Wie ich schreiben lernte
Es war der Chefredakteur der Wochenausgabe des
J. U.
»Es handelt sich«, sagte er, »eigentlich immer nur um den ersten
Wer je zu schreiben versucht hat, weiß, wie richtig diese
Bemerkung ist. Man hat
Man setzt sich also wohlgemut hin und schreibt alles genau und
ordentlich auf; wie sonderbar wird einem aber zumute, wenn
der Lesende zum Schluß sagt:
Das zweite Hindernis beim Schreiben ist das Thema.
Ganz unter uns gesagt, es haben doch alle schon alles einmal
geschrieben, den Ehrgeiz, etwas wirklich Neues zu
Meine erste Aufgabe, die ich von meinem Cheflehrer bekam, war das
Thema
Also bitte, etwas Ausgeschriebeneres kann es doch wirklich nicht geben, aber ich zog mich schlau aus der Falle:
Liebe und Ehe in einem ganz neuen Licht
Es gibt eine Form der Liebe und der Ehe, gegen die keine Religion, nicht die strengsten Staatsgesetze etwas einzuwenden haben, obwohl sie zeitlich begrenzt ist, ja begrenzt sein muß.
Ich scheue mich nicht, sie als eine der idealsten Verbindungen hinzustellen.
Zwei Menschen kommen zusammen, gemeinsames Interesse verbindet sie von Anfang an, sie lernen sich kennen in einer festgelegten Probezeit, und zwar so gründlich, daß jegliche Überraschung ausgeschlossen ist. Sie sind bereit, Leid und Freude miteinander zu teilen. Sorgen und Schicksalsschläge gibt es natürlich auch da wie in jeder Ehe, aber was erträgt man nicht alles, wenn man weiß, einmal wird, muß diese Ehe zu Ende sein! In aller Freundschaft, ohne Haß, ohne einen widerlichen Prozeß — mit einem netten Händedruck trennt man sich wieder, und es ist aus.
Sie werden es längst erraten haben, liebe Leser, daß es sich
nicht um Ehen handelt, die im Himmel geschlossen, sondern
nur in einer
Zuerst die Liebe!
Ist es nicht herrlich, wenn ein Mann einer Frau offen, vor vielen Menschen bekennend, sagt: »Ich liebe dich – nur dich – dich für immer!«
Es ist genau so wahr und genau so unwahr wie im wirklichen Leben – und ebenso begrenzt.
Oder man fühlt, der Geliebte wendet sein Herz einer andern Frau zu – es tut so weh – zwei Stunden! Zwei Stunden? Zwei Monate? Zwei Jahre?
Begrenzt!
Dann die Ehe. Man weiß bestimmt, daß man jeden Tag zwei bis drei Stunden glücklich verheiratet sein wird. Täglich drei Stunden! Mehr kann man auch in einer wirklichen Ehe nicht verlangen.
Oder man ist unglücklich verheiratet; die furchtbarsten Tragödien spielen sich ab – einmal wird es ja doch zehn Uhr, man kann fortgehen und sich denken: »Meine Sorgen!«
Der Darsteller ist er selbst und doch nicht er selbst. Der Zuschauer träumt und weiß zugleich, daß er träumt. Wirklichkeit und Unwirklichkeit zu gleicher Zeit ist ja auch das große Geheimnis des Lebens und der Zeit.
*
Mein Lehrer ist nicht zufrieden.
»Das ist kein Schluß, das könnte man nur in der Rubrik <Für
scharfe Denker> bringen. Vielleicht versuchen Sie einmal
etwas über
Heute kann jeder Mensch Theater spielen erlernen, wie jeder Mensch lesen und schreiben erlernt.
Soviel Intelligenz als nötig ist, um die Technik zu erlernen, hat jedermann, sie erfordert ja nicht mehr, als möglichst gewandt und glaubhaft fremde Gedanken wiederzugeben, und wer könnte das heute nicht?
Früher gab es immer die gleiche Debatte. Ist der Schauspieler größer, der mit Gehirn, Wille und Takt und Bewußtsein eine Rolle darstellt, oder der Schauspieler, der einfach drauflos spielt, voll Natur, mit der Unwissenheit um sich selbst?
