Der Reichstag zu Regensburg 1576

Historische Einführung: Der Reichstag des 16. Jahrhunderts als europäische Ständeversammlung. Zugleich eine Einführung in Schlüsselbegriffe der Reichstagsgeschichte

Verfasst von: Gabriele Haug-Moritz

Inhaltsverzeichnis

1 Was diese Einführung bezweckt und was nicht

Noch nie etwas vom Reichstag gehört? Das ist wenig erstaunlich, denn Themen haben Konjunkturen. Konjunkturen, die mehr über die Zeitumstände aussagen, in denen es gesellschaftlich so scheint, als sei ein Thema relevant, als über das Thema und dessen Bedeutung für das Verstehen des Historischen wie Gegenwärtigen. In einer Zeit wie der des beginnenden 21. Jahrhunderts, in der es den diskursprägenden Eliten auf das Besondere und nicht das Allgemeine ankommt (Reckwitz)1, hat es das Politische jenseits des Tagesaktuellen schwer, die so begehrte Ressource Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn das Politische ist definitorisch das Allgemeine. Wenn dann noch, selbst in der scientific community, die Vorstellung vorherrscht, dass das Gegenwärtige, hier: der moderne Parlamentarismus, mit dem Vergangenen, den Ständeversammlungen des Ancien Régime, sehr wenig zu tun habe, dann wird es noch schwieriger, Interesse zu wecken.

Und so wird auch die vielbeschworene Krise der Demokratie, die, genauer besehen, eine Krise der repräsentativen Demokratie ist, selten in einer historischen Perspektive diskutiert, die weiter zurückreicht als bis zur Aufklärung des 18. Jahrhunderts (eine Ausnahme: Frank Ankersmit). Diese Verkürzung des Zeithorizontes ist der präzisen Bestimmung gegenwärtiger Problemstellungen abträglich, wie das Folgende verdeutlichen sollte. Graduell, nicht prinzipiell anders verhält es sich nur in den Ländern, die sich die Geschichte parlamentarischer Teilhabe als integralen Bestandteil ihrer Nationalgeschichte erzählen. Allen voran sind dies England und die Niederlande. Etwas intensiver werden die Ständeversammlungen, gesellschaftlich wie wissenschaftlich, gleichsam unter umgekehrten Vorzeichen, auch in solchen Ländern erinnert, die ihre Sezessionsbestrebungen historisch herzuleiten bemüht sind. Man denke etwa an Katalonien oder Schottland. Eine historische Erscheinung aber, wie der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches der Teutschen Nation, entzieht sich schon ob seines sperrigen Namens der leichten Zugänglichkeit.

Wissenschaftliche Editionen wie diese zielten schon immer primär auf die Experten und, seit der jüngsten Vergangenheit, auch auf die Expertinnen. Doch mit der neuen digitalen Präsentationsform, ihrer leichteren Zugänglich- und Recherchierbarkeit, verbindet sich auch die Hoffnung, das Interesse solcher Nutzerinnen und Nutzer zu finden, die eigentlich an etwas ganz anderem als dem Reichstag interessiert sind und von den Algorithmen hierher geführt werden. Sie werden feststellen, welchen reichen, allen fachwissenschaftlichen Standards entsprechend aufbereiteten Quellenfundus sie auch für ihre Fragen vorfinden. Denn die Reichstage waren Orte langwierigen politischen Beratens und, mitunter auch, transkultureller Begegnungen, wie z. B. der des Jahres 15762. Sie waren aber auch Informationsbörsen und zugleich Versammlungen, die, ganz allmählich, für das Leben von immer mehr Menschen folgenreich wurden. Diesen Nutzerkreis, der weder mit vormodernen Parlamenten, geschweige denn mit dem Reichstag je zu tun hatte, hatte ich bei den folgenden Ausführungen vor Augen. Die Einleitung zum Reichstag des Jahres 1576 findet sich, wie bislang, im editorischen Teil3.

Diese Zielsetzung bestimmt das Vorgehen. Ich beschränke mich bei den Nachweisen auf das Minimum, das es jedoch erlaubt, sollte das Interesse an der einen oder anderen Frage geweckt worden sein, weiter zu lesen. Zudem versuche ich, wissenschaftlich valide digitale Ressourcen heranzuziehen, um dieses Weiterlesen zu erleichtern. Dem Zweck dieser Ausführungen entsprechend, ordne ich bei den Verweisen den jüngsten Forschungsstand der Zugänglichkeit nach. Werden Namen von Forscherinnen und Forschern genannt, so gelangt man über historicum.net oder den Karlsruher Virtuellen Katalog zu umfänglichen Informationen über ihre Publikationen. Aber auch die Algorithmen der Suchmaschinen liefern mit Sicherheit erkenntnisfördernde Treffer.

Sind die Akten von Reichstagen, auf die Bezug genommen wird, bereits ediert, so sind Reichstagsort oder -datum im Text fett hervorgehoben. Die genauen bibliographischen Angaben finden sich auf der Website der Historischen Kommission München. Wörtliche Zitate werden selbstverständlich exakt nachgewiesen. Ich bemühe mich, wo immer dies möglich ist, darstellerisch um Reduktion der besonders bunten Fülle der Erscheinungsformen, in denen ständisch-parlamentarisches Tagen in der Zeit vor 1800 begegnet. Für den Reichstag wird das eine oder andere, was zuvor nur angedeutet werden konnte, etwas konkretisiert werden.

Dass das Folgende bei einer Materie, deren Behandlung ganze Bibliotheken füllt, nicht mehr sein kann als der Versuch, mit groben Strichen Konturen nachzuzeichnen, versteht sich von selbst. Und doch – am Ende der Lektüre sollte deutlich sein, dass nicht nur die ständisch-parlamentarische Teilhabe des 16. Jahrhunderts im Allgemeinen, sondern auch der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation im Speziellen die Beschäftigung lohnt und der Mühen und Zeit wert war, die die Kolleginnen und Kollegen investierten, die diese Edition erarbeitet haben.

2 Ständeversammlungen und die europäische politische Kultur

2.1 Lateineuropäische Versammlungskultur

Der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation, dessen Akten des Jahres 1576 hier ediert werden, ist integraler Bestandteil einer im Laufe des Spätmittelalters immer vielgestaltiger und komplexer werdenden Kultur gemeinsamen Beratens in Europa (Abb. 1). Ein zentraler Bestandteil dieser Beratungskultur sind Ständeversammlungen. Seit dem 14. Jahrhundert wurde das stets zeitlich befristete Zusammentreffen der Herrscher mit den sozio-ökonomisch potenten Schichten und autonomen lokalen Gewalten4, so eine prägnante Definition des von Land zu Land variierenden Teilnehmerkreises, immer regelmäßiger – Ursache wie Ausdruck der europaweit zu beobachtenden Koordinationsprozesse (John Watts). Peter Moraw brachte sie in Bezug auf das Reich auf die Formel von der gestalteten Verdichtung. Diese Prozesse intensivierter Interaktion gewinnen im (süd- und nord-)westlichen Europa bereits im 13./14. Jahrhundert an Dynamik. Um 1500 wird auch (Ost-)Mitteleuropa von ihnen erfasst. Es sind diese Prozesse, die allmählich in ihrer überwältigenden Mehrheit monarchisch verfasste Gemeinwesen entstehen ließen. Italien mit seinen potenten Kommunen im Norden und dem administrativ modernsten Gemeinwesen des 16. Jahrhunderts, dem Kirchenstaat, gehorcht, wie auch das nordwestliche Kontinentaleuropa, eigenen Entwicklungspfaden5. Als Herrschaftsgebilde aber sind die Monarchien bis ins ausgehende 18. Jahrhundert im Inneren heterogener und weniger eindeutig voneinander abgrenzbar als es moderne kartographische Darstellungen, wie auch die hier dargebotene, suggerieren.

Abb. 1: Europa 1555; Quelle: https://www.ieg-maps.uni-mainz.de/gif/pEu555_Serie2_a4.htm

2.2 Der Raum der Ständeversammlungen

Alle Versuche der Forschung, dieses Tagfahren und gemeinsame Beraten von Herrschern und bevorrechteten Gruppen nicht nur sprachlich als Ständeversammlungen bzw. Parlamente, sondern auch inhaltlich-systematisch auf einen Nenner zu bringen, sind bislang gescheitert. Immer deutlicher aber zeichnet sich ab, welch zentrale Bedeutung der räumlichen Größe für die mehr oder weniger komplexen Erscheinungsformen von Mitsprache zukommt. Das Königreich England, das von einem Ende zum anderen in drei Wochen bereist werden konnte, stellt, so wurde jüngst argumentiert, unter den gegebenen infrastrukturellen Bedingungen das Maximum eines Herrschaftsgebietes dar, das zentral-vertikal integriert werden konnte (John Watts). Zentral-vertikale Integration meint, dass es eine Ständeversammlung – hier: das englische Parlament – gibt, in der sich die Akteure der monarchischen Zentrale, des Hofes, mit solchen treffen, die den lokalen städtischen und ländlichen Verbänden des gesamten Landes entstammen.

Gemeineuropäisch betrachtet stellt das englische Parlament die Ausnahme von der Regel dar. In den anderen europäischen Gemeinwesen stellt sich Mitsprache vielgestaltiger dar und wurde auch im Falle Englands bei seiner Entwicklung zur composite monarchy (Helmut G. Koenigsberger) des United Kingdom (Wales, Irland, Schottland) vielschichtiger. So begegnen, auf ganz unterschiedlichen Grundlagen und in ganz unterschiedlichen Formen, Foren der Mitsprache etwa nur in den einzelnen Kronländern, so z. B. auf der iberischen Halbinsel, oder es finden sich Versammlungen sowohl in einzelnen Provinzen als auch auf gesamtstaatlicher Ebene, so z. B. im Königreich Frankreich oder in den Spanischen Niederlanden (bis 1581) / Niederlanden. In den großen Reichen wie dem Heiligen Römischen Reich Teutscher Nation oder im polnisch-litauischen Reich (seit 1569: Rzeczpospolita) schließlich begegnen die komplexesten, vertikal differenziertesten Formen von Mitsprache.

2.3 Die Gesellschaft der Ständeversammlungen und die Ständeversammlungen in der Gesellschaft

Je nach räumlicher Größe, geographischer Lage wie sozio-ökonomischer Struktur unterschiedlich in den einzelnen Regionen Europas (Wim Blockmans) war, welche sozialen Gruppen (Adel, Stadtbürger, Bauern) zu den ‚ökonomisch potenten‘ und – vielfach, nicht immer, aus diesem Grund – ‚autonomen‘ Schichten zählten. Überall aber waren sie es, die von den Herrschern mit dem Anspruch adressiert wurden, ihnen zu raten und zu helfen, sei es militärisch, mit Landsknechten und Reitern, und/oder mit Geld. Gleiches gilt aus umgekehrtem Blickwinkel. Je nachdem wer zum Tag (ein-)geladen wird und dieser Ladung folgt, kann, im Gegenzug, in ganz unterschiedlichem Umfang und auf ganz unterschiedliche Art und Weise, gegenüber dem Herrscher die je eigenen materiellen wie immateriellen Interessen geltend machen. Die Ausnahme von der Regel ist, dass Bauern auf solchen Versammlungen präsent sind und diese Tauschlogik für ihre Belange nutzen können. In keinem anderen Königreich als im bevölkerungs- und städtearmen Schweden (eigenständiges Königreich seit 1523) finden sich Bauern auf Versammlungen ein, die, wie es beim schwedischen Riksdag der Fall ist, das ganze Land zusammenzuführen beanspruchen. Mitspracheberechtigte Bauern begegnen häufiger nur in kleinräumigen Herrschaftsgebilden, wie etwa in Tirol oder im Herrschaftsgebiet des Kemptener Fürstabts, um zwei Beispiele anzuführen, die besonders gut erforscht sind (Peter Blickle; Martin Schennach).

In weiten Teilen Europas, mit Ausnahme vor allem der städtereichen Regionen Italiens und Nordwesteuropas, ist es der Adel in seiner ganzen sozialen Spannbreite, den der Herrscher als geistlicher und weltlicher Herrschaftsstand einzubinden versucht und der demzufolge in besonders großem Umfang seine Standesinteressen zur Geltung zu bringen vermag. Am anderen Ende der Skala stehen die rechtlich wie sozial marginalisierten Gruppen. Im Verständnis der Zeit zählten auch all diejenigen zu ihnen, die über kein Eigentum verfügten und daher keinem Haushalt vorstanden (Knechte, Mägde, Handwerksgesellen etc.). Wiewohl sie die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sind, kommen sie nirgendwo in Europa auf solchen Versammlungen zu Wort und unternehmen, nach heutigem Kenntnisstand, auch keine Versuche, zu Wort zu kommen.

Ganz anders die Besitzenden in Stadt und (nachrangig) Land, die seit dem Spätmittelalter in zunehmenden Umfang auf Leistungen für das Gemeinwesen verpflichtet werden können. Sie wenden sich mit ihren eigenen Anliegen – in der Sprache der Zeit: ihren petitions, requêtes, Supplikationen etc. – an den Herrscher, immer häufiger aber auch an diejenigen, die sich am Hof des Herrschers aufhalten, um mit ihm zu beraten. In England haben die petitions maßgeblich dazu beigetragen, dass sich das englische Parlament in einer Form konstituierte, in der es bis zum heutigen Tag existiert. Neben den Lords als den altüberkommenen königlichen Ratgebern formte sich im 14. Jahrhundert das House of Commons aus. Denn immer mehr Engländern und Engländerinnen, denn auch Frauen konnten mit Bittschriften vorstellig werden, erschienen die in London weilenden Emissäre der eigenen Stadt oder Grafschaft als diejenigen, die man mit Aussicht auf Erfolg für die eigene Sache ansprechen konnte6. Das englische Beispiel gibt besonders gut zu erkennen, was für die allmähliche Institutionalisierung solcher Versammlungen generell zu beobachten ist. Sie wurzeln im monarchischen Bedürfnis nach Rat und Hilfe und der (metahistorischen) Notwendigkeit, Herrschaftsansprüche gesellschaftlich zu stabilisieren, sie sind aber auch Gelegenheiten, Wünsche und Beschwerden vorzutragen, und dergestalt in der ständischen Gesellschaft als einer Gesellschaft der Eigentümer verankert.

Die männliche Form ist mit Bedacht gewählt – nicht deswegen, weil Frauen über kein Eigentum verfügt hätten und auch nicht deswegen, weil Frauen, die in Familien hineingeboren wurden, die Herrschaft ausübten, marginalisiert gewesen wären. Die neuere Forschung hat gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Gerade im 16. Jahrhundert spielten Frauen als Töchter7 und Schwestern8, als Mütter und Vormünderinnen9, als Ehefrauen und Witwen10 eine bedeutende Rolle. Im Reich sind sie sogar auf der Bühne der Versammlungstage selbst präsent. Doch die durchaus zahlreichen Äbtissinnen11 durften auf dem Reichstag ihre Stimme, was im wörtlichen wie übertragenen Sinn zu verstehen ist, zwar delegieren, selbst erheben aber durften sie sie nicht.

Diese Beobachtung verweist auf Grundsätzliches. Sie verdeutlicht, dass wir nur dann verstehen können, warum über Jahrhunderte niemand das Fehlen des weiblichen Teils der Menschheit auf solchen Versammlungen beobachtete (geschweige denn monierte), wenn wir die Vorannahmen, die sich die Zeitgenossen über ihre Welt machten, ernst nehmen und zugleich danach fragen, wer die Deutungen lieferte, die den allermeisten Menschen richtig erschienen. Es sind, damals wie heute, die Experten als diejenigen, die für sich beanspruchen, über Wissen zu verfügen, das für alle von Bedeutung ist, und denen dieser Anspruch, aus welchen Gründen auch immer, geglaubt wird. Diese Experten aber, die gelehrten Männer, allen voran die Theologen, konnten auf ein breites Set an antikem und christlich-jüdischem Denken zurückgreifen, um ihrem Publikum, z. B. in ihren Predigten, zu erklären, dass die weibliche im Vergleich zur männlichen Ausprägung des (einen) Geschlechts defizitär sei. Solches Expertenwissen ist es auch, das eine altüberkommene soziale Praxis, das kollektive Beraten, ganz allmählich, traumwandlerisch (Michel Hébert), grundlegend veränderte – von Portugal bis Polen-Litauen, von Skandinavien bis Sizilien.

