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Jakob Jud

URI: https://gams.uni-graz.at/o:hsa.persons#P.1858
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Zitiervorschlag: Hausmann, Frank-Rutger (2019): Jakob Jud. In Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.person.1858, abgerufen am 31. 03. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.2.1858.


Einleitung

Die Korrespondenz zwischen Jakob Jud und Hugo Schuchardt wurde von Frank-Rutger Hausmann bearbeitet, kommentiert und eingeleitet.

Bedeutung

(1882-1952): In Wängi (Kanton Thurgau) als Sohn eines Kaufmanns geboren, studierte er nach der Matura in Zürich, Paris und Florenz Romanische Philologie. Seine Zürcher Lehrer waren Heinrich Morf und Ernest Bovet. Er promovierte 1906 sprachwissenschaftlich (Recherches sur la genèse et la diffusion des accusatifs en -ain et en -on). Als Privatlehrer (1902-03) im Engadin befasste er sich intensiv mit den rätoromanischen Mundarten Graubündens. Studienaufenthalte in Italien und Paris vertieften seine romanistische Bildung. Beeinflusst wurde er vor allem von Jules Gilliéron, dem „Vater“ des Atlas linguistique de la France. Im Jahr 1908 habilitierte sich Jud in Zürich, blieb aber zunächst noch im Schuldienst. Erst 1922 wurde er Zürcher Extraordinarius, 1926 Ordinarius, 1931 Nachfolger von Louis Gauchat. Im Jahr 1950 erfolgte seine Emeritierung. Zusammen mit Karl Jaberg konzipierte Jud den monumentalen Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz, der von 1928 bis 1940 in acht Bänden erschien.

Die Briefe von Schuchardt an Jud befinden sich im Jaberg-Archiv, Universität Bern (Institute für Romanische Sprachen und Literaturen und Jaberg-Bibliothek). Die Briefe haben keine Signatur und sind in einem Ordner abgelegt. In einem weiteren Ordner liegen Kopien der Briefe Juds an Schuchardt aus der Grazer Universitätsbibliothek. Der übrige Nachlass Juds, insbesondere seine Bibliothek, ging an die Universität Zürich (UZH). Der Briefwechsel Schuchardt-Jud ist allein dadurch von herausragender Bedeutung, dass es Jaberg gelingt, Schuchardt zu autobiographischen Auskünften zu bewegen.

Leider sind nur Teile des wechselseitigen Briefwechsels erhalten; zumal die frühen und späten Briefe und Karten Schuchardts (vor 1916 und nach Mai 1922) sind verschollen, und auch später klaffen Lücken. So stehen 81 Briefen und Karten Juds nur 34 Schuchardts gegenüber. Dennoch nimmt der Briefwechsel nach Umfang und Ergiebigkeit einen herausragenden Platz in der Gesamtkorrespondenz Schuchardts ein.

Am Ostersonntag 1914 stattete Jud Schuchardt in Graz einen ersten Besuch ab, so dass sich beide auch persönlich kennen lernten. In so gut wie jedem von Juds Schreiben kommt seine große Bewunderung für den Wissenschaftler Schuchardt zum Ausdruck. Er hat alle ihm erreichbaren Publikationen Schuchardts gründlich gelesen und hält im Jahr 1917 mit Zürcher Studenten erstmals eine (einstündige) Übung darüber ab. Seine Verehrung hindert ihn jedoch nicht an kritischer Durchdringung des von Schuchardt Publizierten, wobei ihm vor allem seine genaue Kenntnis der romanischen Sprachen und Dialekte, die er z. T. als Feldforscher erworben hat, zugute kommen. Er läßt Schuchardt u. a. ein Exemplar von Saussures Cours de linguistique générale zukommen.

Nach Kriegsausbruch vertritt Jud einen strikt neutralen Standpunkt und weist auf das gedeihliche Miteinander von deutsch- und französischsprachigen Schweizern hin (die italo-und rätoromanophonen werden eigenartigerweise nicht erwähnt). Dabei sind seine Anschauungen nicht nur demokratisch, sondern auch paneuropäisch und durchaus zukunftsweisend (man könnte sagen „modern“), wohingegen Schuchardt als Mann des 19. Jahrhunderts (mit Einschränkungen) einem Großraumdenken des 19. Jahrhunderts verhaftet scheint. Die Friedensverträge von Versailles und Saint-Germain empfindet er als ungerecht, zumal sie die Abtretung deutschsprachiger Gebiete (insbesondere Südtirols) bestimmen und damit die von den Alliierten gegen Deutschland ins Feld geführten Ideale des Selbstbestimmungsrechts der Völker Lügen strafen. Jud erinnert Schuchardt seinerseits an die annexionistischen und kriegstreiberischen Intentionen der preußisch-deutschen Monarchie vor 1914.

Die unterschiedlichen politischen Anschauungen Juds und Schuchardts vermögen jedoch nicht, den wissenschaftlichen Austausch zu stören oder die freundschaftlichen Beziehungen wie die Verehrung Juds für den Grazer „Meister“ zu trüben. Jud sendet Schuchardt nach Kriegsende Lebensmittelpakete, verschafft ihm fremdsprachige Publikationen, bezahlt Zeitschriftenabonnements und wird zur treibenden Kraft bei der Publikation des Schuchardt-Breviers.

Besonders erhellend ist die Diskussion über die Rolle des romanistischen fremdsprachlichen Unterrichts an deutschen und österreichischen Universitäten. Jud tritt für eine Öffnung hin zu landeskundlichen Themen und der Lektüre moderner literarischer wie sachlicher (landeskundlicher) Texte ein, die nicht zuletzt deutschschweizerische, österreichische und deutsche Schüler mit Sprache, Kultur und Lebensart des modernen Frankreich vertraut machen sollten, statt sie einseitig altfranzösische Texte studieren zu lassen.

Bibliographie

N. N., „Bibliographie der Veröffentlichungen von J. Jud“, in: Sache, Ort und Wort. Jakob Jud zum sechzigsten Geburtstag 12. Januar 1942, Genf: Droz / Zürich-Erlenbach: Eugen Rentsch, 1943 (Romanica Helvetica; 20), 1-14

NDB 10, 635-636 (W. Theodor Elwert)

HLS online (Ricarda Liver)

Siegfried Heinimann, „Hugo Schuchardt an Jakob Jud, fünf unveröffentlichte Briefe, eingeleitet und herausgegeben von S. H.“, Vox Romanica 31, 1972, 1-23

Ders., „Briefe von Jakob Jud an Hugo Schuchardt“, Vox Romanica 51, 1992, 1-39. [Die Anmerkungen dieser beiden Ausgaben werden, so weit wie nötig und möglich, übernommen]

Anne-Marguerite Fryba-Reber, Philologie et linguistique romanes. Institutionnalisation des disciplines dans les universités suisses (1872-1945), Leuven-Parsi-Walpole, MA: Peeters, 2013, 125-126 u. ad Indicem (382)

Rico Franc Valär, Weder Italiener, noch Deutsche! Die rätoromanische Heimatbewegung 1863 bis 1938, Baden: Verlag hier + jetzt, 2012; Auskünfte von Juds Enkel Pierre-André Jud, Zürich.

Herkunft der Digitalisate

Für die von Hugo Schuchardt an Jakob Jud verschickten Briefe gilt:

Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Jaberg-Archiv, Universität Bern (Institute für Romanische Sprachen und Literaturen und Jaberg-Bibliothek).

Die von Jakob Jud an Hugo Schuchardt verschickten Briefe befinden sich in:

Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen