Viktor Karlovič Poržesinskij Personenbeschreibung Pierre Swiggers Herman Seldeslachts Institut für Sprachwissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY-NC 4.0 2023 Graz o:hsa.person.2436 Hugo Schuchardt Archiv Herausgeber Bernhard Hurch Karl-Franzens-Universität Graz Pierre Swiggers Herman Seldeslachts 2009 Allgemeine Sprachwissenschaft zwischen Moskau und Graz, anno 1912: Wiktor Porzeziński und Hugo Schuchardt Orbis 41 401-405 Pierre Swiggers Herman Seldeslachts 2014 Die Korrespondenz zwischen Viktor Karlovič Poržesinskij und Hugo Schuchardt Hugo Schuchardt Archiv Bernhard Hurch Hugo Schuchardt Archiv

Das Hugo Schuchardt Archiv widmet sich der Aufarbeitung des Gesamtwerks und des Nachlasses von Hugo Schuchardt (1842-1927). Die Onlinepräsentation stellt alle Schriften sowie eine umfangreiche Sekundärbibliografie zur Verfügung. Die Bearbeitung des Nachlasses legt besonderes Augenmerk auf die Erschließung der Korrespondenz, die zu großen Teilen bereits ediert vorliegt, und der Werkmanuskripte.

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Deutsch Viktor Karlovič Poržesinskij Viktor Karlovič Poržesinskij
Viktor Karlovič Poržesinskij
Einleitung

Die Korrespondenz zwischen Wiktor Porzeziński und Hugo Schuchardt wurde von Pierre Swiggers und Herman Seldeslachts bearbeitet, kommentiert und eingeleitet.

Bedeutung

Im Schuchardt-NachlassWir danken Dr. Hans Zotter, Dr. Walter Slaje, Mag. Thomas Csanády und Dr. Michaela Wolf (Schuchardt-Nachlass, Manuskriptabteilung der Universitätsbibliothek Graz) für die Publikationserlaubnis. (Schuchardt-Archiv, Universitätsbibliothek Graz) befindet sich eine Briefkarte von Wiktor Porzeziński (1870-1929)Wiktor Jan Porzeziński (Porzezinski) / Viktor Karlovič Poržezinskij studierte indogermanische Sprachwissenschaft in Moskau (bei F.F. Fortunatov) und wurde 1903 zum Professor für Indogermanische Sprachwissenschaft in Moskau ernannt. Später wurde er Professor in Warschau (1922) und Lublin (1923); vgl. Porzeziński (1927). Siehe Nitsch (1929), Szober (1929a; 1929b; 1929c), Doroszewski (1930), Safarewicz (1983) und Kaczmarkowski (1996). an Hugo SchuchardtIm Katalog von Wolf (1993) ist der Brief unter Nr. 08982 verzeichnet.. Der Brief datiert aus dem Jahr 1912 und ist der einzige Hinweis auf wissenschaftliche Kontakte zwischen Hugo Schuchardt und dem polnisch-russischen Indogermanisten und allgemeinen Sprachwissenschaftler. In seinem Schreiben reagiert Porzeziński auf die Zusendung einiger Publikationen durch Schuchardt („Ihre freundlichen Sendungen“) und verspricht seinerseits einige der eigenen Arbeiten an den Grazer Gelehrten zu schicken. Offenbar hatte Schuchardt an Porzeziński geschrieben, dass er bei einer Durchreise in Graz (oder überhaupt in Österreich) bei ihm sehr willkommen sei, da Porzeziński angibt, bei der ersten Gelegenheit „diese schöne Stadt“ besuchen zu wollen (wo er, wie man annehmen darf, Schuchardt aufzusuchen gedachte, der in dieser Stadt, in der er von 1876 bis 1900 Professor für Romanische Philologie war, bis zu seinem Tod im Jahr 1927 gewohnt hatSchuchardt wohnte bis 1906 in der Elisabethstraße in Graz; 1906 bezog er die von ihm gebaute Villa Malvina in der Johann-Fux-Gasse.).