2.4 Europäische politische Kultur: Repräsentation

Die gelehrten Männer der ganzen Christenheit, der griechisch-orthodoxen wie der lateinischen, unter der Oberhoheit des Papstes stehenden, waren sich einig, dass das Männliche dem Weiblichen überlegen ist. Ganz spezifische Voraussetzungen und Entwicklungen der lateineuropäischen Christenheit (Lateineuropa) aber sind es, die mit den (Kleriker-)Juristen eine immer einflussreichere Expertengruppe entstehen ließ12. Es ist die Konflikthaftigkeit des mittelalterlichen Lateineuropa, die den Begründungsbedarf des je eigenen Standpunktes exponentiell wachsen und Juristen und Theologen antike Philosophie, Jurisprudenz und Politiktheorie in ganz spezifischer Weise rezipieren ließ. Im 15. Jahrhundert entstand dergestalt eine umfängliche und kontroverse Reflexion über die richtige Organisation der Kirche im Spannungsfeld von päpstlichem Suprematsanspruch und Mitspracheforderungen der Kardinäle, die, entscheidend, die konziliare Praxis13 prägte. In diesen Konflikten formte sich eine Konzeptualisierung des Sozialen aus, die, globalgeschichtlich betrachtet, singulär und zugleich, verglichen mit dem chinesischen Reich der Ming-Dynastie, eine Folge der ökonomischen und politischen Rückständigkeit des spätmittelalterlichen Europa ist (David Stasavage). Ihr Schlüsselbegriff ist Repräsentation, faktisch: der Anspruch, repräsentativ zu sein, als Dreh- und Angelpunkt korporationsrechtlichen Denkens14.

2.4.1 Repräsentation als Identitätsrepräsentation: Das Gemeinwesen als Körper

Repräsentation ist im 21. Jahrhundert ein in Wissenschafts- wie Alltagssprache omnipräsenter und dementsprechend unscharfer Begriff. Noch in unserer Gegenwart spielt er als politischer Begriff in der Selbstbeschreibung des Westens eine herausgehobene Rolle. Seine sprachliche Konstanz verschleiert, dass das, was mit diesem Begriff bezeichnet wird, sich über die Jahrtausende fundamental veränderte und auch heute wieder verändert. Dies gilt auch und gerade für den engeren Begriff der politischen Repräsentation. Politisch ist, in einem modernen, wissenschaftlichen Verständnis, Repräsentation deswegen, weil sie als gedankliche Figur den Anspruch begründet, dass die Beratungsergebnisse für alle verbindlich sind. Im Falle der frühneuzeitlichen Ständeversammlungen sind diese alle die überwältigende Mehrheit derjenigen, die nicht mitsprechen durften, aber auch diejenigen, die zwar mitsprechen durften, dies aber nicht wollten und den Versammlungen fernblieben bzw. mit dem Beschlossenen nicht einverstanden waren, weil es der Meinung der Mehrheit, aber nicht ihrer eigenen entsprach15.

Der Anspruch, für Abwesende und Dissentierende verbindlich beschließen zu können, ist, wie z. B. unsere Gegenwart verdeutlicht, per se prekär. Der neueren Forschung verdanken wir die Erkenntnis, warum diese Idee im Spätmittelalter dennoch immer attraktiver wurde, obwohl sie im frühneuzeitlichen Europa besonders prekär war. Denn wenn es, wie die Juristen deduzierten, das Wesen von Korporationen (universitates) ist, dass sich die Minderheit der Mehrheit beugen muss, dann besteht die Gefahr, dass Überstimmt-Werden als ein Mangel an Eigenständigkeit gedeutet wird. Ohne behauptete Autonomie aber keine Mitsprache. Folgerichtig wurde in dem Moment, in dem den Beteiligten die Notwendigkeit gegeben schien, Ergebnisse zu produzieren, das Beraten geheim. Denn nur so konnte (und kann) man sich austauschen und dabei sein Gesicht wahren (Ervin Goffmann). Um 1500 findet daher in Lateineuropa der Meinungsaustausch hinter verschlossenen bzw., so im englischen Parlament, durch Türhüter gesicherten Türen statt und nur die Ergebnisse werden als Ergebnisse Dritten mitgeteilt.

Es waren die gewachsenen Herausforderungen der Zeit, die für den Reichstag noch etwas detaillierter angesprochen werden, die den Zeitgenossen das altüberkommene, häufige, meist kurze, vielfach ergebnislose und teure Zusammenkommen in Stadt, Land und (König-)Reich immer weniger als situativ adäquat erscheinen ließ. Ein Imperativ der Effizienz habe im spätmittelalterlichen Europa geherrscht, so Michel Hébert16, und dieser Imperativ war gerade dort besonders laut zu hören, wo das Miteinander-Beraten in den unterschiedlichsten Versammlungsarenen in Stadt, Land, Region und auch regionenübergreifend besonders ausgeprägt war – im Reich der Teutschen Nation17.

Ein solches Gedankenkonstrukt gewann demnach an Bedeutung, weil es die richtige Antwort auf die Zeitdiagnostik derjenigen lieferte, auf die es im Gemeinwesen ankam, die Eliten genannt. Denn der Preis, d. i. die Gefährdung eigener Autonomieansprüche durch Beschlüsse, die nicht der eigenen Auffassung entsprachen, war ein potentieller und zudem einer, der geheim gehalten wurde. Der Zugewinn für sie aber war ein realer. Der Anspruch, für alle verbindlich beschließen zu können, erlaubte es den Magistraten der Städte, ihren Gemeinden Leistungen abzuverlangen, und auch der weltliche und geistliche Adel konnte seine Anforderungen an Hintersassen und Zugewandte aus dieser Erfordernis ableiten, ohne sie weiter begründen zu müssen. Weil die Auffassung der Experten den Bedürfnissen der Eliten entsprach, so könnte man plakativ resümieren, wurde aus einem ideellen Konzept ganz allmählich Wirklichkeit.

Doch auch der umgekehrte Zusammenhang gilt. Auch deswegen gewann der Anspruch, verbindlich zu beschließen, immer mehr an Bedeutung, weil den Experten, die die Feder führten, im Arsenal der Waffen, mit denen gesellschaftliche Konflikte ausgetragen und die Ressourcenallokation bewerkstelligt wurde, immer größere Bedeutung zukam. Immer mehr Theologen und Juristen führten im Spätmittelalter diese Feder und fanden bei ihren Vorgängern auf, was sie de facto selbst schufen: ein argumentatives System, das es erlaubte, das, was allen gemein war, das Gemeinwesen, aus dem wechselseitigen, hierarchischen Aufeinanderbezogen-Sein von Haupt und Gliedern hervorgehen zu lassen, seien es Papst, Kaiser oder König als Häupter der Kirche, des Heiligen Reiches oder der Königreiche, seien es die Konzilsnationen oder die Ständeversammlungen als deren Glieder.

Und auch der städtische Kosmos, in dem Rat und Gemeinde eine verschworene Gemeinschaft bildeten und die, eben weil sie dies taten, ideell (nicht faktisch) Gleiche waren, ließ sich gedanklich als Gemeinschaften neu, widersprüchlicher, konzeptualisieren. Nicht als ein aus Haupt und Gliedern bestehendes Ganzes werden die Städte vorgestellt, sondern als eine Gemeinschaft, in der der städtische Rat als treuhänderischer Vormund sich seines Mündels, der vermögensrechtlich nicht handlungsfähig gedachten städtischen Gemeinde, annimmt und zwar uneigennützig, denn dies ist der Kern treuhänderischer Vorherrschaft. Als verschworene Gemeinschaft und politischer Verband, wie die Stadt seit dem Mittelalter entsteht, ist die lateineuropäische Stadt eine, wie der diachrone wie transkulturelle Vergleich zeigt, singuläre Erscheinung (Gerhard Oexle).

Doch wie auch immer konzeptualisiert, dem Konstrukt Repräsentation ist die Vorstellung einer innerweltlichen Legitimation von unten nach oben18 inhärent, die das Sich-Austauschen ins Zentrum des Gemeinwesens rückt, weil es das Gemeinwesen ist. Je nach implizit gesetzter Prämisse konnte Repräsentation daher einmal mehr aus dem Haupt, einmal mehr aus den Gliedern hervorgehen, einmal mehr die Ansprüche des treuhänderischen Vormunds, einmal mehr die seines Mündels begründen. Doch wie auch immer die mit diesem Gedankenkonstrukt unauflöslich verbundene Asymmetrie des Sozialen beschrieben und handelnd verwirklicht wurde, entscheidend ist, dass es ein soziales Ganzes schuf, den politischen Körper19, der, logisch zwingend, aus dem Zusammenspiel von Kopf und Gliedern bestand. Undenkbar, im Wortsinn, wurde dergestalt ein Gemeinwesen, das, wie z. B. das China der Ming- und Qing-Zeit (1368–1911), nur vom kaiserlichen Haupt her, autokratisch, oder, umgekehrt, nur von den Gliedern her, demokratisch, verfasst war.

Die durch die Körpermetapher evozierten Analogien aber reichen noch weiter. Denn so wie der gesunde Körper im Verständnis der Zeit durch ein ausgewogenes, harmonisches Verhältnis der zirkulierenden Leibessäfte gekennzeichnet war, so war der Saft, der den politischen Körper gesund erhielt, das geordnete, uneigennützige, affektfreie und zielgerichtete gemeinsame Beraten und Sich-Austauschen sowohl des Hauptes mit seinen Gliedern als auch der Glieder untereinander. Nicht zufällig geht mit der Institutionalisierung des englischen Parlaments im ausgehenden 14. Jahrhundert die Etablierung eines neuen Begriffs einher – der des Deliberierens. Er begegnet noch, ganz unterschiedlich konzeptualisiert, in der modernen Demokratietheorie. Und so grundsätzlich sich die Formen unterscheiden, in die ständisch-parlamentarisches und demokratisches Deliberieren gegossen ist und in denen es sich manifestiert, damals wie heute begründet es das Gemeinwesen im Dialog, damals wie heute spiegelt dieser Dialog Machtverhältnisse und gesellschaftliches Selbstverständnis, damals wie heute sind diejenigen, die zu Wort kommen und, vor allem, gehört werden, eine Minderheit, heute allerdings eine viel größere als damals.

2.4.2 Statusrepräsentation

Kein Zufall ist, dass der Gedankenfigur Repräsentation, ebenfalls von Anbeginn bis heute, eine Dimension zu eigen ist, die man als ihre praxeologische Seite bezeichnen kann. Denn damit Repräsentationsansprüche geglaubt und anerkannt werden, müssen sie vergegenwärtigt werden. Diese Aufführung des Sinns des gemeinsamen Tuns und Lassens und der den Beteiligten dabei zukommenden Rollen musste immer wieder aufs Neue stattfinden. Da ständisch-parlamentarische Versammlungen Ereignisse waren, war dies immer dann erforderlich, wenn sich die Versammlungen konstituierten, denn die Ständeversammlungen tagten im 16. Jahrhundert zwar immer länger, z. T. aber mit jahrzehntelanger Unterbrechung. Dieses Herstellen des Gemeinwesens im und durch das Darstellen des Miteinanders wurde von der Forschung hinsichtlich der körpergebundenen-rituellen Manifestationen in den letzten Jahrzehnten intensiv untersucht (Barbara Stollberg-Rilinger und Schüler/innen-Kreis). Die Performanz solcher Versammlungen geht jedoch nicht in ihren Ritualen auf. Sie manifestiert sich in der, impliziten Regeln gehorchenden, Praxis des geheimen Beratens ebenso wie in den Praktiken, in denen einem sozial undefinierten Adressatenkreis nahegebracht wird, welchen Sinn ständisches Beraten hat. Diese Aspekte von Statusrepräsentation harren noch genauerer Untersuchung.

Ebenfalls von der Forschung bislang für das Verständnis der vielfältigen Erscheinungsformen von gesellschaftlicher Teilhabe nur ansatzweise fruchtbar gemacht, wurde der Umstand, dass Repräsentation als Statusrepräsentation sich nicht nur in solchen Konstellationen manifestiert, in denen es zu veranschaulichen gilt, dass die Anwesenden ein aus Haupt und Gliedern bestehendes Gemeinwesen sind. Denn über ihre Zusammengehörigkeit müssen sich auch diejenigen redend, schreibend und handelnd verständigen, die ihrem Miteinander einen ganz anderen Sinn zuschreiben. Das bekannteste, aber beileibe nicht einzige Beispiel ist die Schweiz. Denn die Schweizer Kantone sind, hierin städtischen Gemeinwesen vergleichbar, eine verschworene Gemeinschaft: Schweizer Eid-Genossen.

Als Verschworene aber wird Gleichheit als normatives Fundament des Miteinanders aufgeführt, ganz unbeschadet aller faktischen Ungleichheit zwischen wohlhabenden und ärmeren, kleineren und größeren, mächtigeren und mindermächtigen Kantonen. Nicht der Körper, sondern das Pfeilbündel oder das Band, ohne Anfang und Ende, ohne oben und unten20, sind die Sinn-Bilder solcher Gemeinschaften. Folgerichtig begegnen in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft ganz andere, von Andreas Würgler untersuchte Sinnzuschreibungen an das Miteinander der Tagsatzung21. Und ebenfalls folgerichtig sind deren Abschiede schriftliche Verhandlungsergebnisse mit empfehlendem Charakter, aber keine Beschlüsse, die Verbindlichkeit beanspruchen würden.

Von solch verschworenen Gemeinschaften existierte nur die schweizerische bis ins 19. Jahrhundert, andere, wie z. B. die niederländische, transformierten sich weitreichend (1581/1609/1648) und wieder andere, wie die böhmische Coniuratio (1618), scheiterten. Und so etablierte sich das Konzept Repräsentation zwar im Vorzeichen lateineuropäischer Rückständigkeit, in der longue durée aber erwies es sich als eine sehr stabile Versuchsanordnung des Sozialen, die sich in dem Sinn behauptete, dass sie, in ihrer um 1800 wiederum grundlegend veränderten Erscheinungsform, in positiver Bezugnahme wie faktischer Abgrenzung heute global die Perzeption des Politischen (mit-)bestimmt.

2.4.3 Stellvertretungsrepräsentation

Die dritte Dimension, in der politische Repräsentation begegnet, die Stellvertretungsrepräsentation, ist es, in der sich wie in einem Prisma spiegelt, was frühneuzeitliche Repräsentation von dem seit dem 19. Jahrhundert vorherrschenden Verständnis trennt. Denn die Form von Repräsentation, die den modernen repräsentativen Demokratien zugrunde liegt, und als ein Handeln von wegen gedacht wird, existiert im 16. Jahrhundert zwar, wurde gedanklich jedoch gänzlich anders konzeptualisiert.

Moderne Stellvertretungsrepräsentation beruht auf der Fiktion, dass der/die Repräsentierte im Akt der Wahl seine Willensübereinstimmung mit dem Repräsentanten bekunde. Als logisch zwingende, d. h. aus diesem Gedankenkonstrukt ableitbare Konsequenz ergibt sich, dass der (seit dem 20. Jahrhundert auch: die) Repräsentierte das Tun und Lassen der Repräsentantin/des Repräsentanten als das seine/ihre anerkennt. Entziehen kann man sich der zugrunde liegenden Prämisse, der Wille des Repräsentanten habe als der des Repräsentierten zu gelten, nur, wenn man sich gleich gar nicht auf sie einlässt, d. h. Wahlen fernbleibt. Hat man sich aber auf sie eingelassen, so kann man dem Zwingenden dieser Logik nur entkommen, indem man das Wahlverfahren als Verfahren delegitimiert (Stichwort: Wahlfälschung) und/oder spektakuläre, eindeutig lesbare Aktionen unternimmt, um gegen die Stein gewordenen Manifestationen dieses Konzepts anzurennen (Stichwort: Erstürmung von Parlamenten in Berlin/Washington 2020/21). Dies aber nur am Rande.

Eine solche Vorstellung von politischer Repräsentation aber setzt ein Verständnis von Gesellschaft voraus, das erst in den Revolutionen des ausgehenden 18. Jahrhunderts entstand, die Vorstellung nämlich, dass der allgemeine Wille (volonté générale) die Summe individueller Willen sei. Es waren die Amerikanische und die Französische Revolution, in denen, medial umfänglich repräsentiert, Handeln dadurch legitimiert wurde, dass erstmals zusammengedacht wurde, was bis dahin nichts miteinander zu tun gehabt hatte – das hierarchische Konzept politischer Repräsentation und das Ideal einer auf individueller Rechtsgleichheit beruhenden Gesellschaft.

Wahlen22 wie sie auf allen gesellschaftlichen Ebenen in ganz unterschiedlichen Formen stattfanden – von der Papstwahl über die Königswahlen (in den Reichen Polen-Litauens und der Teutschen Nation, in Böhmen und Ungarn) bis hin zu Stadtratswahlen und Wahlen zu Ständeversammlungen – hatten demzufolge vor der Zeit um 1800 durchaus eine legitimierende Funktion. Wahlen waren freilich nicht hinlänglich, um den Gewählten z. B. unabhängig von sakraler Exklusivität (Papst, König/Kaiser) und/oder sozialem Status (Stadt) handlungsfähig zu machen. Nicht einmal in England, das auch deswegen als Mutterland der modernen Demokratie gilt, weil dort die Mitglieder des House of Commons in den Städten bzw. ländlichen Herrschafts- und Verwaltungseinheiten (Boroughs, Counties) gewählt wurden, war dies der Fall und konnte dies der Fall sein. Nicht die Wahl, sondern eine spezielle vertragliche Form, die die Handlungsfähigkeit der Vertragspartner, der wählenden Stadt- oder Landgemeinde und des Gewählten, in ihrem wechselseitigen Zusammenpassen materialisierte (Indenture23), begründete die Möglichkeit legitimer Teilhabe an dem im Palast von Westminster24 statthabenden gemeinsamen Deliberieren.

Was in England in Gestalt des House of Lords und des House of Commons begegnet, ist ein weiteres Merkmal aller europäischen Ständeversammlungen des 16. Jahrhunderts. In all diesen Versammlungen treffen Männer zusammen, die über persönliche, angeborene und/oder erworbene Privilegien verfügen, zum einen, und, zum anderen, solche Personen, die für Dritte präsent sind, sei es, dass sie gewählt und durch Vertrag oder durch Bevollmächtigung formell nominiert werden. Denn die Bevollmächtigung, nicht die Willensübereinstimmung ist es, die im korporationsrechtlichen Denken Stellvertretung begründet. Nicht vom Individuum, sondern von den Rechtsfolgen stellvertretenden Handelns her, wird Stellvertretungsrepräsentation um 1500 gedacht.

Wenn aber das Handeln der Stellvertreter den Stellvertretenen automatisch rechtlich bindet, dann tun all diejenigen, die als Diener ihrer Herrn bevollmächtigt werden, gut daran, in engem Austausch mit ihnen zu handeln und zugleich sich dieses Umstands bei ihrem Tun und Lassen auf den Versammlungstagen stets bewusst zu sein (sogenanntes Hinter-sich-Bringen). Nicht, ob jemand gewählt oder bevollmächtigt ist, ist daher ausschlaggebend dafür, welche Position der Stellvertreter im Beratungszusammenhang einzunehmen und welche Rolle er zu spielen vermag, sondern ob das Verhältnis von Stellvertretenem zu Stellvertreter ein egalitäres oder ein hierarchisches ist. Das Besondere der englischen Verhältnisse besteht nicht darin, dass die Commoners gewählt werden, sondern darin, dass sich im Vertrag symbolisch die Egalität von Stellvertreter und Stellvertretenen materialisiert.

3 Der Reichstag des 16. Jahrhunderts. Zugleich eine Einführung in Schlüsselbegriffe der Reichstagsgeschichte

3.1 Hinführung

Die Geschichte des Reichstags und der vielgestaltigen Versammlungskultur des Reiches der Teutschen Nation, das räumlich mehr als zehn Staaten des heutigen Europa (Abb. 2) umspannt, ist nicht geschrieben. Doch die Bausteine, die wir kennen, geben zumindest ansatzweise zu erkennen, welche Konstellationen es waren, die dazu führten, dass sich auch in diesem historischen Raum um 1500 das gemeinsame Beraten grundlegend veränderte.

Abb. 2: Deutschland um 1500, Quelle: https://www.ieg-maps.uni-mainz.de/gif/p500d_a4.htm.

Paradigmatisch verdeutlicht die Entwicklung des Reichstags, wie lange, diskontinuierlich, aber auch wie unaufhaltsam diese neue Rahmung der alten Praxis des Beratens des Herrschers mit den Großen am Hof eine neue Wirklichkeit hervorbringt, die den Handelnden als das Selbstverständliche, unhinterfragbar Geltende (so ist es) erscheint, weil es schon immer so war. Denn nicht, wie seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, das Neue, sondern das Alte ist das, was soziale Ordnungsleistung beglaubigt. Ein wichtiger Meilenstein in diesem Prozess, in dem sich die (faktisch stets umstrittene) Geltung von Sinnzuschreibungen etabliert, ist der Moment, in dem diese Ordnung, in concreto: die Ordnung des Zusammenkommens, Beratens und Beschließens, als spezifischen Regeln gehorchende soziale Praxis beschreibbar wird.

Am Ende des 16. Jahrhunderts war selbst Kleinkindern bekannt, dass, wenn die Kay. May. einen Reichstag ausgeschrieben hette, darhin der Kaiser, König, Chur- und Fürsten, Graven und große Herren bey einander kämen, es darum geht, ‚zu verordnen und zu beschließen, wie es in der Welt gemacht und zugehen soll‘. So zumindest erinnerte der 75-jährige Stralsunder Bürgermeister Bartholomäus Sastrow ein Gespräch seiner Kindertage zwischen seinen kleinen Geschwistern, das er im Wortlaut wiedergab, wiewohl es jahrzehntelang zurück lag25. Doch auch für Sastrow gilt, was zu zeigen sein wird, dass die Wahrheit des Erinnerten weniger über die erinnerte Zeit, in seinem Fall: die 1530er Jahre, aussagt als über die Zeit, in der man sich erinnert.

Drei Phasen beschleunigter Veränderung – die Zeit um 1500, die 1540er und die 1570er Jahre – lassen sich erkennen, wenn man den langen Weg betrachtet, der zwischen dem Anspruch liegt, die innerweltliche Ordnung durch und im Beraten und Beschließen von Haupt und Gliedern zu gewährleisten, und dem ausgehenden 16. Jahrhundert, in dem man erzählen konnte, dass selbst Kleinkinder darauf vertrauten, dass dieser Anspruch dem Wohl aller zuträglich sei, auch dem kleiner Mädchen, die des Spinnens überdrüssig waren. Nicht zuletzt diese Perzeption, die mit der Wirklichkeit dieses Beratungsforums um 1600 immer weniger übereinkam, dürfte es gewesen sein, die in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges (1640/41) den Reichstag nach nahezu dreißigjähriger Pause, Phönix-aus-der-Asche-gleich, wieder auferstehen ließ, als es darum ging, einen Krieg zu beenden, der ein Maß an Leid und Elend hervorgebracht hatte, das bis dahin unerhört gewesen war. Nur im Konjunktiv lässt sich jedoch formulieren, denn, im Gegensatz zu anderen Versammlungen, steckt die Forschung zu den gesellschaftlichen Imaginationen, die sich an den Reichstag anlagerten (Rosemarie Aulinger), noch in den Kinderschuhen.

3.2 Zeitschnitt 1: Die Jahrhundertwende (um 1500), oder: erste Ansätze des Neuen im Altüberkommenen

3.2.1 Der Kontext: Das Heilige Römische Reich Teutscher Nation – Herausforderungen, soziale Konstellationen und widersprüchliche ideelle Konzepte

Geschwind seien die Zeiten, so lautete eine gängige Zeitdiagnose des 16. Jahrhunderts. Sie war weit verbreiteter als die in kleinen Gelehrtenzirkeln kursierende Deutung, man lebe in einer neuen, der alten überlegenen Zeit, eben der Neuzeit. Eingefangen in der Metapher des Geschwinden26, die von Beschleunigung und Unübersichtlichkeit kündet, ist das zeittypische Mehr an Informationen (Druckmedien), im Reich vor allem an Informationen, die Bedrohung (Türkengefahr) kommunizierten; das Mehr an materiellen wie immateriellen Anforderungen, auf die die Menschen vielfach mit gewaltsamem Protest reagierten (1512/13 die tollen Jahre der Städte, 1524–1526 Bauernkrieg); und auch ein Mehr an Nachfrage der Laien nach der richtigen Form des menschlichen Gottesbezugs, die sich nicht zuletzt als Kritik an den kirchlichen Amtsträgern artikulierte und einen maßgeblichen Grund darstellt, dass der Wittenberger Mönch und Professor Martin Luther mit seinen Thesen (1517) so rasch so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte (Reformation).

All dies, aber auch individuelle und damit zufällige Momente wie ein Kaiser wie Maximilian I. (1459–1519; regierte 1486–1519), der ein geschickter und aktiver Propagandist seiner Person, Ansprüche und Erwartungen war, setzten die Veränderungsdynamik in Gang27. War gemeinsames Beraten mit dem König, mitunter auch ohne ihn, schon im Spätmittelalter eine schon immer geübte Praxis (Gabriele Annas), so unterlag dieses Beraten im 14. Jahrhundert einer, wie sich herausstellen sollte, grundstürzenden Veränderung. 1356 wurden diejenigen, die den König wählten, die Kurfürsten, benannt und zugleich wurden die Regeln dieser Wahl von Kaiser Karl IV. kodifiziert (Goldene Bulle)28.

Den Kurfürsten oblag die Wahl des Reichsoberhaupts, des Römischen Königs, der ein Römischer und nicht ein Deutscher König war, weil, so die Fiktion, in seiner Herrschaft das antike Imperium Romanum fortdauerte (Translatio Imperii). Nicht modern, will-kürlich, war jedoch ihre Wahl, sondern sie kürten den neuen Herrscher, indem sie den von Gott Aus-erwählten fanden. Diese sakral-ideelle Überformung des Wahlaktes veränderte im Reich die gemeineuropäisch wichtigste, im Zentrum der Krönungsrituale stehende Legitimationsressource monarchischer Herrschaft entscheidend. Die in anderen europäischen Monarchien dem Herrscher zugeschriebene Geblütsheiligkeit verschwand zwar nicht, trat aber, Ernst Schubert hat dies im Detail gezeigt, im 15. Jahrhundert immer mehr hinter die Heiligkeit zurück, die aus dem Akt der Wahl resultierte (Wahlheiligkeit)29.

Dieses Framing als ideologische Verbrämung zu entlarven, da die Königswahlen tatsächlich ganz anders von statten gingen, so z. B. im Falle Karls V. 1519 maßgeblich vom Geld der Fugger entschieden wurden, griffe zu kurz. Sakrale Idealität und materiell-ökonomische Faktizität sind zwei Seiten einer Medaille. Denn die sakrale Rahmung war in einer Welt, die als Abbild der göttlichen Ordnung gedacht wurde, die wirkmächtigste Möglichkeit, Faktizität zu übersehen bzw. sie, unbeteiligten Dritten gegenüber, zum Verschwinden zu bringen. Erforderlich ist ein solches Übersehen bzw. Be-Schweigen immer in solchen sozialen Konstellationen, in denen den Handelnden Zweierlei gegeben scheint: zum einen, wenn die Diskrepanz zwischen dem, wie es sein soll, und dem, wie es faktisch ist, so groß ist, dass die soziale Konstellation selbst, in concreto: die Gemeinschaft der Kürenden als Gemeinschaft, zerstört zu werden droht, würde die Widersprüchlichkeit thematisiert; zum anderen, wenn es keine denkbare Alternative zum Bestehenden gibt.

Ohne den Römischen König aber konnte es kein Römisches Reich geben und ging dieses Reich unter, so die biblische Prophezeiung30, war das Ende der irdischen Geschichte erreicht, das Jüngste Gericht nahe. Die heilsgeschichtlich herausgehobene Rolle ist es, die aus dem Römischen Reich seit der Stauferzeit ein Heiliges Römisches Reich (Sacrum Imperium) gemacht hatte. Diese Grundkonstellation macht den Anspruch der Kurfürsten auf Präeminenz (Vorrang) unerschütterlich. Die Vorrangstellung (Rang, Rangstreit) der Kurfürsten ist der rote Faden, der die Geschichte des Reichstags und des Reiches, seiner grundlegenden Veränderung in der Mitte des 17. Jahrhunderts zum Trotz, bis zu dessen Ende 1806 durchzieht und Rang zu einem strukturierenden Prinzip reichstäglicher Interaktion werden lässt (Session).

Ein zweiter roter Faden wurde von Maximilian I. gesponnen, weil ihn die Zeitumstände, präziser: sein Geldbedarf, nötigten, ihn zu spinnen. So waren und blieben ihm, und auch allen seinen Nachfolgern, seine Lehensleute als oberstem Lehnsherrn bzw. seine Städte als ihrem Stadtherrn verbunden und versammelten sich am königlichen Hof (Reich als Lehensverband). Doch neben diese, auf persönlicher Bindung beruhende Abhängigkeit der Glieder des Reiches von ihrem Oberhaupt, stellte Maximilian eine neue, mit Ernst Schubert gesprochen: eine objektivierte Dimension ihrer Beziehung31. Mit der in königlichen Ordnungen aufscheinenden Formel, sein königliches Amt übe er von Reiches wegen aus, stellte er neben seinen lehnsrechtlich-hierarchisch begründeten Herrschaftsanspruch einen, der diesen aus seiner Rolle als Treuhänder dieses Reiches ableitete.

Und wie die Kirche im 15. Jahrhundert als das Heilige als das Dritte konzeptualisiert wird, dem das päpstliche Haupt und die auf dem Konzil als Nationen versammelten Glieder uneigennützig dienen, so ist es auch im Heiligen Reich. Im gemeinsamen Dienst von König als Treuhänder, Beschützer und Mehrer des Reiches zum einen, des versammelten Reichs Teutscher Nation zum anderen, am Dritten, dem ideell-sakralen Konstrukt des Heiligen Reichs, sind die Repräsentationsansprüche von Haupt und Gliedern seit der Zeit Maximilians I. wechselseitig aufeinander bezogen. Damit aber, und das ist entscheidend, werden sie nicht als ein Über- und Unterordnungsverhältnis gedacht, sondern als ein Verhältnis funktionaler Gleichordnung, so unterschiedlich die Voraussetzungen des Dienstes von König und Teutscher Nation auch sind. Die Formel der königlichen Ladungsschreiben32, wie sie sich seit der Regierungszeit Maximilians I. findet, begründet die Forderung an die Adelsnation, auf dem Reichstag zu erscheinen, folgerichtig mit der pflicht, damit ir, d. h. jeder einzelne Geladene, unns unnd dem hayligen Reych verwanndt sein (Hervorhebung GHM). Im Schlagwort von der Teutschen Libertät verdichtete die Teutsche Nation ihren Anspruch, dem König im Dienst am Reich bei- und nicht untergeordnet zu sein.

An diesem unauflöslichen Widerspruch sollte sich die politiktheoretisch informierte Reichspublizistik des 17. Jahrhunderts in ihren Debatten abarbeiten, ob das Reich eine Monarchie oder eine Aristokratie sei, um zum Ergebnis zu gelangen, das Reich gleiche einem Monster (monstrum simile, Samuel Pufendorf33). Denn in den Kategorien der aristotelischen Regierungsformenlehre (Monarchie, Aristokratie, Demokratie) ließ sich die Widersprüchlichkeit seiner ideellen Fundierung nicht beschreiben. Genau diese Monstrosität aber war es, die das Reich im 18. Jahrhundert zu einem wichtigen Referenzpunkt werden ließ, als in Philadelphia 1787 darüber nachgedacht wurde, auf welcher verfassungsmäßigen Grundlage sich die ehemaligen englischen Kolonien in Amerika vereinigen sollten34.

Und schließlich meint Teutsche Nation nicht, wie im Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts, eine national verfasste Gemeinschaft, sondern rekurriert auf eine Selbstbezeichnung des Hochadels, besonders prominent begegnend in den Beschwerden, mit denen die Teutsche Nation beim Papst im 15. Jahrhundert vorstellig wurde (Gravamina nationis germanicae). Die Teutsche Nation, das sind zuvorderst, im wörtlichen Sinn, die Kurfürsten, aber auch alle anderen Fürsten, Landgrafen, Herzöge, wie immer ihre Titel lauteten. Und auch die Erzbischöfe und Bischöfe zählten dazu. Als Geistliche standen sie ihren Diözesen vor, vor allem aber regierten sie als weltliche Herrscher einen engeren Herrschaftsbereich, die sogenannten Erz- bzw. Hochstifte, für die sie die gleichen Rechte für sich beanspruchten wie ihre Väter, Brüder, Onkel und Vettern, denen weltliche Lehen übertragen waren. Aus dem hochmittelalterlichen Heiligen Römischen Reich wurde so, die neuen Verhältnisse plakativ bündelnd, im ausgehenden 15. Jahrhundert das Heilige Römische Reich Teutscher Nation.

