Digitale Edition

Weißbuch

Inklusion TEI Download PDF Download

Henzel, Katrin; henzel@ub.uni-kiel.de

Inklusion wird unterschiedlich definiert. In einem weiteren Verständnis wird sie als aktive und partizipative, gleichberechtigte Einbindung von Menschen aus heterogenen Gruppen gesehen. Im Folgenden bezieht sich Inklusion jedoch in einem engeren Verständnis auf die digitale Zugänglichkeit von Menschen mit Behinderungen im Kontext Digitaler Editionen (Henzel 2023, S. 73).

Behinderungen stellen gemäß Art. 1, Satz 2 der UN-Behindertenrechtskonvention langfristige Beeinträchtigungen dar, die Menschen “in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können” (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Teilhabe/uebereinkommen-ueber-die-rechte-behinderter-menschen.pdf?__blob=publicationFile&v=2). Editionen inklusiv zu gestalten, bedeutet demnach, digitale Barrieren abzubauen oder zu vermeiden und allen Interessierten gleichermaßen freien Zugang zu Forschungsergebnissen und -daten zu ermöglichen. Dies entspricht den Zielen von Open Science, wie sie etwa die UNESCO definiert, nämlich “as an inclusive construct that combines various movements and practices aiming to make multilingual scientific knowledge openly available, accessible and reusable for everyone [...]” (UNESCO 2021, S. 7). Die FAIR-Prinzipien, insbesondere das Kriterium der Zugänglichkeit (A ccessibility) als auch das der Nachnutzung (R eusability), sind diesem Wissenschaftsverständnis verpflichtet. Um den partizipativen Grundgedanken der FAIR-Prinzipien zu betonen, wird hier in Anlehnung an internationale Sprachstandards der Begriff der (digitalen) Zugänglichkeit gebraucht. Der Begriff der Barrierefreiheit ist insbesondere im juristischen Kontext zu finden. Es gibt aber keine allgemeingültige Sprachkonvention, nicht selten werden die Begriffe auch synonym verwendet (so etwa auch Barrierearmut).

Digitale Zugänglichkeit betrifft verschiedene Bereiche einer Digitalen Edition. Der am besten geregelte Geltungsbereich ist der des Webdesigns; hier haben sich Standards in Form von Richtlinien und Empfehlungen wie auch Prüfverfahren herausgebildet. Siehe hierzu ausführlich den Artikel barrierefreies Webdesign.

Menschen mit Behinderungen nutzen nicht nur Editionen, sie sind selbst als Forschende tätig. Sie sind jedoch aufgrund strukturell bedingter Benachteiligungen und fehlender Awareness unterrepräsentiert und weniger sichtbar. Jenseits der graphischen Benutzeroberfläche Digitaler Editionen gilt es daher, auch den Zugang zu Forschungsdaten, die nicht über die GUI der Edition (s. Interface) selbst erreichbar sind, inklusiv zu gestalten. Das betrifft in erster Linie die Bereitstellung von Daten aus Editionsprojekten in Repositorien für deren Auffindbarkeit und Nachnutzung (zu barrierefreien Repositorien Blumesberger 2019. Initiativen und Arbeitsgruppen stellen für ein barrierefreies Forschungsdatenmanagement Informationen und Materialien bereit. Das betrifft u. a. die verständliche Formulierung von Metadaten, Hinweise auf Tools für ein barrierefreies Webdesign oder auch die barrierefreie Gestaltung verbreiteter Dateiformate für Inhalte von Repositorien (für Texte, Bilder, Videos u. a.), Andrae et al. 2020; Blumesberger et al. 2022. Zu nennen sind in diesem Kontext insbesondere die AG Barrierefreiheit in Bibliotheken (VÖB, https://voeb-b.at/voeb-kommissionen/ag-barrierefreiheit-in-bibliotheken#section1) und das Netzwerk für Repositorienmanager*innen (RepManNet, https://datamanagement.univie.ac.at/forschungsdatenmanagement/netzwerk-fuer-repositorienmanagerinnen-repmannet/; in Deutschland hat sich nach dem Vorbild des österreichischen Forschungsdatenmanagements innerhalb der Go-Fair-Initiative die AG Inklusion im Forschungsdatenmanagement gegründet (https://go-unite.de/index.php/ag-inklusion-im-forschungsdatenmanagement/).

