Über Robert Musils Bücher: Twilight Zones Edition Musil Robert TEI encoding Schöfberger, Riccardo data modeling Scholger, Martina text compilation, text analysis Knaller, Susanne text compilation, text analysis Moebius, Stephan text editing, text correction Huber, Mario text editing, text correction Pachner, Marie-Therese digital implementation Stüger, Marie Twilight Zones Knaller, Susanne Moebius, Stephan Scholger, Martina Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System 2020 Graz o:liminal.musil.1955 context:liminal.texts Über Robert Musils Bücher <title type="main">Tagebücher, Aphorismen, Essays und Reden Gesammelte Werke in Einzelausgaben Musil Robert Frisé Adolf 1955 Reinbek bei Hamburg Rowohlt Musil, Robert. “Über Robert Musils Bücher (anonym).” Der Lose Vogel. Januar 1913. [pages missing] Domains literature sciences literary critique Frame body and psyche literature and art scene Genre dialogue parabel Mode scenic Transgression literature/essay German Initial TEI encoding TEI encoding Terms Genre novel novella Tools language Fields sciences natural sciences arts literature art literat Techniques Styles programmatic ironic metaphoric Intertextual Patterns names works Concepts Author Roles observer of everyday life Emotions observation of emotions Genre and Forms open forms Norms tradition Reality life Me/We-Relation self-awareness gender Frame and Location body and psyche
Über Robert Musils Bücher [1913]

Gehirn dieses Dichters: Ich rutschte eilig die fünfte Windung in der Gegend des dritten Hügels hinunter. Die Zeit drängte. Die Großhirnmassen wölbten sich grau und unergründlich wie fremde Gebirge am Abend. Über die Gegend des verlängerten Marks kam schon Nacht herauf, Edelsteinfarben, Kolibrifarben, leuchtende Blumen, verstreute Wohlgerüche, Laute ohne Zusammenhang. Ich gestand mir, daß ich bald diesen Kopf verlassen müsse, wenn ich mich nicht einer Indiskretion schuldig machen wolle.

So ließ ich mich nur noch einmal nieder, um meine Eindrücke zusammenzufassen. Rechts von mir lag die Stelle der Verwirrungen des Zöglings Törleß, sie war schon eingesunken und mit grauer Rinde überwachsen; zu meiner andern Seite hatte ich die kleine, seltsam intarsierte Doppelpyramide der Vereinigungen. Eigensinnig kahl in der Linie, glich sie, von einer engen Bilderschrift bedeckt, dem Mal einer unbekannten Gottheit, in dem ein unverständliches Volk die Erinnerungszeichen an unverständliche Gefühle zusammengetragen und aufgeschichtet hat. Europäische Kunst ist das nicht, gab ich zu, aber was täte es.

Ein verspäteter Literaturgeologe gesellte sich da zu mir; es war ein nicht unsympathischer junger Mann der neuen Schule, der – von der Ermüdung des enttäuschten Touristen befallen – das Gesicht mit dem Taschentuch kühlte und ein Gespräch begann. »Unerfreuliche Gegend«, meinte er; ich zögerte mit der Antwort. Aber er hatte kaum wieder zu sprechen begonnen, als wir durch einen Schriftstellerkollegen unseres Gastherrn unterbrochen wurden, der sich in Hemdsärmeln krachend neben uns niederwarf. Ich sah nur noch ein glückliches Lächeln in einem faustgestützten Gesicht glänzen, während der Mensch, ein Anblick tintenfrischer Gesundheit und Kraft, unser Gespräch schon dort aufnahm, wo er es gestört hatte. Von Zeit zu Zeit spuckte er dabei vor sich in eine kleine zarte Falte der Musilschen Hirnrinde und verrieb es mit dem Fuße.