Und so waren die Reichstage des 16. Jahrhunderts immer auch (noch) Hoftage, an denen der König seine mächtigen Gefolgsleute für ihre Dienste mit materiellen wie immateriellen Gunsterweisen, mit Privilegien und Ehrbezeugungen, belohnte, mit ihnen feierte, Recht übte und Billigkeit walten ließ, doch ganz allmählich und vielfach hinter dem Rücken der Akteure gewann das Neue, der Reichstag, klarere Konturen. Als Leopold I. die Hofburg in Wien seit den ausgehenden 1660er Jahren um den Reichskanzleitrakt erweitern ließ und der Reichstag im Regensburger Rathaus seit 1663 immerwährend tagte, war in den Raum eingeschrieben, was im Laufe des 16. Jahrhunderts erst ganz allmählich unterscheidbar geworden war: der mittelalterliche, personal verfasste, im königlichen Hof verdichtete Brennpunkt des Gemeinwesens vom neuzeitlichen, ideell-abstrakt begründeten, im Reichstag als zweitem Brennpunkt verdichteten Herrschaftsraum. Attraktiver aber für die Mächtigen, Mindermächtigen und Ohnmächtigen war, vor wie nach 1648, der kaiserliche Hof(-Tag)35.

Die Folgen dieser, europäisch vergleichend betrachtet, einzigartigen Konzeptualisierung des politischen Körpers waren jedoch nicht nur lang-, sondern auch kurzfristige. Der Reichstag als Forum von König und Teutscher Hochadelsnation verweist, zum einen, die autonomen Städte des Reiches bzw. deren Magistrate, die im Spätmittelalter umfänglich am königlichen Hof präsent waren, um ihre Belange zu vertreten, weiterhin auf den königlichen Hof (Georg Schmidt); zum anderen wirkten sie auch auf den Adel als soziale Formation zurück. Dem nicht-fürstlichen Adel, den Grafen und Herren, den Prälaten, gefürsteten Äbten und Äbtissinnen, gelang es, sich allmählich in den Handlungszusammenhang Reichstag zu integrieren. Und auch die Städte waren, je länger, desto mehr, auf den Reichstag verwiesen, doch dass Sastrow seine Standesgenossen als Reichstagsteilnehmer aufzuzählen vergisst, ist kein Zufall. Die Städte waren, wiewohl sie seit den 1540er Jahren Teilhabe energisch einforderten, am Reichstag rand-ständig – und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Denn im Gegensatz zu den Mitgliedern des Kurfürsten- und Fürstenrates, die zusammensaßen, wenn sie sich auf ein Ergebnis zu verständigen versuchten, das sie zuvor in ihren Räten (Kurien) beraten hatten, mussten die städtischen Vertreter stehen bleiben, wenn man ihnen das Ergebnis dieser Beratungen kundtat36. Sitzen und stehen kodieren sozialen Status im Übrigen nicht nur im Reich.

3.2.2 Die Beratungsarena konstituiert sich

Um 1500 aber waren es die neuen Herausforderungen, auf die sich Maximilian beziehen konnte, wenn er, mitunter mit viel persönlicher Verve, in Reden an die versammelten Stände einforderte, ihm in seinem ‚Widerstand‘ gegen den Türken (Türkenhilfe) und die anderen Feinde des ‚Heiligen Reiches und Teutscher Nation‘ zu helfen. Der als Feind der Christenheit propagierte Türke (‚Türkengefahr‘) ist es, der, im Gegensatz zu den anderen Feinden (Frankreich, Venedig), die Frage des Ob der geforderten Hilfeleistung, je länger, desto mehr, nur noch zu einer Frage des Wie werden ließ (Türkenabwehr;Türkenhilfe, Steuerdauer; Türkenhilfe, Leistungsform). Der Türke ist es aber auch, der es dem Mainzer Kurfürsten Berthold von Henneberg (1441/42–1504)37, im Gegenzug, erlaubte, die eigene Hilfsbereitschaft an Voraussetzungen zu binden. So postulierte Berthold etwa 1486, dass die Teutsche Nation nur dann dem Kaiser zur Seite stehen könne, wenn nicht nur über kaiserliche Forderungen, sondern auch über die Gebrechen, die im Heiligen Reich (all-)gemeinen Schaden hervorriefen, beraten und – entscheidend – beschlossen werde, damit es dem armen mann zum besten gereiche38. Der arme Mann ist im Sprachgebrauch der Zeit aber nicht nur der irdischer Güter beraubte (männliche wie weibliche) Mensch, sondern, sozial amorph, alle Menschen, die in irgendeiner Form abhängig sind, d. h. auch all diejenigen, auf die die Teutsche Nation ihrerseits die ökonomischen Lasten überwälzen konnte.

Drei solcher Handlungsfelder, die die Reichstagsgeschichte des 16. Jahrhunderts bestimmen sollten, machte schon Berthold aus: Erstens müsse ein ewiger Friede bewerkstelligt werde, in dem als Unrecht deklariert werde, was bislang rechtens gewesen sei, d. i. sein Recht mit Waffengewalt zu suchen (Fehde; Landfrieden). Herzustellen, was die Zeitgenossen als Sicherheit des Friedens (securitas pacis) apostrophierten und was sich, verzerrend, aber nicht grundsätzlich verfälschend, als innere Sicherheit übersetzen lässt, war das Ziel. Dass dies nur gelingen kann, wenn, zweitens, die bisher am Hof angesiedelte, königliche ad-hoc Gerichtsbarkeit ergänzt (nicht: ersetzt) wird durch ein dauerhaft funktionierendes Gerichtswesen (Reichskammergericht), war nicht nur im Reich ein Movens, Rechtsprechung neu zu organisieren (Landfrieden, Landfriedensexekution). Ein akkordiertes Vorgehen bei Währungsfragen (Währung, Münze) war das dritte Thema, denn valides Geld brauchte nicht nur der arme Mann, um z. B. Handel zu treiben, sondern das brauchten auch Könige und Herrschende (Währung, Münzstände, -regal), der Feinde wegen, immer mehr.

3.2.3 Worms 1495: Verbindlichkeit

Der Wormser Reichstag des Jahres 1495 markiert einen ersten Meilenstein, weil sich nun materialisierte, was zuvor nur postuliert wurde. Er schafft bei zweien der 1486 namhaft gemachten Gebrechen Abhilfe – auf ganz unterschiedliche Art. Als Ergebnisse gemeinsamen Beratens in den Narrationes ausgewiesen, aber als Ausfluss der königlichen Gebotsgewalt kommuniziert und nur vom König gesiegelt, wird erstmals, und dann während des gesamten 16. Jahrhunderts mehrfach, ein Ewiger Landfriede verkündet und auch eine Ordnung des neu eingerichteten Kaiserlichen (Reichs)Kammergerichts erlassen. Erstmals 1530, in Gestalt der Reichspoliceyordnung39, nimmt sich der Kaiser als Gesetzgeber zudem all dessen an, was die alltäglichen Belange aller betrifft (Reichsgesetze, kaiserliche Ordnungen und Verträge).

Erstmals 1495 aber werden Beratungsergebnisse nicht nur in die Form tradierter monarchischer Gebotsgewalt gegossen, sondern als das Ergebnis reichstäglicher Beratungen von König und auf dem Reichstag versammelter Teutscher Nation veranschaulicht. Sie werden gemeinsam gesiegelt. Doch rechtsförmige Schriftlichkeit war um 1500 eine notwendige, doch noch nicht eine hinlängliche Form, um Verbindlichkeit herzustellen. Wechselseitige Versprechen des Königs und seiner hochadeligen (weltlichen) Vasallen bzw. die Verschwörung aller anderen Stände mit dem König, d. h. personale Bindungen, waren erforderlich, um den verbindlichen Charakter der Abrede zu steigern. (Reichsgesetze, -abschiede, -ordnungen). Materiell betreffen diese Abreden die Landfriedensexekution und den Steuermodus (Reichsmatrikel, Matrikularsteuer; Türkenhilfe, Steuermodus).

3.2.4 Konstanz 1507 / Trier, Köln 1512: Das Reich in der Region

Einen zweiten Meilenstein markieren die Reichstage der Jahre 1507 (Konstanz) und 1512 (Trier/Köln). Um das Personal des Kammergerichts, in diesem Fall: die Assessoren (Urteiler), zu bestimmen, wurde der übergroße Raum des Reiches erstmals 1500 in regionale Einheiten gegliedert und erstmals 1507 bestimmte diese Unterteilung das Beratungsgeschehen. Die Reichstagsteilnehmer versammelten sich 1507 als Kreismitglieder. Die zuerst sechs, dann, seit 1512, zehn Reichskreise sind, in europäisch vergleichender Perspektive betrachtet, singulär (Abb. 3). Die Beschlüsse der Reichstage zu exekutieren (umzusetzen), wird den Kreisversammlungen von den Reichstagen für immer mehr Materien überantwortet, die je länger, desto seltener als Gebrechen, sondern, positiv, als dem (All-)Gemeinen Nutzen des Reiches dienend ausgeflaggt wurden. Im Einzelnen: Türkenhilfe 1532 (Türkenhilfe, Steuerpraxis [Aufbringung und Verwendung]: Organisatorisches), Matrikel 1544 (Reichsmatrikel, Matrikelmoderation [Steuerverringerung]), Münzwesen 1551 (Währung, Münzprobation, -manipulation;Währung, Münzstände, -regal), Landfriedensexekution 1555.

Abb. 3: Karte der Reichskreise im Jahr 1512. Quelle: https://www.ieg-maps.uni-mainz.de/gif/p512RKreise_a4.htm.

Als subsidiäre Formen des Reichstags gehorchten die Kreise von Anbeginn anderen Logiken als der bunte Strauß anderer, größere oder kleinere Räume umspannender Versammlungsarenen, die zustande kamen, weil es den Beteiligten, aus welchem Grund auch immer, vorteilhaft erschien, d. h. auf die sie sich freiwillig einließen (Hanse, Städtetag, hochadelige Erbeinungen und Rittergesellschaften, Landfriedensbünde etc.): Die Kreise sind auf Dauer gestellt und ihre mehrheitliche Beschlussfassung wird, wenn ich richtig sehe, erstmals im Reichsabschied 151240 explizit als solche definiert, die auch für die Abwesenden und dissentierende Minderheiten im jeweiligen Kreis verbindlich ist. Wieder begegnen demnach zentrale Bausteine korporationsrechtlichen Denkens, wenn es darum geht, alle in den Kreisen ansässigen Herrschaftsträger – städtische Magistrate, Grafen und Herren sowie Prälaten und Äbtissinnen, Fürsten und Bischöfe, seit 1512 auch Kurfürsten und Erzbischöfe und den Kaiser als Landesherrn – in die Pflicht zu nehmen, damit den Feinden des Reiches widerstritten und dem ‚armen Mann zum Besten‘ gehandelt werden könne.

Die ins Spätmittelalter zurückreichende Lösung, die immense räumliche Größe des Reichs mittels regionaler Einheiten (Zirkel, Kreise) zu bewältigen, wird mit den neuen Ideen der Zeit realisierbar, bis in die 1540er Jahre freilich primär auf dem Papier. Dennoch sind die Kreise, die, wie ein Sammelband trefflich titelt, (qua Stellvertretung) das Reich in der Region41sind, ein zentrales Moment, das den entstehenden Reichstag stabilisierte, auch wenn er, wie in den 1530er Jahren, fast ein Jahrzehnt nicht einberufen wurde. Der im 16. Jahrhundert kontinuierlich wachsende Stellenwert der Kreise für die politischen Koordinationsprozesse des Reiches ist zugleich ein weiteres Moment, das das Reich der Teutschen Nation nicht nur ideell und sozial, sondern auch räumlich vom viel weiter ausgreifenden Reichslehensverband (Stichwort: Reichsitalien) unterscheidbar werden ließ. Die Präsenz Savoyens auf dem Regensburger Reichstag des Jahres 1576 freilich zeigt, dass die auf das Prozessuale abstellende Formulierung eine fügliche ist.

3.2.5 Konstanz 1507: Schriftlichkeit

Es wurde bereits deutlich, dass Schriftlichkeit um 1500 ein notwendiges, aber kein hinlängliches Mittel war, um diejenigen, die vom Inhalt eines Schriftstückes betroffen waren, zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Dennoch, hiervon künden auch Inhalt wie Umfang der Akteneditionen zu den Reichstagen der maximilianeischen Zeit, gehört das Aufzeichnen, Berichten-über und auch das Abschreiben-von dem, was andere aufgeschrieben haben, das Kopieren, sowie das Aufbewahren des Geschriebenen zu den Praktiken, die über kurz, nicht über lang, das Versammlungsgeschehen selbst veränderten. Denn Verschriftlichung bedarf spezifischer Expertise und sie ist auch eine der Möglichkeiten, unbeteiligte Dritte ins Bild zu setzen, was ein Reichstag ist.

Eines der in Konstanz verfassten Schriftstücke, ein Verzeichnis (zeitgenössisch: Matrikel), in dem festgehalten wurde, wer dem Kaiser Finanz- und/oder Militärhilfe leistete und sein Scherflein zur Notdurft des Reiches beisteuerte, verdeutlicht beispielhaft die Folgen von Verschriftlichung. Für eine ganz spezifische Situation geschaffen, konnte man künftig – so geschehen 1521 (Wormser Matrikel) – darauf zurückgreifen und dem Schriftstück in der Folge eine Deutung geben, die bei seiner Entstehung allenfalls als vage Denkmöglichkeit existierte: Die Matrikel als ein Verzeichnis, aus dem man ablesen konnte, dass man zum Kreis derjenigen gehörte, die unmittelbar zu den Lasten des Heiligen Reiches beitrugen, autonom über den eigenen Anteil entscheiden und daher Mitsprache beanspruchen konnten.

Damit aber war mit den Matrikeln eine Unterscheidung verbunden, die im Laufe des 16. Jahrhunderts immer weiter Raum greifen sollte. Sie erlaubte, das Reich in Herrschende und Beherrschte zu unterteilen. Auf der einen Seite diejenigen, die sich mit dem Reichsoberhaupt über die Leistungsanforderungen verständigten, in der Forschung als Reichsunmittelbare oder Reichsstände bezeichnet; auf der andere Seite alle anderen, d. s., wie sie in den, Verbindlichkeit beanspruchenden, Texten genannt werden, ‚des Kaisers und des Reiches Untertanen‘, die die Leistungen erbrachten. Letztere firmieren in der Forschung als Reichsmittelbare bzw. reichsmittelbare Bevölkerung, womit begrifflich vereindeutigt wird, was in zeitgenössischen Ordnungen und Abschieden, den widersprüchlichen Ordnungsvorstellungen Rechnung tragend, ambivalent formuliert ist (Reichsmatrikel, Matrikularsteuer;Türkenhilfe, Repartition).

Aus der ungerechten Lastenverteilung, die 1521 den Städten, die an der Erarbeitung der Liste nicht beteiligt waren, besonders hohe Lasten aufbürdete, oder vielleicht besser: den Städten besonders hohe Lasten aufbürdete, weil sie nicht beteiligt waren, aber auch aus der Entstehungsgeschichte erklärt sich, dass die Reichsmatrikel eine Agende war, die Reichs- und Kreistage im 16. Jahrhundert kontinuierlich beschäftigte (Reichsmatrikel, Matrikelmoderation [Steuerverringerung]; Reichsmatrikel, Matrikelexemtion [Steuerpflicht]).

3.2.6 Köln 1512: Bekennen und thun kund allermeniglich

Eine letzte, ebenfalls auf die Zeit um 1500 datierende Neuerung, der die frühneuzeitliche Zukunft gehören sollte, begegnet erstmals 1501 (VD 16 R 748), gerät dann wieder außer Gebrauch, um seit dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts den Reichstag als das her- und darzustellen, was zu sein er beanspruchte – ein Versammlungsereignis, dessen Beratungsergebnisse alle angingen. Das Medium, der Einsatz der technologischen Innovation des Drucks, ist die Mitteilung (Marshall McLuhan). Denn damals wie heute sind Medien nicht einfach Behälter, die Informationen transportieren, sondern mit ihnen sind ganz spezifische Erwartungen verknüpft, im Falle neuer Medien mit Versprechen, die deren Protagonisten – im 16. Jahrhundert z. B. die Drucker(-verleger), Autoren, Buchführer etc. – propagieren. Versprechen, denen man positiv oder negativ gegenüberstehen kann, die aber nicht ad absurdum geführt werden können, weil sie dem Medium selbst immanent sind. Was dem World Wide Web die globale Vernetzung von Menschen ist, war im Falle der Druckmedien des 16. Jahrhunderts die Verheißung, dass das, was gedruckt wird, etwas ist, das, weil es dem Nutzen aller dient, alle angeht und das auch alle (potentiell) erreicht (Michael Giesecke42). Unabhängig von Raum und Zeit, schwarz auf weiß, konnte meniglich (jedermann) jetzt in Händen halten, lesen oder vorgelesen bekommen, was wahr und wissenswert war, aber auch, was gewusst werden musste. Der sprichwörtlich gewordene, aus antikem römischen Kaiserrecht stammende Rechtsgrundsatz Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, gewann nun einen neuen Klang.