Der Brief stammt aus der Zeit, als Porzeziński Professor für indogermanische Sprachwissenschaft Porzeziński hielt nicht nur Vorlesungen über indogermanische Sprachwissenschaft, sondern auch über die historisch-vergleichende Grammatik der baltischen und slavischen Sprachen und über allgemeine Sprachwissenschaft. an der Moskauer Universität war, wo er unter seinen Schülern Roman Jakobson und Nikolaj Trubetzkoy zählte. Porzeziński war vor allem auf dem Gebiet der Baltistik und Slavistik tätigVgl. Porzeziński (1901, 1903). — er sollte ja auch in den folgenden Jahren eine unvollständig gebliebene vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen veröffentlichen (Porzeziński 1914) —, aber er hatte auch seine Universitätsvorlesungen über allgemeine Sprachwissenschaft unter dem Titel „Einleitung in die Sprachwissenschaft“ in Buchform herausgegeben (Porzeziński 1907). Das Buch wurde einige Male neu aufgelegt und sogar ins Deutsche übersetzt (Porzeziński 1910), wodurch es einen größeren Leserkreis erreichte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass infolge des Erscheinens der deutschen Übersetzung (bei Teubner in LeipzigVgl. Porzeziński (1910: Vorwort): „Nicht ohne Bedenken ging ich auf den Vorschlag der Firma B.G. Teubner ein, eine deutsche Übertragung meiner ‘Einleitung in die Sprachwissenschaft’ erscheinen zu lassen. Einmal war klar, daß für das Buch, das einen kurzgefaßten Leitfaden für die Hörer meiner Vorlesungen an der Universität Moskau und an den Moskauer Frauenhochschulkursen darstellt, wesentliche Umgestaltungen nötig waren, weil für alles speziell auf das Russische und die anderen slavischen Sprachen bezugnehmenden Auseinandersetzungen eine neue, auf die Tatsachen des Deutschen beruhende Fassung gefunden werden mußte. Sodann stützte ich mich vielfach auf die Vorlesungen meines verehrten Lehrers Ph. T. Fortunatov (dessen Nachfolger auf dem Katheder der Sprachwissenschaft an der Universität Moskau ich bin), die bisher nicht im Buchhandel erschienen sind und nur in den lithographischen Ausgaben der Studentenschaft vorliegen. Doch entschloß ich mich schließlich zu dem Schritt, dessen Resultat das Buch in der hier vorliegenden Form ist. Weit entfernt von einer Überschätzung meiner ‘Vorlesungen’ dachte ich lediglich meine engeren Fachgenossen mit einigen Ideen meines Lehrers bekannt zu machen, die sich durch Tiefe des Gedankenganges auszeichnen, und gleichzeitig schien mir das Erscheinen einer solchen ‘Einleitung’ im deutschen Gewande nicht überflüssig als Ergänzung der schon vorhandenen Hilfsmittel, um den Anfänger mit den modernen Auffassungen der Grundprobleme eines hochinteressanten Wissenszweiges bekannt zu machen“. Siehe auch Porzeziński (1910: 38) zur Moskauer Schule Fortunatovs und vor allem zu Fortunatovs Stellenwert in der europäischen Sprachwissenschaft., also eben dort, wo Schuchardt seinerzeit seine bekannte Dissertation über den Vocalismus des Vulgärlateins [1866-1868] publiziert hatte) Schuchardt sich