Drittes Buch Eliza Haywood Moralische Wochenschriften Klaus-Dieter Ertler Herausgeber Irene Maria Kuwal Mitarbeiter Julia List Mitarbeiter Alexandra Fuchs Mitarbeiter Sarah Lang Gerlinde Schneider Martina Scholger Johannes Stigler Gunter Vasold Datenmodellierung Applikationsentwicklung Institut für Romanistik, Universität Graz Zentrum für Informationsmodellierung, Universität Graz Graz 11.07.2019 o:mws.4104 Anonym: Die Zuschauerin. Übersetzt aus dem Englischen. Hannover: Wilhelm Schmidt 1747 Die Zuschauerin 3 1752 Deutsch Ebene 1 Ebene 2 Ebene 3 Ebene 4 Ebene 5 Ebene 6 Allgemeine Erzählung Selbstportrait Fremdportrait Dialog Allegorisches Erzählen Traumerzählung Fabelerzählung Satirisches Erzählen Exemplarisches Erzählen Utopische Erzählung Metatextualität Zitat/Motto Leserbrief Graz, Austria German Autopoetische Reflexion Riflessione Autopoetica Autopoetical Reflection Reflexión Autopoética Réflexion autopoétique Reflexão Autopoética Deutschland Germania Germany Alemania Allemagne Alemanha England Inghilterra England Inglaterra Angleterre Onglaterra Erziehung und Bildung Educazione e Formazione Education and Formation Educación y Formación Éducation et formation Educação e Instrução Familie Famiglia Family Familia Famille Família Frauenbild Immagine di Donne Image of Women Imagen de Mujeres Image de la femme Imagem feminina Leidenschaft Passione Passion Pasión Passion Paixão Liebe Amore Love Amor Amour Amor Männerbild Immagine di Uomini Image of Men Imagen de Hombres Image de l'homme Imagem masculina Menschenbild Immagine dell'Umanità Idea of Man Imagen de los Hombres Image de l’humanité Imagem humana Mode Moda Fashion Moda Mode Moda Moral Morale Morale Moral Morale Moral Vernunft Ragione Reason Razón Raison Razão Austria Deutschschützen Deutschschützen 16.45,47.16667

Drittes Buch

Man handelt meinem Urtheile nach höchst ungerecht, wenn man die Unart und den Fehler derjenigen, die sich zu ungeschickten Gliedern der menschlichen Gesellschaft machen, der Natur zuzuschreiben pflegt.In Engelland geschieht dies sonderlich in einem gewissen Ausdrucke, dessen man sich sehr oft zu bedienen pfleget. He is very ill naturd heißt es gemeiniglich in vielen Umständen und gegenwärtige Stelle beziehet sich auf diese Redensart. Die Natur wird hier beschuldiget, die sich an einer un- vollkommenen Uebereinstimmung in allen Theilen vergnüget, die reich an Liebe und Dankbarkeit und Wolthun ist, die sich selbst und nicht minder andre glücklich zu sehen wünschet. Wird nicht ein jeder mit Eigenschaft gebohren, die ihn zu einem geselligen Leben fähig machen? Wir weichen davon ab; aber dies ist nicht die Wirkung der Natur; es ist der Einfluß solcher lasterhaften Gemüthsbewegungen deren Unart die Natur schändet, und in einer ganz veränderten Gestalt auf den Schauplatz bringet? Geiz, Ehrbegierde, Wuth, Neid, und Eifersucht, ein Unkraut, das in der Seele aufwächset, muß nach und nach die edelsten Neigungen ersticken, wo es nicht bei Zeiten mit der Wurzel ausgerottet wird. –Was vor eine schöne Gestalt zeigt uns die Natur in ihrer Kindheit, ehe diese unrichtigen Leidenschaften zur Stärke kommen. Und wie wenig würde diese Schönheit bei reifen Jahren verloren gehen, wenn Vernunft und Klugheit diese Tyrannen stets bezwingen konten.

„Kühner Unternehmen, werden einige sagen; Dinge zu trennen, die der Himmel selbst in uns so genau zu verbinden vor gut befunden hat, in Geschöpfen die aus so mannigfaltigen Theilen verschiedener Art zusammen gesetzt sind. Machen nicht die Leidenschaften ein wesentliches Stück des Menschen aus, und ist auch jemand, ohne seinen Theil davon zu haben, jemals gebohren worden? – Die Kindheit sehnet sich mit gleicher Ungedult nach Kleinigkeiten, worauf ihre Jahre zu fallen pflegen, als ein reiferes Alter, nach Dingen, die wir in selbigem als wesentlichere Güter betrachtet haben. – Kurz, was sind Männer? (Kinder, die heran gewachsen) wie sie einer der trefflichsten Englischen Dichter genennet hat.“

Alles dieses leugne ich nicht. Doch die Leidenschaften in der Jugend sind schwach: sie stürmen uns noch nicht durch Uebereilung in Dinge, die wir Laster nennen: oder, wenn sie es thun, so ist die übermäßige Nachsicht derer darinn Schuld, die ein Auge auf uns haben. Wenn ihre Stärke anwächset, so wächset in gleichem Masse die Vernunft, der Führer heran, der uns zugegeben ist. So bleibt es ausser allem Zweifel die Pflicht beides der Eltern und Lehrer, alle gefährliche Neigungen in uns auf stärkste in Zaum zu halten. Sie müssen die Natur in ihrer Kindheit unbefleckt erhalten, bis nachher uns selber dies Geschäft anvertraut wird; um so viel mehr, da die unvermeidliche Folgen einer Sorglosigkeit in diesem Stücke, uns der Welt nicht minder schädlich als uns selber zu Last zu machen pflegen.

Ich behaupte hiemit keineswegs, dass bei Personen, die gar zu sehr vor sich leben, die sel-ten munter, stets ernsthaft und verdrießlich wo nicht gar murrisch und eigensinnig sind, diese Eigenschaften durch die Tyrannen gewisser lasterhaften Neigungen hervor gebracht werden! Wenn eine lange Reihe wiederwärtiger Begebenheiten, unglückliche Zufälle, eine Verachtung bei der Welt, die leider! Mehr als zu gewiß gefallene oder unterdrückte Personen zu begleiten pfleget; aber auch langweilige Krankheiten mögen die aufgemuntersten, die freundlichsten Menschen sauer und verdrießlich machen. Aber diese finsteren Blicke werden bei ihm nimmer Grausamkeit, niederträchtige Handlungen, Begierde nach fremden Gütern, Treulosigkeit, oder irgend einige andre boshaftige Thaten hervor bringen können. Er ermüdet die Gesellschaften, und ist ein todtes Mitglied derselben; aber er ist keinem gefährlich, und wird niemanden, als ihm selber schaden.

Wo hergegen z. E. Geiz die Oberhand behält, da ist alles zu erwarten, was nur irgends dem menschlichen Geschlechte nachtheilig heissen kann. – Fast alles rechne ich hieher, was der Gesellschaft schädlich und verderblich ist, weil dieses Laster da gewiß viele andre böse Eigenschaften erzeuget, wo es eine solche Brut noch nicht angetroffen hat. Es verachtet alle Absichten unsrer Schöpfung und unsers Daseyns. Ein niederträchtiges Mißtrauen, Haß, Mißgunst und Bosheit, wird uns so wenig einen Augenblick ge-statten ruhig zu seyn, als andern dergleichen gönnen wollen, wenn wir auch nur bloß mögliche Fälle gedenken, die uns und unserm Eigennutze zuwider laufen, der uns so sehr ans Herz gewachsen ist. – Eintracht, das allgemeine Gut, wird gänzlich dadurch zu Boden geworfen. – Alle Tugenden, die das gemein Beste zum Endzweck haben, alle Pflichten der Dankbarkeit und Zärtlichkeit bei Freunden und in Familien werden Absichten aufgeopfert, die der Eigennutz einschrenket, die bloß auf sich selber gehen, und zu deren Erhaltung weder heimliche List und Betrug, noch offenbare Gewaltsamkeit gesparet werden darf. – Sind manche Kriege unglücklich ausgefallen – Sind die besten Vorschläge und Erfindungen gehindert worden, -- sind manche bürgerliche Gesellschaften getrennet und zu Grunde gerichtet, -- und viele blühende Familien an den Bettelstab gerathen, so hat man solche Zufälle nicht selten dem Geize und Eigennutze einer einzigen Person zu danken, die sich durch den Fall des Ganzen erheben wollen. – Diese Wahrheit ist mehr als zu viel bekannt: wie oft sehen wir nicht, daß unsre eigne Blutsfreunde, ja, die eben die Milch wie wir gesogen haben, unsre grausamsten Todfeinde werden – Abscheuliche Bilder! Wir entziehen euch unsre Augen, und blicken nach angenehmeren Gestalten, die liebenswürdiger und euch entgegen gesetzt sind. Dergleichen entdecken wir vor andern in der edlen Familie die Euphrosynen auferzogen hat: Dies neulige Exempel verdient unsre Bewunderung und mag andern zur Nachahmung vor Augen gestellet werden.

Lysander wartete dieser jungen Schönen auf, ein Edelmann von erstaunlichem Reichthum, der aber mehr als doppelt ihre Jahre hatte. Es fehlte ihm alles in seiner Person und in seinen Umgange, das ihrem zärtlichen und feinen Geschmack hätte vergnügen können. Bevor er ihr das geringste von seiner Neigung entdeckte, wandte er sich zu Aristus ihrem Vater, und begleitete seine Erklärung mit so vortheilhaftem Anerbieten, das nur wenige Eltern ausschlagen würden – Doch Aristus wies ihn zu seine Tochter: ich werde, sagte er, Euphrosynen befehlen, ihre Besuche anzunehmen, mir vor meinen Theil soll nichts angenehmer als eine solche Verbindung seyn, so bald sie ihre Einwilligung dazu gegeben hat.

Hiemit musste Lysander zufrieden seyn: er fand eine mündliche Erklärung gegen sie müßte ihm den Weg dazu bahnen, er bemühete sich, ihr nicht nur seine Liebe zu erkennen zu geben, sondern auch bei ihr eine gleiche Neigung hervor zu bringen. Hiezu erwählte er diejenigen Mittel, die er am geschicktesten fand. Er unterhielt sie mit allen verliebten Ausdrücken, deren er sich aus Schauspielen erinnern konnte. – Er brachte ihr alle Favoritarien aus der Opera Seitdem die Opern in Engelland an Musik und am Geschmack gefallen, werden nur einige der vornehmsten Arien dem Druck übergeben, da man ehedem sdie vollständige Musik bekannt zu machen gewohnt war. -- er führte sie zu Vauxhall und Rüstholt Rückholt ist ein angenehmes Landhaus unweit Londen, wo bisher einige Sommer des Morgens öffentliche Musiken aufgeführet worden. , und vergaß nicht ihr zu sagen, daß sie in allen diesen Versammlungen mehr als eine Venus sey.

Euphrosyn war stets eine gehorsame Tochter gewesen: sie wußte, ihr Vater unterstützte sein Ansuchen, und durfte es daher so wenig ausschlagen als lächerlich machen. Kurz, sie hörte allen zärtlichen Reden zu, sie folge ihm in öffentlichen Lustbarkeiten, wohin er sie führe, sie nahm Geschenke von ihm, und sahe ihn schon als ihren künftigen Gemal an, vor den man sie wahrscheinlich bestimmet hatte. – Die wenige Hochachtung, die sie gegen ihn haben konnte, behielt sie als das größte Geheimniß vor sich, und redete beständig selbst zu ihren vertrautesten Freundeninnen und liebsten Geschwistern mit aller ersinnlichen Ehrerbietung von ihm. Dennoch nahm dieser Zwang in ihrem Bezeigen, den sie sich unterwerfen mußte, nicht wenig von ihrer Munterkeit und Lebhaftigkeit weg, die man vorher so feurig in ihren Augen spielen sahe. In Gesellschaften hielt sie mehr an sich als jemals, und man fand oft die Thränen auf ihren Wangen, wenn man sie unerwartet in ihrer Einsamkeit überfallen hatte.

Die ganze Familie liebte sie so zärtlich, daß ein jeder augenscheinlich eine so grosse Veränderung gar leicht bemerken mußte, obschon keiner im geringsten davon gegen sie erwehnen wollte. Lysander hatte ihr nunmehr beinahe vier Wochen aufgewartet: Euphrosynens höfliches und unverbindliches Bezeigen machte ihn dreist, und seine Ungeduld bewog ihn, den Tag bestimmt zu sehen, der ihn in den völligen Besitz ihrer Person glücklich machen sollte. – Euphrosynens Antwort war, wie sie gänzlich ihrem Vater unterworfen wäre, so würde es ihr eben so unanständig seyn, seine Befehle zuvor zu kommen, als die Erfüllung derselben auszusetzen. – Und dieser schüzte vor, daß er Euphrosynens Herze noch nicht genugsam untersuchet habe. Ist dies geschehen, setzte er hinzu, werde ich die Zeit entweder zu beschleunigen oder zu verlängern suchen, nachdem ich sie geneigt dazu finde. Und niemals vergaß er zu erinnern, wie unumgänglich nothwendig es sey, auf beiden Seiten auch nicht den geringsten Schein von Gewalt und Zwange zu erlauben, um die Glückseligkeit beider Personen desto vollkommener zu machen.

Allein Lysander war hiemit nicht zufrieden: die Liebe pflegt sich selber zu schmeicheln, und so sahe er alle Höflichkeit, wozu Euphrosynen der Gehorsam gegen ihren Vater verband, als eben so viele Proben an, wie sehr er ihr gefallen müsse. Er zweifelte nicht, sie erwarte den Schluß in dieser Sache mit gleicher Sehnsucht, als er selber, und schien daher gegen den, der über seine Geliebte allein zu befehlen hatte, dieses Aufschubs halben etwas empfindlich zu seyn. Er trieb die Sache so weit, daß ihm endlich Arist versprechen mußte, gleich folgendes Tages seiner Tochter Gesinnung auszuforschen, und ihm seinen Entschluß sofort zu wissen zu thun.

Euphrosyne mußte wirklich auf seinen Befehl in sein Zimmer kommen, und sich bei ihm niedersetzen. Er meldete ihr die Ungeduld ihres Liebhabers, seine Wünsche erfüllet zu sehen, und daß er ihm eine gewisse Antwort versprochen habe – Er malte ihr Lysanders Neigung mit bessern und schönern Farben ab, als er selbst jemals gethan hatte. Er fügte endlich hinzu, Lysander verlange keine Gelder zu erheirathen; und habe vielmehr gleich Anfangs und bei dem ersten An-trage auf das feierlichste betheuret, wie er nichts als seine Einwilligung verlange.

„Dies sind, sagte er, die Umstände, Euphrosyne, und so uneigennützig ist keine Liebe gegen euch – Ihr wißt, ich habe mehr Kinder, und solchen wird das Theil von meinen Mitteln, das ich einem andern, als Lysandern, auf sein Verlangen geben müßte, ungemein zu statten kommen. – Wenige Väter würden eure Neigung hierin zu Rathe ziehen, doch ich bin anders gesinnet, liebste Euphrosyne! – Ich bin überzeugt, wahre Glückseligkeit besteht nicht in Reichthum allein, und ich würde so ungerecht als grausam handeln, wenn ich die unglücklich machen wollte, die von mir das Leben haben – Sagt mir eure Gedanken von Lysandern frei, und fürchtet nicht, als ob ihr mich dadurch beleidigen werdet. Gesteht mir, ob ihr ihn auch, eurer Schuldigkeit gemäß, werdet lieben können, wenn er sich mit euch verbinden sollte?

Die tugendhafte Euphrosyne machte eine solche Frage ganz niedergeschlagen: sie erwiederte mit schwacher Stimme, die Erziehung die er ihr gegeben, würde sie stets erinnern, daß ihre Schuldigkeit zu gehorsamen sey. Dies, sagte Arist, kann auf eine doppelte Art geschehen: Man gehorsamet entweder wenn man muß, oder weil man selber ein Vergnügen dabei findet. Es sollte mir Leid seyn, setzte er hinzu, eure Ruhe und Zufriedenheit einer Pflicht von der ersten Art aufzuopfern. Ich habe euch nicht so aufgeweckt als vorher gefunden, seitdem Lysander euch auf meine Erlaubniß besucht hat. Dies macht mich muthmassen, seine Vorschläge müssen nicht gar zu angenehm seyn; doch, wie ich mich hierin betriegen könnte, so erwarte ich von euch, daß ihr mir bei dieser Gelegenheit euer ganzes Herze eröffnen, und von der Warheit oder Falschheit meiner Muthmassung überführen wollet.

Aristens Güte und Gelindigkeit machte Euphrosynen dreist: sie wagte es und erklärte sich, daß sie lieber unverehligt zu bleiben wünschte, wenn niemand in der Welt mehr Reizungen und Annehmlichkeit als Lysander vor sie haben sollte. „Doch, fuhr sie fort, diese Ehe ist mit nicht geringen Vortheilen vor sie verknüpft, und hat vielleicht ihren Beifall. Ich beschloß daher gleich Anfangs, mich ihrem Willen nicht in geringstem zu widersetzen. Ich bemühete mich gewisser massen, durch einen völligen Gehorsam diese Gewogenheit bei ihnen zu verdienen, die sie mir jetzo erwiesen haben.“ Nein, nein, liebste Euphrosyne, erwiederte dieser vortrefliche Vater: ihr verdienet die Freiheit in eurer Wahl desto mehr, je bereitwilliger ihr sey, sie aufzuopfern. Lysanders Besuche sollen euch nicht ferner beschwerlich fallen, da ich euch niemals befohlen, ihn mit solchen Augen anzusehen, als seine Eitelkeit ihm Hoffnung machte. – Und noch heute will ich eure Unruhe in diesem Stücke gehoben sehen.

Euphrosyne war eben im Begrif, ihm den Dank abzustatten, den er verdiente, da er so zärtlich vor ihre Zufriedenheit gesorget hatte; allein so eben traten ihre zwei Brüder und drei Schwestern ins Zimmer, und dieses hinderte sie. – Sie hörten von Lysanders Vorschlage, seinen Brautschatz aufzugeben; sie wußten, Arist habe sie zu sich in sein Zimmer gefordert, und glaubten, sein Befehl würde sie zu einer Wahl zwingen, die, wie sie leicht erriethen, ihrer Neigung ganz zuwider war. Dies brachte sie auf die Gedanken, wie ihre Vorbitte unumgänglich nothwendig seyn würde, zu ihm zu gehen. Hie thaten sie ihren Fußfall, sie baten auf das demüthigste, seine Betrachtung ihrer Vortheile sich bewegen zu lassen, eine so geliebte Schwester, durch diese Ehe unglücklich zu machen. Sie wüßten mehr als zu wohl, ob sie schon selber niemals dergleichen sich verlauten lassen, daß ihr selbige nimmer angenehm seyn könne. Hier umarmte ihn der eine, der andre küßte ihn, und alle sahen ihn mit weinenden Augen an, und schienen die Antwort zu fürchten, die er auf ihr Ansuchen geben würde.

Der zärtliche Vater bemerkte ein so seltsames Beispiel der Liebe unter Geschwistern, mit der grössesten Aufmerksamkeit: Entzückung und Erstaunen bemeisterten sich seiner um die Wette. Doch so angenehm ihm auch ein solcher Anblick war, so unterhielt ser selbigen doch nicht weiter, da sie sich dabei in so grosser Unruhe und Zweifel befanden. – Stehet auf, liebste Kinder, beste Kinder, rief er aus, und umarmte zugleich einen nach den andern; ihr hattet, was ihr wollet, bevor ihr mich noch gebeten habet. Euphrosyne so wenig, als ein anders von ihren Geschwistern soll jemals mein väterliches Ansehen zwingen, einer Person die Hand zu geben, wo nicht das Herz zuvor den Weg geahnet hat.

Nichts gleicht der Freude, die diese Antwort bei ihnen hervor brachte, als das Vergnügen das Aristen ihre gegenseitige Zärtlichkeit gab. – Euphrosyne wußte ihre Dankbarkeit gegen ihn so wenig, als die Liebe gegen ihre Geschwister genugsam auszudrücken. Kurz, diese freundschaftliche Familie zeigte nichts als Umarmungen und Küsse, und Proben der höchsten unverstellten Zärt-lichkeit in Seelen, die völlig ruhig und mit einander zufrieden waren.

Was heissen die grössesten Glücksgüter, und alles was damit verbunden ist, gegen die reinen und ungestörten Entrückungen, die uneigennützige Liebe und Freundschaft zwischen Blutsverwandten hervor bringen kann! Dieses Vergnügen können keine Worte schildern, -- kein Herz begreifen, das es nicht selber fühlet – Ein Vergnügen, das die Natur einflösset, die Vernunft bestätiget, das himmlisch und löblich bei Gott und Menschen ist!

Doch ausser dieser Zufriedenheit, die wir in uns selber empfinden, und ausser der Hochachtung; die ein jeder vor uns haben muß, wenn wir mit unsern Verwandten in Eintracht leben, erfordert die Klugheit ein gleiches, sollte selbige auch in Erhaltung der eigennützigeren Absichten bestehen. Mich wundert, wie man sich selber die Augen verbinden und nicht einsehen kann, daß wir auf die Art auf böse Zeiten, und wo die Noth heran tritt, unverlierbare Schätze uns vorsparen können. Wenige Famlien sind in so hohem Grade unglücklich, daß kein einziges Glied derselben in guten Umständen sich befinden sollte. Wird hier nicht des einen Glück dem andern zum Vortheile seyn, wo bei allen ein gemeinschaftlicher Nutzen regieret. Unbekannte und unzähli-che Gefahren sind unter der schönsten und sanftesten Ebnen des Oceans in unserm Leben verborgen. Wer kann sich versprechen, wenn er auf dieses Wasser gehet, seine Reise sicher vor den Stürmen zu vollenden, die ihm von oben, und in der Tiefe und allenthalben zu drohen scheinen? Und wer wird nicht mit Vergnügen die Gelegenheit ergreiffen, sich bei Zeiten einer freundschaftlichen Barke zu versichern, die ihn samt dem Reste seiner zertrümmerten Güter, wenn ja ein Schiffbruch erfolgen sollte, retten kann?

So bekannt es ist, was Sciurus that, so wenig wird selbiges zur Regel unsrer Handlungen angenommen. Dieser Mann, der eine zahlreiche Familie hatte, ließ auf seinem Todbette seine Kinder zu sich kommen; man mußte ihm ein Bund dünner Stecken geben; der älteste Sohn nahm es auf seinen Befehl in die Hand, und versuchte s zu brechen, allein dies war ihm nicht möglich. Der andre und dritte Bruder vermögte es eben so wenig, kurz, alle bemüheten sich vergebens ihre Stärke hiebei zu zeigen. Es ist unmöglich, sagte der eine, wenn wir sie nicht absondern sollen. Sie einzeln und einen nach den andern zu brechen, wird nicht die geringste Mühe erfördern. Eben so unmöglich wird es fallen, antwortete der Vater, euch zu schaden, so lange euch das Band der Liebe und Eintracht vereinigen wird. Ist dieses ein-mal getrennet, so verlieret sich zugleich eure Stärke, und ihr setzt euch in die Gefahr allen Kunstgriffen arglistiger Leute aufgeopfert zu werden.

Liebe und Freundschaft, sag tman, gestatten nicht, daß die Herzen gar zu sehr getheilet werden. Sollen beide aufrichtig und ungezwungen seyn, so können sie nur zwischen zwo Personen bestehen. Soll ein Dritter Theil an selbigen nehmen, so trennet sich die Beobachtung der gemeinschaftlichen Vortheile, die ganz und unzertheilet bleiben sollten: sie wird geschwächet, und die gar zu mannigfaltigen Absichten bringen Unordnung und Verwirrungen zuwege. Ueberhaupt mag dieser Satz genugsam gegründet seyn, allein er betrifft gar nicht Verbindungen, die in Familien bestehen müssen. Junge Zweige eines Baumes schützen sich gegen rauhes Wetter desto besser, wo eine Menge derselben dicht und nahe durch einander wachsen.

Es ist wunderlich, daß selbst die Ehre, die man darin sucht, daß man aus einer oder andern vornehmen Familie entsprossen ist, in solchen Fällen selten ihre Wirkung zeiget. Sollte diese uns nicht bewegen, Verwandten und Blutsfreunde, die in unglückliche Umstände gerathen, so zu unterstützen, als es ihrer Abkunft und dem Range der Familie anständig ist? Muß nicht alle Verachtung, der sie bei niederträchtigen Seelen ausgesetzet sind, in gleichem Grade auf uns selber fallen? Können wir diese Elenden nach Brodt gehen sehen, ohne zu bedenken, daß die Ehre und Hoheit des ganzen Stammes in diesen unglücklichen zweigen leiden muß?

Ausserordentliche Bethörung! Was ist der Ursprung dieser gänzlichen Hintansetzung der Pflichten, die wir dem Schöpfer, uns selbe rund unsern Freunden schuldig sind? Was ist die so schädliche Zauberkraft, die sich der Seele bemeistert, die allen Grundsätzen der Religion, allen Trieben der Zärtlichkeit und des Mitleides, aller natürlichen Neigung gegen unser eigen Fleisch und Blut, so stark sie immer seyn mögen, den Zugang verschließt? Nichts als Schwelgerei und falsche Ehre, da man sich um die Wette bemühet, es einander sich in vergangenen Zeiten zum höchsten würde geschämet zu haben.

Lucilie wird von einer nahen Verwandtin um einige Thaler angesprochen, die ihr ehedem an Stand und Gütern nicht ungleich war. Die Noth und das äußerste Elend treibt sie, zu Lucilien in diesen Umständen ihre Zuflucht zu nehmen. Lucilie, die ehedem vernünftige und tugendhafte Lucilie wegert ihr eine so geringe Gabe, besucht denselben Abend Gesellschaften und verlieret bei tausend Pistolen im Spiele, ohne sich die geringsten Gedanken darüber zu machen.

Wie wunderbare Veränderungen bringet der Unterscheid der Zeiten hervor! – Noch vor wenigen Jahren hieß ein Spieler die verächtlichste Person, die man nennen konnte. Anjetzo sucht man ihre Gesellschaft vor allen andern. Um seinen guten Namen nicht zu verlieren, um bei andern in Ansehen zu bleiben, vermied man diesen Zeitvertreib auf das sorgfältigste, aber that es wenigstens so geheim, als immer mgölich war. Anjetzo weiß der nicht zu leben, der kein Liebhaber vam Spiel ist. Damals waren die Karten bloß ein Zeitvertreib in verdreißlichen Winternächten: nunmehro sind hierin alle Jahreszeiten einander gleich, und in allen zwölf Monaten kein Unterschied zu finden. Einige tausend Morgen Landes werden in manchen grossen Chocolathäusern andern in den Hals gejaget, ehe man noch zur Mittagstafel gehet. Leute, die sich vor andern im Spielen hervor zu thun suchten, und alle Kunstgriffe gebrauchten, waren damals unter den verhaßten Namen eines Betrügers bekannt. Alle Wohlgesittete mieden ihre Gesellschaft, wogegen sie die Höflichkeit der jetzigen Zeiten als grosse Kenner betrachtet, und ein jeder ihre Scharfsinnigkeit und Einsicht in die künstliche Spiele zu bewundern pfleget. Zu wissen, wie man seinem Gegner bei Fällen von der höchsten Wichtigkeit, als im Whist sich zu eräugnen pflegen, hintergehen kann, ist der nützlichste Theil unsrer heutigen Gelehrsamkeit geworden.

(...) keit abzulegen die sonst mit weit grösserm Vergnügen zu ihrem Zeitvertreibe bei dem Nachttische einer Schönen, ihrem Aufputze zusehen, oder zu Hause auf dem Ruhebette ihres französischen Dieners Waldhörner zuhören würde.