In der Forschung ist umstritten, welcher Stellenwert diesem Wissen-Können für das Verständnis der gesellschaftlichen Ordnung der Zeit zukommt. Definitiv fest steht aber, denn je länger, desto mehr wurde gedruckt, dass offenkundig immer mehr Menschen immer mehr wissen wollten – auch vom Reichstag. Der Kölner Reichstagsabschied des Jahres 1512 (VD 16 R 750756) stellt diesbezüglich in mehrfacher Hinsicht einen Einschnitt dar: Inhaltlich, weil schon im Titel des Reichsabschieds das Ergebnis als ein dem gemeinsamen Beraten von Haupt und Gliedern entspringendes vorgestellt wird und das Ergebnis präsentiert und nicht länger, wie noch 1509 (VD 16 D 818 f., 821 f., ZV 4411), referiert wird; formal, weil Subskription (Teilnehmerverzeichnis) und Siegelung das im Titel Postulierte beglaubigen; begrifflich, weil mit Abschied nun, erstmals wieder seit 1501, ein Begriff gewählt wird, der entweder wörtlich verstanden werden kann, auf das Auseinandergehen und Sich-Verabschieden der Teilnehmer bezogen, oder auch symbolisch, auf den rechtlichen Geltungsanspruch des druckmedial vergegenwärtigten Ergebnisses. In Hinblick auf die rechtliche Lesart43 aber ist Abschied ein oszillierender Begriff, der es erlaubt, die widersprüchlichen Ansprüche von König und Reichsständen in der Schwebe zu belassen.

Vor allem aber begegnet mit dem Straßburger Drucker Matthias Hupfuff, der gleich zwei der fünf überlieferten Auflagen des Reichsabschieds von 1512 druckte (VD 16 R 750 [Reichsabschied von 1512: https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00017405/images/], VD 16 R 753), ein Akteur des Mediensystems, der nachweislich nicht im Auftrag Dritter Informationen über den zu Ende gegangenen Reichstag lieferte, sondern sie druckte, weil er davon ausging, dass es sich bei seinen Drucken um ein Angebot handelt, das auf Nachfrage stieß44. Wo er sich diese Nachfrage (auch) erwartete, gibt das von ihm und auch von seinem Augsburger Kollegen (VD 16 R 754) verwandte Titelbild zu erkennen. Es zeigt den Kaiser, das Schwert der Gerechtigkeit in Händen haltend, auf dem Thron sitzend, dem vor ihm knieenden und seine schriftliche Bitte übergebenden Supplikanten zugewandt. Er ist umgeben von einer Gruppe gut, aber nicht vornehm gekleideter Männer, darunter, an ihren langen Übermänteln (Schauben) zu erkennen, städtische Funktionsträger (Ärzte, Richter, Ratsherrn etc.), aber auch, durch seine Kopfbedeckung kenntlich, ein Bauer.

3.3 Zeitschnitt 2: Die 1540er Jahre, oder: das Neue bringt sich selbst hervor

Warum den Zeitgenossen ihre Zeit als eine geschwinde erschien, das machen die Ereignisse der drei Jahrzehnte klar, die dem Zeitschnitt zum Opfer fallen: vom Thesenanschlag in Wittenberg 1517, über den Bauernkrieg (1524–1526), den Sacco di Roma (1527), bis hin zu militärischen Konflikten im Norden und Süden des Reiches in den 1530er Jahren (Dänemark/Lübeck, Württemberg) und dem scheinbar unaufhaltsamen Vordringen der Osmanen zu Lande wie zur See. Der Enkel Kaiser Maximilians I., Karl V. (1500–1558), war mit ihnen allen, mehr oder weniger intensiv, konfrontiert. Am Ende seiner Regierungszeit war, was um 1500 nur in ersten Ansätzen vorhanden gewesen war, unabweislich: Der Reichstag war zu einem institutionellen Ordnungsarrangement geworden, das seinen eigenen, ungeschriebenen Regeln gehorchte. Alternative Formen, auch das war in der Mitte des 16. Jahrhunderts offenkundig, gab es, wie die Jahre 1547/48 lehrten, keine.

3.3.1 Der Kontext: Ein abwesendes Oberhaupt und ein neues Thema – Karl V. und die ‚strittige Religion‘

Seit 1519 hatte das Heilige Reich mit Karl V. ein Haupt, in dessen Herrschaftsbereich, als er 1556 abdankte, die Sonne nicht unterging. Er war das erste und letzte global herrschende Reichsoberhaupt. Durch Heiraten, Geburten und Todesfälle, militärische Siege und Niederlagen, d. h. durch Zufall und den Einsatz von viel Geld, das der Casa d’Austria vor allem aus den in der maximilianeischen Zeit angeheirateten Ländern Burgund und aus Spanien zufloss, zustande gekommen, umfasste die Aufzählung all seiner Herrschaftstitel im Reichsabschied von 1541 (VD 16 R 785, 786) mehr als eine Druckseite. Von der kaiserlichen Würde reicht die Aufzählung bis zu der eines Herrn von Friesland und dazwischen finden sich 24 Länder, die er als König regiert, darunter auch die ‚canarischen und indianischen Inseln‘ sowie die ‚terre firme [das Festland] des ozeanischen Meeres‘, vulgo: Amerika.

Noch unter heutigen infrastrukturellen Voraussetzungen wäre ein so überdehnter Herrschaftsbereich wohl kaum zu regieren. Dass es gelungen ist, ihn unter den Bedingungen des 16. Jahrhunderts auch nur zusammenzuhalten, ist erstaunlich. Das politische System Karls ruhte auf drei Säulen. Die erste und wichtigste waren die Mitglieder seiner Familie, ihm am nächsten stehend die weiblichen, seine Tante und Ersatzmutter Margarete (1480–1530)45 und seine Schwester Maria (1505–1558)46, die in seinem Namen in seinen Geburtslanden, den Niederen Landen, regierten. Unermüdliches Reisen, jüngst für touristische Zwecke nachvollziehbar gemacht durch ein Projekt des Europarates unter spanischer Ägide47, war die zweite Säule. Briefe waren das dritte Herrschaftsmittel. Rund 100.000 Briefe der politischen Korrespondenz Karls V.48 und seiner Räte sind in Archiven in ganz Europa überliefert.

Früh, als er seinen jüngeren, in Spanien aufgewachsenen Bruder Ferdinand (1503–1564)49 und nicht seinen erstgeborenen Sohn Philipp (1527–1598)50 zu seinem designierten Nachfolger im Reich machte (Königswahl vivente Imperatore, 1531), stellte er die Weichen, sein Imperium aufzuteilen. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts war das Haus Österreich in zwei Linien geteilt, eine spanische, die 1700 erlosch und auch über die transatlantischen Besitzungen geherrscht hatte, und eine deutsche. Dass er die prosperierendste Region seiner mitteleuropäischen Herrschaft, die Niederlande, seinem Sohn und nicht seinem Bruder übertrug (1548 Burgundischer Vertrag), sollte die Geschichte der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entscheidend prägen (Aufstand/Freiheitskampf der Niederlande).

Der im Vergleich mit seinen iberischen Besitzungen in vieler Hinsicht rückständigeren Teutschen Nation und ihrem Reich aber galt Karls Aufmerksamkeit bis zu Beginn der 1540er Jahre nur nachrangig, auch wenn er sich der mit der kaiserlichen Rolle verbundenen Rechte und Pflichten stets bewusst war. Denn wer über das Heilige Reich herrschte, dem oblag eine besondere Verantwortung für die Christenheit und ihre Kirche und, daraus resultierend, eine besondere Autorität. Eine Sicht, die der 21-Jährige in Worms auf seinem ersten Reichs- und Hoftag eigenhändig zu Papier brachte, nachdem der in seiner Anwesenheit verhörte ketzerische Mönch und Universitätsprofessor aus Wittenberg namens Martin Luther per indirectum, durch seine obstinate Haltung, diese Verantwortung in Frage gestellt hatte. Bezeichnenderweise verurteilte Karl Luther und seine Anhänger nicht deswegen, weil er vom Papst gebannt, d. i. aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen worden war, gleichsam als weltlicher Erfüllungsgehilfe des Papstes, sondern weil er den Widerruf verweigert hatte (Wormser Edikt)51.

Damit war der dissonante Grundakkord seiner 37-jährigen Regierungszeit als Kaiser angeschlagen. Dass es sich bei der strittigen Religion, so die zeitgenössische Bezeichnung dessen, was heute als Reformation firmiert, allein schon deswegen um einen Grundakkord handelt, weil die Pluralisierung der Formen christlichen Bekennens in der lateinischen Christenheit bis heute global folgenreich ist, ist für die Nachgeborenen evident. Den wenigsten jedoch ist bewusst, dass Religion anderes meinte als heute und nur insofern Gemeinsamkeiten vorhanden sind, als es sich um einen deutungsoffenen Begriff handelt. Karl V. liefert die Probe aufs Exempel. Er, dessen Regierung im Reich von Anbeginn im Vorzeichen des Glaubenszwiespalts stand, sah sich erst 1547 genötigt, sich über die inhaltlichen Unterschiede zwischen den altüberkommenen und neuen theologischen Lehren zu informieren (Horst Rabe). Denn ein Konzept von Religion, so die Duden-Definition, als ein (meist von einer größeren Gemeinschaft angenommener) bestimmter, durch Lehre und Satzungen festgelegter Glaube und sein Bekenntnis war die Folge, nicht die Ursache der strittig gewordenen Religion.

Und so dauerte es mehr als ein Vierteljahrhundert, bis Karl V. und sein wichtigster Ratgeber in dieser Zeit, Nicolas Perrenot de Granvelle (1484–1550)52, ein dem Stadtbürgertum Burgunds entstammender Jurist, Mitte der 1540er Jahre keinen Zweifel mehr hegten, dass es sich bei der strittigen Religion um eine Dissonanz handelte, der mit den Mitteln reichstäglicher Deliberation nicht beizukommen war. Diese Einschätzung war erfahrungsgesättigt. Seit 1540 fanden jährlich mehrmonatige Reichstagsberatungen statt, die den Dissens jedoch eher vertieften denn beseitigten. Doch nicht bzw. allenfalls am Rande der seit 1537 (Schmalkaldische Artikel) klarer konturierte Streit der Theologen und deren 1540/41 gescheiterte Ausgleichsbemühungen (Religionsvergleichsgespräche Hagenau/Worms) waren es, deren man beratend nicht Herr werden konnte. Denn Reichstage waren Verhandlungsarenen, in denen über die Welt, nicht über theologische Wahrheiten, die auf Konzilien zu traktieren waren, verhandelt und beschlossen wurde. Karl V. ließ daran keinen Zweifel. 1521 in Worms wie 1530 in Augsburg erstickte er allererste Ansätze theologischen Disputs in seiner Anwesenheit im Keim.

Verhandelt hingegen wurde über die Folgen, die mit den Schlussfolgerungen einhergingen, die etliche städtische wie adelige Obrigkeiten aus den neuen Lehren zogen. Sie beriefen sich auf das wahre Wort Gottes, wie es ihre Theologen lehrten, nicht nur um kirchliche Riten neu zu gestalten, sondern auch um das, aufs engste mit der weltlichen Rechtsordnung verquickte kirchliche Recht für nichtig zu erklären und über kirchlichen Besitz zu disponieren. Nicht mehr darum, wie 1521, einer Häresie zu wehren, ging es daher im Reich, wohl aber noch in den österreichischen und niederländischen Erblanden, sondern darum, ein Schisma, eine Kirchenspaltung, zu beseitigen. So die Situationsdefinition des sächsischen Kurfürsten 1522, die sich die Teutsche Nation seit dem Reichstag des Jahres 1524 und Karl seit dem Augsburger Reichstag des Jahres 1530 zu eigen gemacht hatten. Der Unterschied zwischen der Beseitigung einer Häresie und eines Schismas aber ist ein entscheidender. Erachtete man die Situation für ein Schisma, so standen die Kurie, der Kaiser und die Mehrheit der Teutschen Nation der Minderheit der Anhänger Luthers nicht mehr in einem Verhältnis von unbestrittener Glaubensautorität und verdammter Ketzerei (…), sondern als gleichberechtigte Parteien in einem kirchlich-religiösen Konflikts- und Ausnahmezustand gegenüber, so die Formulierung des Historikers, dem wir diese grundlegende Erkenntnis verdanken53.

Für die Bewältigung eines solchen Ausnahmezustandes aber gab es seit dem Spätmittelalter ein Musterbuch: Verhandlungen auf einem Konzil. Ein solches Forum – ein ‚christliches, freies Konzil in Teutscher Nation – zustande zu bringen, bemühte sich der Kaiser von Anbeginn, seit 1530, mehr als ein Jahrzehnt lang intensiv. Als der Papst es schließlich konzedierte (Eröffnung: Trient, 13. Dezember 1545), aber weigerten sich die Obrigkeiten, die die neuen theologischen Wahrheiten zum Maßstab ihres weltlichen Handels gemacht hatten, heute Protestanten oder Evangelische genannt, es zu beschicken, da es zwar in der Teutschen Nation stattfinde, doch nicht für frei (von päpstlicher Prärogative) zu erachten sei. Damit aber lieferten sie, die schon das kaiserliche Landfriedensgebot missachtet hatten (1542 und 1545 Feldzüge des Schmalkaldischen Bundes gegen Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel), den endgültigen Beweis, dass sie seine kaiserliche Autorität missachteten und sich ungehorsam zeigten. Ungehorsam aber zu dulden, das hatte er zuletzt 1540 drakonisch in seiner Geburtsstadt Gent demonstriert, war er nicht willens. Der Ungehorsam der beiden mächtigsten protestantischen Fürsten, des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich (1503–1554) und des hessischen Landgrafen Philipp (1504–1567), sei ein Majestätsverbrechen, das es mit Waffengewalt zu bestrafen gelte, so die Begründung der militärischen Konflikteskalation in seiner, auf dem Regensburger Reichstag 1546 ausgearbeiteten Achterklärung des Jahres. Doch 1552, nach einer militärischen Niederlage in einem neuen Krieg zur Flucht nach Villach gezwungen (Fürstenaufstand), musste er einsehen, dass weder militärische Siege noch Gebote des kaiserlichen Siegers (1548: Interim, Formula reformationis), die Einheit der Kirche wiederherstellen konnten.

Seinem Bruder Ferdinand überantwortete er es, eine Lösung zu finden. Wie sie gefunden wurde, ist bezeichnend. Allen war, nachdem man sich in den Jahren 1521 bis 1554 19 Mal (durchschnittlich 2 Monate in jedem Jahr) versammelt hatte, selbstverständlich geworden, dass eine dauerhafte Lösung nur möglich war, wenn sie als eine, im Einvernehmen von Haupt und Gliedern gefundene, symbolisch im Reichsabschied dar- wie hergestellte, beschlossen wurde (VD 16 R 801, D 994). Selbst der Kaiser konnte sich, nachdem sein Versuch, in Gestalt eines kaiserlichen Bundes eine Alternative zu finden, 1547 rasch und umfassend gescheitert war, nicht mehr entziehen (Volker Press). Folgerichtig, denn dies war das Mittel der Wahl, Dissens zu demonstrieren, blieb Karl der Versammlung fern, sich mit Krankheit und sonstigen Ungelegenheiten entschuldigend. So versammelte man sich 1555 in Augsburg, auch wenn man eigentlich keinen Reichstag für die inhaltliche Seite der Lösung gebraucht hätte, denn diese hatte man bereits viel früher, 1552, gefunden (Passauer Vertrag). Doch im vergangenen halben Jahrhundert war nicht nur selbstverständlich geworden, dass publizierte Reichsabschiede für alle galten, sondern auf dem Reichstag hatten sich inzwischen auch ungeschriebene Regeln ausgeformt, die es erlaubten, Einvernehmen zu demonstrieren, eben weil man zusammen kam und miteinander beriet, wo inhaltlich kein Einvernehmen zu erzielen war.

