August Schleicher
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Korrespondenz
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Zitiervorschlag: Herman Seldeslachts und Pierre Swiggers (2014): August Schleicher. In Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.person.2638, abgerufen am 09. 07. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.2.2638.
Einleitung
Die Korrespondenz zwischen August Schleicher und Hugo Schuchardt wurde von Herman Seldeslachts und Pierre Swiggers bearbeitet, kommentiert und eingeleitet.
Bedeutung
Die drei hier veröffentlichten Briefe1 befinden sich im Schuchardt-Nachlaß der Universitätsbibliothek Graz. Es handelt sich um den gesamten erhalten gebliebenen Briefwechsel von August Schleicher (1821-1868) mit Hugo Schuchardt (1842-1927) bzw. dessen Vater (vgl. Brief [3]). Die Briefe erstrecken sich über drei Jahre (1866-1868); weitere Briefe — falls es solche gegeben hat — sind nicht bewahrt.
Die Bedeutung dieser Korrespondenz2 liegt zum einen in der interessanten Feststellung, daß der junge Hugo Schuchardt mit Schleicher in Briefwechsel stand3, und — wie sich aus dem zweiten Brief ergibt — die Absicht hatte, sich bei Schleicher in Jena zu habilitieren, zum anderen in der Bereicherung unserer Information über Schleichers Persönlichkeit und Einfluß. So belegen beispielsweise die Briefe das Interesse des "Glottikers" Schleicher für die philologischen Studien Schuchardts zum Vulgärlatein sowie seine Bereitschaft, das sprachlich Relevante hieraus für die historisch-vergleichende Sprachforschung zu verwerten. Schleicher, der in diesen Briefen auf die Zusendung je eines der drei Teile von Schuchardts Vokalismus des Vulgärlateins4 reagierte, hatte den großen Wert von Schuchardts Arbeit erkannt. Nicht nur nennt er das Werk "lerreich" (Briefe [1] und [2]), sondern er schreibt auch an Schuchardts Vater: "Durch das genannte werk hat sich Ir Herr Son ein bleibendes verdienst um unsere wißenschaft erworben und sich einen erenvollen namen gemacht" (Brief [3]).
Dem ersten und zweiten Brief kann man auch entnehmen, daß Schuchardt das Werk an Schleicher übersandt hatte5 mit der Bitte, es gegebenenfalls in der Kuhnschen Zeitschrift (begründet im Jahre 1852) zu besprechen. Schleicher ist auf diesen Vorschlag nicht eingegangen (vgl. Brief [1]), hat dafür aber eine mündliche Auseinandersetzung in Aussicht gestellt (vgl. Brief [2])6. Da jedoch Schleicher 1868 verstarb7 und Schuchardt sich schließlich in Leipzig habilitierte8, hat eine solche Diskussion wahrscheinlich nie stattgefunden. Wohl aber geht aus Brief [3] hervor, daß Schleicher einige Unvollkommenheiten festgestellt hatte; leider erfährt man nichts Näheres dazu.
Die drei Briefe fallen in die Zeit, als Schleicher mit der Überarbeitung seines Compendiums9 beschäftigt war. Wie man dem zweiten Brief entnehmen kann, hatte er in seinem Handexemplar bereits Randbemerkungen gemacht im Hinblick auf eine geplante dritte Ausgabe. Diese Ausgabe erschien erst nach seinem Tode; sie wurde revidiert von Johannes Schmidt und dem im zweiten Brief erwähnten August Leskien10, einem Schüler Schleichers, der später zum Begründer der "junggrammatischen Richtung" werden sollte11.
Darüber hinaus wirft diese Korrespondenz auch ein Licht auf den akademischen Kontext, und insbesondere auf Schleichers Unterricht, der bisweilen unter seinem Gesundheitszustand zu leiden hatte. Aus Brief [2] erfahren wir, daß in Jena der allgemeinen Sprachwissenschaft großes Interesse entgegengebracht wurde: über fünfzig Zuhörer besuchten Schleichers Vorlesungen "über das Leben der Sprachen"12.
Bibliographie
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Herkunft der Digitalisate
Die von August Schleicher an Hugo Schuchardt verschickten Briefe befinden sich in: