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Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung, 1916
Kasimir S. Malewitsch
Quelle
Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch: "Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung", in: Christiane Bauermeister/Nele Hertling u.a. (Hrsg.): Sieg über die Sonne: Aspekte russischer Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ausstellung der Akademie der Künste, Berlin, und der Berliner Festwochen vom 1. September bis 9. Oktober 1983. Aus dem Russ. von Jelena Hahl. Berlin: Fröhlich & Kaufmann 1983. (= Schriftenreihe der Akademie der Künste. Bd. 15.), S. 134-141. ISBN: 3-88725-042-7.
Erstausgabe
Ot kubisma i futurisma k suprematizmu. Novyj schivopisnyj realizm [Vom Kubismus und Futurismus zum Suprematismus. Der neue malerische Realismus]. Moskau (1916), S. 3-6, 8-25, 27-31.
Genre
Manifest
Medium
Malerei
[134] Der Raum ist ein Behälter ohne Maß, in ihm schafft der Geist sein Werk. Auch ich möchte meine schöpferische Form vorstellen.
Die gesamte bisherige und heutige Malerei vor dem Suprematismus, die Skulptur, das Wort und die Musik, waren Sklaven der Naturformen; sie warten auf ihre Befreiung, um ihre eigene Sprache sprechen zu können und nicht mehr abhängig zu sein vom Verstand, vom Sinn, von der Logik, Philosophie, Psychologie und von verschiedenen Gesetzen der Ursächlichkeit sowie der technischen Veränderung des Lebens.
[135] Das war die Zeit des babylonischen Turmbaues in der Kunst.
Die Kunst der Malerei, der Skulptur und des Wortes war bisher ein Kamel, beladen mit allerlei Plunder der Odalisken, der ägyptischen und persischen Könige, der Salomone und Salomeen, der Prinzen und Prinzessinnen mit ihren Schoßhündchen, mit Jagden und der Unzucht der Venus.
Bis heute gab es keine rein malerischen Versuche, ohne all die Attribute des wirklichen Lebens.
Die Malerei war die Krawatte auf dem gestärkten Hemd des feinen Herrn und das rosa Korsett, das den aufgeblähten Bauch der fett gewordenen Dame einschnürt. Die Malerei war die ästhetische Seite einer Sache, doch sie war nie selbständig und hatte ihr Ziel nicht in sich selbst. Die Maler waren Untersuchungsrichter, die mit polizeilicher Vollmacht verschiedene Protokolle erstellten über beschädigte Ware, Diebstähle, Mord und obdachlose Landstrei[136]cher. Ebenso waren die Künstler Advokaten, lustige Anekdotenerzähler, Psychologen, Botaniker, Zoologen, Archäologen und Ingenieure – aber schöpferische Künstler gab es nicht.
Unsere Wanderaussteller bemalten Töpfe auf den Zäunen der Ukraine und strebten nach der Verbildlichung einer Lumpenphilosophie.1
Später begann die Jugend, sich der Pornographie hinzugeben und verwandelte die Malerei in sinnlichen, geilen Plunder.
Es gab keinen Realismus der eigenständigen Malerei, es gab keine Schöpfung. Man kann doch keine Komposition mit unzüchtigen Weibern zu den Schöpfungen zählen. Ebensowenig kann man die Idealisierung der griechischen Kunst dazurechnen, denn dort herrschte nur der Wunsch, das subjektive Ich zu veredeln. Auch jene Bilder mit outrierten realen Formen kann man nicht dazuzählen: die Heiligenbilder Giottos, Gauguins u. a. – ebensowenig Kopien nach der Natur.
Schöpfung gibt es nur dort, wo eine Form im Bild erscheint, die sich an nichts Vorgegebenes in der Natur hält, sondern aus der malerischen Masse entsteht und die ursprünglichen Formen der Natur weder kopiert noch verändert.
Nachdem der Futurismus verboten hatte, üppige Frauendarstellungen und Porträts zu malen, beseitigte er noch die Perspektive. Doch auch er stellte dieses Verbot nicht im Namen der Befreiung der Malerei von den genannten Prinzipien auf: der Renaissance, Antike usw., sondern um die technische Seite des Daseins zu verändern.
