Prudens futuri temporis exitumCaliginosa nocte premit Deus.
GOtt legt der künfftgen Zeit nur Nacht und Schatten bey,Da sich doch alles bloß für seinen Augen zeiget,Ein Kluger sieht von fern, was noch zukünfftig sey,Als wie ein Schattenspiel, er sieht, er denckt und schweiget.
WAs geht auf dem Land-Tage für? Haben sie nicht die Propositiones vernommen? Was dencken sie wohl, wie der Schluß von diesem und jenem fallen möchte? Das sind ietzo die Discours, welcher sonst mehrentheils das erste und meiste war, so auch der halbstummen Leute Mund in Gesellschafft eröffnen konte, muß sich vorjetzo gedulden, biß er nach beschlossenem Land-Tage wiederum daran kommen wird. Die meisten Menschen sind begierig etwas neues zu wissen, und ihre Begierde fällt gemeiniglich auf das Zukünfftige. Jn der Quid novi? Was giebts guts neues? Was Wunder, daß man auch hier begierig ist, zukünfftige Dinge zu wissen, was Wunder endlich, daß man auch hier für Ungedult fast ausser sich gesetzt wird, vorher den Ausgang einer Sache zu vernehmen, welche das gantze Land angehet. Jeder denckt dabey auf seinen Nutzen: Der Theologus betet, damit seiner Orthodoxie nicht zum Nachtheil etwas vorfallen möge; Dem Advocaten ist angst und bange, es möchte eine neue Process-Ordnung, ein neues Corpus Juris, zum Vorschein kommen, da er denn hernach seine Praxin von neuem studiren, und doch, wegen abgekürtzter Processe, weniger Geld nehmen müsse: Der Soldat freuet sich im Geist auf ein Stück Arbeit, Wittwen und Waysen machen sich Hoffnung, hinfüro in einer wohleingerichteten Vormundschaffts-Ordnung eine grosse Erleichterung ihres erbarmens-würdigen Zustands zufinden, Ja die Leipziger Junge-Mädgens fürchten sich für einer neuen Gesinde-Ordnung, aus Beysorge, es möchten, ihren Frauen das Privilegium wieder in die Hände gespielet werden, den Junge-Mädgens oder Köchinnen handgreiflich ihre Nachläßigkeit zu verweisen, wann sie etwa wegen einern Visite von ihre Galants, die Katze den Haasen-Braten wegschleppen lassen. Alle miteinander urtheilen dabey über die Angelegenheiten des Landes, als wann sie Lebenslang geheimbde Cabinets-Staats-Steuer- und Kriegs-Räthe gewesen wären, und also Erfahrung, Uberlegung und Klugheit genung besässen von Rechtswegen ihr Decisiv-Urtheil dem gemeinen Wesen zu eröffnen. Wann ich nur die Helffte solcher vornehmen Eigenschafften an mir wüste, als diese Leutgen ihnen würcklich zu haben einbilden, so Theologischen Sachen in meinen Speculationibus zu verwirren. Jnzwischen nehme ich daher Gelegenheit eine besondere Eigenschafft des Menschen in Erwegung zu ziehen, welche man die Curiosität nennet. Jch glaube, es sey dieselbe ein Trieb, welchen GOtt dem Menschen anerschaffen, nach der Wahrheit zu trachten, seine Unwissenheit zu verbessern, damit er hiedurch Gelegenheit bekommen möge, sich und andern zu nutzen. So lange ein Mensch bey der Curiosität, die ihn treibet, diese meine gegebene Beschreibung völlig und richtig appliciren kan, so lange halte ich selbige für vernünfftig und lobens-würdig, findet aber diese meine Beschreibung nicht statt, so wird ein solcher mit seiner Curiosität, entweder auf Eitelkeiten oder Boßheiten verfallen, und sodann durch jene zu einem Narren, durch diese zu einem gottlosen und boßhafftigen Menschen werden. Jch halte die Curiosität für einen Trieb, der den Menschen von GOtt anerschaffen, und also durch die Geburt fortgepflantzet wird, weil man ihn bey allen Menschen antrifft, und wohl schon in der Kindheit zuweilen artige und lächerliche Spu-Curiosität, dabey ich in den Gedancken stehe, daß die Lebhafftigkeit und Vortrefflichkeit des Verstandes sich am ersten und meisten durch Curiosität verrathe. Ein Mensch kan sich glücklich schätzen, wann ihn GOtt mit einer starcken Curiosität und dabey im Willen mit vieler vernünfftigen Menschen-Liebe oder Tendresse hat lassen gebohren werden. Jene treibt ihn sich von der Unwissenheit loßzureissen, und diese leidet es nicht, daß er die erlangte Wissenschafft und Erfahrung seinem Nächsten Unrecht zu thun anwenden möge, da sonst Curiosität ohne Tendresse und ein fähiger Verstand ohne Liebe des Nächsten, ein rechtes unglückseliges und der gantzen Menschlichen Gesellschafft so schädliches Ding ist, als die Fackel des Herostrati dem Tempel der Dianä zu Curiosität fehlt, den wird man mit dem grösten Recht für einen Hans ohne Sorge halten können, und man darff bey einem solchen auch keinen sonderlichen Verstand suchen, hat er dabey dennoch im Willen viel Liebe des Nächsten, so wird er sich von ei-passiret, welche man ohne Scheu übertölpeln dürffe. Fehlt die Tendresse und Curiosität zugleich, so wird man ein Muster einer dummen und tölpischen Boßheit haben, ein verstocktes Gemüthe, das nach seinem dummen Begriff, und albernen Einsicht die Begierden einrichtet, und selbigen blindlings folget. Nun werden meine Leser schon allerhand Arten Leute in ihren Gedancken haben, und meine Lehrsätze von der Curiosität appliciren wollen auf ihren Nachbar, Mann, Frau, Collegen, Stuben-Purschen, Gespielin, Kinder und Gesinde, allein ich bitte, sie übereilen sich nicht, und suchen erst in ihren eigenen Gemüthern, wie es daselbst beschaffen. Solches kan am besten geschehen, wenn sie sich bekümmern, auf was für Dinge ihre Curiosität fällt. Es treibt uns nehmlich selbige nach ihrer eigenen Beschaffenheit zu Wahrheiten, oder zur Erkäntniß der Wahrheit, welche uns bißher unbekannt gewesen. Diese ist entweder nützlich oder schädlich, oder keines von beyden. Eine nützliche Wahrheit ist diejenige überhaupt, welche die Mühe, so man an ihre Erkänntniß wendet, durch den erhaltenen Endzweck und Nutzen Curiosität muß aufgesucht werden, denn nach Erkänntniß desselben richtet sich die völlige Beurtheilung der Curiosität eines jeden Menschen. Ein vernünfftiger Mensch muß bey denen guten Wahrheiten den Endzweck haben, selbige anzuwenden, bey denen schädlichen, selbige zu vermeiden, und ihnen Einhalt zu thun, bey denen Wahrheiten aber, die weder Curiositäten, damit man sehen möge, wie man seine eigene Curiosität beurtheilen müsse, denn des raîsonnirens werden Renomme, denen Predigern zum Trotze, die Kirche zu einem Caffé-Hause zu machen suchet? Wann ich nur ergründen könte, was für ein Absehen die Leute zu der Curiosität getrieben hätte, einen magern Bären in einem Platz von 4. Ellen mit unabgerichteten Hunden herum zerren zu sehen? Wann ich nur wissen solte, warum ein Juriste sich um des pileum multiplicem, oder Hut mit vielem Krempen, mit einem Wort, um die Historie aller Gelehrten bekümmerte? Warum sich ein Studiosus Theo-giæ auf die Alcide, Guastalia, oder armable vainqueur legte? Warum sich der Mathematicus bey den Kegelschnitten kranck studirete? Warum der Prediger sich ängstigte, zu erweisen, wovon doch die Königin aus dem Reich Curiosität Einhalt thun lassen? Warum mancher den gantzen Tag auf der Gassen spatzieren gehet? Warum die Hunde mancher Herren so curieux sind, daß sie mit in die Kirche, und in die Collegia kommen? Warum das Frauenzimmer so gern Romainen lieset, und an ihren künfftigen Liebsten gedencket? Warum hingegen der Studente sich bey Ost-Jndianischen und Mexicanischen Reise-Beschreibungen aufhält, und, wenn er reiset, mit grossen Eyfer nach des Papsts Pantoffel sieht, oder sich läst die Nativität stellen? etc. Wenn ich nur dieser Leute ihren Endzweck wüste, errathen könte ich ihn wohl, aber das gilt nicht, ich müste ihn wissen, so wolte ich viel Exempel einer albern und läppischen Curio-sität anführen. Wenn ich mich bekümmere, dem Schneider, Kramer und Kauffmann, hinter ihre Neben-Griffgen zu kommen, der Spitzbuben ihre Saudiebischen Streiche zu erfahren, so thäte ichs deswegen, daß ich mich dafür hüten, und andere warnen könte, so wäre meine Curiosität sehr gut. Wann ich aber keine Frau hätte, und doch versuchen wolte, wie es im Ehstande hergienge, oder ich wolte der Leute Petschaffte nachmachen, damit ich ihnen Briefe aufbrechen könte, das wären boshafftige und gottlose Curiositäten. Weil nun niemand mit seinen Umständen zufrieden, so bekümmert man sich auch trefflich um das zukünfftige; und nachdem man seine Absichten dabey hat, und seine Bemühung einrichtet, nachdem wird auch diese Curiosität gut oder böse, oder albern. Doch meine Speculation ist schon zu lang gerathen, also will ich die Curiosität des zukünfftigen wegen, mir auf eine andere Zeit vorbehalten. Da ich denn zugleich ein Kunststück dem unverheyratheten Leipziger Frauenzimmer mittheilen werde, wie sie erfahren können, ob sie bald und glücklich heyrathen werden? Jngleichen ein anders denen Manns-Personen, zuvorherzusehen, ob sie dermahleins unter der Zahl derer gekränckten Actæons, auf Befehl ihrer Frauen, Platz nehmen müssen? Jnzwischen mache sich