Beton

Textausschnitte

Herbst, Freiheit, Werk 3, S. 9

[...] – Eine Aufnahme der weitläufigen Terrasse bei Tageslicht, tief unten, Aufsicht, scharfe Konturen; die Terrasse übrigens nicht aus Beton, wie bei Bernhard, im Hotel Paris in Palma, kein Beton, wie beim unglücklichen Mann der Anna Härdtl, kein Beton-, sondern ein Ziegelboden, vielfach ausgebessert, verwittert zum Teil, für mich wie geschaffen; dieser an den Park grenzenden Terrasse werde ich nicht widerstanden haben können [...]

Herbst, Freiheit, Werk 3, S. 13

[...] Kein Asphalt, kein Beton [...]

, Werk 3, S. 134

[...] Ohne im Vorzimmer Licht gemacht zu haben, was die Sicht nach draußen beeinträchtigt hätte, rief ich, auf die Türe, auf das Guckloch zugehend, laut: Wer IST da?, mit energischer Betonung, im Halblicht, wie um mir selbst Mut zu machen, das Messingtürchen zum Guckloch aufklappend, den Riegel aus seiner Verankerung geschoben, und einen Blick ins Stiegenhaus gewagt, wer ist da?! Ich schaute also durch das Guckloch, soweit das Gitter, die Messingverzierungen, die pflanzlichen Muster einen genaueren Blick überhaupt zulassen, auch die Bezeichnung Guckloch ist, was die Form anbelangt, nicht zutreffend, kein Loch, ein Quadrat vielmehr, mit einem Schiebetürchen, wie bei einem Herd aus früheren Lesebüchern, eine Öffnung in der Tür eben, um hinausoder hindurchzugucken; wohl guckte ich nicht durch das Guckloch, und schon gar nicht rief ich, um den Angreifer zu verstören und mich kaum noch halten könnend vor Lachen guck guck oder gucki gucki oder kuckemal, mal kucke – ach, im nachhinein ist man immer gescheiter –, ich sah auch nicht durch das Sichtgitter, ich ging und schaute tapfer durch den Spion – durch den Spion sah ich, durch den Spion schauend erkannte –, hinausspionierend ins Stiegenhaus, ins kalte, zugige, verkommene, hinaus, in die Nacht hinausspionierend, erkannte ich – wen? Viel Zeit, um den Sachverhalt auszuspionieren, blieb mir nicht, Sekunden allenfalls, denn auf den Ausruf wer ist da? hin hatte der Draußenstehende, Außenstehende und schon deshalb umso heftiger Einlaßbegehrende angefangen, mit schweren Schuhen, schwerem Gerät gegen die Türe zu treten [...]

Manker, Invention, Werk 3, S. 162

[...] mit Entschlossenheit, Manker, Blockbuchstaben, und Sie?, Sie flüstern schon wieder, schon wieder dieses Gesäusel, wie wenn ich zerfiele, auseinanderfiele, wie wenn Sie nicht lesen könnten, meine feinen Blockbuchstaben, Betonung, Manker, wohin denn ich, ausgewichen ich, auf den Hausflur entkommen ich und – Wie? Oh nein, Manker, jetzt rennen Sie mir gar ins Stiegenhaus nach und schreien dort herum, schreien auf dem Hausflur den Satz: Auf den Hausflur entkommen ich und zum Nachbarn gelaufen, um Hilfe zu erbitten, Sie werden noch die Nachbarn aus dem Schlaf stören, wenn Sie so übertreiben, wenn Sie alles nachstellen, wie in der Fernsehsendung XY, Die Polizei bittet um Mithilfe, wer hat Ihnen erlaubt, meinen Kopf zu verlassen und auf den Hausflur zu rennen, um dort herumzuschreien, den Schreibtisch zu verlassen und im Stiegenhaus wie ein Herold den Satz auszurufen: Auf den Hausflur entkommen ich und zum Nachbarn gelaufen, um Hilfe zu erbitten, ein Satz, der im Manuskript gar nicht betont ist, keine Blockbuchstaben, nichts, ich werde von Glück reden können, wenn die Nachbarn nicht die Polizei rufen oder die Rettung, Sie bringen mich noch ins Irrenhaus, Manker, lento, Manker, lakonisch, ein Schadensinventar, kein Kriminalhörspiel, Sie ahnen ja nicht, wie mißgünstig der Hausmeister ist, sicher steckt er mit dem Attentäter unter einer Decke, er wird die Haustüre vorsätzlich nicht versperrt haben damals, also piano, Manker, Zurückhaltung [...]