Was sind uns heute Technik, ein prächtiges Organ, Wissen oder Unwissenheit, heute wird etwas ganz andres vom Schauspieler verlangt, sofern er als Künstler gelten kann.
Persönlichkeit! Einmaligkeit! Unerlernbares!
Nicht die Verstellungskunst — die echte, wahre Vielseitigkeit einer eigensten Persönlichkeit. Ein Schicksal muß ihn umgeben. Ein eigenartiges, unergründliches Lebensschicksal voll Besonderheit muß den Zuschauer erschauern lassen.
Der Lehrer: »Also, davon verstehen Sie gar nichts, jetzt versuchen Sie einmal, etwas Aktuelles zu schreiben.«
»Das aktuelle Thema liegt dem Manne besser, wir Frauen interessieren uns mehr für die guten, alten bekannten Vorgänge des Lebens, wie — Geburt, Liebe, Schönheit oder die Vergänglichkeit der Männer.«
»Schwätzen Sie nicht - schreiben Sie!«
Die Weltlage Neunzehnhundertfünfunddreißig
gesehen durch den bildungsfreien Blick einer
Frau
Wie man mir erzählt hat — nein, falsch — (Schwierigkeiten des ersten Satzes!). Wie aus den letzten wissenschaftlich gestellten Statistiken hervorgehen soll, leben wir im Zeitalter des Überflusses, das heißt, es gibt genug Mehl und Brot, genug Fleisch und Gemüse auf der Welt - genug für alle Menschen.
Genug Kaffee (sehr wichtig), genug Wein, genug Baumwolle und so viel Kunstseide, um Schweine damit zu füttern.
Auf dem
Da kann ich nur sagen - gemach -! Das ist doch entschieden besser, als wenn es umgekehrt wäre?
Die momentane Weltlage ist daher keineswegs als hoffnungslos anzusehen.
Wenn aber nicht genug
darf der
darf essen!
Ich habe einmal eine elegante Dame beobachtet, wie sie einem
Armen etwas gab und sagte: »Halten Sie mir die Daumen, damit
ich Glück habe.« Ein Ansinnen, das von dem Bett
Er stand noch auf dem unmodernen Standpunkt, daß die Freude des Gebens genug ist.
Aber was soll man zu einer Zeit sagen, in der Kaffee in das Meer geworfen wird und Menschen rundherum um das ganze Meerufer stehen, die alle gern Kaffee trinken möchten und nur keinen bekommen, weil schon zu viel Kaffee da ist.
Oder: in den südlichen Ländern wird Baumwolle verbrannt, obwohl in den nördlicheren Ländern die Menschen frieren.
Hiebei kann man nicht umhin, auch die Natur zu rügen, es wäre doch viel zweckmäßiger, Baumwollbäume in der Arktis wachsen zu lassen, aber der Natur ist fast ebensowenig Vernunft zu predigen wie den Männern, den Urhebern alles ökonomischen Unfuges. Nein, damit will ich nichts zu tun haben!
*
Aber als Leserin der »Wochenausgabe« werde ich oft listig
verlockt,
So fiel mein Blick vor kurzem auf die Zeilen: »Das Ziel der Industrie besteht darin, Käufer sowohl zu schaffen, wie sie auch zu versorgen, so sagt Henry Ford.«
Oder besteht ein Unterschied zwischen Industrie und einem Industriellen?
Angeregt durch diesen vielversprechenden Anfang lese ich weiter und erfahre zu meinem großen Erstaunen: »Die Technokraten (was für ein neuer Beruf?), also besagte Technokraten kündigen den dreistündigen Arbeitstag an!«
Was ich in meinem kurzen Leben (verhältnismäßig kurzen, um jedem Witz vorzubeugen) nicht schon alles erlebt habe! Kampf und Sieg um den Achtstundentag und den drohend angekündigten Dreistundentag!
Gegenteil auf Gegenteil; hätte ich alle diese Wandlungen des Weltgeschehens mitgemacht, ich würde mich selbst umkreisen wie ein Elektron meinen Atomkern (Wochenausgabe) oder ich wäre schon längst (nicht Wochenausgabe) ein Laberl.
Dies nur nebenbei.
