churfürstliche pfaltzische unnd brandenburgische, fürstliche und andere der augspurgischen confession verwandter stendt reth, pottschafften und gesanten auff irer ksl. Mt. nehere resolution unnd antwort, die religion sachen belangendt, newlicher tagen weiter fürpracht unnd gepeten.
Nun wissen gedachte reth, pottschafften und gesanten zweifels one, mit was sonderer freundtschafft und gnaden die ksl. Mt. iren herrschafften und obern jeder zeit genaigt und wie sie denselbigen bißdahero nit weniger als den andern ungern ichtes, so sich immer thun lasse oder in irer Mt. kaiserlicher macht gestanden, verwaigert, auch nachmals ungern verwaigern wolten. Deren ursachen dann auch und aus sonderer vätterlicher wolmainung, so sie zu gemainer rhue und wolstandt des geliebten vatterlandts tragen, sich ire ksl. Mt. jüngstlich gegen den rethen und gesanten dermassen ercleret und wegen abstellung der geclagten gravaminum so guthertzig erpotten, auch hergegen den stenden der catholischen religion die notturfft und sovil vermeldet, das ire ksl. Mt. sich gentzlich versehen, es wurde also baiderseits one weiter difficultirn dabey verpleiben und sie der augsprugischen confessions verwante[!] mit demselben irer Mt. erpietten begnugig gewesen sein.
Dieweil aber ire ksl. Mt. aus yetzo einprachter schrifften sovil vermercken, das gedachte reth und gesante aus angetzogenem, irer herrschafften und obern sonderm bevelch nachmals auff vorigen iren begern bestehn und dieselbigen nebens angehengter protestation ettwas weitleüffiger erholen und außfüeren, so könden ire ksl. Mt. nit umbgehn, sie darauff der notturfft verners mit kurtzem zuerindern.
Und das anfengclich churfürsten, fürsten und stendt der augspurgischen confession zuvorderst die ehr gottes und erhaltung des religion-1 und prophan fridens, auch pflantzung guetes vertrauens zwischen den stenden des Reichs sambt ruhe und ainigkait, auch abschaffung aller widerwertigkaiten und mißverstendt suchen, die reth und gesanten sich auch an statt und aus bevelch irer herrschafften und obern, dann auch für ire selbst personen datzu anerpietig machen, dasselbig vermercken ire ksl. Mt. von inen sament- und sonderlich zu besonderm gnedigen wolgefallen; welches ire Mt. und menigclich an inen pillig rüemen und beloben. Wie sich dann auch ire ksl. Mt. bißdahero keines andern zu inen niemals versehen, noch kunfftigclich versehen wellen, allermassen hinwider ire ksl. Mt. auch die zeit derselben kaiserlichen regirung sich ires tails dahin fürnemblich beflissen [512r] und ale ire handlungen dahin gerichtet haben, damit nur zwischen den stenden baider religion gute fridliche eintrechtigkeit unnd aufrichtig vertrauen gepflantzet und erhalten werden möchte. Zu welchem ende dann ire ksl. Mt. nachmals alle ire gedancken und handlungen dirigirn und sich zum höchsten befleissen, einer und der andern religion verwanten stenden als gemainen mitglidern in iren yedes anliegen und beschwernissen allen freundtlichen gnedigen und vätterlichen willen und (sovil sich immer thun lasset und in irer Mt. vermügen stehet) wilfarigkait zuertzaigen.
Nun wissen sich aber die räth, gesanten und pottschafften gueter massen selbst zuerindern, was es für ein glegenheit mit dem religionfriden habe, zwischen weme, als nemblich der kaiserlichen und künigclichen maiesteten, churfürsten, fürsten und stenden des Hailigen Reichs teütscher nation, auch mit was zeitlichem rath und höchster bemühung derselbig anno funfundfunfftzig zu Augspurg abgeredt, beschlossen, aufgericht und in das gantz Reich publicirt, deßgleichen dem kaiserlichen camergericht, darauff zuerkennen, insinuirt, nachvolgendts auch nit allein von einer Reichs versamblung zu der anndern widerholet und durch baider religions verwandte stendt zum höchsten beteuret unnd [512v] zuhalten versprochen, sonder auch darauff die kaiserliche und künigcliche iuramenta und capitulationes2 reguliert worden, mit dem sondern außtrucklichen anhang, das solcher friden biß zu vergleichung des religions stritt immer und ehwig gehalten und dagegen ainige constitution, satzung, declaration oder ichtwas anders, so denselbigen verhindern oder verändern möchte, nit außgehn oder gegeben werden oder, da es auch beschehe, dasselbig alles von uncrefften und nichtig sein solte.
Dieweil dann der bemelten augspurgischen confessions verwanten reth, potschafften und gesanten yetzige begern solche fell anlangen, welche eben dise churfürsten, fürsten und stendt fürnemblich berüren, deren kainer oder ye gar wenig zur stett seien, so haben derwegen die anhaltenden räth, pottschafften und gesanten selbst vernünfftigclich zuermessen, wie ir ksl. Mt. gebürn oder veranttwortlich sein welle, disfals wider obangeregten innhalt des religion fridens und ir Mt. selbst aidtliche beteurung one mitwissen und bewilligung einer und der anndern religion verwanter churfürsten, fürsten unnd stende etwas weiters zuverabschiden oder erclerung zuthun; des gnedigen versehens, ir, der räth und gesanten herrschafften und obern werden irer Mt. das jhenig, was in irer Mt. thun [513r] und macht nit ist, nit zuemueten, sonder vil mehr an irer Mt. nechstmals gegebener resolution und zimblichem erpieten freundtlich und gehorsamblich ersettigt sein und es ir, der räth und pottschafften hievorigem und yetzo wider holtem erpieten nach, nit weniger als auch die catholischen zuthuen sich erbietten, bey dem einmal aufgerichten, angenommenen und publicirtem religionfriden, so wol der underthanen als der stendt selbst halben, gehorsamblich verpleiben lassen.3; Imassen dann ir ksl. Mt. sie, die reth unnd pottschafften, hiemit gnedigclich ermanen, sie wellen anstatt irer herrschafften und obern deroselben mit berürten begern gehorsamblich verschonen und dadurch die entlich abhandlung der proponirten artikel und verhoffentlich glücklichen beschluß dises Reichs tags lenger nit aufhalten. Dann ye die stendt, reth unnd pottschafften aus irer Mt. replicschrifften beim ersten artikel der kaiserlichen proposition gnugsam vernommen haben, was disfals an guter, schleiniger befürderung gelegen sein welle und wie die eüsserste nott, darinn ir ksl. Mt. christliche künigreich und lande des erbvheindts halben stecken, so gar kein vertzug leiden künde, sonder nichts gewisses sey, wo man nit fürderligst und yetzo gleich alßbaldt die grenitzen mit notturfttigem volck unnd munition nit stercket oder verwaret, dz dieselbig jhämerlich mueß [513v] verlassen und verloren und also dem türcken zu vernerm einpruch und lengst begerter verhergung des teütschen landts thür unnd thor geöffnet werden.
Solte nun ire ksl. Mt. und deroselben getrewe landtstandt und underthanen von wegen dises zwischen den stenden der religion halben erregtes strits und mißverstendtnis in dero so scheinbarn gefahr verlassen und also die hungerisch grenitz und vormaur teütscher nation nidergerissen und zuruck gesetzt werden, das wurde nit allein ir ksl. Mt. (als die in diser sachen ja kein parthey seien und damit für ire person anders nit als ampts halben zuthun haben) gantz unverschuldter dingen begegnen, sonder auch dadurch das geliebtvaterlandt teütscher nation in eüsserstes unwiderpringliches verderben und ehwige dienstbarkeit gesetzet. Derhalben wellen sich ire ksl. Mt. zu vilgedachten stenden, auch rethen und pottschafften gnedigclich versehen und nit zweifeln, sie werden hierinnen das gemain hail und rettung der löblichen teütschen nation dermassen bedencken, dz ire Mt. (ob die auch gleich zu disem hohen standt des römischen kaiserthumbs niemals erhaben und ire vorgesetzte obrigkait nit were) dises stritts nit entgelten musse, noch vil weniger es dahin kommen lassen, dz ire Mt. sambt iren underthanen und so vielen untzehlichen christ[514r]lichen seelen in die türckisch tyranney hingerissen werden, sonder vil mehr zu unvermeidlicher rettung und abwendung vor augen schwebender höchster und gemainen nott neben andern mitgliedern des Hailigen Reichs guthertzig und getreulich zusetzen.
Daentgegen seien ir ksl. Mt. nachmals erpiettig, über die ordenliche mittel und weg, welche in dergleichen religions sachen vermög des Hailigen Reichs ordnung und abschidt4 den gravirten bevor stehn und wie sich ir Mt. nechster resolution erbotten, noch verners von wegen der geclagten und anderer vorkommenden beschwernissen mit einen und dem andern thail pestes vleiß zuhandlen und vermittelst embsiger und eüsserster bemühung auch (nach gelegenhait und befindung der sachen unnd, wo nöttig) ernstlichen einsehens dermassen zubetzaigen, damit fürnemblich dem aufgerichten religionfriden allenthalben gleichmessig nachgesetzet und verhoffentlich alle stendt damit wol zufriden sein und zu vernerm mißtrauen nit ursach haben sollen. Da aber ein oder mehr sachen (deß sich doch ire ksl. Mt. mit nichten versehen) durch alle solche mittel und weeg nit möchten richtig gemacht werden und ye solche beschwernissen fürfallen solten, darunter eines oder des andern tails mehrers einsehens und tractation vonnötten, auff denselben fall soll [514v] ir ksl. Mt. nit zu wider sein, kunfftigclich mit den churfürsten unnd fürsten auf die mittl unnd weeg verdacht5 zu sein, dadurch angeregte mißverstendt verglichen und auffgehebt werden mögen.
Siehe textkritische Fassung.