Graz, Universitätsbibliothek Ms. 1609

Metadaten

Ort: Graz, Styria, Austria

Repositorium: Universitätsbibliothek Karl-Franzens-Universität Graz

Idno: 1609

AltIdno: 34/8

Herkunft: ist nicht genau bestimmbar, vermutlich ein Benediktinerkloster, ev. Mondsee oder Tegernsee

Zeitliche Einordnung: 15. Jahrhundert, 1488 und 1451 als Daten in der Handschrift

Kodikologie

Objektbeschreibung

Blattanzahl: 469

Maße: 140mm, x 110mm

Buchblock: Der Buchblock besteht aus 38 Lagen, die zwischen fünf und neun Blatt Stärke aufweisen. Eine neuzeitliche durchlaufende Bleistiftfoliierung jeweils in der rechten oberen Ecke der Rectoseiten erleichtert heute die Orientierung innerhalb der Handschrift. (Kranich-Hofbauer 2003, 605)

Schreiber: 35 bis 40 verschiedene Schreiber

Sprache

Es handelt sich um eine Mischhandschrift, mittellateinische und frühneuhochdeutschsprachige Texte stehen unmittelbar nebeneinander. Von rund 940 Seiten Gesamtbestand sind ca. 216 Seiten, also schwach ein Viertel, lateinischer Text. Dieser begegnet in einzelnen Passagen, die als Gesamttext lateinisch abgefasst sind, wie z.B. die Teile der Benediktinerregel (fol. 30Qr-302v) oder ein Pesttraktat (fol. 264v-266v), aber auch immer wieder in rezeptartigen Einzeleinträgen, wobei hier Latein und Volkssprache in solchen "Rezept-Passagen" öfter unmittelbar vermischt nebeneinander stehen - und zwar sowohl im Sinne einer Abfolge von deutschen und lateinischen Rezepten als auch von lateinischen Einsprengseln, meist stehenden, formelartigen Wendungen oder auch Fachtermini, innerhalb eines Kurztextes. Ein müheloses und selbstverständliches Wechseln zwischen den Sprachen muss also sowohl dem Initiator der Handschrift als auch deren Benutzern möglich gewesen sein. (Kranich-Hofbauer 2003, 609)

Material und Zustand

Material der Blätter: Papier

Zustand: Der Buchblock lässt die einzelnen Lagen deutlich erkennen, der Schnitt ist nicht ganz exakt. Die Schnittfläche oben ist stark verschmutzt, was auf eine zumindest zeitweise stehende, oben offene Lagerung hinweist. Die Ecken der Einzelblätter sind oben und unten allesamt abgestoßen und erscheinen wie abgerundet. Sowohl Einband als auch Buchblock zeigen also starke Benutzungsspuren. (Kranich-Hofbauer 2003, 604)

Lagenbeschreibung

Formel: 2.V + 5.VI + IX + 2.VI + V +IV + 2.VI + V + (VI+3) + IX+ + 3.VI + V + VI + V + (Vl+1) + VII + VI + (VIII-1) + VIII-2) + 2.VI + (VIII-1) + 4.VI + (VI+1) + V + VI (Kiewisch 1994, 118)

Reklamanten: Wortreklamanten in mehreren Abschnitten gewährleisteten den korrekten Bindevorgang zusammengehöriger Lagen. Alle Lagen weisen ein für das Endformat mehr oder minder verträgliches Maß auf - nur bei den Lagen 22 und 31 entstand durch das buchbinderische Beschneiden geringfügiger Textverlust. (Kranich-Hofbauer 2003, 605)

Einband

Material des Einbands: Holzdeckel, Ledereinband, Pergamentrücken

Schließen: eine Messingschließe mit Lederband

Zustand: Die Holzdeckel sind mit braunem, heute fast schwarzem Kalbsleder bezogen. Die noch relativ gut erkennbaren Blindpressungen an der Vorderseite weisen mit allen Elementen auf eine Entstehung des Einbandes in der spätgotischen Zeit im süddeutschen Raum hin. Der Ledereinband des rückwärtigen Deckels ist so stark abgenutzt, dass von der geprägten, außen glatten Lederschicht kaum mehr etwas übrig ist und nur noch die inneren, raulederartigen Schichten den Holzdeckel umgeben. Die äußeren Ecken liegen allerdings bereits ganz frei. Zusammengehalten wurden die Deckel durch eine Messingschließe mit Lederband in der Mitte an der jeweils vorderen Kante. Das Lederband ist heute an der Deckelkante abgerissen. Beide Buchdeckel zeigen Spuren von Wurmfraß. (Kranich-Hofbauer 2003, 603)

Makulatur: Der Buchrücken besteht aus einem breiten Pergamentstreifen, der von einem Missale des 15. Jahrhunderts stammt. Auf dessen Innenseite ist allerdings ein bedrucktes Papierblatt zur Verstärkung kaschiert, auf dem unter anderem noch deutlich "kayser Carolas VI. zu Wien" zu lesen ist - der Buchrücken wurde also höchstwahrscheinlich im 18. Jahrhundert restauriert. Seither ersetzt der Pergamentrücken wohl den ehemals braunen Lederrücken. (Kranich-Hofbauer 2003, 603-604)

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"Vorderdeckel des Codex Ms 1609" by UB Graz
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"Rückendeckel des Codex Ms 1609" by UB Graz

Geschichte

Herkunft

Eindeutige Vorbesitzeinträge sind in der Handschrift nicht aufzufinden, lediglich die UB Graz hat ihre unübersehbaren Spuren in Form der Eintragung der alten Signatur 34/8 am vorderen Spiegelblatt und der beiden Bibliotheksstempel vorne und hinten hinterlassen.