Manker, Invention, Werk 3, S. 166

[...] Ist er das, werde ich mich zu spät gefragt haben, IST er das, ja, gut, weiter, ist ER es, jawohl, von dessen Absicht ich noch nichts wissen kann?, ja, weiter, aber nicht so schnell, nicht so achtlos, – der durch die zufällig, oder nicht zufällig unversperrte Haustüre ins Haus gelangt sein und sich, mehr Betonung, Manker, con espressione, sich durch das Stiegenhaus in den dritten Stock geschlichen haben wird? Der nach dem Betätigen der Türklingel nur wortlos gegen die versperrte Türe – müssen Sie das wirklich dermaßen herunterleiern, wie wenn Sie es eilig hätten, eilig, den nächsten Termin einzuhalten, im Sanatorium Hoffmann in Purkersdorf wahrscheinlich, oder wo immer, die Alma läuft Ihnen schon nicht davon, soviel Zeit muß sein, Mahler, pardon, Manker, die Alma kann warten, die Namensgeberin eines fürchterlichen vorarlbergischen Streichkäses, der einem in der Schule, auf dem von der Mutter bestrichenen und eingepackten Jausenbrot entdeckt, die große Pause nachhaltig verderben konnte, Alma Rahm, pfui Teufel, Tante Trude aus Buxtehude, kann warten, Manker, die Alma-Käse-Produktion, der glänzende Einfall, das Lustwandeln des Premierenpublikums, des von Klatschkameras begleiteten, im stillgelegten, verrotteten Sanatorium, nicht so leiern, so achtlos über den Text hinweglesen, nicht, nicht herunterleiern: [...]

Manker, Invention, Werk 3, S. 168

[...] Aber es geht ja gar nicht um dieses Wort, der ganze Ärger geht schon früher los, mit dieser hinkenden Betonung, IST er das, ich schreibe, ich schreibe vor: IST ER DAS, Sie sprechen, sprechen nach: IST er das? IST er das, der verspottete Kaufmann, so zurückgenommen und genüßlich, wie wenn die Mundhöhle das Hörspielstudio wäre [...]

Manker, Invention, Werk 3, S. 174

[...] – Der sich an nichts erinnert haben wird, außer – gut, Manker, gute Stimme, Scharfrichterstimme manchmal – außer sich plötzlich in einer ihm fremden Wohnung wiedergefunden zu haben, fein, ja, aber so tadellos Sie im Augenblick auch sprechen mögen, die bisher vorgefallenen Lärmexzesse werden kaum gutzumachen sein, die Herumschreiereien, der in Scherben gebrüllte Spiegel, ich bin da sehr nachtragend, doch selbst wenn ich das nicht wäre, es würde nicht lange gutgehen, einige Sätze vielleicht, – der nicht gewußt haben wird wollen, wie er, und warum, und wozu, trügerische Hoffnung, sehen Sie selbst, hören Sie selbst, – warum und wozu, an den – ja, wohin, an den Tatort, aber habe ich recht gehört, indem ich zweimal Tatort gehört habe, einmal zu leise, einmal zu laut, und warum denn zweimal Tatort, einmal Tatort genügt doch, ein TATORT, das Wort auf einer soliden Schreibmaschine, etwa auf einer Groma Mechanik aus dem Bürofachgeschäft Oskar Mikula, Villach, in Blockbuchstaben geschrieben und nicht zu laut, nicht zu leise, aber mit Betonung auszusprechen, so wie: – an den Tatort gelangt ist [...]

Kalte Herberge, Werk 3, S. 249

[...] AUF DER STRECKE Jetzt reisen sie wieder; über Köln, Eschede, Eschwege, Neuwied und FAHR-IRRLICH reisen sie, und ich mittendrin, selbst ein Reisender, ein Mitreisender, ein mitleidloser, auf Mitleid angewiesener Mitreisender, ich mittendrin, zwischen Koffern, Körpern, Säcken, Korbflaschen, Splittern und Geschichten vom TOLLEN BLOMBERG, jäh abgebrochenen, mittendrin ich – nein, ich nicht mittendrin, unter Splittern, Korbflaschen, Säcken, Koffern und dem Körper von Claire Meisenburg, der schönen schwarzen – nicht ich, nichts wird es mit der schönen schwarzen Übersetzerin, denn heute reist man, bei FAHR-IRRLICH, vor oder nach Neuwied, längst über die neue Wiedbrücke und nicht über die alte, eingleisige Behelfskonstruktion, wie vor mehr als fünfzig Jahren beim großen Eisenbahnunglück von FA H R - I R R - LICH, zwei Tage vor Weihnachten, Sturm und Regen, es hätte alles noch gutgehen können, hätte nicht ein Reisender des Gegenzuges, Herr Berthold Feuchtinger aus München, woher sonst, im Dunkel, im Finstern statt der Lüftungsklappe die Notbremse gezogen und hätte nicht der Sturm auf der anderen Seite der Brücke dem Hauptsignal die Lampe ausgeblasen, Gott wir sind ja schon auf der Brücke, so der Zuruf des Lokomotivführers an den Heizer, die Betonung ist freilich nicht überliefert – Gott, wir sind ja schon auf der Brücke, es wird noch einmal gutgehen, oder aber: Gott wir sind ja schon auf der Brücke – zu spät [...]


Zitiervorschlag:
Beton. In: Werner Kofler: Kommentar zur Werkausgabe. Hrsg. v. Wolfgang Straub und Claudia Dürr. hdl.handle.net/11471/1050.10.2686, 2019-02.