Inklusion im Bereich digitaler Editionen betrifft neben der barrierefreien Gestaltung und Zugänglichkeit von (Meta-)Daten auch die Rahmenbedingungen, in denen diese Daten entstehen, verarbeitet, archiviert und nachgenutzt werden. Daher sind die Arbeitsbedingungen in Editionsprojekten ebenfalls inklusiv zu gestalten. Es gilt bereits in der Planungsphase von Editionsprojekten mögliche Barrieren zu identifizieren und zu vermeiden. Gegebenenfalls sind technische Assistenzen (z. B. Screenreader) in Förderanträgen zu berücksichtigen.

Die Qualitätssicherung digitaler Zugänglichkeit stellt aktuell ein Desiderat dar. Inklusion bedeutet auch hier, von Beginn an Betroffene möglichst partizipativ einzubinden. Webdesign lässt sich mithilfe von Tools je nach Aufwand und Rahmen einer Evaluierung für standardisierte Verfahren zur Erhebung quantitativer Daten einsetzen und wird idealerweise bereits in der Planungsphase einer Edition mitgedacht, um etwa externe Dienstleister für das Testen digitaler Zugänglichkeit beauftragen zu können. Aber auch qualitative Methoden sollten zur Feststellung subjektiv wahrgenommener digitaler Barrieren zum Einsatz kommen, um dem partizipativen Anspruch von Open Science gerecht zu werden. Das betrifft insbesondere das in den Web Content Accessibility Guidelines (zu den WCAG s. Barrierefreies Webdesign) formulierte Prinzip der Verständlichkeit (Prinzip 3), das sich sowohl auf die (sprachliche) Lesbarkeit als auch auf die Möglichkeit der Orientierung (Vorhersehbarkeit) in einer digitalen Edition beziehen lässt (WCAG 2.1 2018, Abs. #understandable, https://www.w3.org/TR/WCAG21/#understandable). Eine elaborierte partizipative Methodik der Evaluation digitaler Zugänglichkeit steht bisher noch aus (erste Ansätze liefern aus dem Bereich der Datenkuration Anderson et al. 2022).

Literatur:

  • Anderson, Theresa; Colón, Randy D; Goben, Abigail; Karcher, Sebastian. 2022. Curating for Accessibility. In: International Journal of Digital Curation 17, S. 10.
  • Andrae, Magdalena; Blumesberger, Susanne; Edler, Sonja; Ernst, Julia; Fiedler, Sarah; Haslinger, Doris; Neustätter, Gerhard; Trieb, Denise. 2020. Barrierefreiheit für Repositorien. Ein Überblick über technische und rechtliche Voraussetzungen . In: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 73, S. 259-277.
  • Blumesberger, Susanne. 2019. Barrierefreiheit und Repositorien – Nachdenken über Open Science für alle . In: b.i.t. online 22, S. 297-302.
  • Blumesberger, Susanne; Edler, Sonja; Gergely, Eva; Haslinger, Doris; Trieb, Denise. 2022. Guidelines zur Erstellung barrierearmer Inhalte für Repositorien: als Word-Datei . URL: https://services.phaidra.univie.ac.at/api/object/o:1430148/download .
  • Colón, Randy D; Goben, Abigail; Karcher, Sebastian. 2023. Actually Accessible Data: An Update and a Call to Action. In: Journal of Librarianship and Scholarly Communication 11.
  • Henzel, Katrin. 2023. Vermittlung auf Augenhöhe – digitale Editionen inklusiv gestaltet . In: editio 36, S. 72-88.
  • UNESCO. 2021. UNESCO Recommendation on Open Science. Paris, France.. URL: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000379949.
  • W3C. Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) Overview . URL: https://www.w3.org/WAI/standards-guidelines/wcag/

Zitiervorschlag:

Henzel, Katrin. 2024. Inklusion. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Selina Galka und Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Susanne Höfer im Projekt "Enlarging 'Weißbuch Digitale Edition'". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.275. PID: o:konde.235

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