Grazer didaktisches Textportal zur Literatur des Mittelalters

Die Tierkreiszeichen
Die namen der himelzaichen sind alzo: wider, ochs, zwindlein, chrebs, leo, stainbok, krug, vischlein, junckfräwlein, wag, schorp, schützlein.
Die Namen der Himmelszeichen lauten folgendermaßen: Widder, Ochs, Zwillinge, Krebs, Löwe, Steinbock, Krug [= Wassermann], Fischlein, Jungfräulein, Waage, Skoprion, Schütze.
<I> Das erst zaichen haist der wider, dar umb als der wider an dem aftern tail kranch ist und vorn stark. Alzo wenn die sunn ze niderst in das zaichen tritt, so ist ir chraft schein pei uns kranch. Aber wenn sie oben in daz zaichen kumpt, so ist ir schein mer stark. Oder haisst dar umb der wider, das die stern in dem zaichen alzo geschikt sind.
Das erste Zeichen heißt der Widder, darum, weil der Widder am hinteren Teil schwach ist und vorne stark. Wenn die Sonne zu unterst [= hinten] in das Zeichen tritt, so ist die Kraft ihres Scheins bei uns schwach. Aber wenn sie oben in das Zeichen kommt, so ist ihr Schein stärker. Oder [das Zeichen] heißt deshalb Widder, weil die Sterne des Zeichens so geformt sind [wie ein Widder].
<II> Das ander zaichen haist der ochs, dar umb so die sunn in es tritt, so ist ir chraft gar stark, recht als ain ochs virschrötig ist.
Das zweite Zeichen heißt der Ochse, denn wenn die Sonne in es eintritt, ist ihre Kraft sehr stark, gleich wie ein vierschrötiger Ochse.
<III> Das dritt zaichen haizzt die zwindlein, wan der sunnen schein ist dann zwivaltig.
Das dritte Zeichen heißt die Zwillinge, weil der Sonnenschein dann verdoppelt ist.
<IIII> Das vierd zaichen haist der krebs, wan die sunn get dann hinder sich als ain krebs.
Das vierte Zeichen heißt der Krebs, weil die Sonne dann rückwärts geht wie ein Krebs.
<V> Das funft zaichen haist leo, wann der sunn kraft ist dann gremsig als ain leb. Und ist ain stern an dem haubt des zaichens, der haizzt der hunt. Und so die sunn dar in chumt, so chument die hundtz tag. Und so ist lazzen verpotten dar umb, wan die übrig hicz verczert gnůg fäuchten und den gaist in dem menschen.
Das fünfte Zeichen heißt der Löwe, weil die Kraft der Sonne dann grimmig wie ein Löwe ist. Und es gibt einen Stern am Haupt des Zeichens, der Hund heißt. Wenn die Sonne dort hineinkommt, dann kommen die Hundstage. Und dann ist Aderlassen verboten, weil die übergroße Hitze übermäßig viel Feuchtigkeit und den Geist aus dem Menschen zieht.
<VI> Das sechst zaichen haist die junkfraw, dar umb das die sunn ist unberhaft. Und das sind die sechs summer zaichen, darumb das die sunn dar inn in dem sumer lauft.
Das sechste Zeichen heißt die Jungfrau, weil die Sonne unfruchtbar ist. Und das sind die sechs Sommerzeichen, weil die Sonne sie im Sommer durchläuft.
<VII> Das sibent zaichen haizzt die wag, wan so die sunn dar inn laufft, so ist ain ebennacht und wigt tag und nacht geleich.
Das siebte Zeichen heißt die Waage, denn wenn die Sonne darin läuft, gibt es eine Tag-und-Nachtgleiche und es messen Tag und Nacht gleich lang.
<VIII> Das acht zaichen haizzt der schorp, der leckt mit der zungen und heckt mit dem zagel und sticht. Alzo wenn die sunn in das zaichen tritt, so ist sie des ersten senft und ze lest scharf.
Das achte Zeichen heißt der Skorpion, der mit der Zunge leckt und mit dem Schwanz hackt und sticht. Wenn die Sonne in das Zeichen tritt, ist sie [genauso] zuerst sanft und zuletzt scharf.
<IX> Das newnt zaichen haist der schuetz, dar umb wan die kelten durchschewzzt den menschen denn und ander creatur.
Das neunte Zeichen heißt der Schütze, weil die Kälte [zu der Zeit] den Menschen und [alle] anderen Kreaturen durchschießt.
<X> Daz czehende czaichen haizt der stainpochk, dar umb, wan sam der stainpok gehürnt scharph ist, also ist die czeit scharphhürnik mit chelten, so die sunne unter dem selben czaichen lauffet.
Das zehnte Zeichen heißt der Steinbock, denn wie der Steinbock spitz gehörnt ist, so ist die Zeit stechend von Kälte, wenn die Sonne unter diesem Zeichen läuft.