Das neue eiserne, von Maschinen geprägte Leben, das Aufheulen der Automobile, das Leuchten der Scheinwerfer, das Summen der Propeller haben die Seele geweckt, die im Keller der aufgezählten Fehler halb erstickt schnarchte. Die Dynamik der Bewegung führte zur Frage nach der Dynamik der malerischen Plastik. Doch das Streben des Futurismus, die reine malerische Plastik als solche hervorzubringen, blieb erfolglos: Er konnte sich von der Gegenständlichkeit insgesamt nicht lösen und zerstörte die Objekte nur, um Dynamik zu erzeugen. Und das gelang schließlich, nachdem der Verstand zur Hälfte ausgetrieben war, wie ein altes Hühnerauge der Gewohnheit, die Gegenstände heil zu sehen und sie unermüdlich mit der Natur zu vergleichen.
Doch das Ziel des Futurismus, die reine malerische Plastik zu erreichen, ist noch in weiter Ferne, denn die Konstruktion der vorübereilenden Dinge im Bild will den Eindruck vom Zustand der bewegten Natur wiedergeben. Bei solcher Aufgabenstellung kann man es nicht vermeiden, mit realen Formen zu arbeiten, um diesen Eindruck hervorzurufen.
Wie dem auch sei, im Kubo-Futurismus ist die Ganzheit der Dinge zerstört, sie wurde zerschlagen und zerstückelt; das [137] war ein Schritt zur Vernichtung der Gegenständlichkeit. Die Kubo-Futuristen sammelten alle Gegenstände auf dem Marktplatz zusammen und zerschlugen sie in Stücke, doch sie verbrannten sie nicht. Sehr schade! Sie hatten die Malerei aus dem Galanteriewaren-, dem Manufaktur- und dem Parfümeriegeschäft herausgeführt, und unsere Eisenbetonzeit hat sie sich übergestülpt.
Die Futuristen waren fasziniert von der ungewöhnlichen Kraft dahinjagender Gegenstände, von ihrem raschen Wechsel, und sie begannen ein Mittel zu suchen, den heutigen Zustand des Lebens wiederzugeben.
Die Konstruktion des Bildes baute auf der Entdeckung bestimmter Punkte in der Fläche auf, wo die realen Gegenstände bei ihrer Explosion oder bei ihrem Zusammenstoß den Moment größtmöglicher Geschwindigkeit suggerieren würden. Diese Punkte können willkürlich, unabhängig von den physikalischen Gesetzen der Naturgegebenheiten und der Perspektive gefunden werden. Deshalb sehen wir auf futuristischen Bildern Rauch, Wolken, Himmel, Pferde, Automobile und verschiedene Gegenstände in Stellungen und an Orten, die nicht der Natur entsprechen. Und der Zustand der Dinge wurde wichtiger als ihr Wesen und ihr Sinn. Wir erblickten ein ungewohntes Bild, die neue Ordnung der Dinge ließ den Verstand erzittern, die Kritiker warfen sich wie Kettenhunde auf den Maler. Schande über sie! Eine ungeheure Willenskraft war nötig, um alle Regeln umzustoßen und die immer dicker gewordene Haut des Akademismus herunterzureißen und dem gesunden Menschenverstand ins Gesicht zu spucken. Alle Achtung! Obwohl sie den Verstand zugunsten der Intuition, des Unterbewußtseins verdammt haben, benutzen die Kubo-Futuristen in ihrer Malerei dennoch Formen, die der Verstand für seine Zwecke hervorgebracht hat. Die Intuition hätte nicht das ganze Unterbewußte in realer Weise durch bestimmte Formen ausdrücken können.
In der futuristischen Kunst erkennen wir alle Formen des wirklichen Lebens, und wenn sie an unpassende Stellen verschoben sind, so geschah das nicht unbewußt, sondern hat seine gesetzmäßige, bewußte Begründung darin, den Eindruck des bewegten Chaos im heutigen Leben hervorzurufen. Die Intuition konnte die neue Schönheit nur in schon geschaffenen Gegenständen finden (Kubismus). Der Verstand, der Zweck, das Bewußtsein stehen über der Intuition. Der Verstand schafft eine vollkommen neue Form aus dem Nichts oder vervollkommnet die ursprüngliche Form. Vom zweirädrigen Karren zur Dampflokomotive, zum Automobil und Flugzeug.
Indessen aber schreibt man dem intuitiven Gefühl eine Überlegenheit zu und die Fähigkeit, die Zeit vorherzusehen und ihr vorauszueilen. Das Gefühl, das (angeblich) aus irgendeiner unbewußten Leere immer wieder Neues hervorzieht ins reale Leben. In der Kunst gibt es dafür keinen [138] Nachweis. Die Intuition fand das Neue und die Ästhetik nur in bereits geschaffenen Dingen.
Dem verstandesmäßigen Schaffen geht ein Ziel voraus, und das Bewußtsein ist ein Mittel. Das intuitive Schaffen aber ist unbewußt und hat weder ein Ziel noch eine genaue Antwort.
Die futuristischen Bilder rechtfertigen das nicht, was durch die Konstruktion des Bildes, die Berechnung einer Ordnung und die Frage nach der Anordnung der Gegenstände zu beweisen ist. Wenn wir einen beliebigen Punkt im Bilde nehmen, finden wir in ihm einen sich entfernenden oder sich nähernden Gegenstand oder eine geschlossene Farbfläche. Doch wir finden das Wichtigste nicht, die malerische Form als solche. Das malerische Element ist hier nichts anderes als der Mantel eines vorgegebenen Objekts. Und die Quantität der Malerei war gegeben, insofern als die Größe einer Form zu ihrer eigenen Bestimmung nötig war, und nicht umgekehrt.2 Da das futuristische Bild die malerische Plastik als neues Element herausgestellt hat, ohne die Gegenständlichkeit zu zerstören, kann das Bild auf 1 : 20 reduziert werden, ohne seine Kraft der Bewegung zu verlieren.
Mir scheint, man muß die rein malerische Bewegung so wiedergeben, daß das Bild keine einzige seiner Farben verlieren kann. Die Bewegung, ein laufendes Pferd, eine Lokomotive kann man in einfarbiger Bleistiftzeichnung wiedergeben, jedoch nicht die Bewegung roter, grüner oder blauer Massen. Deshalb muß man sich unmittelbar den malerischen Massen als solchen zuwenden und in ihnen ihre spezifischen Formen suchen.
Der Futurismus aber wendet sich hauptsächlich den Gegenständen zu und operiert mit ihnen; davon muß man sich im Namen des rein malerischen Werkes neuer schöpferischer Formen lossagen. Der Dynamismus der Malerei ist nur eine Rebellion, um die malerischen Massen aus den Gegenständen zu befreien, d. h. zur Herrschaft rein selbstzweckhafter malerischer Formen über die verstandesmäßigen, also zum Suprematismus als dem neuen malerischen Realismus.
Ich fasse verallgemeinernd zusammen: Der Futurismus strebt über die akademischen Formen zum Dynamismus der Malerei; der Kubismus durch Zerstörung der Gegenstände zur reinen Malerei. Und beide streben im Grunde zum Suprematismus der Malerei, zum Triumph über die zweckhaften Formen des schöpferischen Verstandes.
Untersucht man die kubistische Kunst, so taucht die Frage auf, durch welche Energie der Dinge das intuitive Gefühl zur Inspiration und Aktivität angeregt wurde. Wir werden sehen, daß die malerische Energie zweitrangig war, die Malerei war nicht die ästhetische Seite der Konstruktion, die aus der Wechselbeziehung der farbigen Massen hervorgeht. Auch der Gegenstand selbst und sein Wesen, [139] seine Bestimmung und sein Sinn, oder der Wunsch nach möglichst erschöpfender Darstellung des Gegenstandes (wie sie viele Kubisten anstrebten), waren gleichfalls unnötige Sorgen.
Das intuitive Gefühl hat eine neue Schönheit in den Dingen gefunden, die Energie der Dissonanzen, entstanden aus dem Zusammentreffen zweier Formen.
Die Dinge enthalten eine Fülle von Zeitmomenten, ihre Erscheinung ist verschieden, also ist auch die Malerei verschieden. Alle diese zeitlichen Aspekte der Dinge und ihre Anatomie, wie z. B. Jahresringe eines Baumes u. a., wurden wichtiger als ihr Wesen, und sie wurden von der Intuition als Mittel zum Bildbau benutzt; und zwar sollte die Konstruktion dieser Mittel dazu führen, daß das unerwartete Zusammentreffen zweier anatomischer Gebilde eine Dissonanz größtmöglicher Spannungskraft ergeben würde; dadurch wird gerechtfertigt, daß Teile von wirklichen Gegenständen an Stellen erscheinen, die der Natur nicht entsprechen. Auf diese Weise ist uns zugunsten der Dissonanz der Dinge die Vorstellung vom ganzen und heilen Objekt verlorengegangen. Mit Erleichterung können wir sagen, daß wir keine doppelhöckrigen Kamele mehr sind, beladen mit dem oben genannten Plunder.
Ein Gegenstand, der nach kubistischen Prinzipien gemalt ist, kann als vollendet angesehen werden, sobald seine Dissonanz ausgeschöpft ist. Alle sich wiederholenden Teile kann der Künstler weglassen. Findet er aber zu wenig Spannung im Bilde, darf er sie einem anderen Gegenstand entleihen.
Dem Kubismus liegt noch eine sehr wertvolle Aufgabe zugrunde: nicht Gegenstände wiederzugeben, sondern ein Bild zu machen.
Doch im Kubismus hat sich die These noch nicht durchgesetzt, daß jede reale Form, die nicht aus malerischen Bedürfnissen geschaffen wurde, eine Gewalttat gegen diese Bedürfnisse ist.
Suchte der Künstler vergangener Jahrtausende den Gegenstand, seinen Sinn, sein Wesen, und wollte er seine Bestimmung rechtfertigen, so hat in unserer Epoche des Kubismus der Künstler den Gegenstand als solchen vernichtet, zusammen mit seinem Sinn, seinem Wesen und seiner Bestimmung.
Für die neue künstlerische Kultur haben sich die Dinge, die Gegenstände des realen Lebens verflüchtigt wie Rauch. Und meine Augen können ins Panoptikum aufgenommen werden als mittelalterliche Attribute zur Beobachtung der Gegenständlichkeit.
Kubismus und Futurismus haben das Bild aus Bruchstücken und Splittern der Gegenstände geschaffen – im Namen der Dissonanz und der Bewegung. Die Intuition wurde von der Energie der Gegenstände erdrückt und führte die Malerei nicht zur Eigenständigkeit.
[140] Die kubo-futuristischen Bilder wurden nach mehreren Prinzipien geschaffen:
1. dem Prinzip der künstlichen malerischen Skulptur (Modellierung der Form),
2. dem der realen Skulptur (Collage), des Reliefs und Kontrareliefs,
3. dem des Wortes.
Im Kubismus stellte sich die Malerei vorwiegend in der Fläche dar, davor war sie ein Illustrationsmittel! Was die malerische Fläche im Kubismus betrifft, war sie nicht Selbstzweck, sondern diente mit ihrer malerischen Form der Dissonanz. Und ihre Form selbst war so beschaffen, daß sie eine starke Dissonanz mit den gegen sie gerichteten Geraden, Kurven usw. bilden konnte.
Jede malerische Fläche, die in ein konvexes malerisches Relief verwandelt wird, ist eine künstliche Skulptur, und jedes Relief, das in eine ebene Fläche verwandelt wird, ist Malerei.
So hat also in der Malkunst die Intuition keine Formen geschaffen, die aus der Masse der malerischen Materie entstanden sind, aus einem Marmorblock wurden nicht die ihm innewohnenden Formen des Würfels, des Quadrats, der Kugel usw. abgeleitet.