mit Porzeziński in Verbindung gesetzt hatte. Es ist wohl denkbar, dass Schuchardt seinem Moskauer Kollegen diejenigen seiner Schriften zugeschickt hatte, von denen er meinte, dass sie etwa in der Einleitung in die Sprachwissenschaft hätten verwendet werden können. Auffällig ist ja, dass in diesem Buch Schuchardts Name nie erwähnt wird, weder dort, wo die Lautgesetze behandelt werden (Porzeziński 1910: 151-158), noch bei der Kritik an August Schleichers Stammbaumtheorie, wo indessen Johannes Schmidt ein wichtiger Platz eingeräumt wird (Porzeziński 1910: 209-211)„Gegen die Stammbaumtheorie trat im Jahre 1872 einer der hervorragendsten Vertreter der vergleichenden Sprachwissenschaft der Periode nach Schleicher auf, nämlich Johannes Schmidt. Nach seiner Ansicht stellt die Gesamtheit der indogermanischen Sprachen eine kontinuierliche Reihe dar, in der immer benachbarte Elemente spezielle Übereinstimmungen aufweisen, dabei erstreckten sich gewisse Erscheinungen auf mehrere Nachbarsprachen, indem sie sich in verschiedenen Richtungen gegenseitig durchkreuzten. Es erkläre sich das so, daß in ursprachlicher Zeit an verschiedenen Punkten der noch eine kompakte Masse darstellenden Ursprache Neuerungen aufkamen, die auf die benachbarten Gegenden übertragen wurden und sich dort mehr oder weniger eingebürgert hätten. Das Vorhandensein scharfer Grenzen, die es bei dieser Auffassung des Differenzierungs­prozesses eigentlich nicht geben dürfte, erklärt sich nach Schmidt durch Verschwinden von Zwischengliedern infolge eines Übergewichtes, das aus irgendwelchen Gründen ein Sprachgebiet über seine Nachbarn zu beiden Seiten gewinnt. Es bleibt noch zu bemerken, daß man die jetzige Verteilung der indogermanischen Sprachen als Reflex der Gruppierung in der Urheimat ansehen muß, wenn es sich auch da um einen bedeutend kleineren Maßstab handelte. Schmidts Ausführungen fanden überzeugte Anhänger unter den Spezialisten der modernen Dialektforschung, aber ebenso entschiedene Gegner, die Schmidts Argumente nicht gelten lassen wollten. […] Stammbaum- und Wellentheorie wurden verschmolzen von dem bekannten Slavisten Leskien“ (Porzeziński 1910: 209-211). Merkwürdigerweise scheinen weder Porzeziński noch sein Übersetzer Erich Boehme (Lektor an der Handelshochschule zu Berlin) von Schuchardts Text von 1870 (vorgetragen in Leipzig!), der schließlich 1900 erschien und in dem Schuchardt die „Mitvaterschaft“ der Wellentheorie beanspruchte, Kenntnis gehabt zu haben.. Es ist also sehr wohl möglich, dass Schuchardt je ein Exemplar des Pamphlets Über die Lautgesetze (Schuchardt 1885) und der Abhandlung Über die Klassifikation der romanischen Mundarten (Schuchardt 1900) wie auch des Werkchens Slawo-deutsches und Slawo-italienisches (Schuchardt 1884 [1971: 23-162]) an Porzeziński geschickt hat; vielleicht hat er ihm zudem Aufsätze und Buchrezensionen, die sich auf die Kontroverse um die Lautgesetze oder den Fragenkomplex der Misch- und Kreolsprachen bezogen, zukommen lassen.

Zweifellos war es Schuchardts Absicht, Porzeziński auf einige wichtige methodologische Erkenntnisse hinzuweisen, die in der Einleitung in die Sprachwissenschaft hätten Aufnahme finden können. Was Porzezińskis Gegengabe betrifft, so scheint es sich hauptsächlich um Aufsätze zu handeln, da von „Sonderabzügen“ die Rede istMöglicherweise sind hiermit auch Sonderexemplare der Universitätsdissertation (Porzeziński 1903) gemeint.. Vielleicht hatte Schuchardt von Porzeziński eine andere Reaktion erwartet, etwa die Anerkennung, dass einige seiner Arbeiten oder Ideen in der Einleitung eine Erwähnung verdient hätten. Offenbar wurde der Briefwechsel (und Publikationsaustausch) nicht fortgesetztWahrscheinlich hat Porzeziński sich letztlich doch nicht in Graz mit Schuchardt getroffen.. Es scheint somit ein möglicherweise vielversprechender Dialog zwischen dem Moskauer Hochschullehrer und dem Grazer Meister im Keim erstickt worden zu sein.

Bibliographie Doroszewski, Witold. 1930. 'Wiktor Porzeziński'. In Indogermanisches Jahrbuch 14: 371-374. Kaczmarkowski, Michał. 1996. 'Porzeziński, Wiktor Jan'. In Harro Stammerjohann (ed.), Lexicon grammaticorum. Tübingen: Niemeyer, 745-746. Nitsch, K[azimierz]. 1929. 'Wiktor Porzeziński'. In Język polski 14: 58-61. Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1901. Къ истор формъ спряжен въ балт iйскихъ языкахъ . Общее введенi е. Образованi е формъ лица и основъ времени и наклоненi я. Moskau. Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1903. Возвратная форма глаголовъ въ литовскомъ и латышскомъ языкахъ. Moskau. [Doktorarbeit.] Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1907. Введен i е въ языковеденi е. Moskau: Kušnerëv. [Neudruck: Мoskau: УРСС, 2005.] Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1910. Einleitung in die Sprachwissenschaft. Autorisierte Übersetzung von E. Boehme. Leipzig: Teubner. [Deutsche Übersetzung von Porzeziński 1907.] Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1914. Сравнительная грамматика славянскихъ языковъ. Вып. I: Введен ie . Общеславянскi й языкъ въ свете данныхъ сравнительноисторической грамматики индоевропейскихъ языковъ (Фонетика. Формы склоненi я). Moskau. [Neudruck: Мoskau: УРСС, 2004.] Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1927. 'Die allgemeine Sprachwissenschaft in Polen seit 1868'. In Biuletyn Polskiego Towarzystwa Językoznawczego 1: 47-79. Safarewicz, Jan. 1983. 'Porzeziński, Wiktor Jan (1870-1929)'. In Polski Słownik Biograficzny, XXVII: 676-677. Schuchardt, Hugo. 1884. Dem Herrn Franz von Miklosich zum 20. Nov. 1883. Slawo-deutsches und Slawo-italienisches. Graz: Leuschner & Lubensky. [= 1971: 23-162.] Schuchardt, Hugo. 1885. Über die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin: Oppenheim. Schuchardt, Hugo. 1900. Über die Klassifikation der romanischen Mundarten. Probe-Vorlesung gehalten zu Leipzig am 30. April 1870 von Dr. Hugo Schuchardt. Graz [Im Selbstverlag]. Schuchardt, Hugo. 1971. Slawo-deutsches und Slawo-italienisches. Mit Schuchardts übrigen Arbeiten zur Slawistik und mit neuen Registern. Herausgegeben und eingeleitet von Dieter Gerhardt. München: Fink. Szober, Stanisław. 1929a. 'Wiktor Porzeziński'. In Biuletyn Polskiego Towarzystwa Językoznawczego 2: 69-77. Szober, Stanisław. 1929b. 'Publications scientifiques'. In Biuletyn Polskiego Towarzystwa Językoznawczego 2: 77-81. Szober, Stanisław. 1929c. 'Wiktor Porzeziński: życie i praca (1870-1929)'. In Prace filologiczne 14, 7-24; 29-33. Wolf, Michaela. 1993. Hugo Schuchardt Nachlaß. Schlüssel zum Nachlaß des Linguisten und Romanisten Hugo Schuchardt (1842-1927). Graz: Leykam.
Herkunft der Digitalisate

Die von Viktor Karlovič Poržesinskij an Hugo Schuchardt verschickten Briefe befinden sich in:

Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen