»Abschenkung eines Wahlonkels«

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Kommentar

(1986): bekam Jörg Haider vom Südtiroler Unternehmer Wilhelm Webhofer, seinem Großonkel, dessen 1565 Hektar großen Landbesitz im Kärntner Bärental geschenkt (geschätzter Verkehrswert 1986: 150 Millionen Schilling, ca. 11 Millionen Euro; vgl. Weber 1986, 56f.) Das Jagdrecht und den Fruchtgenuss behielt sichWebhofer bis zu seinem Ableben vor. Er hatte das Tal 1941 erworben, einen ehemals jüdischen Besitz, der mit seinem Geld „entjudet“ wurde. Die Bedingung der Nationalsozialisten damals war, das „Deutschtum“ in diesem slowenischsprachigen Teil Kärntens hochzuhalten. Als Reaktion auf die Aktivität von Partisanengruppen vertrieben die Nationalsozialisten slowenische Familien systematisch aus Südkärnten, diese Aussiedlungsaktionen verhalfen Haiders Großonkel zum Erwerb des Bärentals (vgl. Zöchling 1999, 19 u. 97). Bald nach dem Erhalt des Bärentals beendete im Mai 1986 der Kärntner FPÖ-Landesparteiobmann Haider die Zusammenarbeit mit dem damaligen FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Steger. Sowohl in Thomas Bernhards Auslöschung als auch in Ungenach spielt das Motiv der Abschenkung eine Rolle. Mit dem Beschenken geht der Versuch der Protagonisten einher, das eigene Erbe zu überwinden, sich von der Vergangenheit zu befreien. Die Forschung hat diese Wiedergutmachungsgeste ambivalent beurteilt, die Last der Geschichte, so der Tenor, lasse sich nicht so einfach tilgen. (vgl. Delms-Derfert 1997, 83–85; Judex 2010, 131)

Textausschnitte

Am Schreibtisch, Werk 2, S. 31

[...] und Nutznießer einer gewaltigen Abschenkung eines Wahlonkels? Ein geborener Wahlsieger, wie staunend gesagt wird, und doch nur ein Aufsatzwettbewerbsgewinner bei einem Bundesturnfest, der in seiner damaligen Siegerund Rednerpultpose erstarrt und in seiner Entwicklung, sogar in der Ausbildung seiner Gesichtszüge, seither stehengeblieben ist und wie besessen versucht, den Augenblick jenes Jahrzehnte zurückliegenden Triumphes mit anderen Mitteln, bei anderen Anlässen, zu wiederholen; ein Rotzbub, der Pfeife raucht über seinem Trachtenanzug, und dem ein paar Backpfeifen wohl zu Gesicht stünden? Sei’s drum, weiter, kein Haider, welchen Vornamens immer, wird mich abhalten [...]


Zitiervorschlag:
„Abschenkung eines Wahlonkels“. In: Werner Kofler: Kommentar zur Werkausgabe. Hrsg. v. Wolfgang Straub und Claudia Dürr. hdl.handle.net/11471/1050.10.1977, 2019-02.