Protokoll der Beratungen der katholischen Stände (Kurpfälzer Überlieferung)
Textgrundlage: München HStA, Kasten blau 110/5, fol. 479r-487v
Protocollum catholicum in religions sachen.
Katholische Stände und Kaiser.
Seind der catholischen stendt abgesantten bei irer Mt. erschienen unnd sie durch dero vice cantzler Dr. Weber anzeigen lassen, dz sie der augspurgischen confession verwontten uff ire supplication wegen der declaration und freistellung antworten lassen, welches sie den catholischen stenden nit haben wollen verhaltten1; volgends inen, den catholischen stenden, ein schreiben behendigen lassen2, gnediglich begerenndt, dz sich dieselbe der ermanung, inn schreiben verfast, woltten gehorsamlich gemeß verhalttenn unnd dem religion frieden3 in allen seinen puncten gleicher gestalt geleben.
Versammlung der katholischen Stände.
Seind der catholischen chur- und Ff., auch frei- unnd Reichs stet gesantten in dem meintzischen losament erschienen, den[!]4 catholischen kfl. gesantten dem f. rhat vermelden lassen, daß ksl. decret wegen der freistellung lassen abzucopirn und die sach durch ein außschuß zutractirn, zuvorderst aber irer Mt. aller unnderthenigst danck zu sagen, dz sie es bei dem ufgerichten religion frieden lassen pleiben, item daß die catholische stendt dem inen zugestelten decret unnderthenigst vleis wolt[!] nachsetzen, item daß den catholischen stenden von den augspurgischen confession verwantten grosse betrangnus beschehe. Quod placuit der catholischen stendt abgesantten.
Ausschuss der katholischen Stände.
Seindt der 3 Kff. geistliche gesandten, der catholischen fursten, auch frey- und reichsstett ausschuß im mentzischem losament erschienen, consultirendt, was gegen der protestirenden unuffhorlichs supplicirn und die ksl. Mt. wegen der freystellung und declaration5 furzunemmen und zu respondiren.
Mentzisch cantzler: Was imperator den augspurgischen confessionisten uff ir anhalten etc. für ein bescheid gegebenn, dessen wisse man sich zuerinnern6, item was von den geistlichen stenden doruff beschlossenn sey, dz irer Mt. zudenckhen7. Weil aber gemelte confessionisten nit unterlassenn, uff besseren bescheid zutringenn und allerhandt beschwernus, so inen von den catholischen widerfaren soll, bei irer Mt. furzuwendenn8, iro Mt. desto leichtlicher uff ir sententiam zutringen, hat man itzt zubedenckhen, was doruff irer Mt. furzubringen. Man hat auch letzlich beschlossen9, daß irer Mt. der catholischen stendt gravamina, so inen von den lutherischen begegnen, soll furzubringen sein, ob ain schwerd das ander zu der scheiden behalten möcht. Hat der catholischen stendt gravamina, in schrifft verfast, abgelesen10:
1) Im religion friden11 sey versechen, do ein bischoff oder geistlicher praelat von der alten religion abtretten wurde, daß derselb ohn verletzung seiner ehren mocht und solt abstehen12. Contra hoc seindt etliche abgefallen und doch bischoff gebliben und genissen der geistlichen pfrund contra religionis pacatae constitutionem.
2) Ist statuirt, daß die stifft und kloster, dem Reich immediate unterworffen und fur oder nach dem passawischenn vertrag13 eingezogen worden, sollen restituirt werden; die aber mediate dem Reich unterworffen und nach dem passawischen vertrag eingezogen worden, solten ingleichem restituirt werden. Contra hoc seindt vil kloster nach dem passawischen vertrag eingezogen worden und werden noch forenthalten, die ostger[!]14 geschmehet und mit fussen getrettenn, die geistliche eingezogen und uff karren hinweg gefuret.
3) Wird die geistliche jurißdiction in den fellen in § Domit etc.
eingestelt, in denen die augspurgische confession mochte dordurch verhindert mocht[!] werdenn15. Dessen unangesehen unterstehen sie sich, jurisdictionem ecclesiasticam in omnibus zuvertilgen und ußzurotten.
4)16
5) Obwol der geistlich zehendt frey aller collecten, so haben sie doch anno 59, die zehendt hochzubelegen, angefangen, vermog der wort im abschid des landfridens, wie recht und rechtmessig herkommenn
17. Sed aperti iuris est, quod in pari causa potior sit conditio prohibentis.
6) Haben an vielen orten die alte religion unbefugt [481r] abgeschafft und die irige eingetrungen.