Wer will behaupten, daß sich hie die Natur in ihrer wahren Gestalt zeigte? – Die Laster verstellen sie, und wenn man diese ja einer andern Natur nennen will, so ist die Allgemeinheit und die starke Mode derselben der einzige Grund dazu – Würde die Natur uns wol jemals lehren, Gold aus der Tiefen hervor zu suchen, was wir mit unsern Händen aufgegraben haben, anzubeten, unsern Stolz und Ehre nach der geringern oder grössern Menge dieses glänzenden Rothes, den wir besitzen, abzumessen, und kurz allen guten Namen, Ruhm, und Tugend in Schätzen dieser Lust zu suchen?

Freilich seit dem sich die Welt so ungemein verändert, und ihre wahre natürlich Gestalt fast gänzlich verloren hat, seit dem wir ohne dieses metall nicht mehr leben können, würde es gezwungen scheinen, wen wir es zu sehr verachten wolten. Doch an der andern Seite müssen wir eben so wenig der Lockungen des Geizes Gehör geben, noch selbiges durch schändliche und ärgerliche Mittel zu erwerben suchen. Sind wir einmal in den Besizt desselben gesetzet, so ist es nicht minder unerlaubt, es in Kleinigkeiten zu verschwenden, und gegen Dinge zu vertauschen, die unnöthig sind, und ohne welche wir vielleicht glücklich seyn würden. Erweget daß es euren Nachkommen eben so nothwendig als euch selber seyn wird, und sehed jede Ausschweifung als einen Diebstal an, dessen ihr euch bei ihnen schuldig machet. Wir pachten das gleichsam nur, als wir von unsern Vorfahren geerbet haben, und sollten es daher eben so unbeschädigt und in gleich guten Umständen zurückgeben, als es uns geliefert worden – Wir handeln gleich ungerecht wenn wir ohne Noth, und bloß um unsre unordentliche Begierde zu vergnügen, diejenigen Glücksgüter zerstreuen, die unser eigner Fleß erworben hat. Kinder, die Fleisch von unsern Fleisch sind, haben ihren Theil und ihr Recht an selbigen. Laß sie auch vor sich arbeiten, wie wir gethan haben, sagen viel, allein meinen Bedünken nach ist nichts unbereimter als dieses Sprichwort. Sind wir auch versichert, sie werden hiezu im Stande seyn? Tausend Zufälle können sich ereignen, und alle ihre Bemühung zu Grunde richten.Was vor ein Urtheil kann ein Sohn in solchen Umständen von seinem Vater fällen, der durch vorsetzliche Unmäßigkeit und Verschwendung diejenigen Hungers sterben läßt, denen er das Leben gegeben hat.

Ich verlange nicht, man soll sich den nöth-igen Unterhalt versagen, oder seinen Nachkommen zu Gefallen sich der Vergnügung dieses Lebens berauben: nein. Nur ist in allen diesen Dingen ein güldnes Mittel zu erwählen. Kurz, man folge der Natur, man geniesse sein leben, und spare etwas zum Genuß derer, die nach uns kommen werden.

Kein Zeitalter, keine Nation hat es den Engelländern in Unmäßigkeit und Verschwendung zuvor gethan. Der geringste und niedrigste könne in Malzeiten einen Heliogabul abgeben, und weniges Frauenzimmer würde sich bedenken, mit Kleopatren ganze Provinzen in einen einzigen Trunk zu schütten.

In Kleidung scheint man nicht mehr auf den Wolstand, sondern auf die Kostbarkeit zu sehen. – Aller Unterscheid zwischen dem Adel und Lehrlingen in der Stadt, besteht oftmals nur darin, daß der letzte noch besser einen jungen Herrn vorzustellen weiß, als der erste. Goldene Stockknöpfe, Uhren, Ringe, Schnupftobackdosen, besetze Westren nehmen die Gelder hinweg, womit sie sich in ihren Handel setzen könnten, und ist nicht selten eine Vorsichtigkeit bei ihnen, ihren herrn um das Seine zu betriegen. Diesen halten vielleich tauch Lustbarkeiten und Zeitvertreib ab, eine gehörige Untersuchung anzustellen; ist die Tasse ledig, so borgt er seiner Eigen-liebe und seinem Hochmuth zu gefallen, bis er sich endlich auf einmal in Verachtung und ins Verderben stürzet.

Auch unser eignes Geschlecht liebt einen prächtigen und lebhaften Putz in so hohen Grade, daß es kein Wunder ist, wenn Kaufmannsfrauen in diesem Puncte mehr Ausgaben zu Papier bringen, als ihre Männer in allen andern Stücken. Es ist wirklich zu verwundern, wie so viel, bloß um u zeigen, daß sie im Stande alle anzuschaffen sind, den vernünftigen Endzweck hiebei aus den Augen setzen, und statt artig und angenehm zu erscheinen, sich nicht scheuen in ihren Ausschweifungen eine ganz entgegen gesetzte Gestallt anzunehmen - Gold – und Silberstoffe, deren Lasten ein Frauenzimmer so schon mit mühe tragen kann, werden besetzt und noch schwerer gemacht: was vor ein Urtheil können wir von der Klugheit oder Einfalt derer fällen, die sich dergleichen nicht zu tagen schämen? Und pflegt nicht oft die nächst bei ihr wohnende Schöne in ungleich schlechterer Seide unendlich besser zu gefallen, als diese, die vielleicht, bloß um in einem kostbaren Putze zu erscheinen, ihres Ehemannes Gelder erschöpfet hat.

Mit der grössesten Betrübniß mercke ich, daß diese falsche Zärtlichkeit in Speisen und Getränken, in kostbaren Putze der Zimmer und in allen Lustbarkeiten so stark unter uns zu herrschen pfleget. Die halbe Nation ist dadurch unglücklich gemacht, und Fremden, die Zeugen davon sind, werden wir zum Gelächter. So zeugte Geiz die Schwelgerei, diese bringt Verachtung zuwege, der die Armuth auf dem Fusse folgen muß.

Vielen meiner Leser kann diese Materie, wie ich befürchte, gar nicht angenehm seyn. – Doch wenn ich nur so glücklich bin, bei wenigen Eindruck zu haben, und sie des Irrthums zu überführen, dessen sie schuldig gewesen sind, so wird mir die Blindheit der Blinden, die sich freiwillig die Augen verbunden haben, desto weniger ans Herze gehen. – Zeiten wie diese können nur durch scharfe beissende, nicht durch gelinde und balsamische Arzneien geheilet werden. Dies Gift hat sich schon zu stark bis in das innerste der allgemeinen Glückseligkeit ausgebreitet. Ein kühner Schnitt muß das angesteckte Glied vom Körper trennen, oder die übrigen Glieder stehen in unvermeidlicher Gefahr, durch dieses um sich greiffende Uebel verloren zu gehen.

Man erzählet besondere fremde Begebenheiten, die sich mit einem gewissen Adulphus sollen zugetragen haben, und deren Wahrheit viele stark haben behaupten wollen. – Adulphus lebte bei einem jährlichen Einkommen von drei hundert Pfund glücklich und vergnügt, bis er einstmals währender Mittagsruhe in seinem Garten durch einen Traum darin gestöret wurde. Ein ehrwürdiger Greiß erschien ihm: „Adulphus, redete er ihn an, deine Aufrichtigkeit, deine Gastfreiheit und übrige Tugenden haben vom Himmel ihre Belohnungen zu erwarten. Heute übers Jahr und in eben dieser Stunde wirst du von meinen Händen eine Summe von dreißi8g tausend Pfund empfangen.“

Dieser Traum hatte einen starken Eindruck bei ihm: so bald er erwachte, setzte er ihn in seine Tafel nieder, und glaubte die Erfüllung desselben mit solcher Ueberzeugung, als ob ein Engel vom Himmel ihm die Versicherung davon gegeben hätte. Nunmehr überlegte er, wie er künftig leben, und auf was Art er diese Schätze gebrauche wollte. – Tausend stolze Vorstellungen füllten denselben Augenblick sein Gehirn an – Er betrachtete sein Wohnhaus; in seinen Augen war es alt, verfallen und vor einen Mann von künftigen Mitteln viel zu klein. Um keine Zeit zu verlieren, mußten bald darauf die Arbeitsleute kommen und ein ganz neu Gebäude nach dem schönsten Risse aufführen, den er selber entworfen hatte.

Der Garte war bisher mit den nützlichsten Küchenkräutern und Pflanzen versehen: nun- mehr verwandelte sich selbiger in einen grossen halbrunden Vorplatz, und wurde mit einer Mauer umgeben, die oben mit vergüldeten Blumentöpfen ausgezieret war. Unter einem treflichen Balcon, ging man fünf Stuffen hoch u einer viereckigen Hallen, an allen Seiten ghundert und fünfzug Fuß lang, mit Cedernholze ausgeleget, und von zwölf Mamorseulen unterstützet, die nach Dorischer und Jonischer At sehr schön ausgeschnitten und mit den zierlichsten Knöpfen versehen waren. Die Decke war nicht minder prächtig: der Maler hatte hier den Orpheus vorgestellt, wo er von den wilden Bacchantinnen zerrissen wird. – An beiden Seiten kam man u einer reihe artiger Zimmer vor die Bedienten und zu andern Gerauche: etliche Schritte weiter sahe man zwei grosse Huapttreppen, eine an der rechten, die andere an der linken Seite, auf das bequemste angelet. Beide führten zu den zween Flügeln des Pallasts und u den Staats- und andern Zimmer. – Ueber den Balcon und der Halle war ein grosser Saal mit Fenstern an beiden Seiten, und dies machte, daß so wol der Vorplatz als der Garten hinter dem Hause auf das beste zugleich in sauge fiel. Dieser enthielt sieben grosse Abtheilungen in verschiednen Parterren, mit gehauenen Bildern und Springbrunnen ausgezieret. Am Ende verlohr sich selbiger in einer Wildniß: hier fand man einen Teich und verschiedene wolangelegte Grot-ten, wo man in der grössesten Sommerhitze die angenehmste Kühle in den Nachmittagsstunden geniessen konnte.

Adulphus nahm eine Menge Arbeiter zugleich an, folglich kam das Gebäude bald zu Stande, und er mußte nunmer darauf sinnen, es gehörig auszuzieren – Sein guter Geschmack zeite sich hier allenthalben -- -ein jeder mußte gestehen, nichts könne vollständiger seyn: nur wußte man nicht, wie er auf einmal zu den Schätze gekommen, daß er ein so prächtiges und kostbares Gebäude aufrichten könnte, da sein Einkommen den umherwohnenden bekannt war. Man rechte die Unkosten nach und fand bei allem, was von dem alten Gebäude etwa noch mögte seyn zu gebrauchen gewesen, die summe müsse sich zum wenigsten auf zehen tausend Pfund belaufen. – Einige glaubten, er habe Schätze gefunden, andre er habe ins Geheim eine reiche Heirath gethan; andre mogten ihn wol gar eines Umganges mit bösen Geistern beschuldigen. So mannigfaltig und verschieden alle Muthmassungen waren, so wenig trafen sie die wahren Umstände. Man wußte im Lande nicht, daß er sein väterliches Erbtheil gegen ausgeliehen Summen zu Pfande gesetzt, um Marmor und Ceder und andere Kostbarkeiten anzuschaffen. Allen Künstlern und Arbeitern war ihre Bezahlung auf den Tag gewiesen, den der Traum zu seinem Glücke bestimmet hatte, und kein einziger war auch hiemit unzufrieden, da Adulphus bei jedem als ein Mann der stets mäßig und vernünftig gelebet, in guten Ansehen stand. Seine vertrautesten Freunde wußten dem ungeachtet nichts um das Geheimnhiß, daß ihm in seiner Einbildung ein so wunderbares Glück beschieden wäre. Wiewol ein jeder glaubte, er müsse seiner Gelder wegen unbekümmert seyn, so groß war die Munterheit und Zufriedenheit, die jederman bei ihm bemerket hatte.

Endlich kam der Tag heran, nach dem er sich so sehr gesehnet. Aduphus ließ ein grosses Mahl anrichten: alle Verwandten und die vornehmsten Nachbaren wurden eingeladen, und in deren Gegenwart hatte er sich vorgenommen, alle Rechnungen abzuzahlen.

Wofern ich mich nicht irre, war es um fünf Uhr Nachmittags, da er seine Schätze empfangen sollte: die Glocke schlug, er bat von der Gesellschaft Erlaubniß, sich auf etliche Augenblicke zu entfernen; er ging in sein Cabinet und war völlig versichert mit Lasten von Gelde zurück zu kommen. – Hier saß er eine Zeitlang in angenehmer Erwartung der geträumeten Dinge. Die Stunde ging vorüber, sein Herz schlug etwas unrichtiger als vorher; es wurde sechs, es wurde sieben Uhr, und sein Schutzengel, sein Abgesandter desselben hatte ihm bisher erscheinen wollten.

Leute von seinem Feuer und von gleicher Lebhaftigkeit pflegeleicht so leicht der Verzweiffelung Gehör zu geben – Er entschuldgie seine fehlgeschlagene Hoffnung, und schmeichelte sich, daß die ganze Schuld dieses Ausschubes an ihm selber läge. Das Versprechen war im im Schlafe geschehen, im Schlafe dachte er auch nunmehro es erfüllet zu sehen. Vielleicht hätte nach seiner Meinung die Unruhe und das Getümmel im Hause diese dienstbaren Geister stören können, die die Einsamkeit und Stille lieben. Solche Einfälle hatten die Wirkung bei ihmn, daß er sich keinen Freunden eben so gesetzt und ruhig wieder zeigen konnte, als er von ihnen gegangen war. Er glaubte ische,r die künftige nacht das zu empfangen, wessen ihm bisher keine Unachtsamkeit bei Tage beraubet hatte. Seine Gläubeiger mußten die Entschuldigung annehmen, daß ihn ein gewisser Zufall hindere ehe als nächsten Morgen seine Schuld zu entrichten; falls sie sich denn einzustellen belieben woltlen, sollten sie ihrer Bezahlung gewiß seyn. Ein jeder ging ziemlich ruhig zu Hause und Adulphus rachte den übrigen Abend unter seinen Gästen eben so munter und aufgeweckt, als die vorigen Stunden zu.

Doch dieses war unter seinen ruhigen Näch-ten die letzte. Er legte sich schlafen, allein seine angenehme Bilder stellten sich ihm vor: er erwachte, er nahm das Licht, das er im Camine hatte brennen lassen, und sahe rund im Zimmer umher, voller Hoffnung, die Gelder bereit zu finden; aber alles war in eben den Umständen, als er es gelassen hatte. – Er löschte das Licht aus, wenn vielleicht die Finsterniß und der Schatten ihm gewogener seyn sollten. – Kurz, nachher bemerkte er ein kleines Geräusch, und nunmehr glaubte er seine Wünsche gewiß erfüllet zu sehen. – Mit was vor Entzücken sprang er aus dem Bette, wie genau sucht er jeden Winkel durch, aber ohne etwas zu finden. – Er legte sich nochmals nieder und ist umsonst bemühet sich ruhig zu machen. --- Der Morgen kam heran, er wiederholte sein Suchen nochmals mit ungeduldigen Augen und bangschlagendem herzen; allein eben so vergebens wie zuvor. Alles was er sahe, waren Gemälde, Spiegel und andere Kostbarkeiten, die unbezahlt waren, und nur dazu dienten, ihm seine Thorheiten zu Gemüthe zu führen – Nunmehr fing er an vor den Folgen zu erzittern, die seine gar zu grosse Leichtgläubigkeit bei Träumen und Erscheinungen haben mögte. Noch war er unwillig, Dinge zu glauben, die so fürchterlich waren, und eine neue Hoffnung fing an ihm zu erscheinen. Es war freilich diesen Tag ein Jahr, da ihm das Versprechen geschehen, und selbiger war vergangen, ohne daß er einige Wirkung davon verspühret hatte. Doch er ermunterte sich, es sey nicht derselbe Tag in der Woche; diesen wollte er erwarten, der ihn allem Ansehen nach in bessere Umstände setzen würde.

Er wagte es seinen Gläubigern zum zweitenmale die Bezahlung aufzuschieben, und sie auf bemeldeten Tage zu vertrösten. – Adulphus war nicht unbeliebt, und die Ueberzeugung und Dreistigkeit mit der er redete, machte, daß sie nochmals versprachen, sich zu gedulden. Sie kamen zum drittenmale, aber ihre Forderungen fanden kein Gehör: Adulphus wollte sie nicht sehen, er hatte sich in sein Zimmer verschlossen, und die Diener mußten seine Unpäßlichkeit vorwenden. Diese machte sie endlich unruhig, und einige die von Verpfändung seiner Güter etwas gehöret hatten, sannen auf andre Mittel, ehe alles verloren gehen würde, sich bezahlt zu machen.

Man verfolgte ihn nunmehr gerichtlich, man bestellte Leute, die bereit seyn mußten, sich seiner Person zu versichern: doch Adulphus hielt sich so verborgen, daß alle ihre Bemühungen lange vergebens waren – Seine Freunde hörten hievon, und konnten nicht begreifen, was die Ursach dieses thörigten Verfahrens wäre. Sie kamen oft, um so wol ihn dieserwegen zu befragen, als ihm Hülfe anzubieten, und ihn, womöglich aus diesen Umständen heraus zu bringen. Doch keinen wollte er jemals vor sich lassen: Betrübniß, Scham und Verzweiffelung, daß er sich selbst so hintergangen hatte, die Ungerechtigkeit, die andern dadurch geschehen war, der unvermeidliche Ruin, der ihm alle Augenblicke bevorstund, alles dieses erlaubte ihm nicht, selbst diejenigen zu sehen, die ihm noch am geneigtesten waren. –Ja bei aller dieser Angst und Unruhe wäre es kaum zu verwundern gewesen, wenn er gewaltsame Hand hätte an sich legen sollen.

Aller seiner Vorsichtigkeit ungeachtet, bemächtigte man sich endlich seiner Person, und brachte ihn in gefängliche Verwahrung. Seine Umstände wurden auf das genaueste untersuchet, und man fand, daß alle seine Güter verloren gegangen waren. Dennoch blieb es ein Geheimniß, was der Bewegungsgrund solcher Handlung bei einem Manne gewesen, der bis zu dieser unglücklichen Bethörung, sich in seinem ganzen Leben so klüglich und vernünftig aufgeführet hatte. Alle, denen er verwandt war, wurden hiedurch so gegen ihn aufgebracht, daß sie glaubten, er müsse gleich Anfangs des Vorhabens gewesen seyn, sie zu betriegen, und daß sie daher von keinem Vertrage und von keinem gütlichen Vergleiche etwas hören wollten. Adulphus war zu empfindlich keine Einfalt zu gesteheh, bis endlich jederman glaubte, er müsse seiner Sinnen nicht mächtig gewesen seyn. Dies brachte wirlcih eine Raserei bei ihm zuwege, und diese entdeckte, was bisher seine Schamhaftigkeit, so lange er noch einiger Ueberlegung fähig war, so sorgfältig verborgen hatte.

Sein güldener Traum und dessen betrübte Folgen gaben nunmehr der ganzen Stadt Gelegenheit zu Gesprächen, und seine bittersten Feinde waren am mitleidigsten gegen ihn. Seine Freunde berathschlagen sich unter einander zu seinem Besten; der Pallast und alles kostbare Geräthe in selbigem wurde verkaufet; ein gleiches Schicksal hatten seine übrigen Güter, nachdem man das darauf geliehene Geld bezahlet hatte: und man befriedigte die Gläubiger so weit das Geld zureichen wollte. Endlich wurde Adulphus wieder in Freiheit gesetzet, allein in was vor Umständen? Entblösset von Geld und Hülfe, und ausser Stande im geringsten seinen Unterhalt zu verschaffen.

Das beste, was man in diesem Elende bei ihm thun konnte, war ihn nach Bethlem zu bringen. Er kam in so weit genugsam wieder zu Verstande, das nach allen Umständen zu entdecken, was er vorher in seiner Unsinnigkeit nur abgebrochen, unvollkommen und Stückweise er-zählet.

Auf diese wilde Verwirrung folgte eine tiefe Traurigkeit: er verlange niemals den Platz und die Gesellschaft zu verlasen, worin er sich nunmehr befand, und er starb nach einer abzehrenden Krankheit von einigen Monaten, als ein betrübtes Exempel derer, die in ihrer Hoffnung sich mit Dingen schmeicheln, welche weiter nirgends als in ihrem Gehirn anzutreffen sind.

Ohne grosse Mühe wird man viele Engelländer finden, die ihm nicht wenig gleichen. Sollten alle diejenigen, die wie er auf eben so schlechten Grund gebauet haben, mit ihm als Wahnwitzige betrachtet werden, so wird man gewiß neuer Hospitäler benöthiget seyn und Bethlem in Moorfields nicht den tausenden Theil derselben fassen können.

Ist es nicht erstaunlich, daß Leute mit dem zustande mißvergnügt sind, worin sie Gott und die Natur gesetzet hat? Diese Gemüthsunruhen wirken zum wenigsten die Helfte alles Unglücks, dem das menschliche Geschlecht unterworfen ist; -- Und dennoch wählt ein jeder von uns, der eine mehr, der andre weniger, seinen Theil davon – Ein jeder sehnt sich nach dem, was er nicht besitzet, und hindert sich selber an dem vergnügten Genusse dessen, was er in Händen hat. – Wir glaubne besser, als der Schöpfer selbst einzusehen, was zu unserm Besten dient; wir geben der Vorsicht eine Partheiligkeit in Austheilung ihrer Gaben Schuld. Was ist, ist recht, sagt der grosse Pope: ein Satz, dessen wir uns nur selten erinnern, und wovon wir die Warheit mit ihm kaum einsehen wollen, so sehr verliebt wir auch um seine Schriften sind. Alles dieses haben wir, wich ich oben schon erwehnt, der Thyrannei der bösen Neigungen und Leidenschaften und nicht der Natur zu danken, denen wir das Ruder in die Hände geben. Die Natur begnüget sich mit wenigen: sie sehnet sich niemals nach dem Ueberfluß. Was wir mit der heftigsten Begierde erjaget haben, ist uns nicht selten zum Unglück und zum Fluch gediehen. Oft habe ich dieses angemerket, und ich bin fast überzeuget, die meisten meiner Leser werden zu einer oder andern Zeit von dieser Warheit durch die Erfahrung in ihrem Leben überführet werden.

Viele tausend in dieser grossen Hauptstadt wünschen mit der äusersten Hoffnung den Tod ihres Vaters, den Abschied der Mutter, eines ältern Bruders, oder eines Ehegatten. Nach wenigen Augenblicken finden sie in diesem Verluste das härteste Unglück, das sie hätte betreffen können.

In den Nachstellungen die man unsern Geschlechte zu legen pfleget, berufe ich mich ins besondere auf die Erfahrung der Lasterhaften selbst. Ist bei ihnen nicht oft der Fehltritt einer vereheligten Schönheit, einer Tochter ihres Freundes, den sie verursachen, von weit schlimmeren Folgen gewesen, als die Unterdrückung ihrer Neigung seyn würde, wenn sie sich hätten überwinden können?

Doch selbst in Absichten, die noch weit eher zu rechtfertigen sind, findet man öfters, es ist nicht so grausam, wenn uns dergleichen nicht gewähret wird, als wenn wir unsern Endzweck erhalten sollten. Die partheiische Gewogenheit eines Fürsten erhebet Achorsten zu den wichtigsten Aemtern in seinem Staate, dem die Geschicklichkeit fehlet, den ihm anvertrauten Geschäften ohne Verlust seiner Ehre ein Gnüge zu thun. Wie viel besser wäre es hie vor Achorst in seinen vorigen Umständen zu bleiben, und sich der Welt in diesem Stücke zu entziehen. Diese Erhöhung offenbaret seine Unwissenheit und Einfalt: er wird dem Witze der Satyre lächerlich, welche mit Vergnügen eine Gelegenheit ersieht, die Schwachheiten der Grossen verächtlich zu machen.

Kurz, eine Sache mag uns die mit ihrem Besitz verknüpfte Glückseligkeit in der schönsten Gestalt vormalen, die nur möglich ist; der Genuß derselben kann uns dennoch elend machen. Die Ursach hievon liegt entweder in ihrem Wesen und in ihrer Beschaffenheit selbst, oder wir sind nicht fähig genug es zu dem gehörigen Gebrauche anzuwenden. Sehnet auch nicht zu ängstlich nach Dingen die euch zu reizen scheinen: Dies ist das einzige sichere Mittel, eine wahre Gemüthsruhe zu verlangen. Umsonst suchen wir selbige in dem Genuß der Dinge, die uns unsre Leidenschaften auf eine zeitlang als das höchste Gut vorzustellen pflegen.

Einfältige, unsinnige Regeln! Werden einige sagen. Die Natur muß in Fühllosigkeit und Schlafsucht fallen, wo man sie so gleichgültig und unwirksam gewöhnen will, und wir selber werden nicht viel besser, als ein todtes Bildniß seyn. Sind uns nicht die Leidenschaften in der Absicht eingepflanzet, daß sie der Seele Stärke und Nachdruck geben, daß wir uns mit ihrer Hülfe durch edle und vortreffliche Handlungen in die Höhe schwingen sollen. Ohne sie gebohren zu seyn, oder sie gänzlich unterdrücken zu wollen, macht uns zu den kleinsten Pflichten ungeschickt, die wir Gott, unserm Vaterlande und uns selber schuldig bleiben.

Alles dieses leugne ich nimmermehr, und wer das, was ich bisher behauptet habe, anders nehmen wollte, würde mir das höchste Unrecht thun. – Ich vertheidige nichts so sehr, als daß ein jeder in seinem Stande und Berufe sich bemüh-en soll es so hoch zu bringen, als uns möglich ist. Nur behaupte ich zugleich, niemand müsse diese Schranken übertreten; niemand müsse mehr auf Hoheit und Ehre, als auf die Mittel sehen, wodurch er beides zu erhalten denket. _- Man muß ehrbegierig genug seyn, alles zu ersinnen, das uns würdig macht, erhaben zu werden; nur soll uns keine Ehrsucht verleiten, in solcher Absicht über alle Schranken der Tugend auszuschweifen. Wer erlaubt es dem Soldaten, seinen Hauptmann in der Armee übern Haufen zu schiessen, um in dessen Stelle treten zu können? Aber wer wünscht nicht an der andern Seite, ein so tapfers Bezeigen bei ihm wahrzunehmen, daß ihn einer noch weit höheren Stelle würdig macht?

Eine besonders unglückliche Neigung herrscht in den meisten Menschen: eine Neigung sage ich, denn ich weiß nicht, ob man es eine Leidenschaft nennen darf. Dies ist ein eitler Stolz, wen wir uns einbilden, mehr zu verdienen, als wir wirklich würdig sind. – Wo dieser nicht seinen Endzweck erreichet, da erzeuget er Murren und Unzufriedenheit mit denen, die uns das vorenthalten, dessen sie uns gewähren könnten. Wir schaffen und beneiden diejenigen, die das besitzen, was wir allein u verdienen glauben – Tausend niederträchtige Kunstgriffe werden uns eingeflösset die Hoffnung derer zu untergraben und sinkend zu machen, die das Glück günstiger als uns anzublicken scheinet. – Sehet einen Menschen dieser Art, der seiner Wünsche ist gewähret worden; es sind Zeichen genug, wodurch er sich zu erkennen giebt. Stolze Schritte, ein verachtes Schütteln mit dem Haupte gegen Geringere und Niedrige, ernsthafte und vornehme Minen gegen seines gleichen, sclavische Schmeichelei bei einem jeden, der nur das geringste zu seiner weiteren Erhöhung beitragen kann. Der Ehrsucht seines Menschen, kann man keine Schranken setzen. Ganze Heerden von solchen Geschöpfen sind alle Tage im Park, und bei Hofe, in den Opern und Schauspielhäusern anzutreffen.

Wie verschiedene ist im Gegenhtheil die Gestalt derer, die durch eigne Verdienste erhoben sind! Leutselig und gesprächig gegen alle Geringere, freundschaftlich und gesellschaftlich gegen die so mit ihm eines Standes sind, ehrerbietig gegen Höhere, aber nicht weiter, als ihr Rang oder innerlichher Werth es erfordert. – Diesen macht sein Glück frölich, ohne seine Sitten zu verändern. Er vergißt seine vorigen Umstände so wenig, als seine alte Freunde, und glaubt bei aller Grösse nicht bloß seines Standes wegen erhabner und vornehmer zu seyn. Unglücklich sind wir, daß deren so wenig sind, deren Verdienste bei ihrer Bescheidenheit die schuldige Belohnung empfangen! doch nichts schreckt den Tugendhaften ab, den so löblich angefangenen Lauf zu vollenden: nicht diese Betrachtung, nicht tausend Hindernisse und verdrießliche Begebenheiten, die ihn oft in Erfüllung seiner Pflichten aufzuhalten suchen, nicht der wirkliche Besitz der Güter, die ihm seine vernünftige Aufspürung erworben hat. Die Tugend gefällt ihn; sie macht ihn unendlich ruhiger, als jener seyn kann, der durch unerlaubte Mittel den höchsten Gipfel seiner ehrsüchtigen Wünsche erreichet.

Eine lange Kette von Heuchelei, von Verrätherei und Betrug, von verstellten Drohungen an einer, und eben so falshcer Freundschaft an der ander Seite, kurz, von allen Kunstgriffen einer boshaften List und Verschlagenheit hat den Zeuxis empor gehoben. Hiedurch hat er sich in einen Stand gedrungen, den ihm weder seine Geburth, noch seine Eigenschaften, noch die sehnlichen Wünsche seiner besten Freunde jemals versprechen konten. Aber mit was vor Elende kleidet ihn dieses vermeinte Grosse! Seine finstern Blicke und verzogene Stirn, entdecken die geheimen Gewissensbisse, die an seiner Seele nagen. Satt der Hochachtung, womit er sich geschmeichelt hat, findet er Verachtung. Die Ehrenstellen, die ihm ohne sein Verdienst anvertrauet sind, dienen bloß, ihm die Verachtung aller redlichen Leute, und dem Abscheu der geringern bloß.

Doch verlasset diesen Anblick, wo sich Geiz und Ehrsucht in dem höchsten Grade verbunden zeigt; werft ein Auge auf den redlichen Timoleon, dessen unbefleckte Tugend dem höchsten Amte Ehre machen würde! Dennoch besitzt er nichts weiter als was ihm von seinen grossen Vorfahren angeerbet ist. Ohne dem Hofe zu schmeicheln, ohne jemanden für besondere Bewogenheiten verbunden zu seyn, scheinet die ihm angebohrne Grösse durch sein ganzes Bezeigen hervor. Der Werth eines unverletzten Gewissens, die innerliche Ruhe des Gemüthes lächelt in seinen Augen, und zwinget dem Zuschauer so Hochachtung als Liebe ab. Timoleon wird niemals genennet, ohne gesegnet zu werden: Liebe und Bewunderung bei Leuten von allem Stande geben ihm die wesentliche Hoheit, deren sich leere Titel, und alle Pracht des Hochmuts vergebens anmassen würden.

Wer wird noch leugnen, Verdienst übertreffe den wirklichen Besitz der Güter aller Art? Wer wird noch Bedenken tragen, lieber Timoleon, als Zeuxis zu seyn, wenn man anderst den grossen Unterscheid zwischen beiden gehörig erwogen hat, bevor man in den Irrgängen der Lasterhaften sich so weit verliert, daß keine fernere Ausflüchte möglich sind?

Doch es giebt wirklich eine Art Personen, denen es ihr Stolz nicht zulässet, andern verbunden zu seyn. – Es ist ihnen eine ehre die Gewogenheit andrer von sich zu stossen, sollten sie auch derselben höchstbedürftig seyn, und sie danken denen mit einem Zynischen Hochmuthe, die ihnen ihre Freundschaft anbieten wollen. Was Lobenswürdiges findet sich in dieser Art zu denken? Die Welt ist glücklich, daß solche Menschen der Gesellschaft nicht gefährlich sind, deren Handlungen bloß eine ausschweifende Großmuth und übertriebene Ehrsucht zum Grunde haben. So wenig sie sich selber glücklich machen können, so wenig werden sie andern schädlich seyn.

Wir leben in einem so eigennützigen und gewinnsüchtigen Zeitalter, daß wir wirklich sehr wenige Beispiele hievon antreffen werden. Doch eine Begebenheit gehöret hieher, die sich neulich zugetragen, und die ich wegen ihrer auserordentlichen Umstände meinen Lesern mittheilen muß.

Leolin stammte aus einer der besten Familien in Wales ab, von der er ansehnliche Güter zu erwarten hatte. Er war noch ziemlich jung, wie er gegen Elmiren die zärtlichste Neigung empfand, eine junge Schöne, der tausend sechs hundert Pfund an jährlichen Einkünften bestimmet waren. Er war in seinen Wünschen so glücklich, als er hoffen konnte. Leolin fand alle Reizungen des schönen Geschlechts in seiner Elmire, und Elmire hielt Leolinen allein ihrer Liebe werth. Beide Eltern waren alte vertraute Freunde, und billigten diese gegenseitige Leidenschaften. Leolin trat endlich in sein zwanzigstes Jahr, und Elmire in ihr sechszehntes, wie jene durch die äuserlichen Gebräuche die Verbindung zweier Herzen bekräftigen wollten, welche schon so lange vorher zwischen beiden bestanden hatte, bevor ihnen noch die Natur und der Endzweck im Lieben recht bekannt war.

Der Ehevertag wurde schriftlich aufgesetzet, und man machte die besten Zubereitungen, das Hochzeitsfest so feierlich und ansehnlich zu machen, als nur geschehen konnte. Elmirens Vater hatte das Unglück vom Pferde u fallen, und ein Bein zu brechen, etwa zwei oder drei Tage vorher, da man die Zeit schon dazu bestimmet hatte. Der kalte Brand schlug dazu, und man sahe sich genöthiget es abzunehmen. Entweder die Wundärzte waren nicht geschickt genug, oder sein Eigensinn war die Ursache, daß man es nicht höher und über dem Knie absonderte; dies hatte schlechte Wirkung, denn er starb in vier und zwanzig Stunden, nachdem der Schnitt geschehen war.

Die Glückseligkeit der Liebenden litte hiebei einen traurigen Aufschub. Elmire verlor einen Vater, die sie auf das zärtlichste liebte, und des-sen Liebe sie stets mit dem äusersten Gehorsam in der aufrichtigsten Hochachtung erwidert hatte. Wie konnte die tugendhafte, die vernünftige Elmire in diesen Umständen sofort, nach einem so unschätzbaren Verluste, alle Freude und Entzückung einer Verlobten empfinden? – Leolin wurde durch ihre Betrübniß nicht minder gerühret, und konnte daher die Verbindung nicht so stark beschleunigen, als sehnlich er sie gewünschet hatte. Sein Vater setzte die Regeln des Wolstandes eben so wenig aus den Augen, und noch empfindliche rührte ihn der Verlust eines alten vertrauten Freundes, der ihm durch den Tod entrissen worden. Er verlangte nichts so sehr, als das Band geknüpfet zu sehen; allein er glaubte zugleich, alle darin betroffene Personen würden eine desto ungestörtere Freude empfinden, wenn Zeit und Schicksal die noch gar zu tiefen Wunden in etwas würde geheilet haben.

Die erste Trauer ging vorüber, Elmire erschien in neuer Kleidung etwas munterer als zuvor; der ungeduldige Leolin erinnerte sie dann und wann bei ihren neuen Reizungen an die alte Zusage; sie war schon halb willig, seine Sehnsucht zu befriedigen, allein ein zweiter Zufall hinderte diese Glückseligkeit nochmals, ein Unglück, das in seinen Folgen noch weit härter, als das erste war. Leolins Vater wurde plötzlich unpaß – ein starkes hitziges Fieber folge, und nahm ihn aus einigen Tagen aus der Welt. Doch so empfindlich auch diese Leolinen rühren mußte, so war es doch noch wenig gegen das zu rechnen, was ihn weiter traf. – Kaum war das Leichenbegängniß vorüber, so kamen ihm die Gerichtsbedienten ins Haus, und nahmen mit Gewalt von allen seinen Gütern Besitz. Der Verstorbene hätte, wie sie vorgaben, schon seit einigen Jahren, alles durch ein Geschenk an seines Brudern Sohn vermacht. Leolin war von Natur etwas heftig, er suchte Gewalt mit Gewalt zu verteiben, aber seine Bedienten waren ihnen bei weiten nicht gewachsen; -- er mußte seine Wohnung verlassen; er begab sich zu einem alten Freunde seins Vaters in der Nachbarschaft, dem er sein Unglück klagen, und dessen Rath und Hülfe er erwarten konnte.

Dieser so wol als die vornehmsten Personen, die sich daherum aufhielten, riehten ihm seine Feinde gerichtlich zu verfolgen. – Es schien ihnen höchstunwahrscheinlich, daß ein Vater das Erbtheil seines einzigen Sohnes sollte weggeschenket haben; eines Sohnes, der ihn niemals beleidiget hatte, und der ihm stets so lieb und werth gewesen war.

Amyntor, der ihm seine Güter aus den Händen zu reissen suchte, hatte indessen auch seine Gründe: und ich darf sie nicht übergehen, um diese Geheimnisvolle Begebenheit in ein desto grössers Licht zu setzen. – Leolin war kaum vier bis fünf Jahr alt, wie Camilla seine Mutter ihren Ehemann verließ. Sie flüchtete nach Frankreich in Gesellschaft ihres Buhlers, mit dem sie schon lange ein geheimes Verständnis unterhalten, und seiner lasterhaften Neigung das unschätzbareste Kleinod ihres Geschlechtes aufgeopfert hatte.

Ein so augenscheinlicher Beweis ihrer Schande, machte wirklich Leolinens Vater zweiffelhaft, ob er ihn als seinen Sohn erkennen könnte. – Man brachte Zeugen, und diese schworen, sie hätten öfters aus seinem Munde die Betheuerung gehöret, Leolin, der Bastard, solle nimmermehr einen Fuß breit Landes von ihm zu ererben haben. Auf den Einwurf andrer, dies würde nicht in seiner Gewalt stehen, habe er versichert, solches unter gewissen Umständen schon möglich zu machen.

Diese Umstände sollten nun durch den Schenkungsbrief an Amyntor zur Wirklichkeit gekommen seyn. Leolin war stets als Sohn und Erbe angesehen und geliebet worden; aber, sagte man, dies that der Vater um das Andenken des ihm angethanen Schimpfes, so lange er lebte, zu unterdrücken; er wollte der Mutter Laster an dem Sohne nicht eher rächen, bis er selber verschieden wäre.

Kurz, nach langwierigen Streitigkeiten erfolgte das Endurtheil: Amyntor hatte seine Masregeln so wol genommen, da er Leolinen überwand, so warscheinlich auch seine Gegner einen ganz andern Ausgang hofften. – Die Richter hatten vielleicht etwas mitleiden mit seinem Stande, und bedaurten das Schicksal, das ihm ein so reiches Erbtheil aus den Händen riß. Aber alles was sie thaten war, daß ihm aus so vielen tausend ein jährliches Einkommen von zwei hundert Pfund zuerkennet wurde.

Nicht wenige hielten diesen Ausspruch vor das höchste Unrecht: die Geschworenen Personen the Jury, die man wählt, und deren Meinung in der Stille im Gerichte abgehöret wird. selbst konten den Schluß kaum vor billig halten, den sie doch den Zeugnissen gemäß hatten fassen müssen. Jeder Eid war so deutlich und bestimmt, jede Aussage war mit solchen Umständen bekräftiget, daß das Gericht nach den Gesetzen unmöglich anders verfahren konnte. Leolin hatte so viel gute Eigenschaften, daß ihm selbige bei seinen Nachbaren so grosse Hochachtung als Liebe zuwege brachten. Diese erboten sich gegen ihn aus freundschaftlichste, ein jeder nöthigte ihn zu seiner Wohnung, allein es schien ihm unmöglich, dergleichen Einladung anzunehmen. Er mied den Umgang selbst seiner vertrautesten Freunde, er lebte in einem kleinen Landmannshause ganz eingezogen, und niemand konnte ihn bewegen, den Besuch von jemand anzunehmen.

Sein Verfahren gegen Elmiren war so erstaunend, daß mich solches bewogen hat, gegenwärtige Nachrichten von seinen traurigen Begebenheiten dem Leser mitzutheilen. – So lange die Streitigkeiten daurten, und so lange er noch einige Hoffnung hatte, seine Feinde zu überwinden, war er fast beständig um sie. Suchte man an der einen Seite ihm das Recht seiner Geburth streitig zu machen, so fand er bei allem Kummer, den ihm diese Verfahren verursachen mußte, an der andern Seite eine beständige Zufriedenheit und Gemüthsruhe in Elmirens unveränderlich liebreichem Umgang, der alle sauren Blicke des Schicksals mehr als genugsam in Vergessenheit brachte. Aber denselben Augenblick, da er seine Sache verloren hatte, da er seinen Fall und sein Verderben gewiß vor Augen sahe, war keine Person in der Welt, die er mehr scheuete, als sie. Die Liebe und die so nahe Verbindung in die sie mit ihm treten sollte, überwanden ihre Bescheidenheit: sie glaubte, es sey nicht gegen den Wolstand, an ihn zu schreiben: sie bat sich in den zärtlichsten Ausdrücken, einen Besuch von ihm aus; sie betheurete, bei allem Wechsel seiner Umstände bleibe ihre Liebe unveränderlich, ihre Güter allein würden zum Unterhalt und zum Vergnügen beider hinlänglich seyn, und bot ihm diese mit ihrer Person als ein Geschenk an, daß sie seinen Verdiensten schuldig wäre.

Aber nichts in der Welt konnte Leolinen bewegen, sie zu sehen: alle seine Leutseligkeit und Verbindlichkeit hatte sich in ein saures, mürrisches und verdrießliches Wesen verkehret:

So wird ein grosser Geist durch Unglück stolz gemacht!

Umsonst bemüthigte sich die kurz vorher so zärtlich geliebte, so sehr bewunderte und angebetete Elmire; umsonst bat sie ihn um alles, alles was in ihren Vermögen war, anzunehmen. Alle Proben ihrer Zärtlichkeit, ihrer beständigen und uneigennützigen Liebe vergrösserten nur sein Mißvergnügen. Ihre öftere Bemühungen schienen ihm ungestüm, und er suchte selbige durch ein Schreiben zu entgehen, das auf ihre vielen verbindlichen Zuschriften eine fremde Antwort war. Einer von Elmirens Freunden sahe es damals in ihren Händen und hat mir folgende Abschrift davon zugestellet:

„Madame!

Niemand glaube ich, ha jemals mit grösserer Aufrichtigkeit geliebet, und niemand hat sehnlicher wünschen können, auf ewig mit Ihnen verbunden zu seyn, als ich, so lange noch die geringste Hoffnung dazu dar, ohne uns auf beiden Seiten der Welt verächtlich zu machen. Ich bin versichert, das Elmire selber hievon vollkommen überzeuget ist, aber ich versichere auch an der andern Seite, meine Hochachtung gegen Elmiren erlaubt mir nicht, daß sie sich in Leolinen einen gemal erkaufen soll, so wenig als die Pflichten gegen mich selber es zugeben, daß ich mich den Gütern meine Gelebten auf eine knechtische Art unterwerfen kann. Wenn mich das Glück an meiner Seite nicht sehr erniedriget hätte, würde ich ganz andres verfahren müssen, aber bei den jetzigen Umstände muß ich Ihnen und mir selber alle fernere Unruhe und Mühe sparen. Elmire kann kein besser Mittel zu unser beider Zufriedenheit finden, als mein Andenken gänzlich aus dem Sinne zu schlagen, da mir alle Hoffnung benommen ist, wie ich mir in glücklichen Zeiten schmeichelte auf ewig der Ihre zu seyn.

Leolin

M.G. Noch diesen Augenblick verlasse ich den Ort meines bisherigen Aufenthaltes, niemanden in der Welt wird selbiger künftig bekannt werden, und es schlechterdings unmöglich seyn, mir Briefe zuzusenden. Mein redlicher Wirth, bei dem ich zeither gewesen, wird Ihnen auf meinen Befehl die drei hundert Pfund samt den zinsen bezahlen, die ich von Ihnen, wie Sie sich erinnern werden, zu Ausführung meiner unglücklichen Streitsache geliehen hatte. Ich wünsche Elmiren auf ewig wol zu leben, und versichere Sie, daß ich Ihr mehr Gutes als sie sich selber gönne.“

Ist dies der sonst grosse und so edel denkende Leolin, rief die arme Elmire – Wie hat ihn eine falsche und ungerechte Welt so sehr verändern können! Die Thränen fliegen ihr in die Augen, wie sie dieses Schreiben las; aber wie sie an die Nachricht kam, und der Ueberbriner ihr die drei hundert Pfund auszahlen wollte, verlohr sich ihre Geduld völlig. – Was vor niederträchtige Gedanken, sagte sie, hat Leolin von mir; und wie wenig kennt er seine Elmire! Wie, fügte sie endlich mit Unwillen hinzu, denket Leolin in mir eine Wucherin zu finden! Doch diese kleine Unzufriedenheit ging bald vorüber: Liebe und Freundschaft beruhigten sie, und flößten ihre andere Gedanken ein: Sie frug den Ueberbringer seins Briefes tausend Dinge, wie er sich in seinem Unglücke bezeiget hätte, sie beschwor ihn höchlich aufrichtig zu seyn; er wollte ihr entdecken, ob Leolin wirklich sein Haus verlassen habe, oder nicht, und welche Wege er in erstern Falle gereiset sey.

Dieser antwortete in allen der Wahrheit der Sache gemäß. Niemals, sagte er, habe ich jemand in meinen Leben so verändert gesehen, da ich über dem völlig gewiß in, daß er bei den völligen Gebrauche seine Vernunft geblieben ist. – Kurz zuvor sandte er zu jemand um das ihm Zeit Lebens angewiesene Jahr Geld vor tausend Pfund loszuschlagen. Hievon bezahlte er zum Theil alle kleine Schulden, die er seit seinem Unfall machen müssen, und den kleinen Rest hat er mit sich genommen. Er gieng zu Pferde weg, wohin aber ist mir gänzlich unbekannt, da ich ihn nicht einmal bis an meine Gartenthür begleiten durfte.

Elmire gerieth bei so verschiedenen Leidenschaften in eine so heftige Unruhe, daß sie ihm ausser allen Zweifel gefolget wäre, wenn sie seinen Aufenthalt nur hätte wissen können. Doch dieses fand sie unmöglich, alles was sie thun konnte, war, einen Bedienten nach dem andern zu Pferde auszusenden. Diesen gab sie kleine Briefe mi, und bat Leolinen, wenn er jemals zärtlich geliebet hätte, oder lieben könne, zu seiner Elmire zurück zu kehren, die er, wie sich selber durch die falschen Begriffe unglücklich machte, daß er bei dem jetzigen Unglücke sie verlassen müsse, weil es ihn allein betroffen habe.

Die Bedienten wußten wie heftig Elmire lebe, wie leutselig und freigebig Leolin stets gegen sie gewesen war. Die Hochachtung die sie gegen beide hatten, machte, daß sie alle nur ersinnliche Mühe anwandten Leolinen aus zu finden.

Aber alle Bemühungen waren vergebens: Leolin muthmaßte die Wirkung seines Schreibens; er war in seinen Entschluß unbeweglich, ehe alles zu leiden, als selbst seiner Geliebte in solchen Dingen die geringste Verbindlichkeit schuldig zu seyn, und nahm daher solche Beiwege, wo ihn niemand hätte vermuthen sollen.

Er ging nach London, versahe sich mit allem was zum Feldzuge nöthig ist, und begab sich zur Armee, als Freiwilliger: So wenig achtete er nunmehr sein Leben, und so kühn und heftig war er zugleich von Natur, daß er den grössesten Gefahren entgegen lief, und unter so vielen andern Helden bei Dettingen das Leben verlohr.

Ein alter Officier, ein ehemahliger Frund seines Vaters sahe und kannte ihn so gleich, wie er ins Lager kam. Er hörte seinen Unfall umständlich und erbot sich ihm zu allen möglichen Dien-sten an: aber Leolin verwarf auch hier alle Vortheile und bleib si in seinem letzten Augenblicke entschlossen, keinen, als sich selber, verbunden zu seyn.

Dieser Officier kehrte nach geendigtem Feldzuge seines hohen Alters und seiner Wunden halber in sein Vaterland zurück; und so erhielt die untröstbare Elmire endlich Nachrichten, die sie sonst vielleicht nochjetzo vergeblich suchen müßte.

So groß war ihr Unglück und so empfindlich ihr Betrübniß, seitdem sich Leolin von ihr entfernet hatte, daß die Nachricht von seinem Tode beides kaum verwehren konnte. – Nicht wenige suchten anjetzo ihre Gegenliebe zu erhalten, da sie in gegenwärtigen Umständen eher, als bei Leolinens Leben hofften; doch sein Tod gereichte ihnen hierin zu keinem Vortheil. – Leolinens Andenken war so stark, daß sich alle seine Nebenbuhler umsonst bemüheteten, es in Vergessenheit zu bringen. Leolin ist gleichsam durch den Tod an sie vermählet worden, und Leolinen soll Elmirens letzter Hauch geheiliget seyn.

Bleibt er nicht noch der redliche, der brave, und verdiente Leolin: Und bewundern wir ihn nicht, wenn wir ihn auch gleich verdammen müssen? Eine übertriebene Tugend war der Ursprung seiner Fehler und Schwachheiten, wie wir bei einer genauen Untersuchung finden werden. Ein jeder mußte Leolinen des grössesten Mitleides würdigen, der bei seiner unglücklichen Standhaftigkeit ein Märtyrer wurde, wenn nur diese nicht zugleich Elmirens edelmüthiges und zärtliches Herze vewundert hätte.

Liebe zur Freiheit und Haß, sich andern zu unterwerfen, schienen, seine Hauptneigungen gewesen zu seyn. Was hatte er von Elmirens vortrefflichen Eigenschaften zu fürchten? Dennoch war seinem grossen Geiste selbst die blosse Vorstellung unerträglich, ihr verbunden zu seyn, selbst die eingebildete Möglichkeit, daß sie vielleicht künftig ihn in solcher Gestalt betrachten mögte. – Wäre Elmire in seine unglückliche Umstände gerathen, hätte Leolin so viel Millionen besessen, als viel tausend ihm von Rechtswegen zukamen, mit den äussersten Vergnügen würde er diese zu Elmirens Füssen niedergeleget, und in ihre Willigkeit sie anzunehmen, sein grössestes Glück gefunden haben.

In was vor einer Gestalt würde wir ihn in dem Rathe der Nation erblicken, wenn er jemals ein Mitglied desselben hätte werden sollen! O mögten tausend so edel denken wie Leolin! Nichts bessers als dieses, werde ich meinem Vaterlande aufrichtig wünschen können. – Seine grös-seste Schwachheit im Privatleben würde ihn in öffentlichen Aemtern unsern Zeiten durch die grössesten Vortheile unschätzbar, und der spätesten Nachwelt bei der Unsterblickeit seines Namens der höchsten Verehrung würdig machen. – Keine Schmeicheleien, keine Schätze, kein Ordensband, keine Erhöhung hatte bei seiner Tugend den geringsten Eindruck gefunden – Kühn die angeerbte Freiheit eines Engelländers zu unterstützen, würde er die ohne Verstellung seine Meinung eröffnet haben: Je kostbarer die Schmeichler bei Hofe sein Stillschweigen verkaufen wollen, je feuriger würde die Sache der Freiheit von ihm vertheidiget seyn. – Vielleicht wäre er zu kühn gewesen, und vielleicht hätte er zu seinem besondern Verdienste Anlaß gegeben die Habes Corpus Acte auf eine zeitlang aufzuheben. Doch was schadet diese? Was einigen wenigen und einzelnen Personen zum Nachtheil gereichen würd, e hätte an der andern Seite einen desto allgemeinern Nutzen gestifftet. Wie manches Auge wäre dadurch geöffnet worden, das sich selbst mehr durch Gleichgültigkeit, Kaltsinn und Wollust, als durch fremde Geschenke zu verblenden pfleget.

Doch so eine zärtliche geliebte Schöne von sich zu stossen, Güter zu verwerfen, die ihn in den Stand setzen konten, seinem Vaterlande die nützlichsten Dienste zu erweisen, kann bei keinem lobenswürdig seyn. Der Himmel weiß es, und Leolin selber war nothwendig davon überzeuget, daß Engelland solcher Stützen mehr als zu viel bedarf. Wiewol seine Tugend und der Mangel an Erfahrung, da eine reife Ueberlegung noch nicht den gehörigen Eindruck machen kann, verdient vielleicht mehr Mitleid, als Tadel und Vorwurf. Wir beklagen mit der Republik den Verlust unsers Freundes, und seine Geschicklichkeit die den allgemeinen Nutzen auf eine so vortreffliche Art würde befördert haben.

Aber werden auch die Jungen, die muntern beides Geschlechts ihm von Herzen vergeben können? – Bei solchen können jetzterwehnte Gründe nicht von gar besondern Gewichte seyn. Elmirens Schmerzen müssen sich ihnen mit weit grössern Nachdruck zeigen: Leolin wird als ein Wilder, als ein Barbar, erscheinen, der eine so aufrichtige Liebe und die äussersten Proben derseblen seinem Stolze und Hochmuthe aufopfern konnte. Es ist wahr, kein Verfahren hatte eine Absicht auf Elmiren grausame Folgen vor sie: dennoch kann ich Leolinen kaum unvertheidiget lassen. Eine Person von ganz entgegen gesetzten Eigenschaften wird das Gute, das sich bei ihm fand, am besten ins Licht setzen. Der Schatten und das Dunkle sollen hier das Licht desto besser hervorbringen, und von so geringem Werthe der ungeschliffne Demand auch scheinen mag, so hoch wird selbiger steigen, wenn man ihn mit geringen Steinen verglichen hat.

Kleophil heißt bei der Welt die artigste Person, die man sich vorstellen kann: er ist lang, wolgestalt, schön gekleidet, munter und lebhaft, er tanzet vollkommen, er weiß tausend angenehme Historien zu erzählen, und die Gesellschaft vortrefflich zu unterhalten.

Belise, die einzige Tochter eines vornehmen Handelsmanns wurde von ihm geliebet. Ihr allein wartete Kleophil insbesondere auf, so galant auch sonst kein bezeigen gegen alle Schönen überhaupt war, mit denen er sich in Gesellschaft fand. Niemand konnte seine getroffene Wahl tadeln: Belise hatte von ihrem Vater einen auserordentlichen Brautschatz zu erwarten, und zwei tausend Pfund erbte sie von ihrer Großmutter, welcher Summen sie sich nach eigenen Belieben bedienen konnte. Doch ihr Reichthum war die geringste Ursache, die Kleophilens günstige Aufnahme bei vielen andern seines Geschlechts beneidenswürdig machte. – Die tadelhaftesten ihres Geschlechts, und ihre grösseste Feindinnen mußten ihre Schönheit, Witz und Jugend, ihr wohlgeartetes Bezeigen und alle andere gute Eigenschaften unangetastet lassen, die ihr so viel Liebe als Hochachtung zuwege brachten. Und unter dem andern Geschlechte sahen wenige ihre Schön-heit, die nicht zugleich durch ihre Vollkommenheiten etwas mehr als eine blosse Bewunderung ihrer Person empfinden mußten.

Keiner konnte dem äuserlichen Anschein nach heftiger und stärker lieben, als Kleophil: selbst ihre Ruhestunden machten ihn eifersüchtig, die ihm ihre Gegenwart entzogen, und manchesmal war er dreist genug, selbige durch Musiken und Serenaden zu stören, wovon er entweder wirklich, oder doch seinem Vorgeben nach, selbst der Urheber war.

