Briefe 1859
Die untenstehende Briefliste ist mit Klick auf die jeweiligen Kategorien sortierbar. Absender und Empfänger werden nach Familiennamen sortiert.
Die mit * markierten Briefnummern entstammen der ersten Version dieser Edition, in welcher Briefe bis zum Jahre 1880 erschlossen wurden. Briefe ohne alte Numerierung und mit einer Datierung vor 1880 wurden nachträglich eingefügt.
L.50 | Carl Ludwig | Alexander Rollett | [1859-1863] [?] [?] | [Wien] |
L.51 *R.41 | Giuseppe Albini | Alexander Rollett | 1859 III 6 | Krakau |
L.52 *R.42 | Alexander Rollett | Emil Rollett | 1859 IV 20 | Baden |
L.53 *R.43 | Emil Rollett | Alexander Rollett | 1859 VIII 4 | Wien |
L.54 *R.44 | Alexander Rollett | Emil Rollett | 1859 VIII 5 | Baden |
Verehrter Freund!
Könnten Sie mir eine alte Korrektur Ihrer Hornhaut leihen? Mit einem freundlichen guten Morgen
C. Ludwig
Zur Datierung: Ludwig bezieht sich hier nicht auf die späteren größeren Hornhaut-Arbeiten Rolletts, sondern auf dessen frühe am Instituts Brückes noch gearbeitete Publikation „Über das Gefüge der Substantia propria corneae“ in den Sitzungsberichten Wien 1859; Ludwig, der zur Zeit des Briefes noch an der Militärärztlichen Akademie am Josephinum im Wien tätig war, hat 1865 einen Ruf nach Leipzig angenommen.
Lieber Freund!
Tausend und tausend Dank für die gefällige Sendung Ihrer schönen Arbeiten.
Ich hätte Ihnen schon lange geschrieben, wenn die deutsche Feder mir nicht so schwer wäre. Lesen, Verstehen, Sprechen geht bei mir ziemlich leicht, aber beim Schreiben komme ich nie weiter, ich werde deshalb dann unruhig und schmeiße Papier und Feder beiseite.
Doch ich darf mich mit Ihnen nicht genieren, denn Sie wissen ganz gewiss aus Erfahrung, welche Schwierigkeiten im Schreiben einer fremden Sprache einem begegnen. Außerdem Sie kennen mich und werden kein Auge haben für meine Schrift-Fehler.
Ich habe mich wirklich herzlich gefreut über Ihre Ernennung zum Assistenten. Brücke konnte keine bessere Wahl machen!
Zu spät komm ich wohl mit meinen Gratulationen, aber wann habe ich Gelegenheit gehabt, Ihnen dieselben machen zu können? – Die Feder ist ja mir sehr schwer gewesen und ich wollte mit Ihnen nur sprechen. In der Tat, als ich in Wien war, habe ich Sie einmal besuchen wollen, aber Sie waren nicht zu Hause. – Also, besser spät als nie.
Hier geht es so ziemlich langsam vorwärts; in meiner Anstalt, welche im ersten Stocke und in einer ziemlich engen Gasse sich befindet, suche ich oft umsonst das schöne Tageslicht.
Ebenfalls habe ich manchesmal nicht wenige Schwierigkeiten, chemische Reagenzien und selbst Leichenmaterial für meine Arbeiten und Demonstrationen zu bekommen. Doch Not bricht Eisen und die Perseveranza habe ich ein bisschen von Prof. Brücke gelernt.
Nun das Blatt ist voll, deshalb grüße ich Sie herzlich, indem ich bin Ihr aufrichtiger
Albini
Wollen Sie den Bruckner bitten, mir einige/mehrere gefleckte Salamander zu verschaffen.
Lieber Bruder!
Ich danke Dir für Dein Schreiben. Die Antwort wurde Dir nur darum so lange vorenthalten, weil ich Dir auch bezüglich der von uns schon besprochenen Weigleinschen Angelegenheit etwas mitteilen zu können glaubte.
Dem ist aber nicht so. Wegen Verlautungen entnehme ich nur, dass es zu keinem Balle kommen wird, wohl aber zu einer kleineren Abendgesellschaft, davon wissen nur die Stadlers zu erzählen. Wir kommen dabei vielleicht gar nicht in Betracht und wenn auch, es müsste dies auf die Osterfeiertage selbst fallen, da Ernst Weiglein gleich nach Ostern in die Technik eintreten soll.
Ich friste ein kümmerliches Dasein und ertrage mit Geduld der Menschen Unverstand und nur weil ich diese Tugend übe, kann ich begreifen, dass ich es hier aushalte. Landpartien sind mir durch die Witterungsverhältnisse verleidet. Es scheint zwar die Sonne, aber kalte Winde entführen ihrer Strahlung jenen Anteil, der die Wintertoiletten, diese Hemmnisse gemütlicher Fußtouren, in das Dunkel der Garderoben zurückscheuchen könnte.
