Cugliana, Elisa; elisa.cugliana@uni-koeln.de / Gengnagel, Tessa; tessa.gengnagel@uni-koeln.de
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Bei der diplomatischen Edition handelt es sich um die “Ausgabe einer Handschrift, die den genauen Zeilen- und Seiteninhalt des Originals beibehält” (Best 1991, S. 113). Werden bei einem diplomatischen Abdruck keinerlei Eingriffe durch die Herausgeberinnen und Herausgeber vorgenommen, stellt dieser – als Gegenpol zur Darstellung der gesamten Textgenese – eine „Extremposition der textkritischen Praxis“ dar (Nünning 2013, S. 740). Frédéric Duval definiert die diplomatische Edition als eine “édition imitative”, sowohl auf der Ebene der Materialität als auch auf der Ebene der Inhalte eines Textzeugen (Duval 2015, S. 119), was eine diplomatische Edition in die Nähe einer Faksimileedition rückt, sich von dieser jedoch aufgrund ihrer eigenen Repräsentationsleistung unterscheidet.
Für die Herstellung einer diplomatischen Transkription gelten die Kriterien von Pierazzo 2011 (s. diplomatische Transkription). Was die diplomatische Edition von der diplomatischen Transkription differenziert, liegt in dem Unterschied zwischen den Begriffen “Edition” vs. “Transkription” und wird von Duval wie folgt zusammengefasst: “[l]’edition se distingue de la transcription par le fait qu’elle donne à lire le texte transcrit, en ajoutant des éléments paratextuels et souvent en adaptant la transcription aux attentes des lecteurs visés” (Duval 2015, S. 256) (“Die Edition hebt sich von der Transkription ab, indem sie den transkribierten Text präsentiert, zusätzliche paratextuelle Elemente hinzufügt und die Transkription oft den Erwartungen der beabsichtigten Leser anpasst.”. Während die grundlegende Transkription also alle textlichen Befunde enthält (auch wenn sie selber, notwendigerweise, im Lichte systematischer Übersetzungsregeln interpretiert werden), enthält der Editionstext, der auf dieser Transkription beruht, eine Auswahl und weitere Deutungen dieses Materials. Insbesondere wird der Editionstext den Leserinnen und Lesern zugänglich gemacht und bildet den Rahmen für die Präsentation der Befunde, die dann entsprechend der Forschungsfragen und Ziele der Editorinnen und Editoren auf spezifische Weise organisiert und mit paratextuellen Elementen und weiteren Informationen erschlossen und ergänzt werden.
Als Grundprinzip der Textkonstitution werden in der diplomatischen Edition weder die Autorenintention noch die Erfüllung des Autorenwillens herangezogen, sondern die möglichst genaue Darstellung des Überlieferungsträgers angestrebt (im Gegensatz zu der genetischen Edition, wo der Schreibprozess im Vordergrund steht). Damit kann u. a. das Ziel verfolgt werden, Benutzerinnen und Benutzern der Ausgabe die Textgenese nachvollziehbar zu machen, wie es etwa in der Edition der Fontane-Notizbücher bezweckt wird (Jannidis/Kohle/Rehbein 2017, S. 235).
Literatur:
- Best, Otto. 1991. Handbuch literarischer Fachbegriffe. Definitionen und Beispiele. Überarbeitete und erweiterte Ausgabe Handbuch literarischer Fachbegriffe. Frankfurt am Main.
- 2013Textkritik. In: Metzler Lexkion Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze - Personen - Grundbegriffe. Hrsg. von Ansgar von Nünning. Stuttgart, Weimar, S. 740-741.
- Best, Otto. 1991. Handbuch literarischer Fachbegriffe. Definitionen und Beispiele. Überarbeitete und erweiterte Ausgabe Handbuch literarischer Fachbegriffe. Frankfurt am Main.
- 2013Textkritik. In: Metzler Lexkion Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze - Personen - Grundbegriffe. Hrsg. von Ansgar von Nünning. Stuttgart, Weimar, S. 740-741.
- Duval, Frédéric. 2015. Les mots de l'édition des textes. Paris. URL: https://journals.openedition.org/genesis/1591.
- Gabler, Hans-Walter. 2007. The Primacy of the Document in Editing. In: Ecdotica 4, S. 197-207.
- Jannidis, Fotis; Kohle, Hubertus; Rehbein, Malte (Hrsg.). 2017. Digital Humanities. Eine Einführung. Digital Humanities. Stuttgart.
- Hofmeister, Andrea. 2005. Textkritik als Erkenntnisprozeß. In: Editio 19. Hrsg. von Rüdiger Nutt-Kofoth und Bodo Plachta, S. 1-9.
- Masai, François. 1950. Principes et conventions de l'édition diplomatique. In: Scriptorium. revue internationale des études relatives aux manuscrits 4, S. 177–193.
- Monella, Paolo. 2018. Livelli di rappresentazione del testo nell’edizione del De nomine di Orso Beneventano. In: Umanistica Digitale, S. 67-91.
- Pierazzo, Elena. 2011. A rationale of digital documentary editions. In: Literary and Linguistic Computing 26, S. 463-477.
- Plachta, Bodo. 1997. Editionswissenschaft. Eine Einführung in Methode und Praxis der Edition neuerer Texte Editionswissenschaft. Stuttgart.