<XI> Das xj zaichen haist der krůg, wan die zeit gewsst dann regenwazzer, recht als ain chrug.
Das elfte Zeichen heißt der Krug, weil die Zeit Regenwasser gießt, gleich wie ein Krug.
<XII> Das zwelft zaichen haizzt die visch<e>, wan die zeit ist dann nas und kalt, recht als ain visch der in dem wag ist.
Das zwölfte Zeichen heißt die Fische, weil die Zeit nass und kalt ist, geradeso wie ein Fisch im Wasser.
Die Erde: eine Kugel
Das auch das wasser sinwel <sei>, des zaichen nem wir also: Man seczt ain zil an dez mers ufe<r> und ge ain schef von dem zil. Das schef mag alzo verr in das mer tretten, das ains menschen aug unden pei dem mastpaum daz zil an dem ufer nicht gesehen mag, und die augen oben in der höhen des mastpaums sehent daz selb zil wol. Und solt doch das nider zil pas sehen dann das ober, dar umb das sein lini kürzer ist zu dem zil, als offenbar ist von den lini, die von paiden augen gefürt werden von dem zil. Das mag chain ander sach sein wan das wazzers gepirg und die runden grozz. Wan tu wir all hindernüss ab, da von die augen gehindert mügen werden, als nebel ist und ander dunst, so ist dem ding alzo.
Dass auch das Wasser rund ist, dafür nehmen wir das als Beweis: Man setzt eine Markierung an das Meeresufer und ein Schiff soll sich von dieser Markierung wegbewegen. Das Schiff soll so weit auf das Meer hinausfahren, dass eines Menschen Auge unten am Mastbaum die Markierung am Ufer nicht sehen kann, und die Augen oben in der Höhe des Mastbaumes sehen dieselb Markierung aber wohl. Und doch sollte das untere [Auge] die Markierung besser sehen als das obere, deswegen weil seine Entfernung [zu der Markierung] kürzer ist, wie ersichtlich ist an den Linien, die von beiden Augen [= den Augen beider Beobachter] zur Markierung hinlaufen. Das kann keine andere Ursache haben als des Wassers Wölbung und die runde Gestalt. Denn wenn wir von allen Hindernissen absehen, von denen die Augen gehindert werden können, wie Nebel und anderer Dunst, dann ist das eben so.
Die Quellen Konrads von Megenberg u. der Meridian
Und der pog des ochsen zagels der beslozzen wirt zwischen dem punct der sumerleichen sunbenden und zwischen dem ebennächter der haist der sunnen gröste erhöhung, Und die höch hat nach Ptolomeus sin dreiunddreizzig grad und LI minut. Aber nach Almeus sin hat sie XXIII grad und XXXIII minut. Nu gelaub ich Ptolomeo pas wenn ich das stuck eben mizz.
Und der Abschnitt des Ochsenschwanzes, der eingeschlossen wird zwischen dem Punkt der Sommersonnenwende und dem Himmelsäquator, heißt „die größte Erhöhung er Sonne“, und diese beträgt nach Ptolemäus‘ Meinung 33° und 51'. Aber nach Almeons Meinung misst sie 23° und 33'. Nun glaube ich eher Ptolemäus, wenn ich den Abschnitt genau messe.
[...] Der mittentager ist ain kraizz gend durch die himelspiczen und durch unsern haubt punct. Und haizzt dar umb der mittentager, wan wa der mensch ist in welher zeit des jars, so die sunn kümpt an seinen mittertager so ist es dem menschen mittag, und dar umb haist ez dez mittages kraiz. Und du solt prüffen das die stat die mer nahet der sunnen aufgang, hat ainen andern mittentager, wan die mer abstet von der sunnen aufgang. Und der pog des ebennachters der beslozzen wirt zwissen den zwain mittentagern haizzt der stet lengen. Jst aber daz zwo stet den mitten tager habent, so sind sie geleich abstent mit einander von der sunnen aufgang. [...]
[…] Der (Himmels-)meridian ist ein Kreis, der durch die Himmelspole und durch unseren Zenit geht. Und er heißt darum „Mittentager“, denn wo immer ein Mensch in jeder Jahreszeit ist, wenn die Sonne an seinen Mittagsmeridian kommt, ist es für diesen Menschen Mittag, und darum heißt dieser der „Mittagskreis“. Und du kannst beobachten, dass der Ort, der weiter Richtung Sonnenaufgang [= im Osten] liegt, einen anderen Mittagsmeridian hat als der , der weiter vom Sonnenaufgang entfernt [= im Westen] liegt. Und der Abschnitt des Himmelsäquators, der eingeschlossen wird von zwei Meridianen, heißt die geographische Länge eines Ortes. Ist es aber so, dass zwei Orte am gleichen Meridian liegen, so haben sie den gleichen Abstand vom Sonnenaufgang [= die gleiche östliche u. westliche Länge]