»Enttäuscht?!« schrie er uns an, und seine Worte sprangen den Hügel hinunter, »was hatten Sie sich eigentlich erwartet?! Mich konnte es nicht enttäuschen. An dieser Sache da«, – er wies mit dem Daumen nach den Verwirrungen – »ist ja manches talentvoll. Aber schon da stieg Musil schließlich doch nur in die unmaßgebliche Frage eines Sechzehnjährigen hinab und erwies einer Episode unverständlich viel Ehre, die mit Erwachsenen wenig zu tun hat. In den Vereinigungen aber ist die Freude am Verbohren ins Psychologische ...«

Mir war, als müsse ich diesen Einwand schon kennen, vielleicht mochte ich ihn irgendwo gelesen haben; es drängte sich mir eine Antwort von früher her auf und ich unterbrach seine Rede. »Der Sechzehnjährige«, meinte ich, »ist eine List. Verhältnismäßig einfaches und darum bildsames Material für die Gestaltung von seelischen Zusammenhängen, die im Erwachsenen durch zuviel andres kompliziert sind, was hier ausgeschaltet bleibt. Ein Zustand hemmungsschwacher Reagibilität. Aber die Darstellung eines Unfertigen, Versuchenden und Versuchten ist natürlich nicht selbst das Problem, sondern bloß Mittel, um das zu gestalten oder anzudeuten, was in diesem Unfertigen unfertig ist. Sie und alle Psychologie in der Kunst ist nur der Wagen, in dem man fährt; wenn Sie von den Absichten dieses Dichters nur die Psychologie sehen, haben Sie also die Landschaft im Wagen gesucht.«

«Oh», meinte der Literaturgeologe, während er mit seinem Hämmerchen ein Stück Gehirn ausbrach, es auf der Hand zermahlte, ernsthaft anblickte und dann wegblies, »dieser Dichter hat manchmal zu wenig Schilderungskraft.« »Nein«, lächelte ich erzürnt, »wenig Schilderungsabsicht!« »Aber, ich bitte Sie«, machte der Geologe, »ich kenne so viele Dichter.«

Ich wollte schweigen. Man kann feste Vorurteile, die die Zeit vom Dichten hat, nicht in einem Einzelfall korrigieren. Wenn Musil mit Strenge Bedürfnisse erfüllt, bevor sie noch erweckt sind, soll er selbst damit fertig werden. Aber da hatte ich ein seltsames Erlebnis. Dieses Gehirn, auf dem wir saßen, schien sich für unser Gespräch interessiert zu haben. Ich hörte es plötzlich leise und mit gezackt pulsierenden Vokalen, woran wohl die Leitung durch meine Wirbelsäule Schuld tragen mußte, mir etwas ins Kreuzbein flüstern. Es strebte mir im Rücken empor und ich mußte es aussprechen. »Es ist«, wiederholte ich, solcherart geschoben, »die Realität, die man schildert, stets nur ein Vorwand. Irgendwann mag ja vielleicht das Erzählen einfach eines starken begriffsarmen Menschen reaktives Nocheinmalbetasten guter und schrecklicher Geister von Erlebnissen gewesen sein, unter deren Erinnerung sein Gedächtnis sich noch krümmte, Zauber des Aussprechens, Wiederholens, Besprechens und dadurch Entkräftens. Aber seit dem Beginn des Romans halten wir nun schon bei einem Begriff des Erzählens, der daher kommt. Und die Entwicklung will, daß die Schilderung der Realität endlich zum dienenden Mittel des begriffsstarken Menschen werde, mit dessen Hilfe er sich an Gefühlserkenntnisse und Denkerschütterungen heranschleicht, die allgemein und in Begriffen nicht, sondern nur im Flimmern des Einzelfalls vielleicht: die nicht mit dem vollen rationalen und bürgerlich geschäftsfähigen Menschen, sondern mit weniger konsolidierten, aber darüber hinausragenden Teilen zu erfassen sind. Ich behaupte, daß Musil solche erfaßt – und nicht bloß andeutet oder ahnt – aber man muß wissen, was einem Dichtung soll, bevor man sich darüber streitet, ob gut gedichtet werde.« »Gut«, flüsterte das Gehirn, »gut.«

