Das Hugo Schuchardt Archiv widmet sich der Aufarbeitung des Gesamtwerks und des Nachlasses von Hugo Schuchardt (1842-1927). Die Onlinepräsentation stellt alle Schriften sowie eine umfangreiche Sekundärbibliografie zur Verfügung. Die Bearbeitung des Nachlasses legt besonderes Augenmerk auf die Erschließung der Korrespondenz, die zu großen Teilen bereits ediert vorliegt, und der Werkmanuskripte.
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Die Korrespondenz zwischen Jean-Joseph Saroïhandy und Hugo Schuchardt wurde von Magdalena Rattey bearbeitet, kommentiert und eingeleitet.
J.J. Saroïhandy wurde 1867 in Saint-Maurice-sur Moselle geboren. Seine Großeltern
stammten aus Aldudes (vgl. Brief an Schuchardt; Lfd. Nr. 2-09943), eine Gemeinde im
Departement Pyrénées-Atlantiques, er aber wuchs in den Vogesen auf, wo sein Vater ein
Café für Holzfäller besaß. Der Umstand, dass sein Vater 1885 die Familie verließ und
sie infolge auch nicht mehr finanzierte (laut Pitollet musste der Vater aus
politischen Gründen ins Exil nach Argentinien fliehen; vgl. Pitollet 1933 zit. nach
Latas Alegre 2005: 66f.), zwang den jungen Saroïhandy dazu, sich sein Geld selbst zu
verdienen: Er verbrachte zwei Jahre in Argentinien und Uruguay, wo er als
Französischlehrer tätig war, danach verschlug es ihn nach England, wo er sich
abermals als Französischlehrer profilierte (vgl. Hérelle 1932: 448 f.). Zurück in
Frankreich erhielt Saroïhandy, nachdem er 1888 bereits als Spanischlehrer im Lycée in
Mont-de-Marsan unterrichtet hatte, Stipendien für Aufenthalte in Spanien (initiiert
durch seinen Lehrer Morel-Fatio; siehe weiter unten) und Portugal. Während er als maître
répétiteur bis 1901 in
verschiedenen Lycées in Paris tätig war, besuchte er Kurse am Collège
de France und an der Sorbonne. Er absolvierte
die agrégation in Spanisch und erhielt eine Stelle im "Lycée
de Versailles", die er bis 1908 innehatte. Seine Ferien nutzte er für das Studium der
Dialekte der Pyrenäentäler. 1903, während eines Aufenthalts in den Pyrenäen, lernte
er Georges Hérelle, zu dieser Zeit bereits pensionierter Lehrer, kennen (vgl. ebd.:
448-450). Dieser dürfte Saroïhandy hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Interessen
nicht unwesentlich beeinflusst haben (vgl. z.B. Arbeiten zur baskischen Pastorale;
vgl. dazu Lfd. Nr. 5-09946). Saroïhandys Anstellung als Spanischlehrer in Bayonne in
den Jahren 1913-1918 intensivierte den Kontakt zu Hérelle (vgl. ebd.: 448), woraus
gemeinsame Exkursionen resultierten. In Bayonne wurde das Interesse Saroïhandys an
der baskischen Sprache geweckt. Saroïhandy dürfte sich, zumindest vor Beginn seiner
Korrespondenz mit Schuchardt, gegenüber dem maître (vgl.