Belise war noch sehr jung; die Kunstgriffe und die Wankelmüthigkeit der Menschen waren ihr angenehm, sie glaubte alles, was er ihr vorsagte, und erwiederte seine Betheurungen so zärtlich und aufrichtig, als ihr möglich war. Kurz, nichts schien ihrer Glückseligkeit weiter zu fehlen, als Gerontes, ihres Vaters Einwilligung, und sie war zu tugendhaft, selbiger durch ihren Ungehorsam zuvor zu kommen. Gerontes machte sich von Kleophilne eine ganz andere Vorstellung als seine Tochter. Kleophil, dachte er, kann nicht so zärtlich lieben, als er vorgiebt, er ist gar zu eigennützig dazu. Seine durchdringende Scharfsichtigkeit entdeckte in ihm eine starke Selbstliebe in sehr hohen Masse, Hochmuth und Verstellung unter dem prächtigen Scheine der Ehre, der Großmuth und Zärtlichkeit. Die junge Belise zog ihn allen andern Liebhabern vor Gerontes konnte ihre Neigung nicht plötzlich ersticken, er suchte also das nur aufzuschieben, was mit seinem Willen niemals zu Stande kommen sollte. – Die wiederholten Verzögerungen einer Endantwort sollten nach seiner Meinung entweder Kleophilens Gedult ermüden, oder Belisens Augen eröffnen, und ihren Liebhaber in einer andern Gestalt zeigen, von dem sie jetzo noch gar zu vorteilhafte Gedanken hatte. – Er überlegte wirklich den Eigensinn der Jugend, wohin sich selbiger auch lenket; je mehr man sich ihr entgegensetzt, je hartnäckiger und blinder ist sie, wenn man sie überzeugen will. Belisens übrige gute Eigenschaften machten freilich eine Ausnahme dieser sonst fast allgemeinen Regel: doch Gerontes konnte nicht wissen, ob nicht die Heftigkeit ihrer Leidenschaft sie zu ganz andern und verschiedenen Handlungen zwingen mögte, als ihr andere und bessere Bewegungsgründe an die Hand geben würden. Er schien ihr weder zu widersprechen, noch völligen Beifall zu geben; und auf diese Art sollte sie selber das entdecken, was ihr sonst vielleicht kein Mensch in der Welt durch fremdes Ansehen hätte können glaublich machen.

Gerontes hatte also von Kleophilen keine gar zu vortheilhafte Meinung; er kannte das menschliche Herz genug; er wußte, selbiges sey selten vermögend keine Betriegereien auf eine so lange Zeit anzuspielen, daß es sich nicht endlich durch etwas verrathen müsste. Alles dieses setzte ihn ausser Zweifel, auch hier werde ein gleiches geschehen. Es geschahe wirklich, aber auf eine solche Art, die er so wenig vorher gesehen, als befürchtet hatte. Gerontes hatte damals zwei Schiffe mit reicher Ladung zur See, deren Ankunft täglich erwartet wurde, allein statt dessen kam die traurige Zeitung, daß eines im Sturme gecheitert, und das andre von den Spaniern genommen wäre. Andre, wo ihm ein ansehnlicher Theil der Ladung zukam, hatten kein bessers Schicksal; kein Credit fiel und mit selbigen verlohr sich seine bisherige Lebhaftigkeit. --- Eine Rechnung lief nach der andern ein, bis er endlich nichts mehr bezahlen konnte: ein harter Stnad, der ihm bisher in seinem handle völlig unbekannt war.in solchen Umständen nöthigte ihn Belise ihre zwei tausend Pfund anzunehmen; allein er schlug dieses aus; Mag doch, sagte er, alles was ich noch zu Wasser erwarte, eben so leicht, als das andere verloren gehen. In solchem Falle wird mir dieses unmöglich einigen Vortheil bringen; und noch weit unglücklicher werde ich seyn, wenn ich bloß um mit auf eine kurze Zeit zu helfen, Belisen und mich zugleich in ein neues Unglück stürzen sollte.

Die gehorsame auch zugleich zärtliche Belise konnte unmöglich hiemit zufrieden seyn, und sie bat ihn aufs inständigste, ihr Anerbieten nicht auszuschlagen. Endlich entdeckte Gerontes, wie man so viele und starke Forderungen an ihn thäte, daß kaum vier tausend Pfund keinen Credit so lange erhalten könten, bis er warscheinlich von Hamburg, aus der Türkei und von andern Plätzen, wohin er gehandelt hatte, Nachricht haben würde. – Hier that sie den Vorschlag, Kleophilen die Sache zu entdecken. Sie wußte, er hatte ansehnliche Gelder in der Bank, und zweiffelte nicht, er würde mit Freuden diese Gelegenheit ergreifen, seine Liebe und Hochachtung gegen ihrer Familie an den Tag zu legen.

Gerontes antwortete mit einige Gleichgültigkeit und Kaltsinn: Thut Belise, wie ihr es für gut befindet: sollte Kleophil mich ihm hierin verbindlich machen, so werde ich die grösseste Sorgfalt anwenden, daß er nicht bei mir verlieren möge.

Nicht, als ob er glaubte, Belise würde in ihren Ansuchen, das er ihr erlaubte, glücklich seyn, sondern weil er selbst wünschte, sie mögte einen Freund auf die Probe stellen, auf den sie bisher, so viel gebauet hatte.

Sie erhielt seine Erlaubniß, sandte zu Kleophilen, und berichtete ihn wie er kam, in wenig Worten, wie ihr Vater anjetzo so und so viel an barem Gelde benöthiget wäre. Sie selberhabe nur die Helfte davon, und hoffte, daß er das übrige herschiessen würde.

Belise bat ihn hierum mit der grössesten Freimüthigkeit und war in ihrer Einbildung völlig versichert, eine gewünschte Antwort zu erhalten. Sie sahe ihn nicht gar zu scharf in die Augen, wie sie ihren Antrag that, sonst würde sie eine nicht geringe Veränderung seines Gesichts bemerket haben. – Sonst pflegte er ihre Befehle auszurichten, doch diese Eilfertigkeit war hier vorbei, und Trägheit und Befremdniß an deren Stelle getreten. – Belise höre auf zu reden; Kleophil stellte sich, als ob ihm Gerontens Unfall ungemein zu Herzen ginge. Doch sagte er, „Gerontes ist bei jederman nicht wenig beliebt, und seine Gläubiger werden Geduld haben, bis er auswärtige Zeitung bekommt. Ich vor meiner Person wollte ihm lieber rathen, selbige auf die Probe zu stellen, als sich einer eilfertigen Bezahlung halben so grosse Unruhe zu machen.“ Diese Rede war ein Donnerschlag in ihren Ohren. „Wie, Kleophil, sagte sie, könt ihr seine Unruhe mißbilligen? Tadelt ihr ihn, daß er sich auf eine kurze Zeit dessen bediente, was seine einzige Tochter in Händen hat, und was ihm eine Person geben kann, die ihren Vorgeben nach nichts so sehnlich wünscht, als sein Sohn zu heissen? – Sicherlich, er hat ein Recht, alles zu verlangen, womit wir ihm nur dienen können!

Freilich kann er dieses, erwiederte Kleophil auf eine gezwungene Art, und eine jede Gelegenheit ihm meine Verbindlichkeit zu bezeigen sollte mir höchstangenehm seyn, wen ich mich nicht um Unglücke gebunden hätte, unter keinem Vorwande und an keinen Menschen in der Welt die geringste Summe auszuleihen. Mein Vater forderte dieses auf seinem Todbette eidlich von mir; es würde mir unmöglich seyn, ihn zu brechen, und ich hoffte nicht, daß Belise jemals dergleichen verlangen wird.

Nein, nimmermehr, antwortete sie in Betrübniß und Verzweifelung, auf mein Ansuchen soll Kleophil nimmer meineidig werden. – Er ist es schon genug in den falschen Schwüren, womit er mir eine so uneigennützige und unverletzliche Liebe betheuret hat. Er gab sich einige Mühe, sie von der Aufrichtigkeit derselben zu überführen; doch das geschahe in gemeinen Ausdrücken, in Worten, die auch ein falscher Liebhaber gegen seine Schöne nicht wol vermeiden kann, sie sahe diese mehr als zu deutlich und antwortete so darauf, wie es ihr anständig war.

Kleophil hielt es nunmehr für höchst unwarscheinlich, daß ihr die Güter zufallen würden, die den Hauptgrund seiner Liebe gegen sie abgegeben hatten: es ging ihm also desto weniger nahe, daß seine Entschuldigungen nicht mehrern Eindruck fanden. Mit Scham, sagte Belise, erinnere ich mich, daß ich mich jemals euch vertrauet, und eine so gute Meinung von euch geheget habe. Kleophil, antwortete er, wird der unglücklichste Mensch seyn, wenn Belise ein so schlechtes Urtheil von ihm fällen sollte. Doch Stimme und Augen kamen so wenig mit seinen Worten überein, daß selbige einer Spötterei ähnlicher sahen, als einer ernsthaften Versicherung.

Kurz, alle Freundschaft und aller Umgang zwischen beiden wurde unterbrochen; Sie nöthigte ihn alle Geschenke und alle Briefe zurück zu nehmen, die sie von ihm empfangen hatte, und er wußte gleichfalls diejenigen so bald als möglich wieder liefern, die ihm von ihr zugeschicket wor-den. Er nahm seinen Abschied, und zwar dem Scheine nach mit grosser Betrübniß und noch ferner mit Ehre, wie man ihn nannte, der artigste Mensch zu heissen. Doch sie sah keine treffliche Eigenschaften besser ein, er und mit ihm fast alle Personen seines Geschlechtes wurden durch diese Begebenheiten Belisen nicht wenig verhaßt gemacht.

Ist nicht Leolinos Charakter liebenswürdig, wenn man ihn mit Kleophil verglichen hat? Ich berufe mich auf den Auspurch aller, die das Verfahren meines Helden am wenigsten entschuldigen wollten. Belise war freilich nicht so unglücklich als Elmire: das niederträchtige Bezeigen ihres Liebhabers entdeckte sich ihr bald, und löschte völlig alle gute Vorstellungen aus, die sie sich von ihm gemachet hatte. Doch Leolinens wahre Grösse erhielt Elmiren bei aller Zärtlichkeit; sie nahm an seinem ganzen Unfall Theil, und sein Andenken blieb ihr heilig, als er selbst nicht mehr unter den Lebendigen anzutreffen war.

Belisens Vater schien nunmehr an seinem ganzen Unglücke nicht mehr zu zweifeln Wahrscheinlichkeit einiger Hülfe verloren zu seyn: doch die Vorsehung sandte dergleichen da man sie am allerwenigsten vermuthen konnte. – Einer von seinen Brüdern hatte sich eine geraume Zeit in Ostindien aufgehalten, und sich daselbst durch Mäßigung und Fleiß ansehnliche Güter ersparet, dieser starb ohne Kinder, und Gerontes war der Erbe aller seiner Reichthümer. Eben wolle man ihn vor Bankerott erklären, als diese Zeitung einlief, und wie in der Welt gewöhnlich ist, eine grosse Aenderung machte. Nunmehr waren ihm unzählige Summen zu Dienste: -- nun mehr war niemand in Eile seine Bezahlung zu erzählten: Allemachten, wie Timons Freunde in Slakefprais Schauspiele, Anmerkungen, wie sehr sie sich in ihrem Bezeigen gegen ihn geirret hätten, und suchten alles hervor, seine Freundschaft wieder zu erhalten, die sei billig auf ewig zu verlieren werth gewesen wären.

Aber vor allem musste Kleophil seinem Schicksale fluchen. – Nunmehr hätte er alles gewaget, Belisens Gewogenheit wieder zu gewinnen. – bliese besaß grössere Güter, als vorher, und wurde daher auch stärker und heftiger als vorher von ihm angebetet. Er schreib, er ließ viel die sie besuchten vor sich bitten, -- er wandte eine Gemüthskrankheit vor, in die sie ihn gestürzet hättet, -- er brachte aus, daß er sich nicht selten, seit dem er nicht mehr vor sie kommen dürfen, das Leben hätte nehmen wollen. – Ale Listen und alle Kunstgriffe wurden versuchet, aber vergebens. Belise haßte ihn noch mehr, je verächtlicher die Mittel waren, wodurch er sie besänftigen wollte; noch weit mehr, als sie jemals seiner ver-meinten Verdienste wegen geliebet hatte. – Sie pries sich selbst ihres vorigen Elends halben glücklich, und entschloß sich fest, den Betheurungen seines einzigen ins künftige Glauben beizumessen, dessen Sitten und Eigenschaften ihr Vater nicht so scharf und genau auf die Probe gestellet hätte, daß sie von seiner Aufrichtigkeit und Treue völlig versichert wäre.

Wie glückselige Wirkungen hatte nunmehr ihr kluges Bezeigen gegen jederman! – Der junge Kallistus liebte sie wirklich und in weit höherm Grade, als der unwürdige Kleophil vorgab, und übertraf diesen an Geburt und Gütern, nicht minder als an Verstande und Klugheit. – Gerontes fand in ihm einen würdigen Schwiegersohn, und Belise konnte ihr Herz dem tugendhaften Kallist nicht versagen, nachdem das Urtheil dessen, den sie hierin allein trauen wollte, sie von allen Irrthümern frei gesprochen hatte.

Sie sind etwas über ein Jahr verheirathet, und Belise ist die Mutter eines Sohnes, mit dem alle beide ihre Zärtlichkeit getheilet haben. – Gerontes hat alle Güter und Gelder empfangen, die er von auswerts vermuthen war. – Alle leben bei einander und in vollkommenster Eintracht, wobei sie ihre gegenwärtige Glückseligkeit desto stärker empfinden, nachdem sie nunmehr über-luste ihrer Güter den Geschmack derselben erhöhet hat.

Solche Begebenheiten und tausend andre gleicher Art, die sich täglich in der Welt zuzutragen pflegen, sollten uns alle Zufälle, denen wir von gegenwärtigen unterworfen sind, desto erträglicher machen. So lange wir uns auf dem Schauplatze dieses Lebens befinden, mögen wir noch immer hoffen, daß uns vielleicht ein besserer Auftritt beschieden sey.

Wir lesen von einem alten Weltweisen, der bei allen widrigen Zufällen keine Freunde zu sich lud, ihnen auf die lebhafteste Art die Zeit vertreib, und in seinem Gemüthe so ruhig als glückselig zu seyn schien – Wenn an der andern Seite Begebenheiten vorfielen, wobei andre Glückwünsche erwarten mögten, so pflegte er sich in sein Zimmer zu verschliessen; er fastete, er weinte, und sein ganzes Bezeigen hatte Merkmale einer untröstlichen Betrübniß. Man frug ihn um die Ursachen einer Aufführung die dem ganzen menschlichen Geschlechte zu widersprechen schien. „Ihr wundert euch, sagte er, daß mich Widerwärtigkeiten munter machen, und glücklichere Zufälle niederschlagen können, aber ihr bedenket nicht, worin das Glück bestehe, oder ihr stellet euch das Wesen dieses unbeständigen Gottes unter ganz falschen Begriffen vor.“ Ist es nicht vergäng-lich ist es nicht beständig veränderlich und gewohnt, auf beiden Seiten von einem Uebermasse ins andre zu verfallen? – Wie kann ich denn bei den mir zugeworfenen Gütern vermeiden, in der äusersten Furcht zu seyn, daß gleich grosse Uebel darauf folgen werden? – und habe ich nicht Ursache genug, bei den sich zutragenden Widerwärtigkeiten mit Freuden eine Glückseligkeit zu erwarten, die von gleichem Grade ist? Freilich war die Art zu denken dieses Weltweisen fremd und auserordentlich; nicht unbillig kann man behaupten, er habe unserer Natur zu stark Gewalt angethan; doch überhaupt es zu betrachten, scheint es der Vernunft nicht ganz zuwider zu seyn. Mit Recht sagt Dryden:

So betritt das Glück die Bühne, und verändert die Maschiene,

Das im Wechsel, den es Macht, im Verschuß bald zürnt, bald lacht.

Doch wir brauchen weder zum Eigensinn, noch zur Erdichtung unsere Zuflucht zu nehmen, Unfälle zu ertragen, worin die Vorsicht uns zu versetzen vor gut befindet; Erwegt vielmehr, daß eine geduldige Gelassenheit uns auf einen günstigern Wechsel desto gerechtere Ansprüche giebt. Zu verzweiffeln und den Muth sinken zu lassen, kann Gott und Menschen am allerwenigsten gefallen. In jenen setzen wir ein Mißtrauen, und diesen entziehen wir die Gefälligkeit, die wir der Gesellschaft schuldig sind.

Kann auch wol etwas, wenn wir die Sache Recht erwegen, ungesitteter seyn, als eine Versammlung unaufgeräumt zu machen, sie sey auch beschaffen, wie sie wolle, wenn wir ihr die uns allein betreffende Unfälle traurig vorerzählen? Sie sind uns, und nur uns allein eigen: es ist eben so unerlaubt andern seine Schmerzen, als seine ansteckende Krankheiten mitzutheilen.

Leute die im Klagen ihre Ruhe zu finden denken, haben wirklich den Fehler einer niederträchtigen und groben Eigenliebe. – Grosse Seelen wollen so wenig bedauert als verachtet werden, und ein edelmüthiger Geist wird sich niemals zwingen können, bei andern eine Traurigkeit zu erwecken, die natürlicher Weise Mitleid zu erzeugen pflegt. Doch nahe Blutsverwandtschaft, und das noch stärkere Bündniß, das unter Freunden besteht, fordern in allen Glücksfällen Hülfe und Beistand von uns. Wie würde es ein thörigter Hochmuth seyn, das Andenken derselben aus dem Sinn zu schlagen. Man würde uns mit Recht im Verdachte haben, daß uns diejenige Vertraulichkeit fehle, die der einzige Grund wahrer Gewogenheit ist, und wir würden unsere Kleinmüthigkeit und ein Mißtrauen in unsern Kräften verrathen. Wie viel besser ist es, alles zu versuchen, alles zu hoffen, und uns oft selbst mit unmöglichen Dingen zu schmeicheln, als diesen einen Platz in unsern Herzen einzuräumen?

Es ist etwas in der Luft und Lage unsers Landes, sagen Fremde, daß uns diese unglückliche Neigung natürlicher, als andern Nationen macht; freiwillig mag die gar zu ofte Veränderung des Wetters, und die schwere auf uns druckende Luft in einigen Jahreszeiten nicht wenig hiezu beitragen. Aber ich befürchte nicht unrecht, man kann viele andre Ursachen angeben; wir selber sind vollkommen im Stande solche aus dem Wege zu räumen, und thun wir es nicht bald, so mögen die Anmerkungen und Urtheile der Ausländer in diesem Stücke schärfer ausfallen, als wir es vermuthen sind.

Unser Himmelsstrich bleibt derselbe, als ehedem. – Unsre Lust ist nicht mit mehreren Dünsten angefüllet, noch der Wind veränderlicher, als etliche hundert Jahre zuvor: -- dennoch will ich die verflossenen Zeiten auffordern, und sehen, ob sie halb die Anzahl von Exempels der Zaghaftigkeit und Melancholie, als die jetzigen aufweisen können.

Legt daher nicht alle Schuld so vieler unglücklichen Handlungen, von denen wir täglich hören müssen, auf die Elemente! Verringert nicht den Werth einer Gegend, die die grössesten Geister und tapfersten Helden hervorgebracht hat, deren sich eine Nation rühmen kann, und die noch jetzt und künftig dergleichen hervorzubringen vermögend ist. – Nicht die bösen Aspecten der Gestirne, nicht des Monds ungütliche Einflüsse haben solche Wirkungen bei uns. Die Ursache der Veränderung liegt in uns selber. – Wir sind von den Tugenden unsrer Vorfahren abgewichen, – wir arbeiten mit dem grössesten Eifer an unsern und an andern verderben. Was Wunder denn, wenn die Schreckensbilder eures bösen Geistes an der einen, so wie Verachtung und Elend in Armuth an der andern Seite, in Anmuth und Verzweifelung zu stürzen pflegen?

Die tödtliche Quelle alles Unglücks, unter dessen Last wir seufzen müssen, ist dieses, daß wir den verderblichen Leidenschaften nachzuhangen pflegen, die wir in ihrer Geburt mit leichter Mühe ersticken könten. Wo diese einmal herangewachsen sind, da ist kein Entschluß vermögend genug, sie zu überwinden. Geiz und Ehrsucht, Verachtung und Hochmuth sind die Tyrannen unsrer Seelen; kein Rathgeber findet bei ihnen Gehör, keine Gewalt kann sie bändigen: die Vernunft muß ihnen den Thron einräumen, und bei den niederträchtigen Absichten ihr Sclave seyn.

Wie unverantwortlich handeln also diejeni-ge, denen die Erziehung der Jugend anvertrauet ist, wenn sie Dinge von so grosser Wichtigkeit aus den Augen setzen, und den Abscheu gegen diese verderbliche Laster nicht bei Zeiten eingepräget haben! – Solche Pflichten kommen vornehmlich den Eltern zu, doch andre und nicht minder nöthige Geschäfte nehmen ihnen oft Zeit und Musse weg, selbig ein Acht zu nehmen. – Krankheit im Alter macht sie oft ungeschickt, oder eine tadelhafte Gleichgültigkeit unwillig dazu. Das geringste, was sie in solchen Umständen thun können, ist, daß sie Personen wählen, die solchen wichtigen Bemühungen gewachsen sind.

Zwar wir werden wenige Leute vom Stande finden, die nicht ihre Kinder der Aufsicht solcher Personen anvertrauen, welche sie zu allem, was nur in der Mode ist geschickt und vollkommen machen. Es ist wahr, auch dieses ist nöthig, ihnen den Ruhm wolerzogenen Leuten zu geben, aber mit der wahren Ehre und einem guten Namen kann es in seine Vergleichung kommen.

Nicht so wol die Fertigkeit in Sprachen, im Fechten, im Tanzen, noch die Wissenschaft in der Musik, oder eine vollkommene Kentniß der galanten Welt; als nöthige Tugenden und gute Sitten sind die Haupteigenschaften, worauf man bei der Wahl desselben sehen sollte. Ihr eigen Beispiel muß den Lehren ein Gewicht geben, wo sie selbst ein Exempel der Schönheit eines ordentlichen und tugendhaften Lebens sind, da wird der Untergebene solches nothwendig lieb gewinnen, und ihm nachahmen müssen.

Ein junger Mensch könnte fast mit gleichem Vortheile sich selber gelassen seyn, als einem Aufseher folgen, der seinen Lastern schmeichelt, um sich ihm angenehm und beliebt zu machen sucht. Dies gibt ihm gleichsam einen Freibrief zu allen Unordnungen, deren Ausführung ihm in den Sinn kommen kann. Nur gar zu viel Exempel hievon finden sich unter denen, die mit außerordentlichen Kosten, zu ihrem vermeinten Nutzen auf Reisen gehen, und fast nichts, als die Hauptlaster fremder Nationen zurück zu bringen pflegen.

Wenn doch nur Eltern von Stande sich Zeit nehmen wollten, zu überlegen, was der Name eines Hofmeisters bei der Jugend vor einen grossen Eindruck macht; alsdenn würden sie gewiß in der Wahl derselben weit behutsamer gehen. Die Begebenheiten des jungen und reichen Mercator sind noch bei jederman in frischem Andenken: sie können Fremden wol als jungen Reisenden, zur Warnung dienen, die Art zu leben und zu denken derjenigen nur gründlich zu untersuchen, deren Gesellschaft sie erwählen wollen.

Mercator war der einzige Sohn eines sehr begüterten fremden Handelsmannes: er verlor seine Eltern in der zarten Kindheit, und stund nachher unter solchen Vormündern, von deren Aufrichtigkeit sein Vater viele Proben gehabt hatte. – Der junge Mercator fand eben so wenig Ursach zu klagen, in solcher Hoffnung betrogen zu werden.

Sie nahmen sich seiner eben so zärtlich an, als ob er ihr eigner Sohn gewesen wäre; -- sie schickten ihn in die vornehmsten und besten Schulen, -- alle Lehrmeister mußten ihre Pflicht bei ihm ein vollkommtes Genge leisten; und wie alles gethan war, was man ihm durch eine Erziehung zu Hause geben konnte, fanden sie es nöthig, ihn zu seinem grössern Nutzen auf Reisen gehen zu lassen.

Ihre einzige Sorgfalt war nunmehr, eine Person zu finden, die die gehörige Geschicklichkeit eines Hofmeisters besässe. Auch hierin sparten sie keine Mühe, und e3ndlihc wurde ihnen Palamon, eine Person angepriesen, die allen Schein der Mäßigkeit und Tugend an sich hatte. Palamon war schon vorher, in solchem Character auf Reisen gewesen, er verstund alle fremde Sprachen, und kannte alle Plätze, die der junge Mercator sehen wollte.

Zu ihrem grossen Vergnügen glaubten sie an ihm eine Person zu finden, wie sie wünschen konten: und Mercator war noch mehr mit einem Führer zufrieden, der ihm, wie er überzeuget war, in seinen Lustbarkeiten nicht so enge Schranken setzen würde. Mercator war von Natur etwas verliebt: er unterhielt ein geheimes Verständnis mit einem Frauenzimmer, Mariane, wie ich sie nennen will; sie war nicht schön; dem ungeachtet und ob sie schon einen sehr bösen Namen hatte, liebte er sie ungemein. In demselben Hause wo dies übelberüchtigte Person, und andere ihres gleichen wohnten, war Mercator mit seinem nachmali-gen Hofmeister verschiedentlich in Gesellschaft gewesen. Palamon kam, zu seinem Verwundern, und nahm eine ganz andere Gestalt an, aber Mercator erinnerte sich bald, daß er mehr als eine Nacht mit ihm bei Trunk und Ueppigkeit vertrieben hatte.

Kurz, beide verstunden sich gar bald mit einander; die Zeit der Abreise kam heran, und Palamon war zu gefällig, als daß Mercator auf seinen Befehl die Maitresse hätte zurück lassen sollen.

Paris war der erste Platz, wo sie sich etwas aufhielten: unser junge Reisende wurde von der muntren Lebensart an diesem Orte so eingenommen, daß er gar nicht in Eile war, weiter zu gehen. Palamon merkte dieses, und wollte auch hierin zu Gefallen seyn; sie mietheten sich in einen grossen Gasthof, sie lebten so wollüstig als sie konten, und theilten mit einander alle wilde Lustbarkeiten, die sie nur ersinnen konten. So vertrieben sie die Stunden, auf eine ganz andre Art, als sie nach der Hoffnung der sorgfältigen Vormünder zu Hause hätte thun sollen.

Fast ein Jahr verging mit solchem Zeitvertreibe: Mercator wurde plötzlich krank. Entweder seine Unordnung und ausschweifende Lebensart, oder noch geheimere Ursachen, waren Schuld hieran. Doch diese kann ich nicht bestimmen, und habe auch von andern seinen Grund dazu. Sein Gehirn wurde sonderlich in diesen Umständen angegriffen, so, daß er nicht selten an zu rasen fing.

Wie er einst sehr stark in diesen Zufällen und seiner Sinne nicht mächtig war, sagt man, überredete ihn Palamon, zugleich nach einem Prediger und Natarius zu schicken. Jener verstand ihn mit Marianen, und dieser mußte ein Testament aufsetzen, worin ihr, als seiner Frau, unter diesem Namen und Titel die Summe von sechszig tausend Pfund verschrieben wurde. Die übrigen vierzig tausend, der Rest von seinen Gütern viel Palamon, seinem so geliebten Freunde und Aufseher zu; eine würdige Belohnung, daß er beides vor Mercatores Leib und Seele so grosse Sorge getragen hatte.

So lautete sein letzter Wille: er unterzeichnete und bekräftigte ihn auf alle gehörige Art, in Gegenwart verschiedener Zeugen, Mercator starb gleich darauf in den unerträglichsten Schmerzen, nachdem er alles zeitliche aufgegeben, und Palamon alles von ihm erlanget, was er gewünschet hatte.

Mariane und dieser theilten sich auf die Art in des unglücklichen Untergebenen Güter, gingen nachdem sich die Umstände so verändert hatten, nach Engelland zurück, und verheiratheten sich, so bald der Wolstand, den sie in ihrer jetzigen Hoheit auf eine gezwungene Art zu beobachten suchten, es erlauben wollte.