7) Verners ist statuirt, do in einer reichsstat bede religion in exercitio werenn, daß einer den andern in seiner religion nit hindern noch turbiren soll, sonder ime sein exercitium religionis frey lassen18. Dessen unerwogenn seindt in vilen stetten, als zu Straßburg19, Eßlingenn20, Reutlingen21, Ulm, die catholischen von den andern uberfallen, gehindert, turbirt worden, auch in etlichen stetten, als zu Ulm22, catholische predigenn verbotten.
8) So werden auch vil catholische stett seer von den lutherischen genottigt gegen denn landfridenn, weil der rath in denselben die lutherische religion iren burgern nit wollen zulassen; inter quos non est ultimus palatinus elector, der wider alle recht und billigkheit und denn landfriden zugegen Sunßheim und stifft Newhausen und dieselbig noch contra imperiale decretum irem rechten herrn vorenthelt23.
9) Alßdan auch im religionfriden statuirt, daß kheine andere religion im Reich geduldet werden solle dan allein die catholische und augspurgische confession24, so findt man doch dagegenn itzt lutherische, calvinische, zwinglische, schwenckfeldische etc., und werden disen secten nit allein predigten vergönnet, sonder es wurd auch offentlichen in scholis und universitatibus dovon docirt, disputirt und defendirt25. Disen puncten wolt er allein bedenckhens weis gemeldt habenn, ob man es den vorigen gravaminibus zusetzen wolt oder nit.
Volgends hat meintzisch cantzler verlesen die gravamina des bischoffs von Aichstet, so sein gesandter26 inn schrifften ubergeben27, inhalts: Seine stifft hetten etliche dorffer mit pfarren, dorin gebott und verbott seindt, die unterthonen dem stifft gelobt und geschworen seindt deren in possessione vor und nach dem passawischen vertrag, die lutherischen aber dringen ire predicanten in dieselben pfarr und dorffer, entziehen inen die unterthonenn contra tenorum des relligionfridens, daß kheiner dem andern seine unterthonen entziehen soll28; item haben inen vogtey, zinß und alle gerechtigkeit genommen, haben viel pfarren und geistliche pfrundt inen entzogen. Dise gravamina hat er in specie und den stiffter nit vermeldt, domit den andern nit ursach gegeben wurdt zu grosserer verbitterung, do sie in specie erzelt wurden. Zeigt weitters ann, daß sie noch in kurtz verschiener zeit einen priester vorm altar sein meßgewandt ausgezogen, denselben zur kirchen ausgeschlagen.
Darnach seindt der statt Schwebisch Gmundt beschwernussen furbracht etc.: Ksl. Mt. hette inen uff jungst gehaltenem waaltag alhie29 uff ir allerunderthenigst supplicieren[Falz] und anruffen zugesagt, sie in dem exercitio der alten religion gegen ire widerspennige burger zu schutzen und handzuhaben, irer burger aber etliche, so der lutherischen secten anhengig, werden taglichs halsstarriger und tringen, je lenger, je mehr, uff ire religion. Dessen alles Wurtemberg ein ursach, der inen den ruckhen helt [482r] und sterckht sie in irem pr[unleserlich] sito30. Were kayser zu bitten, sie des religion fridens zuerinnern und zubevelhen, demselben nachzusezten, item Wurtenberg zuvermanen, der sachen sich nit anzunemmen und von seinem furhaben abzusehen.
Item die stiffter der stat hetten pfarren uff dorffern, do verbott Wurtenberg, die pfarhen nit zubesuchen, den unterthonen bei hohen peen etc. Stelt zubedenkhen, wie dise gravamina fuglich forzubringen und, do mehr gravamina vorhanden, dieselben zu referiren.
Den 13. Septembis[!], mane, seindt gemelte gesandten in eodem loco & eadem hora wider zusammen kommen und in der sachen fortgefaren.
Ausschuss der katholischen Stände.
Meintzischer cantzler: Es stehet von disen dreyen puncten zureden, so imperatoris decreto super declarationem, wie man den beschwernussen, so von den lutherischen eingewendt apud caesarem, zubegegnenn und ob man noch andere beschwernusse hette usser der erhalten, die sach domit zu accumuliren.
Umbfrag.
Trier: Weiß sich zuerinnern, was for ein decret ab imperatore uff die declaration gefallenn, deßwegen sei irer Mt. in aller underthenigkeit grosser danckh zusagen. Gravamina, so die confessionisten imperatori ubergeben, seyen ime in specie unbewust, konne in specie doruff nichts melden; komme doch in erfarung, daß sie sich bei irer Mt. beschwert, es geschehe inen zuvil von diser [482v] seitten etc. Acht deßwegen vonnötten, auch von unser seitten imperatori gravamina furzubringen; ob man sie in genere oder specie proponirn will, stehe zu consultiren. Ob man auch woll anzeigen, wivil secten itzo gegen die zwo, als catholische und augspurgisch etc. im Reich zugelassen, einrissen, ob also ein zwispalt und trennung unter inen zuerwerckhen, stelt dz zubedenckhen.
Item Magdenburg, Saxen, Brandenburg31 seyen lutherisch, noch bleiben sie episcopi contra expressum tenorem des religion fridens.
In Wurtemberg seyen vil kloster nach dem passawischen vertrag eingezogenn, item verbiete dorinnen den unterthonen, der catholischen predigt in den pfarren, dorein gehorig, nit zuhoren, und do ein catholischer prediger unter inen gesessen, der nit lutherisch werden will, demselben gestatt er, alle seine sachen und ligende guetter zu verkauffen, sich uff ein ander ort zuschlagen. Gleicher gestalt soll er abbatibus und klostern zulassen, die mehr gefreyet dan burger, domit zum wenigsten gleicheit gehalten werd unter den geistlichen und weltlichen, cum tamen clerici maioribus privilegiis gaudere debeant32.
Alßdan im religion friden auch versehen, do zwo religionen in einer reichstat, daß die ein die andere nit vertringen soll, sonder eine die ander bei irem exercitio frei, unbeschwert und unmolestirt zulassen33, dargegen werden in vilen Reichs stetten die catholische beschwerd, als zu Ulm, [483r] do sie den geistlichen wol die horas canonices zulassen, aber die catholisch predig verbietten34.
Zu Dunckelsbühel ist der rath getrungen worden, die catholische pastores abzuschaffen, lutherische an deren stat uffzunemmen, und inen jarlichs zur competentz 300 gulden zuordnen mussen35.
Es hat auch der pfaltzgraff36 und Wurtemberg den widerspennigen und halsstarrigen lutherischen burgern der stat Schwebisch Gemundt, zu rebelliren, durch ire vilfeltige furschrifften nit wenig ursach gegeben und dermassen gesterckt, daß sie die catholische uff den trinckstuben dorffen offentliche schelmen nennen, und do sie iren furschrifften khein stat geben oder nit geleben, so werden sie dermassen von gemelten fursten mit aresten gefetzt[!] , daß sie iren forschrifften nolentes, volentes mussen nachkommen37, 38.
Item uff die pfarren, deren sie sich der collation anmassen, wegen eines closters, dem dieselbe zugestanden und von inen eingezogen werden, setzen sie lutherische predicanten, verjagen die catholische.
Zu Wormbs haben sie auch durch allerhandt practikhen ein capell39 bei der catholischen kirchen einbekommen, dorus den catholischen in irer kirchen vil hons, spots, trutzs, mutwillens, wen sie in contione oder missa sein, begegnet, dan sie wischen den catholischen zu trutz, wan in der kirchen gepredigt, domit sie nit gehort. Es ist an ir Mt. [483v] gelangt werden, daß die catholische sich dessen beschweren, wollen inen deßwegen ein ander kirchen eingeben. Welchs den lutherischen einzugehen auch ir Mt. durch mandata bevolhen, haben aber denselben nit wollen geleben, wie noch40.
Zu Ulm haben sie im teutschen hauß ein prister am altar gefenglich angenommen, meßgewandt abgezogen und gefangen, meniglich zu schimpff uber die strassen zu thurn gefurt. Item die doselbst in die catholische predigt gangen41, denselben haben sie 50 taler abtrags abgeheissen42.
Colln: Dancksagung soll beschehen pro decreto super declaratione45; der lutherischen gravamina sollen abgeleint werden, man soll die in specie melden. Sein gn. H. befinde gravamina in seinen stifften, die sonderlich etwas zubedeuttenn. Die irigen46 zanckhenn, daß etliche calvinisch, etlich anders, dz möge verschwigen bleibenn.