Jetzt fragen sich die von mir etwas mißtrauisch angesehenen Technokratenmänner: »Womit soll aber der Arbeiter die Freizeit verbringen?«
Und ich frage mich: Womit verbringt zum Beispiel ein Schauspieler seine freie Zeit? Er wartet, bis er wieder spielen kann, er pfeift auf Freizeit, denn er ist nur glücklich, wenn er möglichst lange und möglichst oft auf der Bühne steht – seine Arbeit ist seine Freude!
Dies ist der Kern der ganzen Sache – Vereinigung von Arbeit und Freude –, aber was geht das alles mich an, das sind Männersachen.
Eine Frau hat einmal den Wunsch geäußert, möglichst weit zu sehen – weit, weit, bis in den Himmel; da eilten die Männer an ihre Zeichentische und erfanden das Fernrohr!
Und eine andre, eine Neugierige, wollte möglichst weit hören; da erfanden sie das Telephon.
Eine Frau träumte von vielen schönen, glänzenden Gewändern; die Männer eilten in Scharen in Laboratorien und beglückten die Welt mit Kunstseide.
»Ach, wenn ich doch möglichst rasch von Ort zu Ort käme, am liebsten um die ganze Welt«, sagte eine Unruhige.
»Hier sind Schiffe, um über das Meer zu fahren, Expreßzüge über Land - bitte, nur einzusteigen.«
»Fliegen möchte ich können«, so wurde der Aeroplan geboren. Und eine ganz Ausgefallene wollte sogar unter Wasser leben - nichts ist unmöglich, das Unterseeboot war da.
Das war der Anfang der Technik - denn Technik ist Sehnsucht.
Und das Ende der Technik?
Jetzt sitzen wir da mit der realisierten Sehnsucht - was hat man denn von einer realisierten Sehnsucht?
*
Eine bestimmte Einstellung zu einer Sache ist oft durch ein Erlebnis beeinflußt, und ich bin beeinflußt.
Es war ein wunderschöner Herbsttag, und ich sagte: »Jetzt ist der Kahlenberg sicher schon voll buntem Laub. Im Frühling, wenn alles blüht, ist die Natur voll jubelnder Lust, aber um diese Zeit im Herbst, da ist sie voll von einem stillen, ruhigen Glück, das ich besonders liebe.«
Mein Gott, man redet oft so etwas daher, was man besser bei sich behielte; mein besonderes Pech war es, daß ich es zu einem Manne äußerte, der stark den großen Errungenschaften unsrer Zeit verbunden war.
Er sagte nicht: »So? Ja! Ja!« oder: »Finde ich nicht!« Er sagte: »Fahren wir hinauf!«, und schon ging er zur Garage. »Wir brauchen zwanzig Minuten hinauf, drei Minuten bleiben wir oben und sehen uns alles an, siebzehn Minuten rechne ich für den Rückweg, in vierzig Minuten haben wir die ganze Sache erledigt; wollen Sie?«
Ich wollte, und schon saßen wir im
Ich bin eine altmodische Frau und trage noch eine Zeit in mir, in der man so viel Zeit gehabt hat, zu sagen: »Freie Zeit!!«
Bin ich froh, daß es damals, als ich heiratete, noch keine Technokraten gegeben hat, wenn ich mir vorstelle, ich hätte voll Sehnsucht auf meinen Mann gewartet, und er wäre gekommen und hätte gesagt: »Liebfrau, es ist Freizeit, ich möchte schnell eine Schönstunde mit dir verbringen.«
Ich weiß nicht ...
Ich habe damals gelacht auf dem Kahlenberg, aber eigentlich war ich traurig, der arme eingezwickte Genuß hat mir so leid getan.
Die Disharmonie zwischen der Produktion, der Arbeit und der Konsumation, dem Genüsse, sind die Unvereinbarkeit zweier verschiedener Lebenstempi mit einem Menschen.
Es gibt vielleicht heute noch Menschen, die wochen-, monatelang
Nein, so billig gebe ich es nicht im Leben, ich bin eine
Genießerin, was schon der Dichter
*
Lehrer: »Jetzt versuchen Sie einmal, einen Film zu schreiben; das ist doch leicht, und man verdient viel Geld!«
Ich schrieb sofort.