Mercators Vormünder und Freunde untersuchten diese Sache mit aller möglichen Sorgfalt: doch die Umstände waren zu dunkel und die Muthmassung nicht gegründet genug, selbige vor Gericht anhängig zu machen. Wie verdrießlich muß es ihnen seyn, dies lasterhafte Paar in einer Kutsche mit sechsen fahren zu sehen, dessen Ruchlosigkeit alle Hindernisse so unerwartet überwunden hat!

Ich kann wol nicht weiter Anmerkungen über so fremde Begebenheiten machen, da, wie ich schon gesagt habe, die Wahrheit der nähern Umstände davon noch im Finstern verborgen liegt. Was die künftigen Zeiten ans Licht bringen werden, weiß ich nicht: anjetzo mag scih ein jeder der Freiheit bedienen, so zu urtheilen, als es ihm die Beschaffenheit der Sache zu erfordern scheinet. Meine einzige Absicht bei Erzählung derselben ist, allen denen, welche junge Leute auf Reisen senden, ein Exempel zu geben, daß man nicht behutsam genug seyn kann, die Eigenschaften einer Person zu untersuchen, deren Aufsicht und Sorgfalt man die Jugend anvertrauen will.

Ende des dritten Buches.

Drittes Buch Man handelt meinem Urtheile nach höchst ungerecht, wenn man die Unart und den Fehler derjenigen, die sich zu ungeschickten Gliedern der menschlichen Gesellschaft machen, der Natur zuzuschreiben pflegt.In Engelland geschieht dies sonderlich in einem gewissen Ausdrucke, dessen man sich sehr oft zu bedienen pfleget. He is very ill naturd heißt es gemeiniglich in vielen Umständen und gegenwärtige Stelle beziehet sich auf diese Redensart. Die Natur wird hier beschuldiget, die sich an einer un- vollkommenen Uebereinstimmung in allen Theilen vergnüget, die reich an Liebe und Dankbarkeit und Wolthun ist, die sich selbst und nicht minder andre glücklich zu sehen wünschet. Wird nicht ein jeder mit Eigenschaft gebohren, die ihn zu einem geselligen Leben fähig machen? Wir weichen davon ab; aber dies ist nicht die Wirkung der Natur; es ist der Einfluß solcher lasterhaften Gemüthsbewegungen deren Unart die Natur schändet, und in einer ganz veränderten Gestalt auf den Schauplatz bringet? Geiz, Ehrbegierde, Wuth, Neid, und Eifersucht, ein Unkraut, das in der Seele aufwächset, muß nach und nach die edelsten Neigungen ersticken, wo es nicht bei Zeiten mit der Wurzel ausgerottet wird. –Was vor eine schöne Gestalt zeigt uns die Natur in ihrer Kindheit, ehe diese unrichtigen Leidenschaften zur Stärke kommen. Und wie wenig würde diese Schönheit bei reifen Jahren verloren gehen, wenn Vernunft und Klugheit diese Tyrannen stets bezwingen konten. „Kühner Unternehmen, werden einige sagen; Dinge zu trennen, die der Himmel selbst in uns so genau zu verbinden vor gut befunden hat, in Geschöpfen die aus so mannigfaltigen Theilen verschiedener Art zusammen gesetzt sind. Machen nicht die Leidenschaften ein wesentliches Stück des Menschen aus, und ist auch jemand, ohne seinen Theil davon zu haben, jemals gebohren worden? – Die Kindheit sehnet sich mit gleicher Ungedult nach Kleinigkeiten, worauf ihre Jahre zu fallen pflegen, als ein reiferes Alter, nach Dingen, die wir in selbigem als wesentlichere Güter betrachtet haben. – Kurz, was sind Männer? (Kinder, die heran gewachsen) wie sie einer der trefflichsten Englischen Dichter genennet hat.“ Alles dieses leugne ich nicht. Doch die Leidenschaften in der Jugend sind schwach: sie stürmen uns noch nicht durch Uebereilung in Dinge, die wir Laster nennen: oder, wenn sie es thun, so ist die übermäßige Nachsicht derer darinn Schuld, die ein Auge auf uns haben. Wenn ihre Stärke anwächset, so wächset in gleichem Masse die Vernunft, der Führer heran, der uns zugegeben ist. So bleibt es ausser allem Zweifel die Pflicht beides der Eltern und Lehrer, alle gefährliche Neigungen in uns auf stärkste in Zaum zu halten. Sie müssen die Natur in ihrer Kindheit unbefleckt erhalten, bis nachher uns selber dies Geschäft anvertraut wird; um so viel mehr, da die unvermeidliche Folgen einer Sorglosigkeit in diesem Stücke, uns der Welt nicht minder schädlich als uns selber zu Last zu machen pflegen. Ich behaupte hiemit keineswegs, dass bei Personen, die gar zu sehr vor sich leben, die sel-ten munter, stets ernsthaft und verdrießlich wo nicht gar murrisch und eigensinnig sind, diese Eigenschaften durch die Tyrannen gewisser lasterhaften Neigungen hervor gebracht werden! Wenn eine lange Reihe wiederwärtiger Begebenheiten, unglückliche Zufälle, eine Verachtung bei der Welt, die leider! Mehr als zu gewiß gefallene oder unterdrückte Personen zu begleiten pfleget; aber auch langweilige Krankheiten mögen die aufgemuntersten, die freundlichsten Menschen sauer und verdrießlich machen. Aber diese finsteren Blicke werden bei ihm nimmer Grausamkeit, niederträchtige Handlungen, Begierde nach fremden Gütern, Treulosigkeit, oder irgend einige andre boshaftige Thaten hervor bringen können. Er ermüdet die Gesellschaften, und ist ein todtes Mitglied derselben; aber er ist keinem gefährlich, und wird niemanden, als ihm selber schaden. Wo hergegen z. E. Geiz die Oberhand behält, da ist alles zu erwarten, was nur irgends dem menschlichen Geschlechte nachtheilig heissen kann. – Fast alles rechne ich hieher, was der Gesellschaft schädlich und verderblich ist, weil dieses Laster da gewiß viele andre böse Eigenschaften erzeuget, wo es eine solche Brut noch nicht angetroffen hat. Es verachtet alle Absichten unsrer Schöpfung und unsers Daseyns. Ein niederträchtiges Mißtrauen, Haß, Mißgunst und Bosheit, wird uns so wenig einen Augenblick ge-statten ruhig zu seyn, als andern dergleichen gönnen wollen, wenn wir auch nur bloß mögliche Fälle gedenken, die uns und unserm Eigennutze zuwider laufen, der uns so sehr ans Herz gewachsen ist. – Eintracht, das allgemeine Gut, wird gänzlich dadurch zu Boden geworfen. – Alle Tugenden, die das gemein Beste zum Endzweck haben, alle Pflichten der Dankbarkeit und Zärtlichkeit bei Freunden und in Familien werden Absichten aufgeopfert, die der Eigennutz einschrenket, die bloß auf sich selber gehen, und zu deren Erhaltung weder heimliche List und Betrug, noch offenbare Gewaltsamkeit gesparet werden darf. – Sind manche Kriege unglücklich ausgefallen – Sind die besten Vorschläge und Erfindungen gehindert worden, -- sind manche bürgerliche Gesellschaften getrennet und zu Grunde gerichtet, -- und viele blühende Familien an den Bettelstab gerathen, so hat man solche Zufälle nicht selten dem Geize und Eigennutze einer einzigen Person zu danken, die sich durch den Fall des Ganzen erheben wollen. – Diese Wahrheit ist mehr als zu viel bekannt: wie oft sehen wir nicht, daß unsre eigne Blutsfreunde, ja, die eben die Milch wie wir gesogen haben, unsre grausamsten Todfeinde werden – Abscheuliche Bilder! Wir entziehen euch unsre Augen, und blicken nach angenehmeren Gestalten, die liebenswürdiger und euch entgegen gesetzt sind. Dergleichen entdecken wir vor andern in der edlen Familie die Euphrosynen auferzogen hat: Dies neulige Exempel verdient unsre Bewunderung und mag andern zur Nachahmung vor Augen gestellet werden. Lysander wartete dieser jungen Schönen auf, ein Edelmann von erstaunlichem Reichthum, der aber mehr als doppelt ihre Jahre hatte. Es fehlte ihm alles in seiner Person und in seinen Umgange, das ihrem zärtlichen und feinen Geschmack hätte vergnügen können. Bevor er ihr das geringste von seiner Neigung entdeckte, wandte er sich zu Aristus ihrem Vater, und begleitete seine Erklärung mit so vortheilhaftem Anerbieten, das nur wenige Eltern ausschlagen würden – Doch Aristus wies ihn zu seine Tochter: ich werde, sagte er, Euphrosynen befehlen, ihre Besuche anzunehmen, mir vor meinen Theil soll nichts angenehmer als eine solche Verbindung seyn, so bald sie ihre Einwilligung dazu gegeben hat. Hiemit musste Lysander zufrieden seyn: er fand eine mündliche Erklärung gegen sie müßte ihm den Weg dazu bahnen, er bemühete sich, ihr nicht nur seine Liebe zu erkennen zu geben, sondern auch bei ihr eine gleiche Neigung hervor zu bringen. Hiezu erwählte er diejenigen Mittel, die er am geschicktesten fand. Er unterhielt sie mit allen verliebten Ausdrücken, deren er sich aus Schauspielen erinnern konnte. – Er brachte ihr alle Favoritarien aus der Opera Seitdem die Opern in Engelland an Musik und am Geschmack gefallen, werden nur einige der vornehmsten Arien dem Druck übergeben, da man ehedem sdie vollständige Musik bekannt zu machen gewohnt war. -- er führte sie zu Vauxhall und RüstholtRückholt ist ein angenehmes Landhaus unweit Londen, wo bisher einige Sommer des Morgens öffentliche Musiken aufgeführet worden. , und vergaß nicht ihr zu sagen, daß sie in allen diesen Versammlungen mehr als eine Venus sey. Euphrosyn war stets eine gehorsame Tochter gewesen: sie wußte, ihr Vater unterstützte sein Ansuchen, und durfte es daher so wenig ausschlagen als lächerlich machen. Kurz, sie hörte allen zärtlichen Reden zu, sie folge ihm in öffentlichen Lustbarkeiten, wohin er sie führe, sie nahm Geschenke von ihm, und sahe ihn schon als ihren künftigen Gemal an, vor den man sie wahrscheinlich bestimmet hatte. – Die wenige Hochachtung, die sie gegen ihn haben konnte, behielt sie als das größte Geheimniß vor sich, und redete beständig selbst zu ihren vertrautesten Freundeninnen und liebsten Geschwistern mit aller ersinnlichen Ehrerbietung von ihm. Dennoch nahm dieser Zwang in ihrem Bezeigen, den sie sich unterwerfen mußte, nicht wenig von ihrer Munterkeit und Lebhaftigkeit weg, die man vorher so feurig in ihren Augen spielen sahe. In Gesellschaften hielt sie mehr an sich als jemals, und man fand oft die Thränen auf ihren Wangen, wenn man sie unerwartet in ihrer Einsamkeit überfallen hatte. Die ganze Familie liebte sie so zärtlich, daß ein jeder augenscheinlich eine so grosse Veränderung gar leicht bemerken mußte, obschon keiner im geringsten davon gegen sie erwehnen wollte. Lysander hatte ihr nunmehr beinahe vier Wochen aufgewartet: Euphrosynens höfliches und unverbindliches Bezeigen machte ihn dreist, und seine Ungeduld bewog ihn, den Tag bestimmt zu sehen, der ihn in den völligen Besitz ihrer Person glücklich machen sollte. – Euphrosynens Antwort war, wie sie gänzlich ihrem Vater unterworfen wäre, so würde es ihr eben so unanständig seyn, seine Befehle zuvor zu kommen, als die Erfüllung derselben auszusetzen. – Und dieser schüzte vor, daß er Euphrosynens Herze noch nicht genugsam untersuchet habe. Ist dies geschehen, setzte er hinzu, werde ich die Zeit entweder zu beschleunigen oder zu verlängern suchen, nachdem ich sie geneigt dazu finde. Und niemals vergaß er zu erinnern, wie unumgänglich nothwendig es sey, auf beiden Seiten auch nicht den geringsten Schein von Gewalt und Zwange zu erlauben, um die Glückseligkeit beider Personen desto vollkommener zu machen. Allein Lysander war hiemit nicht zufrieden: die Liebe pflegt sich selber zu schmeicheln, und so sahe er alle Höflichkeit, wozu Euphrosynen der Gehorsam gegen ihren Vater verband, als eben so viele Proben an, wie sehr er ihr gefallen müsse. Er zweifelte nicht, sie erwarte den Schluß in dieser Sache mit gleicher Sehnsucht, als er selber, und schien daher gegen den, der über seine Geliebte allein zu befehlen hatte, dieses Aufschubs halben etwas empfindlich zu seyn. Er trieb die Sache so weit, daß ihm endlich Arist versprechen mußte, gleich folgendes Tages seiner Tochter Gesinnung auszuforschen, und ihm seinen Entschluß sofort zu wissen zu thun. Euphrosyne mußte wirklich auf seinen Befehl in sein Zimmer kommen, und sich bei ihm niedersetzen. Er meldete ihr die Ungeduld ihres Liebhabers, seine Wünsche erfüllet zu sehen, und daß er ihm eine gewisse Antwort versprochen habe – Er malte ihr Lysanders Neigung mit bessern und schönern Farben ab, als er selbst jemals gethan hatte. Er fügte endlich hinzu, Lysander verlange keine Gelder zu erheirathen; und habe vielmehr gleich Anfangs und bei dem ersten An-trage auf das feierlichste betheuret, wie er nichts als seine Einwilligung verlange. „Dies sind, sagte er, die Umstände, Euphrosyne, und so uneigennützig ist keine Liebe gegen euch – Ihr wißt, ich habe mehr Kinder, und solchen wird das Theil von meinen Mitteln, das ich einem andern, als Lysandern, auf sein Verlangen geben müßte, ungemein zu statten kommen. – Wenige Väter würden eure Neigung hierin zu Rathe ziehen, doch ich bin anders gesinnet, liebste Euphrosyne! – Ich bin überzeugt, wahre Glückseligkeit besteht nicht in Reichthum allein, und ich würde so ungerecht als grausam handeln, wenn ich die unglücklich machen wollte, die von mir das Leben haben – Sagt mir eure Gedanken von Lysandern frei, und fürchtet nicht, als ob ihr mich dadurch beleidigen werdet. Gesteht mir, ob ihr ihn auch, eurer Schuldigkeit gemäß, werdet lieben können, wenn er sich mit euch verbinden sollte? Die tugendhafte Euphrosyne machte eine solche Frage ganz niedergeschlagen: sie erwiederte mit schwacher Stimme, die Erziehung die er ihr gegeben, würde sie stets erinnern, daß ihre Schuldigkeit zu gehorsamen sey. Dies, sagte Arist, kann auf eine doppelte Art geschehen: Man gehorsamet entweder wenn man muß, oder weil man selber ein Vergnügen dabei findet. Es sollte mir Leid seyn, setzte er hinzu, eure Ruhe und Zufriedenheit einer Pflicht von der ersten Art aufzuopfern. Ich habe euch nicht so aufgeweckt als vorher gefunden, seitdem Lysander euch auf meine Erlaubniß besucht hat. Dies macht mich muthmassen, seine Vorschläge müssen nicht gar zu angenehm seyn; doch, wie ich mich hierin betriegen könnte, so erwarte ich von euch, daß ihr mir bei dieser Gelegenheit euer ganzes Herze eröffnen, und von der Warheit oder Falschheit meiner Muthmassung überführen wollet. Aristens Güte und Gelindigkeit machte Euphrosynen dreist: sie wagte es und erklärte sich, daß sie lieber unverehligt zu bleiben wünschte, wenn niemand in der Welt mehr Reizungen und Annehmlichkeit als Lysander vor sie haben sollte. „Doch, fuhr sie fort, diese Ehe ist mit nicht geringen Vortheilen vor sie verknüpft, und hat vielleicht ihren Beifall. Ich beschloß daher gleich Anfangs, mich ihrem Willen nicht in geringstem zu widersetzen. Ich bemühete mich gewisser massen, durch einen völligen Gehorsam diese Gewogenheit bei ihnen zu verdienen, die sie mir jetzo erwiesen haben.“ Nein, nein, liebste Euphrosyne, erwiederte dieser vortrefliche Vater: ihr verdienet die Freiheit in eurer Wahl desto mehr, je bereitwilliger ihr sey, sie aufzuopfern. Lysanders Besuche sollen euch nicht ferner beschwerlich fallen, da ich euch niemals befohlen, ihn mit solchen Augen anzusehen, als seine Eitelkeit ihm Hoffnung machte. – Und noch heute will ich eure Unruhe in diesem Stücke gehoben sehen. Euphrosyne war eben im Begrif, ihm den Dank abzustatten, den er verdiente, da er so zärtlich vor ihre Zufriedenheit gesorget hatte; allein so eben traten ihre zwei Brüder und drei Schwestern ins Zimmer, und dieses hinderte sie. – Sie hörten von Lysanders Vorschlage, seinen Brautschatz aufzugeben; sie wußten, Arist habe sie zu sich in sein Zimmer gefordert, und glaubten, sein Befehl würde sie zu einer Wahl zwingen, die, wie sie leicht erriethen, ihrer Neigung ganz zuwider war. Dies brachte sie auf die Gedanken, wie ihre Vorbitte unumgänglich nothwendig seyn würde, zu ihm zu gehen. Hie thaten sie ihren Fußfall, sie baten auf das demüthigste, seine Betrachtung ihrer Vortheile sich bewegen zu lassen, eine so geliebte Schwester, durch diese Ehe unglücklich zu machen. Sie wüßten mehr als zu wohl, ob sie schon selber niemals dergleichen sich verlauten lassen, daß ihr selbige nimmer angenehm seyn könne. Hier umarmte ihn der eine, der andre küßte ihn, und alle sahen ihn mit weinenden Augen an, und schienen die Antwort zu fürchten, die er auf ihr Ansuchen geben würde. Der zärtliche Vater bemerkte ein so seltsames Beispiel der Liebe unter Geschwistern, mit der grössesten Aufmerksamkeit: Entzückung und Erstaunen bemeisterten sich seiner um die Wette. Doch so angenehm ihm auch ein solcher Anblick war, so unterhielt ser selbigen doch nicht weiter, da sie sich dabei in so grosser Unruhe und Zweifel befanden. – Stehet auf, liebste Kinder, beste Kinder, rief er aus, und umarmte zugleich einen nach den andern; ihr hattet, was ihr wollet, bevor ihr mich noch gebeten habet. Euphrosyne so wenig, als ein anders von ihren Geschwistern soll jemals mein väterliches Ansehen zwingen, einer Person die Hand zu geben, wo nicht das Herz zuvor den Weg geahnet hat. Nichts gleicht der Freude, die diese Antwort bei ihnen hervor brachte, als das Vergnügen das Aristen ihre gegenseitige Zärtlichkeit gab. – Euphrosyne wußte ihre Dankbarkeit gegen ihn so wenig, als die Liebe gegen ihre Geschwister genugsam auszudrücken. Kurz, diese freundschaftliche Familie zeigte nichts als Umarmungen und Küsse, und Proben der höchsten unverstellten Zärt-lichkeit in Seelen, die völlig ruhig und mit einander zufrieden waren. Was heissen die grössesten Glücksgüter, und alles was damit verbunden ist, gegen die reinen und ungestörten Entrückungen, die uneigennützige Liebe und Freundschaft zwischen Blutsverwandten hervor bringen kann! Dieses Vergnügen können keine Worte schildern, -- kein Herz begreifen, das es nicht selber fühlet – Ein Vergnügen, das die Natur einflösset, die Vernunft bestätiget, das himmlisch und löblich bei Gott und Menschen ist! Doch ausser dieser Zufriedenheit, die wir in uns selber empfinden, und ausser der Hochachtung; die ein jeder vor uns haben muß, wenn wir mit unsern Verwandten in Eintracht leben, erfordert die Klugheit ein gleiches, sollte selbige auch in Erhaltung der eigennützigeren Absichten bestehen. Mich wundert, wie man sich selber die Augen verbinden und nicht einsehen kann, daß wir auf die Art auf böse Zeiten, und wo die Noth heran tritt, unverlierbare Schätze uns vorsparen können. Wenige Famlien sind in so hohem Grade unglücklich, daß kein einziges Glied derselben in guten Umständen sich befinden sollte. Wird hier nicht des einen Glück dem andern zum Vortheile seyn, wo bei allen ein gemeinschaftlicher Nutzen regieret. Unbekannte und unzähli-che Gefahren sind unter der schönsten und sanftesten Ebnen des Oceans in unserm Leben verborgen. Wer kann sich versprechen, wenn er auf dieses Wasser gehet, seine Reise sicher vor den Stürmen zu vollenden, die ihm von oben, und in der Tiefe und allenthalben zu drohen scheinen? Und wer wird nicht mit Vergnügen die Gelegenheit ergreiffen, sich bei Zeiten einer freundschaftlichen Barke zu versichern, die ihn samt dem Reste seiner zertrümmerten Güter, wenn ja ein Schiffbruch erfolgen sollte, retten kann? So bekannt es ist, was Sciurus that, so wenig wird selbiges zur Regel unsrer Handlungen angenommen. Dieser Mann, der eine zahlreiche Familie hatte, ließ auf seinem Todbette seine Kinder zu sich kommen; man mußte ihm ein Bund dünner Stecken geben; der älteste Sohn nahm es auf seinen Befehl in die Hand, und versuchte s zu brechen, allein dies war ihm nicht möglich. Der andre und dritte Bruder vermögte es eben so wenig, kurz, alle bemüheten sich vergebens ihre Stärke hiebei zu zeigen. Es ist unmöglich, sagte der eine, wenn wir sie nicht absondern sollen. Sie einzeln und einen nach den andern zu brechen, wird nicht die geringste Mühe erfördern. Eben so unmöglich wird es fallen, antwortete der Vater, euch zu schaden, so lange euch das Band der Liebe und Eintracht vereinigen wird. Ist dieses ein-mal getrennet, so verlieret sich zugleich eure Stärke, und ihr setzt euch in die Gefahr allen Kunstgriffen arglistiger Leute aufgeopfert zu werden. Liebe und Freundschaft, sag tman, gestatten nicht, daß die Herzen gar zu sehr getheilet werden. Sollen beide aufrichtig und ungezwungen seyn, so können sie nur zwischen zwo Personen bestehen. Soll ein Dritter Theil an selbigen nehmen, so trennet sich die Beobachtung der gemeinschaftlichen Vortheile, die ganz und unzertheilet bleiben sollten: sie wird geschwächet, und die gar zu mannigfaltigen Absichten bringen Unordnung und Verwirrungen zuwege. Ueberhaupt mag dieser Satz genugsam gegründet seyn, allein er betrifft gar nicht Verbindungen, die in Familien bestehen müssen. Junge Zweige eines Baumes schützen sich gegen rauhes Wetter desto besser, wo eine Menge derselben dicht und nahe durch einander wachsen. Es ist wunderlich, daß selbst die Ehre, die man darin sucht, daß man aus einer oder andern vornehmen Familie entsprossen ist, in solchen Fällen selten ihre Wirkung zeiget. Sollte diese uns nicht bewegen, Verwandten und Blutsfreunde, die in unglückliche Umstände gerathen, so zu unterstützen, als es ihrer Abkunft und dem Range der Familie anständig ist? Muß nicht alle Verachtung, der sie bei niederträchtigen Seelen ausgesetzet sind, in gleichem Grade auf uns selber fallen? Können wir diese Elenden nach Brodt gehen sehen, ohne zu bedenken, daß die Ehre und Hoheit des ganzen Stammes in diesen unglücklichen zweigen leiden muß? Ausserordentliche Bethörung! Was ist der Ursprung dieser gänzlichen Hintansetzung der Pflichten, die wir dem Schöpfer, uns selbe rund unsern Freunden schuldig sind? Was ist die so schädliche Zauberkraft, die sich der Seele bemeistert, die allen Grundsätzen der Religion, allen Trieben der Zärtlichkeit und des Mitleides, aller natürlichen Neigung gegen unser eigen Fleisch und Blut, so stark sie immer seyn mögen, den Zugang verschließt? Nichts als Schwelgerei und falsche Ehre, da man sich um die Wette bemühet, es einander sich in vergangenen Zeiten zum höchsten würde geschämet zu haben. Lucilie wird von einer nahen Verwandtin um einige Thaler angesprochen, die ihr ehedem an Stand und Gütern nicht ungleich war. Die Noth und das äußerste Elend treibt sie, zu Lucilien in diesen Umständen ihre Zuflucht zu nehmen. Lucilie, die ehedem vernünftige und tugendhafte Lucilie wegert ihr eine so geringe Gabe, besucht denselben Abend Gesellschaften und verlieret bei tausend Pistolen im Spiele, ohne sich die geringsten Gedanken darüber zu machen. Wie wunderbare Veränderungen bringet der Unterscheid der Zeiten hervor! – Noch vor wenigen Jahren hieß ein Spieler die verächtlichste Person, die man nennen konnte. Anjetzo sucht man ihre Gesellschaft vor allen andern. Um seinen guten Namen nicht zu verlieren, um bei andern in Ansehen zu bleiben, vermied man diesen Zeitvertreib auf das sorgfältigste, aber that es wenigstens so geheim, als immer mgölich war. Anjetzo weiß der nicht zu leben, der kein Liebhaber vam Spiel ist. Damals waren die Karten bloß ein Zeitvertreib in verdreißlichen Winternächten: nunmehro sind hierin alle Jahreszeiten einander gleich, und in allen zwölf Monaten kein Unterschied zu finden. Einige tausend Morgen Landes werden in manchen grossen Chocolathäusern andern in den Hals gejaget, ehe man noch zur Mittagstafel gehet. Leute, die sich vor andern im Spielen hervor zu thun suchten, und alle Kunstgriffe gebrauchten, waren damals unter den verhaßten Namen eines Betrügers bekannt. Alle Wohlgesittete mieden ihre Gesellschaft, wogegen sie die Höflichkeit der jetzigen Zeiten als grosse Kenner betrachtet, und ein jeder ihre Scharfsinnigkeit und Einsicht in die künstliche Spiele zu bewundern pfleget. Zu wissen, wie man seinem Gegner bei Fällen von der höchsten Wichtigkeit, als im Whist sich zu eräugnen pflegen, hintergehen kann, ist der nützlichste Theil unsrer heutigen Gelehrsamkeit geworden. (...) keit abzulegen die sonst mit weit grösserm Vergnügen zu ihrem Zeitvertreibe bei dem Nachttische einer Schönen, ihrem Aufputze zusehen, oder zu Hause auf dem Ruhebette ihres französischen Dieners Waldhörner zuhören würde. Wer will behaupten, daß sich hie die Natur in ihrer wahren Gestalt zeigte? – Die Laster verstellen sie, und wenn man diese ja einer andern Natur nennen will, so ist die Allgemeinheit und die starke Mode derselben der einzige Grund dazu – Würde die Natur uns wol jemals lehren, Gold aus der Tiefen hervor zu suchen, was wir mit unsern Händen aufgegraben haben, anzubeten, unsern Stolz und Ehre nach der geringern oder grössern Menge dieses glänzenden Rothes, den wir besitzen, abzumessen, und kurz allen guten Namen, Ruhm, und Tugend in Schätzen dieser Lust zu suchen? Freilich seit dem sich die Welt so ungemein verändert, und ihre wahre natürlich Gestalt fast gänzlich verloren hat, seit dem wir ohne dieses metall nicht mehr leben können, würde es gezwungen scheinen, wen wir es zu sehr verachten wolten. Doch an der andern Seite müssen wir eben so wenig der Lockungen des Geizes Gehör geben, noch selbiges durch schändliche und ärgerliche Mittel zu erwerben suchen. Sind wir einmal in den Besizt desselben gesetzet, so ist es nicht minder unerlaubt, es in Kleinigkeiten zu verschwenden, und gegen Dinge zu vertauschen, die unnöthig sind, und ohne welche wir vielleicht glücklich seyn würden. Erweget daß es euren Nachkommen eben so nothwendig als euch selber seyn wird, und sehed jede Ausschweifung als einen Diebstal an, dessen ihr euch bei ihnen schuldig machet. Wir pachten das gleichsam nur, als wir von unsern Vorfahren geerbet haben, und sollten es daher eben so unbeschädigt und in gleich guten Umständen zurückgeben, als es uns geliefert worden – Wir handeln gleich ungerecht wenn wir ohne Noth, und bloß um unsre unordentliche Begierde zu vergnügen, diejenigen Glücksgüter zerstreuen, die unser eigner Fleß erworben hat. Kinder, die Fleisch von unsern Fleisch sind, haben ihren Theil und ihr Recht an selbigen. Laß sie auch vor sich arbeiten, wie wir gethan haben, sagen viel, allein meinen Bedünken nach ist nichts unbereimter als dieses Sprichwort. Sind wir auch versichert, sie werden hiezu im Stande seyn? Tausend Zufälle können sich ereignen, und alle ihre Bemühung zu Grunde richten.Was vor ein Urtheil kann ein Sohn in solchen Umständen von seinem Vater fällen, der durch vorsetzliche Unmäßigkeit und Verschwendung diejenigen Hungers sterben läßt, denen er das Leben gegeben hat. Ich verlange nicht, man soll sich den nöth-igen Unterhalt versagen, oder seinen Nachkommen zu Gefallen sich der Vergnügung dieses Lebens berauben: nein. Nur ist in allen diesen Dingen ein güldnes Mittel zu erwählen. Kurz, man folge der Natur, man geniesse sein leben, und spare etwas zum Genuß derer, die nach uns kommen werden. Kein Zeitalter, keine Nation hat es den Engelländern in Unmäßigkeit und Verschwendung zuvor gethan. Der geringste und niedrigste könne in Malzeiten einen Heliogabul abgeben, und weniges Frauenzimmer würde sich bedenken, mit Kleopatren ganze Provinzen in einen einzigen Trunk zu schütten. In Kleidung scheint man nicht mehr auf den Wolstand, sondern auf die Kostbarkeit zu sehen. – Aller Unterscheid zwischen dem Adel und Lehrlingen in der Stadt, besteht oftmals nur darin, daß der letzte noch besser einen jungen Herrn vorzustellen weiß, als der erste. Goldene Stockknöpfe, Uhren, Ringe, Schnupftobackdosen, besetze Westren nehmen die Gelder hinweg, womit sie sich in ihren Handel setzen könnten, und ist nicht selten eine Vorsichtigkeit bei ihnen, ihren herrn um das Seine zu betriegen. Diesen halten vielleich tauch Lustbarkeiten und Zeitvertreib ab, eine gehörige Untersuchung anzustellen; ist die Tasse ledig, so borgt er seiner Eigen-liebe und seinem Hochmuth zu gefallen, bis er sich endlich auf einmal in Verachtung und ins Verderben stürzet. Auch unser eignes Geschlecht liebt einen prächtigen und lebhaften Putz in so hohen Grade, daß es kein Wunder ist, wenn Kaufmannsfrauen in diesem Puncte mehr Ausgaben zu Papier bringen, als ihre Männer in allen andern Stücken. Es ist wirklich zu verwundern, wie so viel, bloß um u zeigen, daß sie im Stande alle anzuschaffen sind, den vernünftigen Endzweck hiebei aus den Augen setzen, und statt artig und angenehm zu erscheinen, sich nicht scheuen in ihren Ausschweifungen eine ganz entgegen gesetzte Gestallt anzunehmen - Gold – und Silberstoffe, deren Lasten ein Frauenzimmer so schon mit mühe tragen kann, werden besetzt und noch schwerer gemacht: was vor ein Urtheil können wir von der Klugheit oder Einfalt derer fällen, die sich dergleichen nicht zu tagen schämen? Und pflegt nicht oft die nächst bei ihr wohnende Schöne in ungleich schlechterer Seide unendlich besser zu gefallen, als diese, die vielleicht, bloß um in einem kostbaren Putze zu erscheinen, ihres Ehemannes Gelder erschöpfet hat. Mit der grössesten Betrübniß mercke ich, daß diese falsche Zärtlichkeit in Speisen und Getränken, in kostbaren Putze der Zimmer und in allen Lustbarkeiten so stark unter uns zu herrschen pfleget. Die halbe Nation ist dadurch unglücklich gemacht, und Fremden, die Zeugen davon sind, werden wir zum Gelächter. So zeugte Geiz die Schwelgerei, diese bringt Verachtung zuwege, der die Armuth auf dem Fusse folgen muß. Vielen meiner Leser kann diese Materie, wie ich befürchte, gar nicht angenehm seyn. – Doch wenn ich nur so glücklich bin, bei wenigen Eindruck zu haben, und sie des Irrthums zu überführen, dessen sie schuldig gewesen sind, so wird mir die Blindheit der Blinden, die sich freiwillig die Augen verbunden haben, desto weniger ans Herze gehen. – Zeiten wie diese können nur durch scharfe beissende, nicht durch gelinde und balsamische Arzneien geheilet werden. Dies Gift hat sich schon zu stark bis in das innerste der allgemeinen Glückseligkeit ausgebreitet. Ein kühner Schnitt muß das angesteckte Glied vom Körper trennen, oder die übrigen Glieder stehen in unvermeidlicher Gefahr, durch dieses um sich greiffende Uebel verloren zu gehen. Man erzählet besondere fremde Begebenheiten, die sich mit einem gewissen Adulphus sollen zugetragen haben, und deren Wahrheit viele stark haben behaupten wollen. – Adulphus lebte bei einem jährlichen Einkommen von drei hundert Pfund glücklich und vergnügt, bis er einstmals währender Mittagsruhe in seinem Garten durch einen Traum darin gestöret wurde. Ein ehrwürdiger Greiß erschien ihm: „Adulphus, redete er ihn an, deine Aufrichtigkeit, deine Gastfreiheit und übrige Tugenden haben vom Himmel ihre Belohnungen zu erwarten. Heute übers Jahr und in eben dieser Stunde wirst du von meinen Händen eine Summe von dreißi8g tausend Pfund empfangen.“ Dieser Traum hatte einen starken Eindruck bei ihm: so bald er erwachte, setzte er ihn in seine Tafel nieder, und glaubte die Erfüllung desselben mit solcher Ueberzeugung, als ob ein Engel vom Himmel ihm die Versicherung davon gegeben hätte. Nunmehr überlegte er, wie er künftig leben, und auf was Art er diese Schätze gebrauche wollte. – Tausend stolze Vorstellungen füllten denselben Augenblick sein Gehirn an – Er betrachtete sein Wohnhaus; in seinen Augen war es alt, verfallen und vor einen Mann von künftigen Mitteln viel zu klein. Um keine Zeit zu verlieren, mußten bald darauf die Arbeitsleute kommen und ein ganz neu Gebäude nach dem schönsten Risse aufführen, den er selber entworfen hatte. Der Garte war bisher mit den nützlichsten Küchenkräutern und Pflanzen versehen: nun- mehr verwandelte sich selbiger in einen grossen halbrunden Vorplatz, und wurde mit einer Mauer umgeben, die oben mit vergüldeten Blumentöpfen ausgezieret war. Unter einem treflichen Balcon, ging man fünf Stuffen hoch u einer viereckigen Hallen, an allen Seiten ghundert und fünfzug Fuß lang, mit Cedernholze ausgeleget, und von zwölf Mamorseulen unterstützet, die nach Dorischer und Jonischer At sehr schön ausgeschnitten und mit den zierlichsten Knöpfen versehen waren. Die Decke war nicht minder prächtig: der Maler hatte hier den Orpheus vorgestellt, wo er von den wilden Bacchantinnen zerrissen wird. – An beiden Seiten kam man u einer reihe artiger Zimmer vor die Bedienten und zu andern Gerauche: etliche Schritte weiter sahe man zwei grosse Huapttreppen, eine an der rechten, die andere an der linken Seite, auf das bequemste angelet. Beide führten zu den zween Flügeln des Pallasts und u den Staats- und andern Zimmer. – Ueber den Balcon und der Halle war ein grosser Saal mit Fenstern an beiden Seiten, und dies machte, daß so wol der Vorplatz als der Garten hinter dem Hause auf das beste zugleich in sauge fiel. Dieser enthielt sieben grosse Abtheilungen in verschiednen Parterren, mit gehauenen Bildern und Springbrunnen ausgezieret. Am Ende verlohr sich selbiger in einer Wildniß: hier fand man einen Teich und verschiedene wolangelegte Grot-ten, wo man in der grössesten Sommerhitze die angenehmste Kühle in den Nachmittagsstunden geniessen konnte. Adulphus nahm eine Menge Arbeiter zugleich an, folglich kam das Gebäude bald zu Stande, und er mußte nunmer darauf sinnen, es gehörig auszuzieren – Sein guter Geschmack zeite sich hier allenthalben -- -ein jeder mußte gestehen, nichts könne vollständiger seyn: nur wußte man nicht, wie er auf einmal zu den Schätze gekommen, daß er ein so prächtiges und kostbares Gebäude aufrichten könnte, da sein Einkommen den umherwohnenden bekannt war. Man rechte die Unkosten nach und fand bei allem, was von dem alten Gebäude etwa noch mögte seyn zu gebrauchen gewesen, die summe müsse sich zum wenigsten auf zehen tausend Pfund belaufen. – Einige glaubten, er habe Schätze gefunden, andre er habe ins Geheim eine reiche Heirath gethan; andre mogten ihn wol gar eines Umganges mit bösen Geistern beschuldigen. So mannigfaltig und verschieden alle Muthmassungen waren, so wenig trafen sie die wahren Umstände. Man wußte im Lande nicht, daß er sein väterliches Erbtheil gegen ausgeliehen Summen zu Pfande gesetzt, um Marmor und Ceder und andere Kostbarkeiten anzuschaffen. Allen Künstlern und Arbeitern war ihre Bezahlung auf den Tag gewiesen, den der Traum zu seinem Glücke bestimmet hatte, und kein einziger war auch hiemit unzufrieden, da Adulphus bei jedem als ein Mann der stets mäßig und vernünftig gelebet, in guten Ansehen stand. Seine vertrautesten Freunde wußten dem ungeachtet nichts um das Geheimnhiß, daß ihm in seiner Einbildung ein so wunderbares Glück beschieden wäre. Wiewol ein jeder glaubte, er müsse seiner Gelder wegen unbekümmert seyn, so groß war die Munterheit und Zufriedenheit, die jederman bei ihm bemerket hatte. Endlich kam der Tag heran, nach dem er sich so sehr gesehnet. Aduphus ließ ein grosses Mahl anrichten: alle Verwandten und die vornehmsten Nachbaren wurden eingeladen, und in deren Gegenwart hatte er sich vorgenommen, alle Rechnungen abzuzahlen. Wofern ich mich nicht irre, war es um fünf Uhr Nachmittags, da er seine Schätze empfangen sollte: die Glocke schlug, er bat von der Gesellschaft Erlaubniß, sich auf etliche Augenblicke zu entfernen; er ging in sein Cabinet und war völlig versichert mit Lasten von Gelde zurück zu kommen. – Hier saß er eine Zeitlang in angenehmer Erwartung der geträumeten Dinge. Die Stunde ging vorüber, sein Herz schlug etwas unrichtiger als vorher; es wurde sechs, es wurde sieben Uhr, und sein Schutzengel, sein Abgesandter desselben hatte ihm bisher erscheinen wollten. Leute von seinem Feuer und von gleicher Lebhaftigkeit pflegeleicht so leicht der Verzweiffelung Gehör zu geben – Er entschuldgie seine fehlgeschlagene Hoffnung, und schmeichelte sich, daß die ganze Schuld dieses Ausschubes an ihm selber läge. Das Versprechen war im im Schlafe geschehen, im Schlafe dachte er auch nunmehro es erfüllet zu sehen. Vielleicht hätte nach seiner Meinung die Unruhe und das Getümmel im Hause diese dienstbaren Geister stören können, die die Einsamkeit und Stille lieben. Solche Einfälle hatten die Wirkung bei ihmn, daß er sich keinen Freunden eben so gesetzt und ruhig wieder zeigen konnte, als er von ihnen gegangen war. Er glaubte ische,r die künftige nacht das zu empfangen, wessen ihm bisher keine Unachtsamkeit bei Tage beraubet hatte. Seine Gläubeiger mußten die Entschuldigung annehmen, daß ihn ein gewisser Zufall hindere ehe als nächsten Morgen seine Schuld zu entrichten; falls sie sich denn einzustellen belieben woltlen, sollten sie ihrer Bezahlung gewiß seyn. Ein jeder ging ziemlich ruhig zu Hause und Adulphus rachte den übrigen Abend unter seinen Gästen eben so munter und aufgeweckt, als die vorigen Stunden zu. Doch dieses war unter seinen ruhigen Näch-ten die letzte. Er legte sich schlafen, allein seine angenehme Bilder stellten sich ihm vor: er erwachte, er nahm das Licht, das er im Camine hatte brennen lassen, und sahe rund im Zimmer umher, voller Hoffnung, die Gelder bereit zu finden; aber alles war in eben den Umständen, als er es gelassen hatte. – Er löschte das Licht aus, wenn vielleicht die Finsterniß und der Schatten ihm gewogener seyn sollten. – Kurz, nachher bemerkte er ein kleines Geräusch, und nunmehr glaubte er seine Wünsche gewiß erfüllet zu sehen. – Mit was vor Entzücken sprang er aus dem Bette, wie genau sucht er jeden Winkel durch, aber ohne etwas zu finden. – Er legte sich nochmals nieder und ist umsonst bemühet sich ruhig zu machen. --- Der Morgen kam heran, er wiederholte sein Suchen nochmals mit ungeduldigen Augen und bangschlagendem herzen; allein eben so vergebens wie zuvor. Alles was er sahe, waren Gemälde, Spiegel und andere Kostbarkeiten, die unbezahlt waren, und nur dazu dienten, ihm seine Thorheiten zu Gemüthe zu führen – Nunmehr fing er an vor den Folgen zu erzittern, die seine gar zu grosse Leichtgläubigkeit bei Träumen und Erscheinungen haben mögte. Noch war er unwillig, Dinge zu glauben, die so fürchterlich waren, und eine neue Hoffnung fing an ihm zu erscheinen. Es war freilich diesen Tag ein Jahr, da ihm das Versprechen geschehen, und selbiger war vergangen, ohne daß er einige Wirkung davon verspühret hatte. Doch er ermunterte sich, es sey nicht derselbe Tag in der Woche; diesen wollte er erwarten, der ihn allem Ansehen nach in bessere Umstände setzen würde. Er wagte es seinen Gläubigern zum zweitenmale die Bezahlung aufzuschieben, und sie auf bemeldeten Tage zu vertrösten. – Adulphus war nicht unbeliebt, und die Ueberzeugung und Dreistigkeit mit der er redete, machte, daß sie nochmals versprachen, sich zu gedulden. Sie kamen zum drittenmale, aber ihre Forderungen fanden kein Gehör: Adulphus wollte sie nicht sehen, er hatte sich in sein Zimmer verschlossen, und die Diener mußten seine Unpäßlichkeit vorwenden. Diese machte sie endlich unruhig, und einige die von Verpfändung seiner Güter etwas gehöret hatten, sannen auf andre Mittel, ehe alles verloren gehen würde, sich bezahlt zu machen. Man verfolgte ihn nunmehr gerichtlich, man bestellte Leute, die bereit seyn mußten, sich seiner Person zu versichern: doch Adulphus hielt sich so verborgen, daß alle ihre Bemühungen lange vergebens waren – Seine Freunde hörten hievon, und konnten nicht begreifen, was die Ursach dieses thörigten Verfahrens wäre. Sie kamen oft, um so wol ihn dieserwegen zu befragen, als ihm Hülfe anzubieten, und ihn, womöglich aus diesen Umständen heraus zu bringen. Doch keinen wollte er jemals vor sich lassen: Betrübniß, Scham und Verzweiffelung, daß er sich selbst so hintergangen hatte, die Ungerechtigkeit, die andern dadurch geschehen war, der unvermeidliche Ruin, der ihm alle Augenblicke bevorstund, alles dieses erlaubte ihm nicht, selbst diejenigen zu sehen, die ihm noch am geneigtesten waren. –Ja bei aller dieser Angst und Unruhe wäre es kaum zu verwundern gewesen, wenn er gewaltsame Hand hätte an sich legen sollen. Aller seiner Vorsichtigkeit ungeachtet, bemächtigte man sich endlich seiner Person, und brachte ihn in gefängliche Verwahrung. Seine Umstände wurden auf das genaueste untersuchet, und man fand, daß alle seine Güter verloren gegangen waren. Dennoch blieb es ein Geheimniß, was der Bewegungsgrund solcher Handlung bei einem Manne gewesen, der bis zu dieser unglücklichen Bethörung, sich in seinem ganzen Leben so klüglich und vernünftig aufgeführet hatte. Alle, denen er verwandt war, wurden hiedurch so gegen ihn aufgebracht, daß sie glaubten, er müsse gleich Anfangs des Vorhabens gewesen seyn, sie zu betriegen, und daß sie daher von keinem Vertrage und von keinem gütlichen Vergleiche etwas hören wollten. Adulphus war zu empfindlich keine Einfalt zu gesteheh, bis endlich jederman glaubte, er müsse seiner Sinnen nicht mächtig gewesen seyn. Dies brachte wirlcih eine Raserei bei ihm zuwege, und diese entdeckte, was bisher seine Schamhaftigkeit, so lange er noch einiger Ueberlegung fähig war, so sorgfältig verborgen hatte. Sein güldener Traum und dessen betrübte Folgen gaben nunmehr der ganzen Stadt Gelegenheit zu Gesprächen, und seine bittersten Feinde waren am mitleidigsten gegen ihn. Seine Freunde berathschlagen sich unter einander zu seinem Besten; der Pallast und alles kostbare Geräthe in selbigem wurde verkaufet; ein gleiches Schicksal hatten seine übrigen Güter, nachdem man das darauf geliehene Geld bezahlet hatte: und man befriedigte die Gläubiger so weit das Geld zureichen wollte. Endlich wurde Adulphus wieder in Freiheit gesetzet, allein in was vor Umständen? Entblösset von Geld und Hülfe, und ausser Stande im geringsten seinen Unterhalt zu verschaffen. Das beste, was man in diesem Elende bei ihm thun konnte, war ihn nach Bethlem zu bringen. Er kam in so weit genugsam wieder zu Verstande, das nach allen Umständen zu entdecken, was er vorher in seiner Unsinnigkeit nur abgebrochen, unvollkommen und Stückweise er-zählet. Auf diese wilde Verwirrung folgte eine tiefe Traurigkeit: er verlange niemals den Platz und die Gesellschaft zu verlasen, worin er sich nunmehr befand, und er starb nach einer abzehrenden Krankheit von einigen Monaten, als ein betrübtes Exempel derer, die in ihrer Hoffnung sich mit Dingen schmeicheln, welche weiter nirgends als in ihrem Gehirn anzutreffen sind. Ohne grosse Mühe wird man viele Engelländer finden, die ihm nicht wenig gleichen. Sollten alle diejenigen, die wie er auf eben so schlechten Grund gebauet haben, mit ihm als Wahnwitzige betrachtet werden, so wird man gewiß neuer Hospitäler benöthiget seyn und Bethlem in Moorfields nicht den tausenden Theil derselben fassen können. Ist es nicht erstaunlich, daß Leute mit dem zustande mißvergnügt sind, worin sie Gott und die Natur gesetzet hat? Diese Gemüthsunruhen wirken zum wenigsten die Helfte alles Unglücks, dem das menschliche Geschlecht unterworfen ist; -- Und dennoch wählt ein jeder von uns, der eine mehr, der andre weniger, seinen Theil davon – Ein jeder sehnt sich nach dem, was er nicht besitzet, und hindert sich selber an dem vergnügten Genusse dessen, was er in Händen hat. – Wir glaubne besser, als der Schöpfer selbst einzusehen, was zu unserm Besten dient; wir geben der Vorsicht eine Partheiligkeit in Austheilung ihrer Gaben Schuld. Was ist, ist recht, sagt der grosse Pope: ein Satz, dessen wir uns nur selten erinnern, und wovon wir die Warheit mit ihm kaum einsehen wollen, so sehr verliebt wir auch um seine Schriften sind. Alles dieses haben wir, wich ich oben schon erwehnt, der Thyrannei der bösen Neigungen und Leidenschaften und nicht der Natur zu danken, denen wir das Ruder in die Hände geben. Die Natur begnüget sich mit wenigen: sie sehnet sich niemals nach dem Ueberfluß. Was wir mit der heftigsten Begierde erjaget haben, ist uns nicht selten zum Unglück und zum Fluch gediehen. Oft habe ich dieses angemerket, und ich bin fast überzeuget, die meisten meiner Leser werden zu einer oder andern Zeit von dieser Warheit durch die Erfahrung in ihrem Leben überführet werden. Viele tausend in dieser grossen Hauptstadt wünschen mit der äusersten Hoffnung den Tod ihres Vaters, den Abschied der Mutter, eines ältern Bruders, oder eines Ehegatten. Nach wenigen Augenblicken finden sie in diesem Verluste das härteste Unglück, das sie hätte betreffen können. In den Nachstellungen die man unsern Geschlechte zu legen pfleget, berufe ich mich ins besondere auf die Erfahrung der Lasterhaften selbst. Ist bei ihnen nicht oft der Fehltritt einer vereheligten Schönheit, einer Tochter ihres Freundes, den sie verursachen, von weit schlimmeren Folgen gewesen, als die Unterdrückung ihrer Neigung seyn würde, wenn sie sich hätten überwinden können? Doch selbst in Absichten, die noch weit eher zu rechtfertigen sind, findet man öfters, es ist nicht so grausam, wenn uns dergleichen nicht gewähret wird, als wenn wir unsern Endzweck erhalten sollten. Die partheiische Gewogenheit eines Fürsten erhebet Achorsten zu den wichtigsten Aemtern in seinem Staate, dem die Geschicklichkeit fehlet, den ihm anvertrauten Geschäften ohne Verlust seiner Ehre ein Gnüge zu thun. Wie viel besser wäre es hie vor Achorst in seinen vorigen Umständen zu bleiben, und sich der Welt in diesem Stücke zu entziehen. Diese Erhöhung offenbaret seine Unwissenheit und Einfalt: er wird dem Witze der Satyre lächerlich, welche mit Vergnügen eine Gelegenheit ersieht, die Schwachheiten der Grossen verächtlich zu machen. Kurz, eine Sache mag uns die mit ihrem Besitz verknüpfte Glückseligkeit in der schönsten Gestalt vormalen, die nur möglich ist; der Genuß derselben kann uns dennoch elend machen. Die Ursach hievon liegt entweder in ihrem Wesen und in ihrer Beschaffenheit selbst, oder wir sind nicht fähig genug es zu dem gehörigen Gebrauche anzuwenden. Sehnet auch nicht zu ängstlich nach Dingen die euch zu reizen scheinen: Dies ist das einzige sichere Mittel, eine wahre Gemüthsruhe zu verlangen. Umsonst suchen wir selbige in dem Genuß der Dinge, die uns unsre Leidenschaften auf eine zeitlang als das höchste Gut vorzustellen pflegen. Einfältige, unsinnige Regeln! Werden einige sagen. Die Natur muß in Fühllosigkeit und Schlafsucht fallen, wo man sie so gleichgültig und unwirksam gewöhnen will, und wir selber werden nicht viel besser, als ein todtes Bildniß seyn. Sind uns nicht die Leidenschaften in der Absicht eingepflanzet, daß sie der Seele Stärke und Nachdruck geben, daß wir uns mit ihrer Hülfe durch edle und vortreffliche Handlungen in die Höhe schwingen sollen. Ohne sie gebohren zu seyn, oder sie gänzlich unterdrücken zu wollen, macht uns zu den kleinsten Pflichten ungeschickt, die wir Gott, unserm Vaterlande und uns selber schuldig bleiben. Alles dieses leugne ich nimmermehr, und wer das, was ich bisher behauptet habe, anders nehmen wollte, würde mir das höchste Unrecht thun. – Ich vertheidige nichts so sehr, als daß ein jeder in seinem Stande und Berufe sich bemüh-en soll es so hoch zu bringen, als uns möglich ist. Nur behaupte ich zugleich, niemand müsse diese Schranken übertreten; niemand müsse mehr auf Hoheit und Ehre, als auf die Mittel sehen, wodurch er beides zu erhalten denket. _- Man muß ehrbegierig genug seyn, alles zu ersinnen, das uns würdig macht, erhaben zu werden; nur soll uns keine Ehrsucht verleiten, in solcher Absicht über alle Schranken der Tugend auszuschweifen. Wer erlaubt es dem Soldaten, seinen Hauptmann in der Armee übern Haufen zu schiessen, um in dessen Stelle treten zu können? Aber wer wünscht nicht an der andern Seite, ein so tapfers Bezeigen bei ihm wahrzunehmen, daß ihn einer noch weit höheren Stelle würdig macht? Eine besonders unglückliche Neigung herrscht in den meisten Menschen: eine Neigung sage ich, denn ich weiß nicht, ob man es eine Leidenschaft nennen darf. Dies ist ein eitler Stolz, wen wir uns einbilden, mehr zu verdienen, als wir wirklich würdig sind. – Wo dieser nicht seinen Endzweck erreichet, da erzeuget er Murren und Unzufriedenheit mit denen, die uns das vorenthalten, dessen sie uns gewähren könnten. Wir schaffen und beneiden diejenigen, die das besitzen, was wir allein u verdienen glauben – Tausend niederträchtige Kunstgriffe werden uns eingeflösset die Hoffnung derer zu untergraben und sinkend zu machen, die das Glück günstiger als uns anzublicken scheinet. – Sehet einen Menschen dieser Art, der seiner Wünsche ist gewähret worden; es sind Zeichen genug, wodurch er sich zu erkennen giebt. Stolze Schritte, ein verachtes Schütteln mit dem Haupte gegen Geringere und Niedrige, ernsthafte und vornehme Minen gegen seines gleichen, sclavische Schmeichelei bei einem jeden, der nur das geringste zu seiner weiteren Erhöhung beitragen kann. Der Ehrsucht seines Menschen, kann man keine Schranken setzen. Ganze Heerden von solchen Geschöpfen sind alle Tage im Park, und bei Hofe, in den Opern und Schauspielhäusern anzutreffen. Wie verschiedene ist im Gegenhtheil die Gestalt derer, die durch eigne Verdienste erhoben sind! Leutselig und gesprächig gegen alle Geringere, freundschaftlich und gesellschaftlich gegen die so mit ihm eines Standes sind, ehrerbietig gegen Höhere, aber nicht weiter, als ihr Rang oder innerlichher Werth es erfordert. – Diesen macht sein Glück frölich, ohne seine Sitten zu verändern. Er vergißt seine vorigen Umstände so wenig, als seine alte Freunde, und glaubt bei aller Grösse nicht bloß seines Standes wegen erhabner und vornehmer zu seyn. Unglücklich sind wir, daß deren so wenig sind, deren Verdienste bei ihrer Bescheidenheit die schuldige Belohnung empfangen! doch nichts schreckt den Tugendhaften ab, den so löblich angefangenen Lauf zu vollenden: nicht diese Betrachtung, nicht tausend Hindernisse und verdrießliche Begebenheiten, die ihn oft in Erfüllung seiner Pflichten aufzuhalten suchen, nicht der wirkliche Besitz der Güter, die ihm seine vernünftige Aufspürung erworben hat. Die Tugend gefällt ihn; sie macht ihn unendlich ruhiger, als jener seyn kann, der durch unerlaubte Mittel den höchsten Gipfel seiner ehrsüchtigen Wünsche erreichet. Eine lange Kette von Heuchelei, von Verrätherei und Betrug, von verstellten Drohungen an einer, und eben so falshcer Freundschaft an der ander Seite, kurz, von allen Kunstgriffen einer boshaften List und Verschlagenheit hat den Zeuxis empor gehoben. Hiedurch hat er sich in einen Stand gedrungen, den ihm weder seine Geburth, noch seine Eigenschaften, noch die sehnlichen Wünsche seiner besten Freunde jemals versprechen konten. Aber mit was vor Elende kleidet ihn dieses vermeinte Grosse! Seine finstern Blicke und verzogene Stirn, entdecken die geheimen Gewissensbisse, die an seiner Seele nagen. Satt der Hochachtung, womit er sich geschmeichelt hat, findet er Verachtung. Die Ehrenstellen, die ihm ohne sein Verdienst anvertrauet sind, dienen bloß, ihm die Verachtung aller redlichen Leute, und dem Abscheu der geringern bloß. Doch verlasset diesen Anblick, wo sich Geiz und Ehrsucht in dem höchsten Grade verbunden zeigt; werft ein Auge auf den redlichen Timoleon, dessen unbefleckte Tugend dem höchsten Amte Ehre machen würde! Dennoch besitzt er nichts weiter als was ihm von seinen grossen Vorfahren angeerbet ist. Ohne dem Hofe zu schmeicheln, ohne jemanden für besondere Bewogenheiten verbunden zu seyn, scheinet die ihm angebohrne Grösse durch sein ganzes Bezeigen hervor. Der Werth eines unverletzten Gewissens, die innerliche Ruhe des Gemüthes lächelt in seinen Augen, und zwinget dem Zuschauer so Hochachtung als Liebe ab. Timoleon wird niemals genennet, ohne gesegnet zu werden: Liebe und Bewunderung bei Leuten von allem Stande geben ihm die wesentliche Hoheit, deren sich leere Titel, und alle Pracht des Hochmuts vergebens anmassen würden. Wer wird noch leugnen, Verdienst übertreffe den wirklichen Besitz der Güter aller Art? Wer wird noch Bedenken tragen, lieber Timoleon, als Zeuxis zu seyn, wenn man anderst den grossen Unterscheid zwischen beiden gehörig erwogen hat, bevor man in den Irrgängen der Lasterhaften sich so weit verliert, daß keine fernere Ausflüchte möglich sind? Doch es giebt wirklich eine Art Personen, denen es ihr Stolz nicht zulässet, andern verbunden zu seyn. – Es ist ihnen eine ehre die Gewogenheit andrer von sich zu stossen, sollten sie auch derselben höchstbedürftig seyn, und sie danken denen mit einem Zynischen Hochmuthe, die ihnen ihre Freundschaft anbieten wollen. Was Lobenswürdiges findet sich in dieser Art zu denken? Die Welt ist glücklich, daß solche Menschen der Gesellschaft nicht gefährlich sind, deren Handlungen bloß eine ausschweifende Großmuth und übertriebene Ehrsucht zum Grunde haben. So wenig sie sich selber glücklich machen können, so wenig werden sie andern schädlich seyn. Wir leben in einem so eigennützigen und gewinnsüchtigen Zeitalter, daß wir wirklich sehr wenige Beispiele hievon antreffen werden. Doch eine Begebenheit gehöret hieher, die sich neulich zugetragen, und die ich wegen ihrer auserordentlichen Umstände meinen Lesern mittheilen muß. Leolin stammte aus einer der besten Familien in Wales ab, von der er ansehnliche Güter zu erwarten hatte. Er war noch ziemlich jung, wie er gegen Elmiren die zärtlichste Neigung empfand, eine junge Schöne, der tausend sechs hundert Pfund an jährlichen Einkünften bestimmet waren. Er war in seinen Wünschen so glücklich, als er hoffen konnte. Leolin fand alle Reizungen des schönen Geschlechts in seiner Elmire, und Elmire hielt Leolinen allein ihrer Liebe werth. Beide Eltern waren alte vertraute Freunde, und billigten diese gegenseitige Leidenschaften. Leolin trat endlich in sein zwanzigstes Jahr, und Elmire in ihr sechszehntes, wie jene durch die äuserlichen Gebräuche die Verbindung zweier Herzen bekräftigen wollten, welche schon so lange vorher zwischen beiden bestanden hatte, bevor ihnen noch die Natur und der Endzweck im Lieben recht bekannt war. Der Ehevertag wurde schriftlich aufgesetzet, und man machte die besten Zubereitungen, das Hochzeitsfest so feierlich und ansehnlich zu machen, als nur geschehen konnte. Elmirens Vater hatte das Unglück vom Pferde u fallen, und ein Bein zu brechen, etwa zwei oder drei Tage vorher, da man die Zeit schon dazu bestimmet hatte. Der kalte Brand schlug dazu, und man sahe sich genöthiget es abzunehmen. Entweder die Wundärzte waren nicht geschickt genug, oder sein Eigensinn war die Ursache, daß man es nicht höher und über dem Knie absonderte; dies hatte schlechte Wirkung, denn er starb in vier und zwanzig Stunden, nachdem der Schnitt geschehen war. Die Glückseligkeit der Liebenden litte hiebei einen traurigen Aufschub. Elmire verlor einen Vater, die sie auf das zärtlichste liebte, und des-sen Liebe sie stets mit dem äusersten Gehorsam in der aufrichtigsten Hochachtung erwidert hatte. Wie konnte die tugendhafte, die vernünftige Elmire in diesen Umständen sofort, nach einem so unschätzbaren Verluste, alle Freude und Entzückung einer Verlobten empfinden? – Leolin wurde durch ihre Betrübniß nicht minder gerühret, und konnte daher die Verbindung nicht so stark beschleunigen, als sehnlich er sie gewünschet hatte. Sein Vater setzte die Regeln des Wolstandes eben so wenig aus den Augen, und noch empfindliche rührte ihn der Verlust eines alten vertrauten Freundes, der ihm durch den Tod entrissen worden. Er verlangte nichts so sehr, als das Band geknüpfet zu sehen; allein er glaubte zugleich, alle darin betroffene Personen würden eine desto ungestörtere Freude empfinden, wenn Zeit und Schicksal die noch gar zu tiefen Wunden in etwas würde geheilet haben. Die erste Trauer ging vorüber, Elmire erschien in neuer Kleidung etwas munterer als zuvor; der ungeduldige Leolin erinnerte sie dann und wann bei ihren neuen Reizungen an die alte Zusage; sie war schon halb willig, seine Sehnsucht zu befriedigen, allein ein zweiter Zufall hinderte diese Glückseligkeit nochmals, ein Unglück, das in seinen Folgen noch weit härter, als das erste war. Leolins Vater wurde plötzlich unpaß – ein starkes hitziges Fieber folge, und nahm ihn aus einigen Tagen aus der Welt. Doch so empfindlich auch diese Leolinen rühren mußte, so war es doch noch wenig gegen das zu rechnen, was ihn weiter traf. – Kaum war das Leichenbegängniß vorüber, so kamen ihm die Gerichtsbedienten ins Haus, und nahmen mit Gewalt von allen seinen Gütern Besitz. Der Verstorbene hätte, wie sie vorgaben, schon seit einigen Jahren, alles durch ein Geschenk an seines Brudern Sohn vermacht. Leolin war von Natur etwas heftig, er suchte Gewalt mit Gewalt zu verteiben, aber seine Bedienten waren ihnen bei weiten nicht gewachsen; -- er mußte seine Wohnung verlassen; er begab sich zu einem alten Freunde seins Vaters in der Nachbarschaft, dem er sein Unglück klagen, und dessen Rath und Hülfe er erwarten konnte. Dieser so wol als die vornehmsten Personen, die sich daherum aufhielten, riehten ihm seine Feinde gerichtlich zu verfolgen. – Es schien ihnen höchstunwahrscheinlich, daß ein Vater das Erbtheil seines einzigen Sohnes sollte weggeschenket haben; eines Sohnes, der ihn niemals beleidiget hatte, und der ihm stets so lieb und werth gewesen war. Amyntor, der ihm seine Güter aus den Händen zu reissen suchte, hatte indessen auch seine Gründe: und ich darf sie nicht übergehen, um diese Geheimnisvolle Begebenheit in ein desto grössers Licht zu setzen. – Leolin war kaum vier bis fünf Jahr alt, wie Camilla seine Mutter ihren Ehemann verließ. Sie flüchtete nach Frankreich in Gesellschaft ihres Buhlers, mit dem sie schon lange ein geheimes Verständnis unterhalten, und seiner lasterhaften Neigung das unschätzbareste Kleinod ihres Geschlechtes aufgeopfert hatte. Ein so augenscheinlicher Beweis ihrer Schande, machte wirklich Leolinens Vater zweiffelhaft, ob er ihn als seinen Sohn erkennen könnte. – Man brachte Zeugen, und diese schworen, sie hätten öfters aus seinem Munde die Betheuerung gehöret, Leolin, der Bastard, solle nimmermehr einen Fuß breit Landes von ihm zu ererben haben. Auf den Einwurf andrer, dies würde nicht in seiner Gewalt stehen, habe er versichert, solches unter gewissen Umständen schon möglich zu machen. Diese Umstände sollten nun durch den Schenkungsbrief an Amyntor zur Wirklichkeit gekommen seyn. Leolin war stets als Sohn und Erbe angesehen und geliebet worden; aber, sagte man, dies that der Vater um das Andenken des ihm angethanen Schimpfes, so lange er lebte, zu unterdrücken; er wollte der Mutter Laster an dem Sohne nicht eher rächen, bis er selber verschieden wäre. Kurz, nach langwierigen Streitigkeiten erfolgte das Endurtheil: Amyntor hatte seine Masregeln so wol genommen, da er Leolinen überwand, so warscheinlich auch seine Gegner einen ganz andern Ausgang hofften. – Die Richter hatten vielleicht etwas mitleiden mit seinem Stande, und bedaurten das Schicksal, das ihm ein so reiches Erbtheil aus den Händen riß. Aber alles was sie thaten war, daß ihm aus so vielen tausend ein jährliches Einkommen von zwei hundert Pfund zuerkennet wurde. Nicht wenige hielten diesen Ausspruch vor das höchste Unrecht: die Geschworenen Personen the Jury, die man wählt, und deren Meinung in der Stille im Gerichte abgehöret wird. selbst konten den Schluß kaum vor billig halten, den sie doch den Zeugnissen gemäß hatten fassen müssen. Jeder Eid war so deutlich und bestimmt, jede Aussage war mit solchen Umständen bekräftiget, daß das Gericht nach den Gesetzen unmöglich anders verfahren konnte. Leolin hatte so viel gute Eigenschaften, daß ihm selbige bei seinen Nachbaren so grosse Hochachtung als Liebe zuwege brachten. Diese erboten sich gegen ihn aus freundschaftlichste, ein jeder nöthigte ihn zu seiner Wohnung, allein es schien ihm unmöglich, dergleichen Einladung anzunehmen. Er mied den Umgang selbst seiner vertrautesten Freunde, er lebte in einem kleinen Landmannshause ganz eingezogen, und niemand konnte ihn bewegen, den Besuch von jemand anzunehmen. Sein Verfahren gegen Elmiren war so erstaunend, daß mich solches bewogen hat, gegenwärtige Nachrichten von seinen traurigen Begebenheiten dem Leser mitzutheilen. – So lange die Streitigkeiten daurten, und so lange er noch einige Hoffnung hatte, seine Feinde zu überwinden, war er fast beständig um sie. Suchte man an der einen Seite ihm das Recht seiner Geburth streitig zu machen, so fand er bei allem Kummer, den ihm diese Verfahren verursachen mußte, an der andern Seite eine beständige Zufriedenheit und Gemüthsruhe in Elmirens unveränderlich liebreichem Umgang, der alle sauren Blicke des Schicksals mehr als genugsam in Vergessenheit brachte. Aber denselben Augenblick, da er seine Sache verloren hatte, da er seinen Fall und sein Verderben gewiß vor Augen sahe, war keine Person in der Welt, die er mehr scheuete, als sie. Die Liebe und die so nahe Verbindung in die sie mit ihm treten sollte, überwanden ihre Bescheidenheit: sie glaubte, es sey nicht gegen den Wolstand, an ihn zu schreiben: sie bat sich in den zärtlichsten Ausdrücken, einen Besuch von ihm aus; sie betheurete, bei allem Wechsel seiner Umstände bleibe ihre Liebe unveränderlich, ihre Güter allein würden zum Unterhalt und zum Vergnügen beider hinlänglich seyn, und bot ihm diese mit ihrer Person als ein Geschenk an, daß sie seinen Verdiensten schuldig wäre. Aber nichts in der Welt konnte Leolinen bewegen, sie zu sehen: alle seine Leutseligkeit und Verbindlichkeit hatte sich in ein saures, mürrisches und verdrießliches Wesen verkehret: So wird ein grosser Geist durch Unglück stolz gemacht! Umsonst bemüthigte sich die kurz vorher so zärtlich geliebte, so sehr bewunderte und angebetete Elmire; umsonst bat sie ihn um alles, alles was in ihren Vermögen war, anzunehmen. Alle Proben ihrer Zärtlichkeit, ihrer beständigen und uneigennützigen Liebe vergrösserten nur sein Mißvergnügen. Ihre öftere Bemühungen schienen ihm ungestüm, und er suchte selbige durch ein Schreiben zu entgehen, das auf ihre vielen verbindlichen Zuschriften eine fremde Antwort war. Einer von Elmirens Freunden sahe es damals in ihren Händen und hat mir folgende Abschrift davon zugestellet: „Madame! Niemand glaube ich, ha jemals mit grösserer Aufrichtigkeit geliebet, und niemand hat sehnlicher wünschen können, auf ewig mit Ihnen verbunden zu seyn, als ich, so lange noch die geringste Hoffnung dazu dar, ohne uns auf beiden Seiten der Welt verächtlich zu machen. Ich bin versichert, das Elmire selber hievon vollkommen überzeuget ist, aber ich versichere auch an der andern Seite, meine Hochachtung gegen Elmiren erlaubt mir nicht, daß sie sich in Leolinen einen gemal erkaufen soll, so wenig als die Pflichten gegen mich selber es zugeben, daß ich mich den Gütern meine Gelebten auf eine knechtische Art unterwerfen kann. Wenn mich das Glück an meiner Seite nicht sehr erniedriget hätte, würde ich ganz andres verfahren müssen, aber bei den jetzigen Umstände muß ich Ihnen und mir selber alle fernere Unruhe und Mühe sparen. Elmire kann kein besser Mittel zu unser beider Zufriedenheit finden, als mein Andenken gänzlich aus dem Sinne zu schlagen, da mir alle Hoffnung benommen ist, wie ich mir in glücklichen Zeiten schmeichelte auf ewig der Ihre zu seyn. Leolin M.G. Noch diesen Augenblick verlasse ich den Ort meines bisherigen Aufenthaltes, niemanden in der Welt wird selbiger künftig bekannt werden, und es schlechterdings unmöglich seyn, mir Briefe zuzusenden. Mein redlicher Wirth, bei dem ich zeither gewesen, wird Ihnen auf meinen Befehl die drei hundert Pfund samt den zinsen bezahlen, die ich von Ihnen, wie Sie sich erinnern werden, zu Ausführung meiner unglücklichen Streitsache geliehen hatte. Ich wünsche Elmiren auf ewig wol zu leben, und versichere Sie, daß ich Ihr mehr Gutes als sie sich selber gönne.“ Ist dies der sonst grosse und so edel denkende Leolin, rief die arme Elmire – Wie hat ihn eine falsche und ungerechte Welt so sehr verändern können! Die Thränen fliegen ihr in die Augen, wie sie dieses Schreiben las; aber wie sie an die Nachricht kam, und der Ueberbriner ihr die drei hundert Pfund auszahlen wollte, verlohr sich ihre Geduld völlig. – Was vor niederträchtige Gedanken, sagte sie, hat Leolin von mir; und wie wenig kennt er seine Elmire! Wie, fügte sie endlich mit Unwillen hinzu, denket Leolin in mir eine Wucherin zu finden! Doch diese kleine Unzufriedenheit ging bald vorüber: Liebe und Freundschaft beruhigten sie, und flößten ihre andere Gedanken ein: Sie frug den Ueberbringer seins Briefes tausend Dinge, wie er sich in seinem Unglücke bezeiget hätte, sie beschwor ihn höchlich aufrichtig zu seyn; er wollte ihr entdecken, ob Leolin wirklich sein Haus verlassen habe, oder nicht, und welche Wege er in erstern Falle gereiset sey. Dieser antwortete in allen der Wahrheit der Sache gemäß. Niemals, sagte er, habe ich jemand in meinen Leben so verändert gesehen, da ich über dem völlig gewiß in, daß er bei den völligen Gebrauche seine Vernunft geblieben ist. – Kurz zuvor sandte er zu jemand um das ihm Zeit Lebens angewiesene Jahr Geld vor tausend Pfund loszuschlagen. Hievon bezahlte er zum Theil alle kleine Schulden, die er seit seinem Unfall machen müssen, und den kleinen Rest hat er mit sich genommen. Er gieng zu Pferde weg, wohin aber ist mir gänzlich unbekannt, da ich ihn nicht einmal bis an meine Gartenthür begleiten durfte. Elmire gerieth bei so verschiedenen Leidenschaften in eine so heftige Unruhe, daß sie ihm ausser allen Zweifel gefolget wäre, wenn sie seinen Aufenthalt nur hätte wissen können. Doch dieses fand sie unmöglich, alles was sie thun konnte, war, einen Bedienten nach dem andern zu Pferde auszusenden. Diesen gab sie kleine Briefe mi, und bat Leolinen, wenn er jemals zärtlich geliebet hätte, oder lieben könne, zu seiner Elmire zurück zu kehren, die er, wie sich selber durch die falschen Begriffe unglücklich machte, daß er bei dem jetzigen Unglücke sie verlassen müsse, weil es ihn allein betroffen habe. Die Bedienten wußten wie heftig Elmire lebe, wie leutselig und freigebig Leolin stets gegen sie gewesen war. Die Hochachtung die sie gegen beide hatten, machte, daß sie alle nur ersinnliche Mühe anwandten Leolinen aus zu finden. Aber alle Bemühungen waren vergebens: Leolin muthmaßte die Wirkung seines Schreibens; er war in seinen Entschluß unbeweglich, ehe alles zu leiden, als selbst seiner Geliebte in solchen Dingen die geringste Verbindlichkeit schuldig zu seyn, und nahm daher solche Beiwege, wo ihn niemand hätte vermuthen sollen. Er ging nach London, versahe sich mit allem was zum Feldzuge nöthig ist, und begab sich zur Armee, als Freiwilliger: So wenig achtete er nunmehr sein Leben, und so kühn und heftig war er zugleich von Natur, daß er den grössesten Gefahren entgegen lief, und unter so vielen andern Helden bei Dettingen das Leben verlohr. Ein alter Officier, ein ehemahliger Frund seines Vaters sahe und kannte ihn so gleich, wie er ins Lager kam. Er hörte seinen Unfall umständlich und erbot sich ihm zu allen möglichen Dien-sten an: aber Leolin verwarf auch hier alle Vortheile und bleib si in seinem letzten Augenblicke entschlossen, keinen, als sich selber, verbunden zu seyn. Dieser Officier kehrte nach geendigtem Feldzuge seines hohen Alters und seiner Wunden halber in sein Vaterland zurück; und so erhielt die untröstbare Elmire endlich Nachrichten, die sie sonst vielleicht nochjetzo vergeblich suchen müßte. So groß war ihr Unglück und so empfindlich ihr Betrübniß, seitdem sich Leolin von ihr entfernet hatte, daß die Nachricht von seinem Tode beides kaum verwehren konnte. – Nicht wenige suchten anjetzo ihre Gegenliebe zu erhalten, da sie in gegenwärtigen Umständen eher, als bei Leolinens Leben hofften; doch sein Tod gereichte ihnen hierin zu keinem Vortheil. – Leolinens Andenken war so stark, daß sich alle seine Nebenbuhler umsonst bemüheteten, es in Vergessenheit zu bringen. Leolin ist gleichsam durch den Tod an sie vermählet worden, und Leolinen soll Elmirens letzter Hauch geheiliget seyn. Bleibt er nicht noch der redliche, der brave, und verdiente Leolin: Und bewundern wir ihn nicht, wenn wir ihn auch gleich verdammen müssen? Eine übertriebene Tugend war der Ursprung seiner Fehler und Schwachheiten, wie wir bei einer genauen Untersuchung finden werden. Ein jeder mußte Leolinen des grössesten Mitleides würdigen, der bei seiner unglücklichen Standhaftigkeit ein Märtyrer wurde, wenn nur diese nicht zugleich Elmirens edelmüthiges und zärtliches Herze vewundert hätte. Liebe zur Freiheit und Haß, sich andern zu unterwerfen, schienen, seine Hauptneigungen gewesen zu seyn. Was hatte er von Elmirens vortrefflichen Eigenschaften zu fürchten? Dennoch war seinem grossen Geiste selbst die blosse Vorstellung unerträglich, ihr verbunden zu seyn, selbst die eingebildete Möglichkeit, daß sie vielleicht künftig ihn in solcher Gestalt betrachten mögte. – Wäre Elmire in seine unglückliche Umstände gerathen, hätte Leolin so viel Millionen besessen, als viel tausend ihm von Rechtswegen zukamen, mit den äussersten Vergnügen würde er diese zu Elmirens Füssen niedergeleget, und in ihre Willigkeit sie anzunehmen, sein grössestes Glück gefunden haben. In was vor einer Gestalt würde wir ihn in dem Rathe der Nation erblicken, wenn er jemals ein Mitglied desselben hätte werden sollen! O mögten tausend so edel denken wie Leolin! Nichts bessers als dieses, werde ich meinem Vaterlande aufrichtig wünschen können. – Seine grös-seste Schwachheit im Privatleben würde ihn in öffentlichen Aemtern unsern Zeiten durch die grössesten Vortheile unschätzbar, und der spätesten Nachwelt bei der Unsterblickeit seines Namens der höchsten Verehrung würdig machen. – Keine Schmeicheleien, keine Schätze, kein Ordensband, keine Erhöhung hatte bei seiner Tugend den geringsten Eindruck gefunden – Kühn die angeerbte Freiheit eines Engelländers zu unterstützen, würde er die ohne Verstellung seine Meinung eröffnet haben: Je kostbarer die Schmeichler bei Hofe sein Stillschweigen verkaufen wollen, je feuriger würde die Sache der Freiheit von ihm vertheidiget seyn. – Vielleicht wäre er zu kühn gewesen, und vielleicht hätte er zu seinem besondern Verdienste Anlaß gegeben die Habes Corpus Acte auf eine zeitlang aufzuheben. Doch was schadet diese? Was einigen wenigen und einzelnen Personen zum Nachtheil gereichen würd, e hätte an der andern Seite einen desto allgemeinern Nutzen gestifftet. Wie manches Auge wäre dadurch geöffnet worden, das sich selbst mehr durch Gleichgültigkeit, Kaltsinn und Wollust, als durch fremde Geschenke zu verblenden pfleget. Doch so eine zärtliche geliebte Schöne von sich zu stossen, Güter zu verwerfen, die ihn in den Stand setzen konten, seinem Vaterlande die nützlichsten Dienste zu erweisen, kann bei keinem lobenswürdig seyn. Der Himmel weiß es, und Leolin selber war nothwendig davon überzeuget, daß Engelland solcher Stützen mehr als zu viel bedarf. Wiewol seine Tugend und der Mangel an Erfahrung, da eine reife Ueberlegung noch nicht den gehörigen Eindruck machen kann, verdient vielleicht mehr Mitleid, als Tadel und Vorwurf. Wir beklagen mit der Republik den Verlust unsers Freundes, und seine Geschicklichkeit die den allgemeinen Nutzen auf eine so vortreffliche Art würde befördert haben. Aber werden auch die Jungen, die muntern beides Geschlechts ihm von Herzen vergeben können? – Bei solchen können jetzterwehnte Gründe nicht von gar besondern Gewichte seyn. Elmirens Schmerzen müssen sich ihnen mit weit grössern Nachdruck zeigen: Leolin wird als ein Wilder, als ein Barbar, erscheinen, der eine so aufrichtige Liebe und die äussersten Proben derseblen seinem Stolze und Hochmuthe aufopfern konnte. Es ist wahr, kein Verfahren hatte eine Absicht auf Elmiren grausame Folgen vor sie: dennoch kann ich Leolinen kaum unvertheidiget lassen. Eine Person von ganz entgegen gesetzten Eigenschaften wird das Gute, das sich bei ihm fand, am besten ins Licht setzen. Der Schatten und das Dunkle sollen hier das Licht desto besser hervorbringen, und von so geringem Werthe der ungeschliffne Demand auch scheinen mag, so hoch wird selbiger steigen, wenn man ihn mit geringen Steinen verglichen hat. Kleophil heißt bei der Welt die artigste Person, die man sich vorstellen kann: er ist lang, wolgestalt, schön gekleidet, munter und lebhaft, er tanzet vollkommen, er weiß tausend angenehme Historien zu erzählen, und die Gesellschaft vortrefflich zu unterhalten. Belise, die einzige Tochter eines vornehmen Handelsmanns wurde von ihm geliebet. Ihr allein wartete Kleophil insbesondere auf, so galant auch sonst kein bezeigen gegen alle Schönen überhaupt war, mit denen er sich in Gesellschaft fand. Niemand konnte seine getroffene Wahl tadeln: Belise hatte von ihrem Vater einen auserordentlichen Brautschatz zu erwarten, und zwei tausend Pfund erbte sie von ihrer Großmutter, welcher Summen sie sich nach eigenen Belieben bedienen konnte. Doch ihr Reichthum war die geringste Ursache, die Kleophilens günstige Aufnahme bei vielen andern seines Geschlechts beneidenswürdig machte. – Die tadelhaftesten ihres Geschlechts, und ihre grösseste Feindinnen mußten ihre Schönheit, Witz und Jugend, ihr wohlgeartetes Bezeigen und alle andere gute Eigenschaften unangetastet lassen, die ihr so viel Liebe als Hochachtung zuwege brachten. Und unter dem andern Geschlechte sahen wenige ihre Schön-heit, die nicht zugleich durch ihre Vollkommenheiten etwas mehr als eine blosse Bewunderung ihrer Person empfinden mußten. Keiner konnte dem äuserlichen Anschein nach heftiger und stärker lieben, als Kleophil: selbst ihre Ruhestunden machten ihn eifersüchtig, die ihm ihre Gegenwart entzogen, und manchesmal war er dreist genug, selbige durch Musiken und Serenaden zu stören, wovon er entweder wirklich, oder doch seinem Vorgeben nach, selbst der Urheber war. Belise war noch sehr jung; die Kunstgriffe und die Wankelmüthigkeit der Menschen waren ihr angenehm, sie glaubte alles, was er ihr vorsagte, und erwiederte seine Betheurungen so zärtlich und aufrichtig, als ihr möglich war. Kurz, nichts schien ihrer Glückseligkeit weiter zu fehlen, als Gerontes, ihres Vaters Einwilligung, und sie war zu tugendhaft, selbiger durch ihren Ungehorsam zuvor zu kommen. Gerontes machte sich von Kleophilne eine ganz andere Vorstellung als seine Tochter. Kleophil, dachte er, kann nicht so zärtlich lieben, als er vorgiebt, er ist gar zu eigennützig dazu. Seine durchdringende Scharfsichtigkeit entdeckte in ihm eine starke Selbstliebe in sehr hohen Masse, Hochmuth und Verstellung unter dem prächtigen Scheine der Ehre, der Großmuth und Zärtlichkeit. Die junge Belise zog ihn allen andern Liebhabern vor Gerontes konnte ihre Neigung nicht plötzlich ersticken, er suchte also das nur aufzuschieben, was mit seinem Willen niemals zu Stande kommen sollte. – Die wiederholten Verzögerungen einer Endantwort sollten nach seiner Meinung entweder Kleophilens Gedult ermüden, oder Belisens Augen eröffnen, und ihren Liebhaber in einer andern Gestalt zeigen, von dem sie jetzo noch gar zu vorteilhafte Gedanken hatte. – Er überlegte wirklich den