Die Folgen waren gravierend: So vermochte man sich zwar auf das Grundsätzliche zu verständigen, nicht aber auf die Details. Das grundsätzlich Neue der 1555er Lösung bestand darin, den Frieden in der Welt, ‚Ruhe und Sicherheit‘, zur Voraussetzung einer Verständigung über den theologischen Dissens (Religion, Religionsvergleich) zu machen, denn eine solche Verständigung, so die bis heute zutreffende Einschätzung, sei nicht so bald zu erwarten. Genau umgekehrt hatte Karl V. das Bedingungsverhältnis konstruiert. Für ihn war kein Friede denkbar, solange das Schisma nicht beseitigt war. Durch wechselseitige, sanktionsbewehrte Zusagen, die Anhänger der Augsburgischen Confession bey solcher Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Ceremonien, auch ihren Haab, Gütern, liegend und fahrend, Land, Leuthen, Herrschafften, Obrigkeiten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten ruhiglich und friedlich bleiben [zu] lassen und Gleiches, denen der alten Religion zu konzedieren, wurden sie in die Tat umgesetzt (Religion, Religionsfrieden [Augsburger Reichsabschied 1555]).

Welche Auswirkungen dieser Grundsatz, vor allem für die von Geistlichen regierten Länder (Religion, Geistlicher Vorbehalt/Freistellung), für die Untertanen im Allgemeinen (Religion, Freistellung/ius emigrandi) und für die protestantischen in Ländern altgläubiger Obrigkeiten im Besonderen (Religion, Declaratio Ferdinandea) hatte, darüber vermochte man sich nur zu verständigen, weil man Begriffe wählte, die das Entscheidende offen ließen. So z. B. die Frage, welche Obrigkeit auf Grundlage welcher Kriterien sich als der Augsburger Konfession verwandt betrachten konnte und damit des weltlichen Friedens teilhaftig wurde und welche nicht. Vor allem für die im Süden des Reiches gelegenen Obrigkeiten, wo die reformierte Theologie Schweizer Provenienz (Huldrych Zwingli, Jean Calvin) präsent war, allen voran für den pfälzischen Kurfürsten, war dies, wie sich zeigen sollte, eine virulente Problemstellung. Vor allem aber war und blieb die Frage unentscheidbar, wer, nach welchen Normen und mit welchen Folgen darüber entschied, wenn entgegen der gegenseitigen Zusage keine Ruhe und kein Frieden herrschte (Reichskammergericht, Zuständigkeit; Reichskammergericht, Gerichtsverfahren [Prozessformen, -recht, Gerichtspraxis]). Denn diese Frage zu klären, hätte vorausgesetzt, was bis 1806 nicht zu erreichen war – einen inhaltlichen Konsens darüber zu erzielen, welche Sachen zur Religion gehören, so die zeitgenössische Terminologie, und welche nicht.

Wie interpretationsoffen das 1555 verbindlich Verabredete war und wie wenig der Reichstag leisten konnte, was maßgeblich zu seiner Konsolidierung in den 1540er Jahren beigetragen hatte, d. i., ein Forum zu sein, auf dem kontroverse Agenden, wenn auch erfolglos, traktiert wurden, zeigt seine weitere Geschichte plakativ. Letztmals 1559 wurde der Versammlung vom Kaiser Religion als Tagesordnungspunkt vorgegeben. Fürderhin konnte man sich nur noch in Form von Supplikationen an den Kaiser, nachrangig an den Supplikationsrat des Reichstags wenden, um die zahllosen Beschwerden, mit denen man sich konfrontiert sah, je nachdem wie man die Regelungen von 1555 verstand, zum Gegenstand reichstäglicher Beratung zu machen (Religion, Gravamina). Die Religion wurde damit, so die in der editorischen Praxis verwandte Bezeichnung, zu einer Nebenhandlung, freilich einer Nebenhandlung, die, je länger, desto mehr, die Verhandlungen über die vorgegebenen Tagesordnungspunkte unmöglich machte. 1608 war der Dissens erstmals so groß, dass man sich auf keinen Abschied mehr einigen konnte.

Grundfalsch wäre es, aus dem bisher Gelesenen die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es in der Regierungszeit Karls V. auf dem Reichstag nur noch um die Religion gegangen wäre und nicht mehr um die Hilfsersuchen des Herrschers gegen die Türken oder um das, was man als dem Gemeinen Nutzen dienlich als Gegenstand des reichstäglichen Miteinanders schon um 1500 ausgemacht hatte. Das Gegenteil ist der Fall: Mit der Ordnungsgesetzgebung, die so alltagsnahe Lebensbereiche wie z. B. das Fluchen, den Alkoholkonsum oder das Sexualverhalten zu regeln bestrebt war (Policeyordnung 1530, 1548), erweiterte sich das mit dem Bonum commune verbundene Aufgabenspektrum erheblich. Und auch die Einberufung des von der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts so ausschließlich in die konfessionelle Perspektive gerückten Augsburger Reichstags des Jahres 1530 war seitens des Kaisers und seines Bruders maßgeblich durch die Bedrohung ihrer Erblande (1529 Belagerung Wiens durch das Heer Süleymans) bedingt und nur nachrangig eine Reaktion auf die Gesandtschaft der Protestanten des Jahres 1529 an den kaiserlichen Hof in Spanien. Doch die Religion, präziser: der öffentliche Dissens über sie, war das Thema, das, zuvorderst, das gemeinsame Beraten und Beschließen komplexer machte.

3.3.2 Verbindlichkeit: Protestieren

Fröhliche Urständ feierte 2017, auf dem Höhepunkt der von der Evangelischen Kirche Deutschlands veranstalteten Lutherdekade, der evangelische Mythos heroischen Widerstandsgeistes der Gründerfiguren gegen die Anmutungen der Welt und diese Anmutungen begegneten ihnen vor allem, so ist es im kollektiven Gedächtnis gespeichert, auf zwei Reichstagen. 1521 in Worms sah sich Martin Luther mit ihnen konfrontiert und 1529 in Speyer fünf Fürsten (Kurfürst Johann von Sachsen, Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach, Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg-Celle, Landgraf Philipp von Hessen, und Wolfgang, Fürst von Anhalt-Köthen), die gegen den Reichsabschied Protest einlegten. Wieder, wie schon bei der Religion, ist es die Sprache, die suggeriert, dass das, was Protest heute und im 16. Jahrhundert, zumindest cum grano salis, meine, das Gleiche sei. Das Gegenteil ist richtig und veranschaulicht zugleich beispielhaft, was mehr Komplexität konkret bedeutet.

Denn nicht, so wiederum die Duden-Definition54 von Protest, um eine meist spontane und temperamentvolle Bekundung des Missfallens, der Ablehnung handelt es sich, sondern um ein Rechtsmittel, das zudem nicht auf das Missfallen erregende Verhalten Dritter in der Vergangenheit zielt, sondern auf das eigene Verhalten in der Zukunft (Diethelm Böttcher). Im konkreten Fall: Die Protestierenden tun, im Druck, allen kund, dass sie der Auffassung der Mehrheit nicht folgen werden. Diese Mehrheit hatte beschlossen, dass es unzulässig sei, die kirchlichen Verhältnisse nach eigenem Gutdünken, autonom, nur in Verantwortung vor Gott und dem Kaiser (Speyrer Reichsabschied 1526), umzugestalten. Zugleich wiesen sie alle Konsequenzen, die sich aus dieser Mehrheitsmeinung ergeben, als Unrecht zurück und wiesen sie damit als nichtig aus (Rechtsverwahrung). Nicht der Protest als Protest und auch nicht dessen inhaltlichen Implikationen, d. i. vor allem die Weigerung, die reformatorische Umgestaltung der Kirche und den Zugriff auf das Kirchengut zukünftig zu revidieren, erregte bei den kaiserlichen Brüdern und der Reichstagsmehrheit Missfallen, sondern die Medialität des Kommunizierten. Indem sie sich des typographischen Mediensystems bedienten – 10 Auflagen erschienen 1529 (VD 16 D 3013 f.; H 28392846), markierten sie ihren Dissens als einen solchen, der alle betrifft.

Dass weder die 1529 vom kursächsischen Kanzler und Top-Juristen Dr. Gregor Brück55 formulierte Protestatio noch all die zahlreichen anderen, die folgen sollten, von den Zeitgenossen als Akte der Widerständigkeit wahrgenommen wurden, liegt in der (rechtlichen) Natur der Sache. Proteste bedienen sich eines ausgefeilten rechtlichen Instrumentariums aus der Werkzeugkiste des Korporationsrechts (das wir dank der Studie von Diethelm Böttcher zur Protestatio von 152956 nun besser verstehen), um, ex negativo, zu beglaubigen, was um 1500 in ersten Ansätzen begegnete: Inhalte, die mehrheitlich verabschiedet werden, sind verbindlich. Protestieren ist demnach eine geläufige, nicht nur im Reich und nicht nur von den fünf Fürsten des Jahres 1529 geübte Praxis, die, aus rechtlichen Normen abgeleitet, implizit bekräftigt, was sie für einen Teilbereich explizit zurückweist – die bindende Wirkung der Ergebnisse gemeinsamen Beratens für zukünftiges Verhalten.

3.3.3 Akteure: Bevollmächtigte Experten

Die, aus der Perspektive der weiteren Entwicklung des Reichstags betrachtet, folgenreichste Veränderung bringt eine Kautele auf den Punkt, die der 1547/48 auf dem Augsburger Reichstag als Emissär seines kurfürstlichen Vaters anwesende Johann Georg von Brandenburg formulierte. Gedrängt, sich in die Verhandlungen persönlich einzubringen, erklärte er sich zwar bereit, jedoch nur bei solchen Verhandlungsgegenständen, die von ihm zu versteen und nit so schwer seien57. Schwerer und unverständlicher aber, die edierten Reichstagsakten-Bände aus der Regierungszeit Karls V. veranschaulichen dies eindrücklich, wurden immer mehr Materien, wie am Beispiel des Protestierens gezeigt, vor allem diejenige der Religion.

Und auch wenn bis heute nur Vorarbeiten58 dazu vorliegen, wer verhandelte, so geben schon diese Vorarbeiten einen Trend klar zu erkennen, dem die reichstägliche Zukunft gehören sollte. In dem Maß, in dem die Religion seit der zweiten Hälfte der 1520er Jahre immer strittiger wurde, wobei dieser Dissens bis in die 1540er Jahre primär das Miteinander der Reichsstände selbst beeinträchtigte, wurde einschlägige Expertise immer wichtiger. Immer mehr bevollmächtigte Räte und immer mehr graduierte Juristen versammelten sich und im Gegenzug fand sich der (kur-)fürstliche Hochadel immer seltener bei solchen Versammlungen ein. Denn die hohen Kosten der Statusrepräsentation, die mit persönlicher Anwesenheit zwangsläufig einhergingen, auf sich zu nehmen, faktisch aber nicht in der Lage zu sein, mitsprechen zu können und zugleich über andere Optionen zu verfügen, um sich mit dem kaiserlichen Reichsoberhaupt auszutauschen, machte den Besuch von Reichstagen unattraktiv. Plakativ formuliert: Der Reichstag wurde geschäftsmäßiger und weniger vornehm.

Ganz allmählich, beschleunigt in den 1540er Jahren, begann die veränderte Zusammensetzung der Reichstagsteilnehmer auch die auf dem Reichstag geltenden Handlungslogiken zu transformieren und damit auch von den am herrscherlichen Hof geltenden Formen angemessenen Miteinanderumgehens immer unterscheidbarer zu machen. Nur stichwortartig können diese Veränderungen aufgerufen werden:

(1) Eine immer größere Rolle für das Sich-Austauschen spielte Schriftlichkeit und die Schriftlichkeit veränderte ihre Form. Immer mehr Räte berichteten über immer mehr Agenden, immer häufiger und auch genauer, denn nur so vermochten sie als Stellvertreter ihrer Herren sich gegen deren potentiellen Unwillen abzusichern und sich als deren treue Diener zu präsentieren, die taten, wozu sie in Instruktionen und Weisungen gehalten wurden. Immer mehr Stände und nicht mehr nur, wie in der Regierungszeit Maximilians I., der Mainzer Kanzler führten Protokoll und zwar ein Protokoll, in dem das Votum jedes einzelnen Votierenden festgehalten war (Votenprotokoll). Der Umfang der Edition des Regensburger Reichtags von 1540/41 – 3777 Seiten in 4 Teilbänden – spricht für sich.

(2) Hand in Hand damit ging, dass nun eindeutiger wurde, wer in welcher Form zur heterogensten aller Kurien, diejenige der Fürsten, gehörte und wer nicht. Und auch bei den Städten, die bis dahin vorrangig am königlichen Hof präsent gewesen waren, führte offenkundig kein Weg mehr an der Erkenntnis vorbei, dass sie ihre Interessen nur wahren konnten, wenn sie, wie die Kurfürsten und Fürsten, in den Beratungen über Stand, Stimme und Session verfügten. Endgültig strukturierte nun die Logik des Rangs, das Beraten in drei Räten (Kurfürsten, Fürsten, Städte) und deren Sich-miteinander-Vergleichen, das reichstägliche Miteinander. Alle Beratungsmodalitäten, die quer zu dieser Logik standen, so die bis Mitte der 1540er Jahre eingesetzten sogenannten interkurialen Ausschüsse, beschickt mit kurfürstlichen, fürstlichen und städtischen Vertretern, kamen an ihr Ende (Verfahren).

3.3.4 Das Reich in Stadt, Region und Land

Vom Gegenteil, von einer intensivierten gesellschaftlichen Präsenz der reichstäglichen Versammlungsereignisse und von reichstäglichem Beraten und Beschließen ausgehenden Impulsen, die Teilhabe im regionalen oder territorialen Rahmen transformieren, kündet der Blick auf Stadt und Land.

So kommen immer mehr Supplikanten und Supplikantinnen auf den Reichstagen der 1540er Jahre mit ihren Anliegen ein und der Kaiser bedient sich nun regelmäßiger der Expertise in Gestalt seiner (Reichs-)Hofräte, um sich der Bitten, Wünsche und Beschwerden, sehr selten: rechtlichen Klagen, ‚seiner und des Reiches Untertanen‘ anzunehmen. Die Anfänge des Reichshofrats als eines Expertengremiums, das sich den Beschwerungen von Hoch und Niedrig annimmt, lassen sich in die 1540er Jahre zurückverfolgen (Eva Ortlieb).

Die Entwicklung des Reichstags und die immer häufiger tagenden Versammlungen auf der Ebene der Reichskreise (Reichskreise, Versammlungen;Reichsversammlungen, Reichskreise [interzirkulär]) leisteten der regionalen korporativen Verfestigung des nicht-fürstlichen Hochadels, der Grafen und Herren, in Schwaben, Franken und am Rhein, Vorschub. Erstmals 1544 stellten die Wetterauer Grafen eine gemeinsame Vollmacht für ihren Vertreter auf dem Reichstag aus. Und die ins Spätmittelalter zurückreichende enge Verbindung des Reichsoberhaupts zu den Städten und dem Niederadel, den Rittern, in Schwaben und Franken (Schwäbischer Bund), ließ, beschleunigt seit 1542, die in Kantonen organisierte Reichsritterschaft59 entstehen (Volker Press). Damit aber war nunmehr die Trennlinie zwischen nicht-fürstlichem Hochadel und Niederadel klar gezogen. Ersterer strebte als regional strukturierte Gruppe nach Teilhabe auf dem Reichstag, letzterer orientierte sich jetzt und fürderhin ausschließlich an ihrem kaiserlichen Schutzherrn und dessen Hof. Und das hieß, aus der Perspektive reichstäglichen Zusammentreffens, dass der Teilnehmerkreis der Fürstenkurie zwar nicht fixiert, aber doch abgeschlossener wurde und damit auf die 1540er Jahre eine weitere Voraussetzung datiert, die den Reichstag in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer organisationsförmiger werden ließ.

Nur punktuell sind wir für größere Länder (Kurfürstentum Sachsen, Landgrafschaft Hessen, Herzogtum Württemberg) etwas detaillierter im Bilde, ob Entwicklungen wie die Tendenz zur Abschließung des Teilnehmerkreises, regelmäßigere Treffen, die regelhafter ablaufen und Ergebnisse produzieren, die Geltung für alle Landesbewohner beanspruchen, auch bei landständischen Versammlungen zu beobachten sind (Versammlungen, territoriale). In Anbetracht des Kenntnisstandes unter Vorbehalt stehen die Befunde, sie weisen aber doch in eine ähnliche Richtung: Zwar wird seit den 1530er Jahren greifbar, dass die Reichssteuern auch auf territorialer Ebene Partizipation beförderten und sich diese Entwicklung in Krisensituationen, wie sie z. B. die Niederlage im Schmalkaldischen Krieg darstellte, noch dynamisierte. Doch in allen Ländern, über die wir etwas genauer im Bilde sind, deutet alles darauf hin, dass zwar häufig und in vielfältigsten Formen miteinander beraten wurde, dass es aber bis ins 17. Jahrhundert hinein dauerte, bis das Gemeinwesen aus den Praktiken des Beratens heraus begründet wurde (Tim Neu). Die Ausnahme stellt das Herzogtum Württemberg dar. Um den, aus der Perspektive der württembergischen Herzöge betrachtet, Preis, dass der niedere Adel in den 1550er Jahren sich der landtäglichen Vergemeinschaftung endgültig entzog und nur noch die Städte das Land waren, gelang die politische Integration (Gabriele Haug-Moritz).