Aber der Geologe hatte die Antwort bereit. »Nicht die Spekulation, sondern die Lebendigkeit ist die entscheidende Eigenschaft des Dichters. Denken Sie bloß an unsre wirklich großen Erzähler. Sie schildern. Einzig eine kunstvolle Optik formt die Antwort; die Meinung, das Denken des Künstlers drängt sich nirgends zwischen das Geschehen selbst, liegt sozusagen nicht in der Bildebene, sondern wird bloß als deren perspektivischer Fluchtpunkt fühlbar«. Das Gehirn unter mir brummte, daß die Lebendigkeit, in Ehren, schließlich doch nur ein Mittel und nicht der Zweck der Kunst sei. »Man kann«, entäußerte ich das weiter, »einmal das Bedürfnis haben, mehr und Genaueres zu sagen, als mit solchen Mitteln möglich ist. Dann formt man ein neues. Kunst ist ein Mittleres zwischen Begrifflichkeit und Konkretheit. Gewöhnlich erzählt man in Handlungen und die Bedeutungen liegen neblig am Horizont. Oder sie liegen klar, dann waren sie schon mehr als halb bekannt. Kann man da nicht versuchen, ungeduldig einmal mehr den sachlichen Zusammenhang der Gefühle und Gedanken, um die es sich handelt, auszubreiten und nur das, was sich nicht mehr mit Worten allein sagen läßt, durch jenen vibrierenden Dunst fremder Leiber anzudeuten, der über einer Handlung lagert? Ich meine, man hat damit bloß das Verhältnis einer technischen Mischung verkehrt und man müßte das ansehen wie ein Ingenieur. Sie aber, der Sie das Spekulation nennen, überschätzen die Schwierigkeit des Menschenschilderns, – ein paar Fleckchen genügen, je bekanntere, desto besser. Jene Dichter, die auf die komplette Lebendigkeit ihrer Gestalten so großen Wert legen, gleichen jenem etwas umständlichen lieben Gott der Theologen, der den Menschen einen freien Willen verleiht, damit sie ihm den seinen tun. Denn die Personen im Buche werden ja doch nur geschaffen, um Gefühle, Gedanken und andere menschliche Werte in sie hineinzulegen, die man mit der Handlung wieder aus ihnen herauszieht.«

Hier aber entglitt mir das Wort und ging an den gesunden Schriftstellerkollegen über. »Mag dem sein, wie es will«, entschied er, »es ist Theorie, und eine solche theoretisch ausgeklügelte Technik mag zu dem Wesen dieses Schriftstellers passen. Praktisch bestehen bleibt, was ich schon vorhin sagte, daß diese Bücher mit den wahrhaften Kräften unserer Zeit einfach nicht das geringste zu tun haben. Sie wenden sich an einen kleinen Kreis von Hypersensiblen, die keine Realitätsgefühle mehr – nicht einmal perverse – haben, sondern nur literarische Vorstellungen davon. Es handelt sich um eine künstlich ernährte Kunst, die aus Schwäche dürr und dunkel wird und das als Prätention ausspielt. Jawohl«, brüllte er plötzlich, als müsse er einem Gedanken besonderen Respekt erweisen, obwohl wir beide warteten bis er fertig sei, »das zwanzigste Jahrhundert donnert geradezu von Geschehen und dieser Mensch weiß nichts Entscheidendes über die Erscheinungen des Lebens noch über das Leben der Erscheinungen zu berichten! Bloße Mutmaßlichkeit ist die Seele seiner Poesie.« Und er spannte den Bizeps.

Den Augenblick dieser Nebenbeschäftigung benutzte der Geologe, um mit Erfolg nach dem Wort zu haschen. »Was ist denn der Inhalt seiner letzten Erzählungen?« fragte er überzeugend. »Keiner«, antwortete gestillt glücklich der Literat. »Was ereignet sich?« »Nichts!« lächelte der Schriftsteller, mit dem Ausdruck des Wozu-viele-Worte-Machens. »Diese eine Frau wird ihrem Mann untreu, aus irgendeinem konstruierten Einfall heraus, daß dies die Vollendung ihrer Liebe bedeuten müsse, und jene andre schwankt neuropathisch zwischen einem Mann, einem Priester und der Erinnerung an einen Hund, der ihr bald wie der eine, bald wie der andre erscheint. Was geschieht, ist darin schon von Anfang an beschlossen und ist widerwärtig und unbedeutend, ein intellektuelles und Gefühlsgestrüpp, in dem selbst die Personen der Handlung nicht vorwärts kommen.« »Er hat eben über das Leben selbst keine Einfälle mehr«, schloß bis zum Wohlwollen beruhigt der Kollege.