Osterreich: Irer Mt. sei zudanckhen; gravamina seyen in genere zusetzen, sonst mocht man mit inen in disputation gerathen. Ire varias sectas contra religion friden konten wol in genere passiren.
Saltzburg: Sein f. Gn. hett khein sondere beschwerdnus, allein Osterreich etc. Item man soll begern zu wissen, ob sie auch alle die sach unterschriben haben, so der augspurgischen confession49. Item zumelden, do sich caesar anderst dan vermog des religion fridens erkleren wurden, daß alßdan die catholischen nit contribuiren kondten.
Schwabisch Gmundt: Similiter.
Meintz: Will die gravamina, wie vermeld, in ein concept fassen; und weil sein gn. H. in specie in den gravaminibus angezogen wegen des lands Eichsfeldt50, will er seinen bericht doruff der ksl. Mt. ubergeben.
Versammlung der katholischen Stände.
Seind der catholischen stend gesandte im meintzischen losament erschinen contra augustanas confessionistas und haben daselbst gemeiner catholischer stennd gravamina und die, di ein jeder in specie ubergeben, hörn ableßen.
Erstlich hat der mentzisch cantzler etliche gemeine gravamina, so den catholischen, den[!] mherern theil contra tenorem & expressum textum constitutionis des religion fridens teglichs begegnen, abgeleßen51.
2) Ertzhertzog Ferdinandi gravamina contra di stat Colmar, wegen der clerisei alda52.
3) Clerisei der clerisei zu[!] Wormbs contra di stat Wormbs53.
4) Episcopi ratisbonensi contra di stat Regenspurg, das sie etlich closter und kirchen zu drinckstuben und kolheuser eingezogen und gemacht54; item das Pfaltz55 groß eintrag in seiner clerisei thue56.
5) Gravamina der stat Schwebisch Gemundt, so inen von iren widerspennigen lutherischen burgern zugefugt57. Item ein alter man hat bei inen uf der trinkstuben gesagt, wie er gefragt worden, er wolt in sein alten tagen kein schelm werden58.
6) Episcopi aichstetensis etc.
Meintz: Sei zubedenken, ob man die danksagung irer Mt. uf decretum wegen der religion wolt verbessern; item die [485v] gravamina in genere vel specie furbringen; item ob noch mer gravamina furhanden, dieselben auch anzuregen und zuvermelden, man konne uf der lutherischen gravamina59 nit antworten, denn sie wern inen unbewust.
Umbfrag.
Trier: Hat die concepta und gravamina horen ableßen. Dancksagung soll pleiben60. Finis & effectus huius negotii, das di catholischen hinfuro unangefochten von den lutherischen pleiben möchten etc. Pro ertzstifft
zusetzen etliche furstliche stifft
. Ob etwas vom calvinismo zuinseriren, stelt er zubedenkhen.
Colln: Man köndt das dissidium sectarum inter ipsos61 außpleiben laßen, damit sie nit spurten, das wir sie gegeneinander hetzen wolten.
Osterreich: Verbum ubersehen
soll außgelassen werden propter consensum, quem importat. Sonst wie andere vor ime.
Bisantz: Ut Trier & Osterreich.
Gulch: Wie Trier und Cölln. Allein da gesetzt wirdt, das etlich zuvil zugesehen, möcht außbleiben umb seins gn. herrn willen, der in etlichen ortern het müßen zusehen62.
Teutschmeister, Baden, Bamberg, Wormbs: Wie vor inen votirt.
Würtzburg: Idem, doch cum hac conditione, sich deßwegen mit denn lutherischen in kein proceß einzulassen, sondern das ire Mt. auch sehen, was grosse beschwernus den catholischen begegnen von den lutherischen, weil sie, di lutherische oder confessionisten, uber di catholische heftig geclagt63. Aber man soll sich in kein proceß mit inen einlaßen, wie man sich dessen nun etlichmal uff Reichs- und andern tegen entschloßen.
Speir: Thut sich bedanken, man sich seines H. von Wormbs64 contra di stat angenommen. Alias ut Trier.
Straßburg: Ut Trier & Osterreich.
Augspurg, Paderborn, Regenspurg: Ut Trier.
Siehe textkritische Fassung.