Eigensinn der Jugend, wohin sich selbiger auch lenket; je mehr man sich ihr entgegensetzt, je hartnäckiger und blinder ist sie, wenn man sie überzeugen will. Belisens übrige gute Eigenschaften machten freilich eine Ausnahme dieser sonst fast allgemeinen Regel: doch Gerontes konnte nicht wissen, ob nicht die Heftigkeit ihrer Leidenschaft sie zu ganz andern und verschiedenen Handlungen zwingen mögte, als ihr andere und bessere Bewegungsgründe an die Hand geben würden. Er schien ihr weder zu widersprechen, noch völligen Beifall zu geben; und auf diese Art sollte sie selber das entdecken, was ihr sonst vielleicht kein Mensch in der Welt durch fremdes Ansehen hätte können glaublich machen. Gerontes hatte also von Kleophilen keine gar zu vortheilhafte Meinung; er kannte das menschliche Herz genug; er wußte, selbiges sey selten vermögend keine Betriegereien auf eine so lange Zeit anzuspielen, daß es sich nicht endlich durch etwas verrathen müsste. Alles dieses setzte ihn ausser Zweifel, auch hier werde ein gleiches geschehen. Es geschahe wirklich, aber auf eine solche Art, die er so wenig vorher gesehen, als befürchtet hatte. Gerontes hatte damals zwei Schiffe mit reicher Ladung zur See, deren Ankunft täglich erwartet wurde, allein statt dessen kam die traurige Zeitung, daß eines im Sturme gecheitert, und das andre von den Spaniern genommen wäre. Andre, wo ihm ein ansehnlicher Theil der Ladung zukam, hatten kein bessers Schicksal; kein Credit fiel und mit selbigen verlohr sich seine bisherige Lebhaftigkeit. --- Eine Rechnung lief nach der andern ein, bis er endlich nichts mehr bezahlen konnte: ein harter Stnad, der ihm bisher in seinem handle völlig unbekannt war.in solchen Umständen nöthigte ihn Belise ihre zwei tausend Pfund anzunehmen; allein er schlug dieses aus; Mag doch, sagte er, alles was ich noch zu Wasser erwarte, eben so leicht, als das andere verloren gehen. In solchem Falle wird mir dieses unmöglich einigen Vortheil bringen; und noch weit unglücklicher werde ich seyn, wenn ich bloß um mit auf eine kurze Zeit zu helfen, Belisen und mich zugleich in ein neues Unglück stürzen sollte. Die gehorsame auch zugleich zärtliche Belise konnte unmöglich hiemit zufrieden seyn, und sie bat ihn aufs inständigste, ihr Anerbieten nicht auszuschlagen. Endlich entdeckte Gerontes, wie man so viele und starke Forderungen an ihn thäte, daß kaum vier tausend Pfund keinen Credit so lange erhalten könten, bis er warscheinlich von Hamburg, aus der Türkei und von andern Plätzen, wohin er gehandelt hatte, Nachricht haben würde. – Hier that sie den Vorschlag, Kleophilen die Sache zu entdecken. Sie wußte, er hatte ansehnliche Gelder in der Bank, und zweiffelte nicht, er würde mit Freuden diese Gelegenheit ergreifen, seine Liebe und Hochachtung gegen ihrer Familie an den Tag zu legen. Gerontes antwortete mit einige Gleichgültigkeit und Kaltsinn: Thut Belise, wie ihr es für gut befindet: sollte Kleophil mich ihm hierin verbindlich machen, so werde ich die grösseste Sorgfalt anwenden, daß er nicht bei mir verlieren möge. Nicht, als ob er glaubte, Belise würde in ihren Ansuchen, das er ihr erlaubte, glücklich seyn, sondern weil er selbst wünschte, sie mögte einen Freund auf die Probe stellen, auf den sie bisher, so viel gebauet hatte. Sie erhielt seine Erlaubniß, sandte zu Kleophilen, und berichtete ihn wie er kam, in wenig Worten, wie ihr Vater anjetzo so und so viel an barem Gelde benöthiget wäre. Sie selberhabe nur die Helfte davon, und hoffte, daß er das übrige herschiessen würde. Belise bat ihn hierum mit der grössesten Freimüthigkeit und war in ihrer Einbildung völlig versichert, eine gewünschte Antwort zu erhalten. Sie sahe ihn nicht gar zu scharf in die Augen, wie sie ihren Antrag that, sonst würde sie eine nicht geringe Veränderung seines Gesichts bemerket haben. – Sonst pflegte er ihre Befehle auszurichten, doch diese Eilfertigkeit war hier vorbei, und Trägheit und Befremdniß an deren Stelle getreten. – Belise höre auf zu reden; Kleophil stellte sich, als ob ihm Gerontens Unfall ungemein zu Herzen ginge. Doch sagte er, „Gerontes ist bei jederman nicht wenig beliebt, und seine Gläubiger werden Geduld haben, bis er auswärtige Zeitung bekommt. Ich vor meiner Person wollte ihm lieber rathen, selbige auf die Probe zu stellen, als sich einer eilfertigen Bezahlung halben so grosse Unruhe zu machen.“ Diese Rede war ein Donnerschlag in ihren Ohren. „Wie, Kleophil, sagte sie, könt ihr seine Unruhe mißbilligen? Tadelt ihr ihn, daß er sich auf eine kurze Zeit dessen bediente, was seine einzige Tochter in Händen hat, und was ihm eine Person geben kann, die ihren Vorgeben nach nichts so sehnlich wünscht, als sein Sohn zu heissen? – Sicherlich, er hat ein Recht, alles zu verlangen, womit wir ihm nur dienen können! Freilich kann er dieses, erwiederte Kleophil auf eine gezwungene Art, und eine jede Gelegenheit ihm meine Verbindlichkeit zu bezeigen sollte mir höchstangenehm seyn, wen ich mich nicht um Unglücke gebunden hätte, unter keinem Vorwande und an keinen Menschen in der Welt die geringste Summe auszuleihen. Mein Vater forderte dieses auf seinem Todbette eidlich von mir; es würde mir unmöglich seyn, ihn zu brechen, und ich hoffte nicht, daß Belise jemals dergleichen verlangen wird. Nein, nimmermehr, antwortete sie in Betrübniß und Verzweifelung, auf mein Ansuchen soll Kleophil nimmer meineidig werden. – Er ist es schon genug in den falschen Schwüren, womit er mir eine so uneigennützige und unverletzliche Liebe betheuret hat. Er gab sich einige Mühe, sie von der Aufrichtigkeit derselben zu überführen; doch das geschahe in gemeinen Ausdrücken, in Worten, die auch ein falscher Liebhaber gegen seine Schöne nicht wol vermeiden kann, sie sahe diese mehr als zu deutlich und antwortete so darauf, wie es ihr anständig war. Kleophil hielt es nunmehr für höchst unwarscheinlich, daß ihr die Güter zufallen würden, die den Hauptgrund seiner Liebe gegen sie abgegeben hatten: es ging ihm also desto weniger nahe, daß seine Entschuldigungen nicht mehrern Eindruck fanden. Mit Scham, sagte Belise, erinnere ich mich, daß ich mich jemals euch vertrauet, und eine so gute Meinung von euch geheget habe. Kleophil, antwortete er, wird der unglücklichste Mensch seyn, wenn Belise ein so schlechtes Urtheil von ihm fällen sollte. Doch Stimme und Augen kamen so wenig mit seinen Worten überein, daß selbige einer Spötterei ähnlicher sahen, als einer ernsthaften Versicherung. Kurz, alle Freundschaft und aller Umgang zwischen beiden wurde unterbrochen; Sie nöthigte ihn alle Geschenke und alle Briefe zurück zu nehmen, die sie von ihm empfangen hatte, und er wußte gleichfalls diejenigen so bald als möglich wieder liefern, die ihm von ihr zugeschicket wor-den. Er nahm seinen Abschied, und zwar dem Scheine nach mit grosser Betrübniß und noch ferner mit Ehre, wie man ihn nannte, der artigste Mensch zu heissen. Doch sie sah keine treffliche Eigenschaften besser ein, er und mit ihm fast alle Personen seines Geschlechtes wurden durch diese Begebenheiten Belisen nicht wenig verhaßt gemacht. Ist nicht Leolinos Charakter liebenswürdig, wenn man ihn mit Kleophil verglichen hat? Ich berufe mich auf den Auspurch aller, die das Verfahren meines Helden am wenigsten entschuldigen wollten. Belise war freilich nicht so unglücklich als Elmire: das niederträchtige Bezeigen ihres Liebhabers entdeckte sich ihr bald, und löschte völlig alle gute Vorstellungen aus, die sie sich von ihm gemachet hatte. Doch Leolinens wahre Grösse erhielt Elmiren bei aller Zärtlichkeit; sie nahm an seinem ganzen Unfall Theil, und sein Andenken blieb ihr heilig, als er selbst nicht mehr unter den Lebendigen anzutreffen war. Belisens Vater schien nunmehr an seinem ganzen Unglücke nicht mehr zu zweifeln Wahrscheinlichkeit einiger Hülfe verloren zu seyn: doch die Vorsehung sandte dergleichen da man sie am allerwenigsten vermuthen konnte. – Einer von seinen Brüdern hatte sich eine geraume Zeit in Ostindien aufgehalten, und sich daselbst durch Mäßigung und Fleiß ansehnliche Güter ersparet, dieser starb ohne Kinder, und Gerontes war der Erbe aller seiner Reichthümer. Eben wolle man ihn vor Bankerott erklären, als diese Zeitung einlief, und wie in der Welt gewöhnlich ist, eine grosse Aenderung machte. Nunmehr waren ihm unzählige Summen zu Dienste: -- nun mehr war niemand in Eile seine Bezahlung zu erzählten: Allemachten, wie Timons Freunde in Slakefprais Schauspiele, Anmerkungen, wie sehr sie sich in ihrem Bezeigen gegen ihn geirret hätten, und suchten alles hervor, seine Freundschaft wieder zu erhalten, die sei billig auf ewig zu verlieren werth gewesen wären. Aber vor allem musste Kleophil seinem Schicksale fluchen. – Nunmehr hätte er alles gewaget, Belisens Gewogenheit wieder zu gewinnen. – bliese besaß grössere Güter, als vorher, und wurde daher auch stärker und heftiger als vorher von ihm angebetet. Er schreib, er ließ viel die sie besuchten vor sich bitten, -- er wandte eine Gemüthskrankheit vor, in die sie ihn gestürzet hättet, -- er brachte aus, daß er sich nicht selten, seit dem er nicht mehr vor sie kommen dürfen, das Leben hätte nehmen wollen. – Ale Listen und alle Kunstgriffe wurden versuchet, aber vergebens. Belise haßte ihn noch mehr, je verächtlicher die Mittel waren, wodurch er sie besänftigen wollte; noch weit mehr, als sie jemals seiner ver-meinten Verdienste wegen geliebet hatte. – Sie pries sich selbst ihres vorigen Elends halben glücklich, und entschloß sich fest, den Betheurungen seines einzigen ins künftige Glauben beizumessen, dessen Sitten und Eigenschaften ihr Vater nicht so scharf und genau auf die Probe gestellet hätte, daß sie von seiner Aufrichtigkeit und Treue völlig versichert wäre. Wie glückselige Wirkungen hatte nunmehr ihr kluges Bezeigen gegen jederman! – Der junge Kallistus liebte sie wirklich und in weit höherm Grade, als der unwürdige Kleophil vorgab, und übertraf diesen an Geburt und Gütern, nicht minder als an Verstande und Klugheit. – Gerontes fand in ihm einen würdigen Schwiegersohn, und Belise konnte ihr Herz dem tugendhaften Kallist nicht versagen, nachdem das Urtheil dessen, den sie hierin allein trauen wollte, sie von allen Irrthümern frei gesprochen hatte. Sie sind etwas über ein Jahr verheirathet, und Belise ist die Mutter eines Sohnes, mit dem alle beide ihre Zärtlichkeit getheilet haben. – Gerontes hat alle Güter und Gelder empfangen, die er von auswerts vermuthen war. – Alle leben bei einander und in vollkommenster Eintracht, wobei sie ihre gegenwärtige Glückseligkeit desto stärker empfinden, nachdem sie nunmehr über-luste ihrer Güter den Geschmack derselben erhöhet hat. Solche Begebenheiten und tausend andre gleicher Art, die sich täglich in der Welt zuzutragen pflegen, sollten uns alle Zufälle, denen wir von gegenwärtigen unterworfen sind, desto erträglicher machen. So lange wir uns auf dem Schauplatze dieses Lebens befinden, mögen wir noch immer hoffen, daß uns vielleicht ein besserer Auftritt beschieden sey. Wir lesen von einem alten Weltweisen, der bei allen widrigen Zufällen keine Freunde zu sich lud, ihnen auf die lebhafteste Art die Zeit vertreib, und in seinem Gemüthe so ruhig als glückselig zu seyn schien – Wenn an der andern Seite Begebenheiten vorfielen, wobei andre Glückwünsche erwarten mögten, so pflegte er sich in sein Zimmer zu verschliessen; er fastete, er weinte, und sein ganzes Bezeigen hatte Merkmale einer untröstlichen Betrübniß. Man frug ihn um die Ursachen einer Aufführung die dem ganzen menschlichen Geschlechte zu widersprechen schien. „Ihr wundert euch, sagte er, daß mich Widerwärtigkeiten munter machen, und glücklichere Zufälle niederschlagen können, aber ihr bedenket nicht, worin das Glück bestehe, oder ihr stellet euch das Wesen dieses unbeständigen Gottes unter ganz falschen Begriffen vor.“ Ist es nicht vergäng-lich ist es nicht beständig veränderlich und gewohnt, auf beiden Seiten von einem Uebermasse ins andre zu verfallen? – Wie kann ich denn bei den mir zugeworfenen Gütern vermeiden, in der äusersten Furcht zu seyn, daß gleich grosse Uebel darauf folgen werden? – und habe ich nicht Ursache genug, bei den sich zutragenden Widerwärtigkeiten mit Freuden eine Glückseligkeit zu erwarten, die von gleichem Grade ist? Freilich war die Art zu denken dieses Weltweisen fremd und auserordentlich; nicht unbillig kann man behaupten, er habe unserer Natur zu stark Gewalt angethan; doch überhaupt es zu betrachten, scheint es der Vernunft nicht ganz zuwider zu seyn. Mit Recht sagt Dryden: So betritt das Glück die Bühne, und verändert die Maschiene, Das im Wechsel, den es Macht, im Verschuß bald zürnt, bald lacht. Doch wir brauchen weder zum Eigensinn, noch zur Erdichtung unsere Zuflucht zu nehmen, Unfälle zu ertragen, worin die Vorsicht uns zu versetzen vor gut befindet; Erwegt vielmehr, daß eine geduldige Gelassenheit uns auf einen günstigern Wechsel desto gerechtere Ansprüche giebt. Zu verzweiffeln und den Muth sinken zu lassen, kann Gott und Menschen am allerwenigsten gefallen. In jenen setzen wir ein Mißtrauen, und diesen entziehen wir die Gefälligkeit, die wir der Gesellschaft schuldig sind. Kann auch wol etwas, wenn wir die Sache Recht erwegen, ungesitteter seyn, als eine Versammlung unaufgeräumt zu machen, sie sey auch beschaffen, wie sie wolle, wenn wir ihr die uns allein betreffende Unfälle traurig vorerzählen? Sie sind uns, und nur uns allein eigen: es ist eben so unerlaubt andern seine Schmerzen, als seine ansteckende Krankheiten mitzutheilen. Leute die im Klagen ihre Ruhe zu finden denken, haben wirklich den Fehler einer niederträchtigen und groben Eigenliebe. – Grosse Seelen wollen so wenig bedauert als verachtet werden, und ein edelmüthiger Geist wird sich niemals zwingen können, bei andern eine Traurigkeit zu erwecken, die natürlicher Weise Mitleid zu erzeugen pflegt. Doch nahe Blutsverwandtschaft, und das noch stärkere Bündniß, das unter Freunden besteht, fordern in allen Glücksfällen Hülfe und Beistand von uns. Wie würde es ein thörigter Hochmuth seyn, das Andenken derselben aus dem Sinn zu schlagen. Man würde uns mit Recht im Verdachte haben, daß uns diejenige Vertraulichkeit fehle, die der einzige Grund wahrer Gewogenheit ist, und wir würden unsere Kleinmüthigkeit und ein Mißtrauen in unsern Kräften verrathen. Wie viel besser ist es, alles zu versuchen, alles zu hoffen, und uns oft selbst mit unmöglichen Dingen zu schmeicheln, als diesen einen Platz in unsern Herzen einzuräumen? Es ist etwas in der Luft und Lage unsers Landes, sagen Fremde, daß uns diese unglückliche Neigung natürlicher, als andern Nationen macht; freiwillig mag die gar zu ofte Veränderung des Wetters, und die schwere auf uns druckende Luft in einigen Jahreszeiten nicht wenig hiezu beitragen. Aber ich befürchte nicht unrecht, man kann viele andre Ursachen angeben; wir selber sind vollkommen im Stande solche aus dem Wege zu räumen, und thun wir es nicht bald, so mögen die Anmerkungen und Urtheile der Ausländer in diesem Stücke schärfer ausfallen, als wir es vermuthen sind. Unser Himmelsstrich bleibt derselbe, als ehedem. – Unsre Lust ist nicht mit mehreren Dünsten angefüllet, noch der Wind veränderlicher, als etliche hundert Jahre zuvor: -- dennoch will ich die verflossenen Zeiten auffordern, und sehen, ob sie halb die Anzahl von Exempels der Zaghaftigkeit und Melancholie, als die jetzigen aufweisen können. Legt daher nicht alle Schuld so vieler unglücklichen Handlungen, von denen wir täglich hören müssen, auf die Elemente! Verringert nicht den Werth einer Gegend, die die grössesten Geister und tapfersten Helden hervorgebracht hat, deren sich eine Nation rühmen kann, und die noch jetzt und künftig dergleichen hervorzubringen vermögend ist. – Nicht die bösen Aspecten der Gestirne, nicht des Monds ungütliche Einflüsse haben solche Wirkungen bei uns. Die Ursache der Veränderung liegt in uns selber. – Wir sind von den Tugenden unsrer Vorfahren abgewichen, – wir arbeiten mit dem grössesten Eifer an unsern und an andern verderben. Was Wunder denn, wenn die Schreckensbilder eures bösen Geistes an der einen, so wie Verachtung und Elend in Armuth an der andern Seite, in Anmuth und Verzweifelung zu stürzen pflegen? Die tödtliche Quelle alles Unglücks, unter dessen Last wir seufzen müssen, ist dieses, daß wir den verderblichen Leidenschaften nachzuhangen pflegen, die wir in ihrer Geburt mit leichter Mühe ersticken könten. Wo diese einmal herangewachsen sind, da ist kein Entschluß vermögend genug, sie zu überwinden. Geiz und Ehrsucht, Verachtung und Hochmuth sind die Tyrannen unsrer Seelen; kein Rathgeber findet bei ihnen Gehör, keine Gewalt kann sie bändigen: die Vernunft muß ihnen den Thron einräumen, und bei den niederträchtigen Absichten ihr Sclave seyn. Wie unverantwortlich handeln also diejeni-ge, denen die Erziehung der Jugend anvertrauet ist, wenn sie Dinge von so grosser Wichtigkeit aus den Augen setzen, und den Abscheu gegen diese verderbliche Laster nicht bei Zeiten eingepräget haben! – Solche Pflichten kommen vornehmlich den Eltern zu, doch andre und nicht minder nöthige Geschäfte nehmen ihnen oft Zeit und Musse weg, selbig ein Acht zu nehmen. – Krankheit im Alter macht sie oft ungeschickt, oder eine tadelhafte Gleichgültigkeit unwillig dazu. Das geringste, was sie in solchen Umständen thun können, ist, daß sie Personen wählen, die solchen wichtigen Bemühungen gewachsen sind. Zwar wir werden wenige Leute vom Stande finden, die nicht ihre Kinder der Aufsicht solcher Personen anvertrauen, welche sie zu allem, was nur in der Mode ist geschickt und vollkommen machen. Es ist wahr, auch dieses ist nöthig, ihnen den Ruhm wolerzogenen Leuten zu geben, aber mit der wahren Ehre und einem guten Namen kann es in seine Vergleichung kommen. Nicht so wol die Fertigkeit in Sprachen, im Fechten, im Tanzen, noch die Wissenschaft in der Musik, oder eine vollkommene Kentniß der galanten Welt; als nöthige Tugenden und gute Sitten sind die Haupteigenschaften, worauf man bei der Wahl desselben sehen sollte. Ihr eigen Beispiel muß den Lehren ein Gewicht geben, wo sie selbst ein Exempel der Schönheit eines ordentlichen und tugendhaften Lebens sind, da wird der Untergebene solches nothwendig lieb gewinnen, und ihm nachahmen müssen. Ein junger Mensch könnte fast mit gleichem Vortheile sich selber gelassen seyn, als einem Aufseher folgen, der seinen Lastern schmeichelt, um sich ihm angenehm und beliebt zu machen sucht. Dies gibt ihm gleichsam einen Freibrief zu allen Unordnungen, deren Ausführung ihm in den Sinn kommen kann. Nur gar zu viel Exempel hievon finden sich unter denen, die mit außerordentlichen Kosten, zu ihrem vermeinten Nutzen auf Reisen gehen, und fast nichts, als die Hauptlaster fremder Nationen zurück zu bringen pflegen. Wenn doch nur Eltern von Stande sich Zeit nehmen wollten, zu überlegen, was der Name eines Hofmeisters bei der Jugend vor einen grossen Eindruck macht; alsdenn würden sie gewiß in der Wahl derselben weit behutsamer gehen. Die Begebenheiten des jungen und reichen Mercator sind noch bei jederman in frischem Andenken: sie können Fremden wol als jungen Reisenden, zur Warnung dienen, die Art zu leben und zu denken derjenigen nur gründlich zu untersuchen, deren Gesellschaft sie erwählen wollen. Mercator war der einzige Sohn eines sehr begüterten fremden Handelsmannes: er verlor seine Eltern in der zarten Kindheit, und stund nachher unter solchen Vormündern, von deren Aufrichtigkeit sein Vater viele Proben gehabt hatte. – Der junge Mercator fand eben so wenig Ursach zu klagen, in solcher Hoffnung betrogen zu werden. Sie nahmen sich seiner eben so zärtlich an, als ob er ihr eigner Sohn gewesen wäre; -- sie schickten ihn in die vornehmsten und besten Schulen, -- alle Lehrmeister mußten ihre Pflicht bei ihm ein vollkommtes Genge leisten; und wie alles gethan war, was man ihm durch eine Erziehung zu Hause geben konnte, fanden sie es nöthig, ihn zu seinem grössern Nutzen auf Reisen gehen zu lassen. Ihre einzige Sorgfalt war nunmehr, eine Person zu finden, die die gehörige Geschicklichkeit eines Hofmeisters besässe. Auch hierin sparten sie keine Mühe, und e3ndlihc wurde ihnen Palamon, eine Person angepriesen, die allen Schein der Mäßigkeit und Tugend an sich hatte. Palamon war schon vorher, in solchem Character auf Reisen gewesen, er verstund alle fremde Sprachen, und kannte alle Plätze, die der junge Mercator sehen wollte. Zu ihrem grossen Vergnügen glaubten sie an ihm eine Person zu finden, wie sie wünschen konten: und Mercator war noch mehr mit einem Führer zufrieden, der ihm, wie er überzeuget war, in seinen Lustbarkeiten nicht so enge Schranken setzen würde. Mercator war von Natur etwas verliebt: er unterhielt ein geheimes Verständnis mit einem Frauenzimmer, Mariane, wie ich sie nennen will; sie war nicht schön; dem ungeachtet und ob sie schon einen sehr bösen Namen hatte, liebte er sie ungemein. In demselben Hause wo dies übelberüchtigte Person, und andere ihres gleichen wohnten, war Mercator mit seinem nachmali-gen Hofmeister verschiedentlich in Gesellschaft gewesen. Palamon kam, zu seinem Verwundern, und nahm eine ganz andere Gestalt an, aber Mercator erinnerte sich bald, daß er mehr als eine Nacht mit ihm bei Trunk und Ueppigkeit vertrieben hatte. Kurz, beide verstunden sich gar bald mit einander; die Zeit der Abreise kam heran, und Palamon war zu gefällig, als daß Mercator auf seinen Befehl die Maitresse hätte zurück lassen sollen. Paris war der erste Platz, wo sie sich etwas aufhielten: unser junge Reisende wurde von der muntren Lebensart an diesem Orte so eingenommen, daß er gar nicht in Eile war, weiter zu gehen. Palamon merkte dieses, und wollte auch hierin zu Gefallen seyn; sie mietheten sich in einen grossen Gasthof, sie lebten so wollüstig als sie konten, und theilten mit einander alle wilde Lustbarkeiten, die sie nur ersinnen konten. So vertrieben sie die Stunden, auf eine ganz andre Art, als sie nach der Hoffnung der sorgfältigen Vormünder zu Hause hätte thun sollen. Fast ein Jahr verging mit solchem Zeitvertreibe: Mercator wurde plötzlich krank. Entweder seine Unordnung und ausschweifende Lebensart, oder noch geheimere Ursachen, waren Schuld hieran. Doch diese kann ich nicht bestimmen, und habe auch von andern seinen Grund dazu. Sein Gehirn wurde sonderlich in diesen Umständen angegriffen, so, daß er nicht selten an zu rasen fing. Wie er einst sehr stark in diesen Zufällen und seiner Sinne nicht mächtig war, sagt man, überredete ihn Palamon, zugleich nach einem Prediger und Natarius zu schicken. Jener verstand ihn mit Marianen, und dieser mußte ein Testament aufsetzen, worin ihr, als seiner Frau, unter diesem Namen und Titel die Summe von sechszig tausend Pfund verschrieben wurde. Die übrigen vierzig tausend, der Rest von seinen Gütern viel Palamon, seinem so geliebten Freunde und Aufseher zu; eine würdige Belohnung, daß er beides vor Mercatores Leib und Seele so grosse Sorge getragen hatte. So lautete sein letzter Wille: er unterzeichnete und bekräftigte ihn auf alle gehörige Art, in Gegenwart verschiedener Zeugen, Mercator starb gleich darauf in den unerträglichsten Schmerzen, nachdem er alles zeitliche aufgegeben, und Palamon alles von ihm erlanget, was er gewünschet hatte. Mariane und dieser theilten sich auf die Art in des unglücklichen Untergebenen Güter, gingen nachdem sich die Umstände so verändert hatten, nach Engelland zurück, und verheiratheten sich, so bald der Wolstand, den sie in ihrer jetzigen Hoheit auf eine gezwungene Art zu beobachten suchten, es erlauben wollte. Mercators Vormünder und Freunde untersuchten diese Sache mit aller möglichen Sorgfalt: doch die Umstände waren zu dunkel und die Muthmassung nicht gegründet genug, selbige vor Gericht anhängig zu machen. Wie verdrießlich muß es ihnen seyn, dies lasterhafte Paar in einer Kutsche mit sechsen fahren zu sehen, dessen Ruchlosigkeit alle Hindernisse so unerwartet überwunden hat! Ich kann wol nicht weiter Anmerkungen über so fremde Begebenheiten machen, da, wie ich schon gesagt habe, die Wahrheit der nähern Umstände davon noch im Finstern verborgen liegt. Was die künftigen Zeiten ans Licht bringen werden, weiß ich nicht: anjetzo mag scih ein jeder der Freiheit bedienen, so zu urtheilen, als es ihm die Beschaffenheit der Sache zu erfordern scheinet. Meine einzige Absicht bei Erzählung derselben ist, allen denen, welche junge Leute auf Reisen senden, ein Exempel zu geben, daß man nicht behutsam genug seyn kann, die Eigenschaften einer Person zu untersuchen, deren Aufsicht und Sorgfalt man die Jugend anvertrauen will. Ende des dritten Buches.