Ich glaubte jetzt schweigen zu müssen. Auch Robert Mayers Abhandlung über die Energie war den Fachgenossen ausgeklügelt und inhaltslos erschienen. Da erneute sich mir aber verstärkt das frühere Erlebnis. Einzelne Worte und kurze Sätze kamen ziemlich heftig zu mir herauf, längere Einflüsterungen bloß waren wie von einer sanften, zähen Masse bedeckt, manchmal unterbrochen und kamen erst an einer späteren Stelle unvermittelt wieder durch. »Lassen Sie ihnen keine Ruhe«, bat es zackig, »es handelt sich nicht um meine Bücher, die vorläufig sein mögen, sondern darum, einer größeren Ungenügsamkeit in menschlichen Angelegenheiten den Weg zu bahnen und das Erzählen vom Kinderfrauenberuf zu emanzipieren!« Ich folgte. Ich hatte ein Gefühl, als sei mein Gehirn verdoppelt und während sein eines Exemplar langsam hinter dem musc.[ulus] longissimus dorsi auf und ab schwebe, schwimme das andere geschwächt und schattenhaft wie der Mond in meinem Schädel. Bisweilen näherten sie sich einander und schienen zu verfließen. Dann verlor ich meinen Körper in einem seltsamen Mittegefühl von Ich und Fremdheit. Ich sprach und die Worte kamen pelzig wie ungereifte Früchte aus mir heraus und schienen erst, wie ihr letzter Buchstabe mich passiert hatte, in der fremden Atmosphäre zu dem zu werden, was sie sagten.

»Die Frage«, begann ich langsam, »ob ein Kunstwerk aus Schwäche seines Urhebers dunkel ist oder aus Schwäche des Lesers diesem dunkel erscheint, ließe sich erproben. Man müßte die geistigen Elemente, aus denen es sich aufbaut, einzeln herauslösen. Die entscheidenden dieser Elemente sind – trotz eines bequemen Vorurteils der Dichter – Gedanken.« Der Kollege fuhr auf. »Gewiß, sie sind niemals rein als solche darzustellen«, gelang mir noch zuvorzukommen, »ich rede keinem Rationalismus das Wort und weiß, daß Kunstwerke nie restlos in angebbare Bedeutungen aufzulösen sind, sondern, wenn man ihren Inhalt beschreibt, geschieht dies wieder nur durch neue Verbindungen des Rationalen mit Arten des Sagens, mit Vorstellungen der Situation und anderen irrationalen Momenten. Aber schließlich heißt Dichten doch erst, über das Leben nachdenken, und dann, es darstellen. Und den menschlichen Inhalt eines Kunstwerks verstehn, heißt, nicht nur dem eklatanten Ideengehalt, sondern auch den absoluten und undefinierbar runden Einfällen der Diktion, dem Schimmer der Gestalten, dem Schweigen und allen Unwiedergeblichkeiten das unendlich gebrochene Vieleck einer Gefühls- und Gedankenkette einzeichnen. Dieser asymptotische Abbau, durch den allein wir die seelischen Kraftstoffe dauernd unserm Geist assimilieren, ist der menschliche Zweck des Kunstwerks, seine Möglichkeit dessen Kriterium. Gelingt dies hier, käme man zu einem Ergebnis, das Sie aber schon vorweggenommen haben, nämlich, daß es nicht Kraftlosigkeit der Synthese ist, was Sie angreifen, sondern daß Sie schon vor deren Beurteilung die einzelnen Gefühle und Gedanken nicht verstehen können, für deren Zusammenfließen zu Schicksalen hier Aufwand getrieben wird.«

Der Schriftsteller schwieg höhnisch und ich fuhr fort: »Starke bloße Gefühlserlebnisse sind fast so unpersönlich wie Empfindungen; das Gefühl an und für sich ist an Qualitäten arm und erst der es erlebt, bringt die Eigenheiten hinein. Die paar Unterschiede, die es in der Art und im Ablauf der Gefühle gibt, sind unbedeutend; was der Dichter an großen Gefühlen schafft, ist ein Ineinandergreifen von Gefühl und Verstand. Es ist das ursprüngliche Erlebnis, innerlich zum Mittel zwischen mehreren andern gemacht; ist das Gefühl, seine intellektuell-emotionale Nachbarschaft und die Verbindungswege. Durch kein anderes Mittel ist das Gefühl des Franz von Assisi – das polypenartige, verzackte, mit tausend Saugnäpfen gewaltig das Weltbild verdrehende, oh meine Brüder ihr Vögelein! – von dem eines verzückten kleinen Pfarrers zu unterscheiden und die letzte Wehmut, an und für sich betrachtet, um den Entschluß Heinrich von Kleists herum ist keine andre als die eines anonymen Selbstmörders.