3.4 Zeitschnitt 3: Die 1570er Jahre, oder: das Neue wird als das Alte erzählt

Viele Entwicklungen, die die Reichstage der 1540er Jahre von denen unterschied, die zu Beginn des Jahrhunderts stattgefunden hatten, sollten sie mit denjenigen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verbinden. Es klang bereits an. Dies gilt für die Themen, die beraten wurden, über die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises bis hin zu den Modalitäten des Beratens.

3.4.1 Der Kontext: Warum reichstägliches Beraten je länger, desto weniger die Konfliktdynamiken einhegen kann

Die Abwehr einer imaginierten wie faktischen ‚Türkengefahr‘ war weiterhin ein – aus kaiserlicher Perspektive: das – beherrschende Thema der Reichstage. In den 1570er Jahren hatte dieses Bemühen eine neue Qualität gewonnen. Nicht mehr nur re-aktiv, wenn man den nächsten Feldzug der Osmanen für unmittelbar bevorstehend erachtete, sondern auch pro-aktiv traf man Vorkehrungen (Türkenabwehr, Grenzen/Grenzsicherung (Militärgrenze); Türkenabwehr, Ritterorden; Türkenabwehr, Diplomatie). Als Türkenreichstage wurden die Reichstage der zweiten Jahrhunderthälfte in der Forschung apostrophiert (Winfried Schulze). Das Gemeine Beste wurde weiterhin bei den Themen verortet, die seit den 1540er Jahren vom Kaiser auf die Tagesordnung gebracht wurden. Und auch wenn die Kaiser seit den 1560er Jahren darauf verzichteten, den Religionsdissens zu einem Beratungsgegenstand wie andere zu machen, so entfaltete er nun zwar nicht mehr auf der Vorderbühne eine erhebliche Konfliktdynamik, dafür umso mehr auf der Hinterbühne. Der Reichstag des Jahres 1576 markiert diesbezüglich einen wichtigen Meilenstein60.

Dass diese Konfliktdynamik nicht eingefangen werden konnte, hat viele verschiedene Gründe. Sie sind teils zufälliger Art, so etwa die Persönlichkeit Kaiser Rudolfs II. (1552–1612)61. Rudolf trug sich mit Plänen, es seinem Großonkel Karl V. gleichzutun und seine kaiserliche Würde zu resignieren. Und dies lange bevor ihn sein Bruder Matthias in Prag, wo er seit 1583, den Künsten und der Alchemie zugetan, residierte, 1611 tatsächlich gefangen nahm und als Böhmischen König absetzte. Eine historische Episode, bis heute weit mehr durch Franz Grillparzers Drama Ein Bruderzwist in Habsburg (Uraufführung: 1872) im deutschsprachigen kollektiven Gedächtnis präsent als durch die Ergebnisse geschichtswissenschaftlichen Forschens (Robert J.W. Evans).

Neben den kontingenten Momenten, derer sich noch mehr benennen ließen, lassen sich aber auch Gründe struktureller Natur ausmachen, d. s. solche Gründe, die sich deswegen der handelnden Bewältigung durch die Akteure entzogen, weil sie sich gleichsam hinter ihrem Rücken abspielten, einen blinden Fleck ihrer Weltbeobachtung darstellen und erst den ex post auf die Zeit Blickenden deutlich werden. Drei solcher Gründe seien genannt:

(1) Eine dieser Entwicklungen, durch die unzähligen lokalen Konflikte um kirchlichen Besitz massiv befördert, ist die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geleistete juristische Gedankenarbeit. Sie wurde zum einen darauf verwandt, die unterschiedlichen, vielfach widersprüchlichen Rechtsnormen (Gewohnheitsrecht, Lehensrecht, Ius commune), die Besitz- und Herrschaftsansprüche zu begründen erlaubten, mit einem neuen gedanklichen Konstrukt, dem der Landeshoheit (superioritas territorialis), juristisch eindeutiger entscheidbar und damit ‚ruhig und friedlich‘ bewältigbarer zu machen (Dietmar Willoweit). Der Komparativ ist entscheidend, denn nur ein gradueller, kein prinzipieller Zugewinn an Konfliktlösungskapazität ging mit diesem juristischen Konstrukt einher (Christoph Duhamelle). So lange es aber dieses Konstrukt nicht einmal als Begriff gab, der erste Nachweis datiert auf 162162, war jeder einzelne, noch so belanglose Streit um Besitzansprüche, um Kirchen und Klöster, um Abgaben und Patronatsrechte, ein Streit, in dem das Ganze, d. s. die Grundlagen, auf denen die eigenen Autonomieansprüche aufruhten und künftig aufruhen sollten, mitverhandelt wurde (Religion, Einzelbeschwerde).

Weiter befördert wurde dieses Im-Nebensächlichen-das-Grundsätzliche-zum-Thema-Machen durch eine immer konsistentere und umstrittenere Deutung der interpretationsoffenen Regelungen des Augsburger Religionsfriedens (Martin Heckel). Je mehr aber diese Regelungen nicht mehr von der Koexistenz, sondern von der Konkurrenz als einem Nullsummenspiel her perzipiert wurden, d. h. der Gewinn des einen automatisch der Verlust des anderen war, mussten immer mehr die Dritten, die über Gewinn und Verlust zu entscheiden beanspruchten, d. s. Kaiser Rudolf II. und sein (Reichs-)Hofrat sowie das kaiserliche Kammergericht, zum Stein des Anstoßes werden (Reichskammergericht, Visitation).

(2) Die Bürgerkriege in Frankreich – fünf der acht, zwischen 1562 und 1598 ausgefochtenen Konflikte fanden in den Jahren 1570–1580 statt – und den Niederlanden (1572 ff.) waren weitere Faktoren, die je länger, desto nachhaltiger auf die reichstäglichen Beratungen einwirkten, aber weitgehend der handelnden Bewältigung entzogen waren. Die Kriege tangierten die im Westen des Reiches angesiedelten Reichsstände massiv und unmittelbar (Landfrieden, Krieg; Währung, Münzprobation, -manipulation). Die Deutung dieser Konflikte, die nach 1572 von den diskursprägenden Eliten dieser Länder immer eindimensionaler als konfessionell konnotierte Gewalt kommuniziert wurden und im Reich in Übersetzungen druckmedial umfänglich präsent waren, tat ein Übriges. Sie bewiesen, dass die eigenen Erfahrungen, die man vor Ort mit dem Hader um Besitzrechte, Besetzung von Pfarrstellen, den Zugriff auf das lokale Kirchenvermögen etc. gemacht hatte, nicht nur die eigene Lebenswirklichkeit prägten, sondern der beherrschende Grundzug der Zeit waren. Denn die Zeitgenossen, vor allem die Stadtbürger wie z. B. der Kölner Hermann Weinsberg63, beobachteten ihre Welt aufmerksam.

(3) Der Umstand, dass eine wachsende Bevölkerung mit einer sich durch klimatischen Unbill weiter verschlechterten Ernährungslage konfrontiert sah, spielt per indirectum auch für die Reichstagsverhandlungen eine Rolle. Er plausibilisierte Argumente, die mit dem Unvermögen der Untertanen kaiserliche Leistungsforderungen zurückwiesen. Doch so prägend diese Zeiterfahrung für die überwältigende Mehrheit der Menschen in der ganzen nördlichen Hemisphäre war (sogenannte Kleine Eiszeit), für die Unmöglichkeit, Konfliktdynamiken durch gemeinsames Beraten einzuhegen, spielte sie keine Rolle. Von eminenter Bedeutung hingegen ist die personelle Zusammensetzung des Reichstags, über die wir nun etwas fundierter als für die erste Jahrhunderthälfte im Bild sind (Maximilian Lanzinner). Auf den Reichstagen waren, aus den gleichen, immer mehr an Gewicht gewinnenden Gründen wie schon in den 1540er Jahren, immer weniger Kurfürsten und Fürsten persönlich anwesend. Stattdessen, der hier edierte Reichstag ist diesbezüglich beispielhaft, stellten sich immer mehr Stellvertreter ihrer Herren, meist um die 80% der Anwesenden, ein und unter ihnen wiederum immer mehr graduierte, zumeist bürgerliche Juristen.

Expertise, die auf Gelehrsamkeit, aber auch auf Erfahrungswissen ruhte, wurde in dem Maß, in dem die Standpunkte immer unvereinbarer und immer differenzierter begründet waren, immer notwendiger. Diese Dominanz der Funktionseliten ist das Moment, das die Reichstage der zweiten Jahrhunderthälfte am grundlegendsten von denen der Zeit um 1500 unterschied und das, so weit ich sehe, ein Alleinstellungsmerkmal des Reichstags ist, wenn man ihn mit anderen zeitgenössischen Ständeversammlungen vergleicht. Der Weg zu einem Forum, auf dem sich nur noch Mandatare ihrer Herren einfanden, so der seit 1663 immerwährend tagende Regensburger Reichstag, war von hier nicht mehr weit. Mit einem Hoftag aber hatte eine solche Versammlung nichts mehr zu tun. Sie gehorchte ihren eigenen, nicht den höfischen Spielregeln, diese aber waren und blieben die, auf die es ankam. In sozialwissenschaftlicher Diktion gesprochen: Das Beraten und Beschließen wurden moderner, da gegenüber ihrer Umwelt autonomer und dies in einem Ausmaß, dass inhaltlicher Dissens immer weniger mit reichstäglichem Beraten bewältigt werden konnte. Folgerichtig erscheint der Reichstag in der ersten, in den 1570er Jahren entstandenen Beschreibung als Bühne gemeinsamen Beratens, auf der, König wie Stände, dem Heiligen Reich dienen, nicht aber als Ort, an dem der Monarch im Kreise seiner Großen das Gemeinwesen re-präsentiert und, den differenzierten Regeln höfischer Interaktion entsprechend, Konflikte schlichtet und die Ordnung des Gemeinwesens gewährleistet.

3.4.2 ... und warum daran auch die neue Versammlungsform der Reichsdeputation nichts ändert

Als Kaiser Ferdinand I. im November 1563 dem Mainzer Erzkanzler Daniel Brendel von Homburg die Ausschreibung eines Reichsdeputationstages (Reichsversammlungen, Reichsdeputation) befahl und sich dabei auf die Reichsabschiede von 1555 (§ 65) und 1559 (§§ 49 f.)64 berief, kam eine Entwicklung in Gang, die eine Versammlungsform schuf, der dem Begriff, nicht der Sache nach, die Zukunft gehören sollte: der (Be)Schluß einer (außerordentlichen) Reichsdeputation, der sogenannte Reichsdeputationshauptschluss (1803), in dem die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer (Ausnahme: Kurmainz) und die Mediatisierung der Reichsstädte, d. h. ihre Eingliederung in die sie umgebenden Territorien, verabredet wurde, war der letzte Akt, der der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation durch den Kaiser 1806 vorausging.

Als sich im Februar 1564 in Worms die vom Mainzer Kurfürsten Eingeladenen versammelten, ging es freilich nicht, wie 1802/03, ums große Ganze, sondern um Militäraktionen eines mindermächtigen Fürsten und eines Reichsritters – den Überfall Herzog Erichs II. von Braunschweig-Calenberg65 auf das Hochstift Münster (Mai/Juni 1563) und denjenigen des Reichsritters Wilhelm von Grumbach66 auf die Stadt Würzburg (Oktober 1563) (Landfrieden, Friedenswahrung/Landfriedensbruch). Noch immer, fast 70 Jahre nachdem verbindlich verabredet worden war, dass Fehden für unrechtmäßige Gewalt zu erachten seien, hatten sie statt. Wie falsch es wäre, den Anspruch, verbindlich für alle zu beschließen, für die Wirklichkeit zu halten, zeigt gerade diese Materie besonders plakativ. Denn wiewohl die 1495er Konzeption ‚innere Sicherheit‘ durch verbesserte Judikative nicht nur auf dem Papier stand (Reichskammergericht, Personal), veranschaulichten die Friedlosigkeit des Reiches in den Jahren 1542–155467 und auch die Militäraktionen des Jahres 1563, dass das Recht nicht hinlänglich war, dem Schwert zu wehren, sondern dass es auch des eigenen Schwertes bedurfte. Dass man 1555 diese Aufgabe nicht mehr, wie bislang, freiwilligen regionalen Zusammenschlüssen, deren bedeutsamste der Schwäbische Bund (1488–1534) gewesen war (Horst Carl), überantwortete, sondern sie an die Reichskreise delegieren konnte (Landfrieden, Landfriedensexekution), ist Ausdruck dessen, dass das Reich in der Region, wie ausgeführt, in den 1540er Jahren immer mehr Gestalt gewonnen hatte.

Wenn aber, wie 1563, einzelne Kreise der Gewalttäter nicht zu wehren vermochten (Reichsversammlung, Reichskreise [interzirkulare Versammlungen]) und auch die Hilfe von vier weiteren Kreisen nicht hinlänglich erschien, Ruhe und Sicherheit wiederherzustellen, dann war der Kaiser zu informieren und der Mainzer Kurfürst bevollmächtigt, einen fixen Teilnehmerkreis, seit dem Speyrer Reichsabschied von 1570 20 Kreisstände aus allen zehn Reichskreisen, einzuladen, um zu beraten, wie den Gewalttaten am besten zu wehren sei. Vertreten waren: alle sechs Kurfürsten, sieben weltliche Fürsten, darunter das Haus Österreich zwei Mal (Erzherzogtum Österreich, Burgund), drei geistliche Fürsten, ein schwäbischer Abt (Weingarten) und Graf (Fürstenberg) sowie zwei Städte, das (lutherische) Nürnberg und (katholische) Köln. Nicht zuletzt der festgeschriebene Teilnehmerkreis dürfte es gewesen sein, der seit Beginn der 1570er Jahre für diese neue Form, das Reich, bottom up, aus den Regionen heraus zu organisieren, mit Reichsdeputationstag einen neuen Begriff entstehen ließ68.

Zwischen 1571 und 1600 wurden, immer im Hegemonialbereich des Mainzer Kurfürsten, neun solcher Tage abgehalten – vier Mal in Speyer (1583, 1595, 1599 [geplant], 1600), dem Sitz des Reichskammergerichts, drei Mal in Frankfurt (1571, 1577, 1590) und zwei Mal in Worms (1578, 1586). Sechs von ihnen aber waren nicht vom Mainzer Kurfürsten, sondern durch Reichsabschiede (von 1570, 1576, 1582 1594, 1598) veranlasst und standen inhaltlich nicht mehr nur im Zusammenhang von Fragen der Landfriedensexekution.

Von der sozialen Zusammensetzung des Teilnehmerkreises und den Regularien des Beratens her gleicht der Reichsdeputationstag weitgehend dem Reichstag, doch schon die kaiserfernen Versammlungsorte am Mittelrhein weisen sie als das aus, was sie sind: eine neue Form des Tagfahrens, in der sich der Anspruch der Teutschen Hochadelsnation, sich eigenständig des Heiligen Reiches anzunehmen, manifestiert, wie auch die Publikationsformel der Abschiede ausweist. Die Reichsdeputationstage verdeutlichen zugleich auch, wo die Grenzen dieses Anspruchs lagen, eigenständig, auf Augenhöhe mit dem Monarchen, dem Gemeinen Besten des Heiligen Reiches zu dienen. Denn auf einen Abschied, den man publik machen konnte, vermochte man sich nur 1564, 1571 (VD 16 R 701) und 1600 (VD17 3:322880Z; 1:018529D) zu verständigen. Dass man in den 1570er Jahren die von Abschieden des Reichstags divergierende Publikationsformel nicht zur Kenntnis nahm und den Reichsdeputationstag des Jahres 1571 als Reichstag bezeichnete, ist bezeichnend und weist auf den nächsten Abschnitt voraus: Der Abschied machte inzwischen den Reichstag.

3.4.3 Deliberieren: Der Traktat vom Reichstag (1569/77)

Wie sehr sich die Reichstage der 1570er Jahre inzwischen von denen zu Jahrhundertbeginn unterschieden, sollte inzwischen deutlich geworden sein. Und in nichts anderem bündelt sich diese Veränderung so schlagend wie in einer Schrift, die von ihrem Herausgeber Rauch 1905 unter dem Titel Traktat über den Reichstag des 16. Jahrhunderts publiziert wurde69. Diese Abhandlung blickt auf eine schwierige Überlieferungsgeschichte zurück und reiht sich zugleich in eine Reihe am Empirischen ausgerichteter Traktate, ein, die in den 1570er und der ersten Hälfte der 1580er Jahren forma et modo tractandi ständischer Versammlungen beschreiben (Friedrich Hermann Schubert). Sowohl die Datierung (1569 oder 1577) als auch die Autorschaft sind umstritten, fest steht nur, dass sie von einem Sekretär des Mainzer Erzkanzlers (Andreas Erstenberger oder Simon Bagen) verfasst wurde. Erstmals 1612 wurde der Traktat, in modifizierter Form, unter dem Titel ‚Ausführlicher Bericht wie es auf den Reichstagen pflegt gehalten zu werden‘ (VD17 23:234079C) gedruckt.

Dieser Druck fügt sich ein in die sich um 1600 intensivierenden publizistischen Bemühungen der Teutschen Adelsnation, ihr Verständnis von der rechten Art, dem Heiligen Reich zu dienen – in ihrer Sprache: ihre Libertät –, juristisch-systematisch zu begründen. In der Reichspublizistik, dem Ius publicum romano-germanicum, aber wurde der Reichstag endgültig zum Hort ständischer Freiheit und eines Reiches, in dem Haupt und Glieder im gemeinsamen Dienst, nicht aber in einem Über- und Unterordnungsverhältnis vereint sind. Samuel Pufendorf, einer der berühmtesten Vertreter der neuen Wissenschaftsdisziplin (Notker Hammerstein), fand bereits Erwähnung. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte diese Lesart mit der Wirklichkeit des Reiches nichts gemein, wie allein schon aus der kontinuierlich wachsenden Bedeutung des kaiserlichen Hofes erhellt. Doch dass die Reichspublizistik ein Bild des Reiches entwerfen konnte, wie sie es entwarf, das hat maßgeblich mit den Spielregeln zu tun, wie sie sich auf dem Reichstag bis in die 70er Jahre des 16. Jahrhunderts ausgeformt hatten.

Die Bedeutung des Traktats liegt demnach nicht darin, dass nun (normativ und explizit) festgestanden hätte, wie der Reichstag funktioniert, und noch weniger darin, dass das Beschriebene kurzerhand mit der Praxis reichstäglichen Beratens gleichgesetzt werden kann, sondern darin, dass das, was ein Reichstag ist, beschreibbar geworden war. Beschreibbar aber wurde es, weil sich im vergangenen dreiviertel Jahrhundert, in den mehr als zwei Dutzend Versammlungstagen, aus den Prozeduren des Wiederholens Regeln des angemessenen Miteinanderumgehens, des Stehens und Sitzens, des Redens und Schweigens, der Sprechens und Schreibens eingestellt hatten (Verfahren), anders, auf das Paradoxe abstellend, formuliert: weil der Stellenwert, der dem Beraten für das Gemeinwesen gedanklich zukam, ganz allmählich hervorbrachte, was als Voraussetzung gegeben gedacht worden war – Beraten als ein Prozess des Deliberierens, der an einem eigenen Ort, eigenen Zeitstrukturen gehorchend, statthatte und nun, seit den 1570er Jahren, auch eine eigene Geschichte besaß, die es wert erschien, den Nachgeborenen erzählt zu werden.

Und auch wenn institutionelle, auf Regelmäßigkeit und Wiederholung ruhende Ordnungsarrangements, wie es auch Reichstage sind, weder im 16. Jahrhundert noch in der Gegenwart, nur aus dem bestehen, was sich die Beteiligten als geltend vorstellen, in den Worten André Kieserlings: aus ihrer Formalstruktur70, so sind sie als Interaktionszusammenhänge auch nicht ohne deren Kenntnis zu beschreiben. Inwiefern diese Erkenntnis für die Arbeit an dieser Edition fruchtbar zu machen gesucht wurde, wird anderswo erörtert71.

4 ... und was man aus all dem lernen könnte

Über einen Aspekt aber hüllen alle diese Abhandlungen den Mantel des Schweigens. Wenn überhaupt, so handeln sie nur in marginalem Umfang davon, worüber deliberiert wird. So findet im Traktat einzig der Umgang mit fremden Potentaten, d. s. die zahlreichen, auf den Reichstagen anwesenden ausländischen Gesandtschaften (Diplomatie), Erwähnung. D. h., der Traktat gibt, wie auch die anderen Abhandlungen, Auskunft über den Prozess, wie ein Ergebnis erzielt werden kann, das im einvernehmlichen Miteinander des Königs und der Stände zustande gekommen ist, und daher von allen zu befolgen ist, aber nicht darüber, welche Inhalte es sind, über die man sich einigt. Ein irritierender Befund und zugleich eine Leerstelle, die ein weiteres, ich würde meinen: entscheidendes, da nicht nur für den Reichstag geltendes Schlaglicht auf die Ständeversammlungen des Ancien Régime wirft.

Im Übersehen der inhaltlichen Seite der Beratungen tritt entgegen, was ausgeblendet werden muss, wenn Eintracht und Einvernehmen als normative Verhaltenserwartungen der institutionellen Ordnung vorausliegen und in den Logiken angemessenen Verhaltens immer wieder auf das Neue beglaubigt werden, und nicht, wie im modernen Parlamentarismus, sich die institutionelle Ordnung aus Kontroverse und Konkurrenz darüber ausfaltet, welche Fakten und Interessen zählen, welche Werte gelten. Nicht der gelungene inhaltliche Kompromiss, sondern die, sich im Beraten manifestierende Kompromissbereitschaft, in der Sprache der Zeit: das Sich-Erbieten, sich auf den Handlungszusammenhang einzulassen und seine (ungeschriebenen) Regularien zu befolgen, um ein Ergebnis zu produzieren, das allen nützt, ist das, was z. B. in den Narrationen der Reichsabschiede aufscheint und Dritten kommuniziert wird.

Doch dieses Auflösen der mannigfachen Konflikte und Konkurrenzen, wie sie die Umwelt der Ständeversammlungen bestimmte, im prozessualen Konsens ständischen Deliberierens hatte Grenzen, die, wurden sie transzendiert, nicht nur im Reich in militärische Gewalt mündeten. Wo diese Grenze liegt, demonstriert beispielhaft die Reichstagsgeschichte seit den ausgehenden 1580er Jahren. Zwar blieb die Religion auch in dieser Zeit noch die Nebenhandlung, zu der sie, legt man die Regeln reichstäglichen Miteinanders zugrunde, seit 1560 geworden war. Doch in dem Maß, in dem die unzähligen Konflikte immer grundsätzlicher, da immer präziser juristisch begründet wurden und die Welt immer mehr im Modus konfessioneller Konkurrenz druckpublizistisch verhandelt wurde, kurzum: man die Kontroverse zwar von der Tagesordnung verbannen, sie aber nicht mehr übersehen konnte, waren Ständeversammlungen außerstande, sie zu bearbeiten. Das monarchische Vorrecht, Tagesordnungspunkte vorzugeben (Proposition) und nur solche Agenden zum Gegenstand der Beratung zu machen, die graduelle, aber keine prinzipiellen Interessendivergenzen berührten, und diese Prärogative, auf dem Reichstag: seit 1566, bereits im Vorfeld der Versammlung zu nutzen (Ausschreiben), war, im Wortsinn, die raison d’être (nicht nur) des Reichstags. Denn nur sie erlaubte, das Spiel des einvernehmlichen Miteinanders der Glieder und des Gabentausches zwischen Haupt und Gliedern aufzuführen. Wenn daher, wie erstmals auf dem Reichstag des Jahres 1576, die Option erprobt wird, die kontroversen Inhalte zur Voraussetzung des Gabentausches zu machen, kündigt sich der Anfang vom Ende dieses politischen Spiels an72.

Diese Beobachtungen erscheinen mir historisch von Interesse, auch und gerade deswegen, weil sie präzise erhellen, worin der Zugewinn moderner parlamentarischer Verfahren zu suchen ist und welche Folgen damit verbunden sein könnten – noch, 2021, scheint der Konjunktiv adäquat –, wenn Parlamente immer weniger als Orte erscheinen, die, weil sie repräsentativ sind, fundamentalen gesellschaftlichen Dissens im zeitraubenden Beraten in inhaltliche Kompromisse auflösen.

1 Vgl. Reckwitz, Gesellschaft; weitere Materialien: Volltext, konsultiert am 06.07.2021.

2 Vgl. z. B. die Werbung der Gesandten Zar Iwans IV. vor Kaiser Maximilian II. sowie weitere Stücke, z. B. das Kredenzschreiben Zar Iwans IV. an den Kaiser, das Dekret des Kaisers zur Übergabe der Werbung, und die Antwort des Kaisers zur Werbung.

3 Einleitung.

4 Vgl. Oestreich/Auerbach, Ständische Verfassung, S. 12.

5 Am prägnantesten zusammengefasst ist die spätmittelalterliche Entwicklung jüngst bei: Hébert, Voix (mit wichtiger weiterführender, auch deutscher und englischer Literatur). Eine Übersetzung gibt es nicht.

6 Gute Einstiege in die englische Geschichte finden sich auf british-history.ac.uk und historyofparliamentonline.org.

7 Ein Beispiel findet sich in der Deutschen Biographie.

8 Ein Beispiel findet sich in der Deutschen Biographie.

9 Ein Beispiel: Identificativo (Catherine de Medicis).

10 Ein Beispiel einer weniger bekannten Fürstin findet sich in der Deutsche Biographie; bzw. unter http://diglib.hab.de/wdb.php?dir=edoc/ed000082.

11 Siehe Personenregister.

12 Nun der detaillierten Recherche zugänglich: Repertorium academicum germanicum. Die graduierten Gelehrten des Alten Reiches 1250–1550.

13 Kurze, anschauliche Informationen, aus Anlass des 600-jährigen Jubiläums des Konstanzer Konzils als wichtigsten Reformkonzils finden sich hier.

14 Keine einfache Lektüre, aber bis heute als Gesamtdarstellung unübertroffen: Hofmann, Repräsentation.

15 Mehr dazu in diesem Abschnitt.

16 Vgl. Hébert, Parlementer, S. 379.

17 In seiner nationalen Deutungsperspektive widerlegt, ob der Fülle des verarbeiteten Quellenmaterials aber bis heute unübertroffen, um einen Eindruck von der phänomenologischen Vielfalt kollektiver Beratung im Reich zu bekommen, ist: Gierke, Genossenschaftsrecht; im Original im Volltext hier zugänglich.

18 Vgl. Podlech, Repräsentation, S. 511.

19 Weniger auf die rechtliche Dimension, denn auf literarische Imaginationen dieses Körpers reflektieren: Koschorke/Lüdemann et al., Staat.

20 Ein Beispiel findet sich hier.

21 Knapp: Würgler, "Tagsatzung". Online: Volltext, konsultiert am 04.07.2021.

22 Christin, Vox Populi, hat die jüngste zusammenfassende Darstellung geschrieben; der Vortrag Wählen, küren, losen. Zur politischen Kultur des vormodernen Europa von Barbara Stollberg-Rilinger findet sich hier.

23 Beispiele auf https://tarlton.law.utexas.edu/early_modern_manuscripts.

24 Nun virtuell auf virtualststephens.org.uk zu betreten.

25 Als Gerdrut, da sie von 5 Jaren [um 1530] ungeverlich beym Rocken saß und span (...)/ und mein Bruder, M. Johan, sagte, das die Kay. May. einen Reichstag ausgeschrieben hette, darhin der Kaiser, König, Chur- und Fürsten, Graven und große Herren bey einander kämen, gefragt: was sie dar machten? Antwurt: Sie verordneten und schlussen, wie es in der Welt gemacht und zugeen solte, fing dis Magdlein beym Rocken gar hoch und tieff zu seufzen an, und sagt aus grosser Vhemuth: Ach du lieber Gott, das sie doch auch ernstlich verordenen möchten, das solche kleine Mägdlein nicht spinnen dörfften., Mohnike (Hg.), Sastrowen Bartholomäi, S. 25 f. Diese Edition ist digital verfügbar.

26 Zum frühneuhochdeutschen Begriff geschwind das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch.

27 Zum Bestreben, Maximilian I. aus Anlass seines 500. Todestages zu popularisieren und ihn im kollektiven Gedächtnis der 2. Österreichischen Republik zu verankern: Max 500 2019.

28 Volltext im Historischen Lexikon Bayerns.

29 Bis heute grundlegend: Schubert, Mainzer Kurfürst (Volltext); Schubert, König.

30 Hier mehr zum biblischen Traum Nebukadnezars und zur Vision Davids.

31 Vgl. Schubert, König, S. 275.

32 Vgl. z. B. das Reichstagsausschreiben an die Kurfürsten und jenes an die Fürsten und andere Stände.

33 Die deutsche, 1667 publizierte Übersetzung des lateinischen Originals ist im Volltext hier zugänglich.

34 Die, die US-Verfassung argumentativ untermauernden, Federalist papers von 1788 sind digital auf gutenberg.org verfügbar.

35 Personengeschichtliche Erschließung des Kaiserhofes des 16. und 17. Jahrhunderts in der Personendatenbank "Kaiser und Höfe".

36 Vgl. das Datenmodell.

37 Hier der Eintrag zu seiner Person in der Deutschen Biographie.

38 Seyboth, Reichstage der 1480er, S. 542, S. 100 (Volltext).

39 Das Digitalisat findet sich hier.

40 Im VD 16 sind die Reichsabschiede des 16. Jahrhunderts auch im Original digital zugänglich. Wird im Folgenden auf einzelne zeitgenössische Drucke Bezug genommen, sind sie mit VD-16-Nummer im Text nachgewiesen.

41 Vgl. Kießling/Ullmann (Hgg.), Reich.

42 Mehr Informationen finden sich auf https://www.michael-giesecke.de/cms/.

43 Mehr zum Begriff Abschied im Deutschen Rechtswörterbuch.

44 Vgl. Duntze, Verleger, v. a. S. 238 f.

45 Hier der Eintrag zu ihrer Person in der Deutschen Biographie.

46 Hier der Eintrag zu ihrer Person in der Deutschen Biographie.

47 Vgl. Itinera Carolus V Imperator.

48 Mehr zur politischen Korrespondenz Karls V. auf https://polkaweb.kim.uni-konstanz.de/einl.htm.

49 Hier der Eintrag zu seiner Person in der Deutschen Biographie.

50 Mehr zu Felipe II auf http://www.cervantesvirtual.com/bib/historia/monarquia/felipe2.shtml.

51 Ein faksimiliertes Original des Wormser Edikts von 1521 findet sich hier.

52 Sein Porträt findet sich in der Deutschen Digitalen Bibliothek.

53 Vgl. Borth, Luthersache, S. 137.

54 Vgl. den Duden.

55 Hier der Eintrag zu seiner Person in der Deutschen Biographie.

56 Vgl. Böttcher, Protestation, S. 39-55.

57 Vgl. Machoczek, RTA JR XVIII 1547/48, S. 331.

58 Die entsprechende Tabelle findet sich hier.

59 Mehr zur Reichsritterschaft im Historischen Lexikon Bayerns.

60 Vgl. die Einleitung zu Religionsprotokollen und Religionsverhandlungen.

61 Hier der Eintrag zu seiner Person in der Deutschen Biographie.

62 Mehr zum Begriff Landeshoheit im Deutschen Rechtswörterbuch.

63 Mehr zu seiner Person hier.

64 Die Paragraphenzählung stammt aus dem 18., nicht dem 16. Jahrhundert. Sie erlaubt es, einzelne inhaltliche Regelungen präzise auffindbar zu machen und findet daher in der Edition Verwendung. Eine der wichtigsten Sammlungen von Reichsgesetzen, die vierbändige, 1747 in Frankfurt erschienene von Senckenberg/Schmauss, ist inzwischen in gut recherchierbarer Form digital verfügbar (Volltext).

65 Hier der Eintrag zu seiner Person in der Deutschen Biographie.

66 Hier der Eintrag zu seiner Person in der Deutschen Biographie.

67 Vgl. Haug-Moritz, "Geschwinde Welt", S. 139-148 (Volltext).

68 Mehr zum Begriff Reichsdeputation im Deutschen Rechtswörterbuch.

69 Rauch (Hg.), Traktat (Volltext).

70 Vgl. Kieserling, Interaktion, S. 172.

71 Vgl. das Datenmodell.

72 Vgl. z. B. die Religionsprotokolle, die kursächsischen Berichte und die Religionsverhandlungen.