Der Regensburger Reichstag von 1576

Betaversion

Supplikationen

Die Bearbeitung von Supplikationen gehört generell zu den wichtigen Tätigkeitsfeldern von Ständeversammlungen. Was den Reichstag betrifft, standen den Supplikantinnen und Supplikanten mehrere Adressaten und damit verbunden verschiedene administrative Wege zur Behandlung der Anliegen zur Verfügung.

Die größte Aufmerksamkeit haben bisher die Supplikationen gefunden, die in Regensburg in der Kanzlei des Mainzer Kurfürsten als Erzkanzler des Reichs übergeben wurden. Sie waren meist an die Reichsstände oder Kaiser und Reichsstände adressiert, doch der Kaiser ließ auch die ausschließlich an ihn gerichteten Supplikationen an die Mainzer Kanzlei weiterleiten, sofern er ein Gutachten der Reichsstände dazu wünschte. Die Mainzer Kanzlei legte die dort eingereichten Supplikationen mit ihren Beilagen und weiteren, zugehörigen Aktenstücken in einem Liber supplicationum ab, der für den Reichstag von 1576 drei Aktenbände1 mit insgesamt rund 4.000 Seiten umfasst. Dort sind 74 Supplikationsverfahren dokumentiert. Viele dieser Supplikationen kamen zur Diktatur und gelangten auf diese Weise in die Reichstagsüberlieferungen zahlreicher Reichsstände.

Zur Beratung dieser Supplikationen setzte der Reichstag einen interkurialen (mit Vertretern aller drei Reichstagskurien) besetzten Ausschuss ein2, der zwischen dem 20. August und dem 11. Oktober 1576 24 Mal zusammenkam und dabei 40 Supplikationen – viele davon mehrfach – behandelte. Die Arbeit im Supplikationsausschuss ist in einem Protokoll sowie teilweise in einem Einlaufbuch dokumentiert.

Wie die jüngere Forschung zeigt3, leitete der Kaiser aber keineswegs alle oder auch nur die Mehrheit der an ihn adressierten Supplikationen an die Reichsstände weiter, sondern nur diejenigen, die Themen des Reichstags berührten (z. B. Reichssteuern, Landfrieden, Forderungen der Angehörigen von Reichsinstitutionen). Die meisten an das Reichsoberhaupt gerichteten Supplikationen wurden im Reichshofrat behandelt, der den Kaiser in die Reichstagsstadt begleitete. Dabei ging es häufig um individuelle Anliegen der Petentinnen und Petenten (z. B. Probleme beim Beschreiten des Rechtswegs, Bitten um kaiserliche Intervention nach Verurteilung, bei Überschuldung oder offenen Forderungen). Nicht nur Reichsstände, sondern auch und besonders dem Reich mittelbar unterworfene Supplikantinnen und Supplikanten nützten den Reichstag, um ihre Bitten vorzulegen. Auch diese Vorgänge gehören zum Supplikationsgeschehen während der Reichstage.

Nach Ausweis seines Resolutionsprotokolls hielt der Reichshofrat zwischen dem 26. Juni und dem 11. Oktober 1576 51 Sitzungen ab, in denen fast 800 Eingaben behandelt wurden; wie viele davon Supplikationen waren, lässt sich ohne inhaltliche Analyse nicht entscheiden. An den Sitzungen nahmen (inkl. der Präsidenten) insgesamt 22 kaiserliche Räte teil, von denen zehn ausschließlich für die Zeit des Reichstags in den Reichshofrat berufen worden waren4.

Supplikationen konnten auch an einzelne Reichsstände oder Kurien gerichtet werden.

Das Supplikationsgeschehen während des Reichstags 1576 wird in der vorliegenden Edition in verschiedenen Formen dokumentiert. Die Verhandlungen im Supplikationsausschuss können durch die Edition des zugehörigen Protokolls nachvollzogen werden. Der Liber supplicationum ist im Rahmen der Archivdokumentation auf Stückebene erfasst; zusammengehörige Stücke sind dort zu einem Verfahrensakt gebündelt, für die eine kurze Inhaltsbeschreibung zur Verfügung steht. Links führen zur Überlieferung der entsprechenden Dokumente in anderen Archiven (und umgekehrt). Darüber hinaus steht der Liber supplicationum vollständig im Bild zur Verfügung. Dasselbe gilt für das reichshofrätliche Resolutionsprotokoll. In den einzelnen Dateien der Archivdokumentation finden sich weitere Supplikationen. Alle Supplikationen sind in der Archivdokumentation über das Feld „Textsorte“ als solche gekennzeichnet und damit recherchierbar.

Verfasst von: Eva Ortlieb