Hält man sich hierin klar, so verfällt man nicht der Legende von den angeblich großen Gefühlen im Leben, welchen Quell der Erzähler nur zu finden und seine Töpfchen darunter zu stellen hat. Die aber beherrscht unsere Kunst. Man kann sagen, daß dort, wo die Entscheidung zu suchen wäre, in unserer Dichtung immer nur eine Hypothese zu finden ist. Wo uns ein Mensch erschüttert und beein- flußt, geschieht es dadurch, daß sich uns die Gedankengruppen eröffnen, unter denen er seine Erlebnisse zusammenfaßt, und die Gefühle, wie sie in dieser komplizierten wechselwirkenden Synthese eine überraschende Bedeutung gewinnen. Die gälte es darzustellen, wenn es heißt, einen Menschen, mag er gut oder verwerflich sein, zu einem Gewinn für uns zu gestalten. Aber statt ihrer findet man stets nur die naive Voraussetzung ihres Vorhandenseins und erst um diese Annahme herum, die wie ein Hohlgerüst in den Menschen steckenbleibt, wird die Durcharbeitung begonnen. Man schildert, wie man glaubt, daß sich jetzt solche Menschen innerlich und äußerlich im Ablauf der Handlung benehmen werden; wobei dieses psychologische Innerliche im Vergleich mit jener zentralen Persönlichkeitsarbeit, die erst hinter allen Oberflächen von Schmerz, Verworrenheit, Schwäche, Leidenschaft – oft später – beginnt, eigentlich nur ein zweiter Grad von außen ist. Man gibt damit – und das gilt eben von der seelischen Schilderung so sehr wie von der der Handlungen – nur die Konsequenzen dessen, was an Menschen das Wesentliche ist, nicht aber dieses selbst; es bleibt undeterminiert wie alles, wo bloß aus Folgen auf Ursachen geschlossen werden muß. Diese Kunst kommt weder an den Kern der Persönlichkeit, noch an einen wohlgemessenen Eindruck von ihren Schicksalen heran. Sie, die so großen Wert darauf legt, hat strenggenommen keine Handlung, noch seelische Stringenz und steht, als Ganzes betrachtet, unerschöpflich in neuen Wendungen still.«

Ich wachte auf. Die Gefährten schliefen. Das Gehirn unter mir gähnte. »Nehmen Sie es mir nicht übel«, flüsterte es in der Tiefe, »aber ich kann die Augen nicht mehr offen halten.« Bei diesen Worten schrie ich, um die andern aufzurütteln: »In den Vereinigungen sind Schicksale vom Zentralen aus gestaltet. Daß aber zielbewußte Dichtung das Aktuelle nicht wählt, ist, – müssen Sie einsehen – nicht eine Eigenheit der Kunst, sondern eine des Aktuellen, das ja nie aktuell geworden wäre, wenn es nicht schon mit vorkünstlerischen Mitteln ergriffen werden und ergreifen könnte. Das Mutmaßliche ist das Mutmaß –«Aber ich sah die Gefährten nicht mehr und sprach unheimlich ins Leere. Der begonnene Satz glitt kalt und vor der Dunkelheit schaudernd in meine Kehle zurück. Ich traf hastig einige nötige Anstalten und sauste, von der Stille gehetzt, die nächste Spalte hinunter. An den Fasern des Optikus fing ich mich wieder, glitt an ihnen entlang, ließ los, glitschte, wie gehofft, schlüpfernd unter der Sklera durch, bekam im gleichen Augenblick reichlich Luft und ging, hygroskopisch zu meiner vollen Menschlichkeit angeschwollen, befriedigt, wenn auch ein wenig benommen und nachdenklich nach Hause.