Die Handschrift selbst gibt zwei vordergründige Anhaltspunkte: Auf fol. 250v findet sich der Eintrag Missa a M(a)g(ist)ro Michaele schrikh pro fratrib(us) In Tegennsee (sic!). Auf fol. 373r steht eine zweite Zueignung: p(ro) f(rat)re Georgio ortolano in Monsee Ex f(rat)re Cristanno in Teg(e)rnsee p(ro)fesso. Bemerkenswert ist, dass die Ortsangabe in Monsee rasiert wurde und nur mehr mit Hilfe der UV-Lampe, dann aber ganz eindeutig, zu sehen ist. Alle weiteren Personennennungen sind für eine Provenienzbestimmung von vornherein als nicht nutzbar anzusehen, denn sie gehören eher zum Typ der Quellennennung - wie z.B. fol. 279r : Tractat des Wiener Doctors Johannes Rock oder fol. 275v: Disz ist ein regime(n) meyst(er) appollonie zu meneze vor die pestile(n)cie. Doch auch die beiden Widmungsaussagen bringen uns nicht wirklich auf eine heiße Spur. Einzig die Nennung von Tegernsee und Mondsee - beides Benediktinerklöster im süddeutsch-österreichischen Raum - macht klar, dass der Bezugspunkt "Kloster" in der Verortung der Handschrift eine maßgebliche Rolle spielen muss. (Kranich-Hofbauer 2003, 606).

Doch in Monsee ist rasiert - also aus irgendeinem Grund getilgt - und Tegernsee wird, neben der Nennung als Namenbestandteil auf fol. 373r in der Überschrift zu einem Sendschreiben des Michael Schrikh genannt, welches durchaus auch als Abschrift in die Handschrift aufgenommen worden sein kann. Dies gilt eventuell genauso für die Ausführungen des Bruders Christian von Tegernsee für Bruder Georg, den Gärtner von Mondsee. Aber auch wenn beide Teile hier original eingetragen sind, haben die genannten Personen- und Ortsnamen nur eben für diese Teile Aussagewert, - eine Überlegung, die alle Ortsnamennennungen für eine räumliche Zuordnung des Ms. 1609 in seiner Gesamtheit irrelevant werden lässt. Die Handschrift befindet sich heute in der Universitätsbibliothek in Graz. Diese nahm einerseits die Bestände der alten Grazer Jesuitenuniversität und andererseits die Bibliotheken der in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts - im Zuge der Säkularisation - aufgelösten Klöster der Steiermark in sich auf. Eine Einreihung in die Bestände der UBG zu diesem Zeitpunkt und damit verbunden eine Provenienz aus einem dieser Klöster ist plausibel; ein irregulärer Besitzgang zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt ist aber genauso wenig auszuschließen. (Kranich-Hofbauer 2003, 610)

Name: Mondseer Koch- und Haushaltsbuch

Art: Gebrauchshandschrift

Erwerb: Übernahme durch Universitätsbibliothek Graz

Signaturen: Stempel der UB Graz 1v gleichzeitig Spiegel vorne, Seiten Mitte SPv Seiten Mitte

Quellen

Kiewisch, Susanne. Obstbau und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften des 14. und 15 Jahrhunderts. In: Würzburger medizinhistorische Forschung. Band 57. 1994. S.118

Kranich-Hofbauer, Karin. Zusammengesetzte Handschriften - Sammelhandschriften. Materialität - Kodikologie - Editorik. In: editio. Band 32. Materialität in der Editionswissenschaft Hrsg. Martin Schubert. 2010. S. 309-322.

Kranich-Hofbauer, Karin. Die Suche nach der Ordnung im Chaos Textallianzen in der Grazer Handschrift 1609. In: Textsortentypologien und Textallianzen von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Akten zum Internationalen Kongress in Berlin 21. bis 25. Mai 2003. S. 601-624.

Inhalt:

Zitierempfehlung

Kodikologie. In: Mittelalterlabor. Transkription der Handschrift Graz, UB, Ms. 1609. Unter Mitarb. v. Astrid Böhm, Karin Kranich u. Elisabeth Raunig hrsg. v. Helmut W. Klug. April 2019. hdl.handle.net/11471/521.60 (GAMS. 521.60.)