Korrespondenz zw. Saroïhandy und Schuchardt) ein wenig für den "späten" Eintritt in
das Baskischstudium geschämt haben (vgl. Lfd.Nr. 334-12171, Brief vom 19. Jänner 1915
und Lfd. Nr. 304-12163, Brief vom 18. Dezember 1913, Korresp. zw. Julio de Urquijo
und Schuchardt). In seinen früheren Arbeiten widmete er sich besonders dem
Aragonesischen und dem Katalanischen, allerdings erschien 1913 ein Artikel in der RIEV, in dem das Aragonesische, Gaskognische und Baskische
miteinander verglichen werden (vgl. Saroïhandy 1913). Damals motivierte Alfred
Morel-Fatio den wissbegierigen Spanischlehrer zu seinen ersten Exkursionen in die
spanischen Pyrenäen (vgl. Saroïhandy 1920: 121). Er machte seinen eifrigen Schüler
(vgl. Hérelle 1932: 450), den er als Stipendiat nach Spanien schickte (siehe oben),
mit Joaquín Costa bekannt (vgl. Latas Alegre 2005: 31f.) So kam er in Berührung mit
dem Aragonesischen, für dessen Dokumentation er vor Ort Listen von Wörtern in
Notizbüchern anlegte (vgl. Latas Alegre 2005: 17f.). Zur Aufarbeitung Saroïhandys
Arbeiten zum Aragonesischen vgl. Latas Alegre 2005, der feststellt: "Con su labor
romanística se inició la moderna filología aragonesa y la del catalán de Aragón."
(vgl. Latas Alegre 2005: 11). Ab 1918 lehrte er Spanisch an der Faculté des Lettres de Poitiers und Portugiesisch an der Faculté des Lettres de Bordeaux (vgl. Hérelle 2005: 450).
Die beiden mittlerweile erlernten Sprachen konnte er später als Vertretung
Morel-Fatios dem Auditorium des Collège de France näher
bringen: von 1920-25 hielt er samstäglich Baskisch- und Aragonesischkurse (zu den
Lehrplänen vgl. Saroïhandy 1920, 1924a, 1924b, 1925a). Nach Morel-Fatios Tod wurde
zum Bedauern Saroïhandys der Lehrstuhl für Langues et littératures
de l'Europe méridionale am Collège de France
gestrichen und damit die Lehre sowie die Forschung dieser "kleinen" Sprachen
eingestellt. Dass er sich aber bereits davor für das Baskischstudium einsetzte, wird
in einem Brief vom 22. Jänner 1919 an Julio de Urquijo deutlich. Darin entgegnete er
dem Vorschlag Morel-Fatios Literaturkurse zu halten, stattdessen Baskisch-Einheiten
anzubieten: "M. Morel-Fatio a accepté et si aucun événement fâcheux ne vient empêcher
la combinaison ["15 leçons de dialectologie espagnole et 15 leçons de basque", Anm.
d. Autorin] d'aboutir, le basque aura cette année la place qui lui revient dans notre
haut enseignement." (Vgl. Korrespondenz zw. Urquijo und Saroïhandy, Brief vom 22.
Jänner 1919).
Nach seiner Zeit am Collège de France hielt er Spanisch- und
Baskischkurse an der École des Sciences
politiques, École des Mines und École nationale supérieure d’Aviation. Als Vertreter Paul Passys für Phonétique générale et comparée fungierte er von 1922-26 an der
EPHE. Vor seinem Ruhestand war der zum Baskologen Gewordene
zuletzt als Spanischlehrer im Lycée Saint-Louis in Paris tätig. 1932 infolge einer
Entzündung der Gallenblase starb Saroïhandy in Courbevoie, bevor er sich den Wunsch
erfüllen konnte, seine vielen Notizbücher und die während seiner Exkursionen
gesammelten Materialien zu ordnen und publizieren (vgl. Hérelle 1932: 453).
Bisher wurden die Briefe Schuchardts an Saroïhandy nicht ausfindig gemacht.
1932 inventarisierte Jean Baptiste Daranatz Saroïhandys Nachlass, der vor allem
aus fiches, carnets und cahiers
bestand (vgl. Daranatz 1932), jedoch weit mehr enthält, als damals erfasst (vgl.
Latas Alegre 2005: 17). Danach fielen alle Materialen Saroïhandys in Georges Cirots
Hände, also in jene des damaligen Dekans der Faculté des Lettres de
Bordeaux. 1986 wurden die Materialen oberflächlich klassifiziert vgl. Latas
Alegre 2005: 17ff.). Heute existiert ein Fonds Saroïhandy in
der Bibliothèque Universitaire de Lettres der Université Bordeaux Montaigne, wo sich auch Briefe, allerdings
nicht von Schuchardts Hand, finden. Dies bestätigt eine schriftliche Auskunft des
Verantwortlichen des Fonds patrimonial des Service commun de documentation der Université Bordeaux Montaigne.