Wenn Du morgen Vormittag diesen Brief bekommst, so gib’ unverzüglich die Lanzetten auf die Post, dass sie übermorgen hier einlangen; Vater braucht sie notwendig. Frage den Bruckner. Er weiß Dir zu sagen, wo man ganz in der Nähe unserer Wohnung derlei gering beschwerte Briefe aufgeben kann. Begleite die Sendung mit einem Schreiben und lasse dasselbe Neuigkeiten enthalten für Deinen Dich liebenden Bruder
Alexander
Herrn Emil Rollett, Dr. der Medizin, Magister der Geburtshilfe etc. Wohlgeboren in Wien. Alservorstadt, ehemal[ige] Gewehrfabrik 201 und 202 Hofgebäude, 1. Stock.
My good brother!
What I will write to you, it is very little, but much agreeable. The state of disease of Mistress Brücke is better since yesterday. You can it believe certainly, it come out of the own mouth of Prof. Brücke.
I speak to you in the English language; I believe, it is much interessant for you to excuse, when I maked many errors, but I speak the English not so fluently as you believe. Having nothing more to write, I beg you to deliver my respect to the father and the mother and another family.
Fare thee well your thine good brother
Emil
Lieber Bruder!
Eine Reihe von Begebenheiten hinderte mich bis jetzt, mein gegebenes Wort einzulösen. Welche, wirst Du bald erfahren, da sie eben den Stoff meines Schreibens bilden. Montag kam ich nach einer unsäglich langen Fahrt in Baden an.
Dienstag um 4:30 Uhr früh starb Tante Karoline unter unsäglichen Qualen einen schweren Tod. An diesem Tag vertrieb ich mir die Zeit, wie es in Baden eben geht, und nahm mir vor, um ein längeres Intervall in unsere Korrespondenz zu bringen, Dir am 3. August zu schreiben. Aber noch am 2. abends ereilte mich der Auftrag des Vaters, am nächsten Tag nach W[iene]r Neustadt zu fahren und im Namen aller dem Onkel August unsere Glückwünsche darzubringen.
In der Nähe der Akademie hat sich in Neustadt allerdings so manches verschönert. Namentlich hat der im Burggarten selbst gelegene Neubau, in welchem sich Spital, Reit- und Schwimmschule, sowie einige Offiziers-Wohnungen befinden, ein bestechendes Äußeres.
Aber die übrige Stadt! Welche Unsauberkeit! Mit Ausnahme der 4 bekannten Hauptgassen, findet man überall Schutt, menschliche und tierische Exkremente, Stallmist, verfaulende Vegetabilien und evagierende Stagnationen in ungeregelten Rinngräben. Dass ich Dir über die wohlbekannte ‚alle Zeit Getreue’ all dies schreibe, wirst Du überflüssig finden, aber ich versichere Dich, trotz aller mitgebrachter Resignation, war ich beim Anblick jener Gassen so furchtbar enttäuscht, dass ich glauben muss, man hat in letzterer Zeit erst in W[iene]r Neustadt sich wallachischen Gepflogenheiten so bedeutend angenähert. Hier wäre ein weites Feld für sanitätspolizeiliches Wirken. Doch die Neustädter lassen sich gehen und scheuen das ‚πόνος πόνω πόνον φέρει’ doch genug! Es ist absurd, sophokleische Worte zu zitieren, wenn man von Leuten spricht, die nahe daran sind, in ihrem eigenen Dreck zu ersticken. Der gestrige Tag war von der Leichenfeier mit all dem vorbereitenden und anhänglichen Zugehör in Anspruch genommen.
Du weißt es ja ohnehin zu würdigen, wie weit unser Gefühl bei derlei traurigen Anlässen sich mitbeteiligt. Die Anerkennung, dass mit ihr ein verständiges Glied des gesellschaftlichen Badens bestattet würde, hörte man vielfach über das Grab der Tante sprechen. Nur in dem Gesicht einer einzigen Dame will man hie und da ein schlecht verhehltes Zucken der risorii bemerkt haben. Ist doch ihr blondgelocktes Töchterlein von jetzt an einer gefürchteten Nebenbuhlerin ledig.
Heute schreibe ich diesen Brief und erhalte soeben den Deinigen. Das Englischschreiben an mich ist antizipiert. Ich erhielt auf mein an die Engländerin gerichtetes Schreiben bis jetzt noch keine Antwort. Leider ist die ganze Sache noch immer in Schwebe.
Lebe wohl, Dein Bruder
Alexander