Wir treffen auf die Begeisterung der Intuition für die Kombinationen im Bild. Doch ebenso begeisterte sich die Intuition für einen bemalten Topf auf dem Zaun, für eine gemalte Sonnenblume […] .
Die im Bild gezeigten Mißgestaltungen des menschlichen Körpers und anderer Formen entstehen dadurch, daß der schöpferische Drang mit diesen Formen nicht einverstanden ist und mit dem Künstler einen Kampf um seine Befreiung aus dem Gegenstand führt. Der schöpferische Drang wurde bisher in die realen Formen des Lebens eingezwängt. Und das Mißgestaltete ist die Rebellion der schöpferischen Kraft aus seiner Gefängnisnot. Diese schöpferische Kraft, diesen Drang will ich A. B. nennen, Abismus, als das bewahrende Eigenziel jeder Kunst; seine Formen werden die neue Offenbarung des malerischen Realismus der Massen sein, des Materials, des Steins, Eisens usw.
Z. B. ist einem Marmorblock die menschliche Gestalt nicht eigen. Als Michelangelo den David schuf, tat er dem Marmor Gewalt an, verunstaltete ein herrliches Stück Stein. Der Marmor verschwand – David entstand. Und er irrte sich gründlich, als er sagte, er habe David aus dem Marmor heraus geschaffen. Der entstellte Marmor wurde zuerst von Michelangelos Gedanken an David entehrt, dem Gedanken, den er dem Stein einritzte und dann befreite, wie einen Splitter aus dem Fleisch. Aus Marmor soll man solche Formen herleiten, die gleichsam aus seinem eigenen Körper stammen, und ein herausgehauener Würfel oder eine andere Form sind wertvoller als jeglicher David.
Dasselbe gilt für die Malerei, das Wort und die Musik.
[141] Als die künstlerische Kraft danach strebte, die Kunst auf den Weg des Verstandes zu schicken, war der Ertrag an künstlerischer Schöpfung gleich Null. Selbst in den stärksten Persönlichkeiten war die reale Form eine Mißgestalt. Das Mißgestaltete war bei den Stärksten zu einem Minimum reduziert, erreichte die Null jedoch nicht ganz. Ich aber verwandelte mich in die Nullform und kam jenseits heraus: 0-1.
Meines Erachtens hat der Kubo-Futurismus seine Aufgabe erfüllt, so gehe ich zum Suprematismus über, zum neuen malerischen Realismus, zum gegenstandslosen Schaffen. Weiteres über Suprematismus, die Malerei, Skulptur und Dynamik der musikalischen Massen werde ich zu gegebener Zeit sagen.
1 Die Bewegung der „Wanderaussteller“ („peredwischniki“) ging zurück auf den demonstrativen Austritt von 13 Examenskandidaten aus der Petersburger Kunstakademie im Jahre 1863. Dies war in Rußland der erste Protest gegen den lebensfernen Klassizismus rein westlicher Prägung, den erstarrten Akademiebetrieb und die Konzentration aller Ausstellungen auf Petersburg und Moskau. 1870, als sich den Petersburger Protestlern sympathisierende Moskauer angeschlossen hatten, wurde der „Verein für Wanderausstellungen“ gegründet; ihre realistisch-naturalistischen Bilder mit vorwiegend sozialkritischen und ländlichen Themen zogen mit großem Erfolg durch die Provinz. Ihr bekanntester Vertreter war Ilja Repin (1844-1930). Diese bewußt nationale und volkstümliche Kunst spielte bald die führende Rolle; der Verein überdauerte auch die Gegenbewegungen der Symbolisten/Impressionisten und der Futuristen, er bestand bis 1922.
2 Dieser unklare Satz heißt in der 3. Aufl.: „Und jede Form des Gegenstandes war insofern malerisch, als die Form für eine Existenz notwendig war, und nicht umgekehrt.“
Kasimir S. Malewitsch: Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung, 1916