Link zum Fonds Saroïhandy: http://www.calames.abes.fr/pub/ms/FileId-1696.
Der Kontakt zu Schuchardt lief vorerst indirekt über die Korrespondenz zwischen Urquijo und Schuchardt. Urquijo berichtete Schuchardt darin von Saroïhandys Interesse am Baskischen (vgl. Lfd. Nr. 334-12171 und 344-12176) und hielt ihn über Saroïhandys Publikationen zum Baskischen am Laufenden (vgl. z.B. Lfd. Nr. 344-12176, 362-12181). Schuchardts Meinung zu seinen baskologischen Arbeiten, war Saroïhandy ein Anliegen. So ließ er dieses Bedürfnis Urquijo Schuchardt ausrichten (vgl. z.B. Lfd. Nr. 304-12163, 349-12177). Im Brief vom 26. Dezember 1913 (vgl. Lfd. Nr. 306-12164) an Schuchardt bedauert Urquijo einen Umstand, der Saroïhandys wissenschaftliche Karriere in puncto Forschung möglicherweise stark eingeschränkt hat, aber für die Lehre, in weiterer Folge für die Baskischlehre, vielleicht nicht unbedeutend war: "Es verdaderamente lamentable que hombres como Gavel y Saroïhandy tengan que pasarse el día dando lecciones de español á niños de 10 ó 12 años!" Im Nachruf auf Saroïhandy (vgl. Urquijo 1933) rät Urquijo "el principante" (vgl. ibid.: 505), also dem „Anfänger“ des Baskischstudiums, sich mit Vorsicht an Saroïhandys Hypothesen heranzutasten. Dessen "hipótesis (...) a veces inadmisibles" begründet er damit, dass Saroïhandy nicht genug Zeit zur Verfügung gestanden wäre, um die baskische Bibliographie gründlich zu studieren. Anschließend kritisiert er Saroïhandys Vorliebe, entweder eine alte oder eine individuelle Orthographie zu verwenden (vgl. ibid.: 506; vgl. dazu Anm. zu Lfd. Nr. 4-09945). Geneviève, die Witwe Saroïhandys, bat Urquijo in einem Brief vom 4. April 1933 diese Passage aus dem Nachruf herauszunehmen (vgl. Korrespondenz zwischen Urquijo und Geneviève Saroïhandy). Dieser Bitte kam Urquijo, womöglich aus Gründen der Meinungsfreiheit, nicht nach (vgl. Urquijo 1933: 505f.).
Saroïhandy-Schuchardt Korrespondenz
Der Zeitraum der Korrespondenz zwischen dem Schüler Saroïhandy - er selbst sah sich
als disciple Schuchardts (vgl. Ldf. Nr. 1-09942) - und dem
Meister (maître) fällt in Saroïhandys Unterrichtsjahre am Collège de France. Saroïhandy informierte Schuchardt darüber,
was er in den Unterrichtseinheiten zu lehren beabsichtigte. Im Unterrichtsjahr 1924
besprach er mit den Teilnehmenden Schuchardts Zur Kenntnis des
Baskischen von Sara [Archiv-/Breviernummer: 748] (vgl. Lfd. Nr. 3-09944 und Anm.; Lfd.
Nr. 4-09945;
Saroïhandy (1925a)). Er war darauf bedacht, Schuchardts Meinung zu seinen Ansichten
und Hypothesen einzuholen. Zwar sind baskologische Themen und die Baskischlehre im
Briefwechsel vorrangig, jedoch spricht Saroïhandy ebenso seine persönlichen
Beziehungen und Meinungsverschiedenheiten mit anderen Baskologen wie Lacombe (vgl.
bes. Ldf. Nr. 2-09943;
Lfd. Nr. 6-09947) und
Vinson (vgl. Lfd. Nr. 6-09947) an.
Die von Jean-Joseph Saroïhandy an Hugo Schuchardt verschickten Briefe befinden sich in: