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Julius Flittner

URI: https://gams.uni-graz.at/o:hsa.persons#P.1498
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Zitiervorschlag: Melchior, Luca (2015): Julius Flittner. In Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.person.1498, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.2.1498.


Einleitung

Die Korrespondenz zwischen Julius Flittner und Hugo Schuchardt wurde von Luca Melchior bearbeitet, kommentiert und eingeleitet.

Bedeutung

Der Briefkontakt zwischen dem Verleger Julius Flittner, der 1877 den Bonner Eduard Weber's Verlag übernommen hatte, nachdem er ihn schon einige Jahre geleitet hatte (vgl. Würffel 2000: 547),1 und Hugo Schuchardt entwickelte sich in den Jahren 1878-1879 in einer verlegerischen Angelegenheit. Julius Flittner beabsichtigte nämlich, zwei Publikationsprojekte zu realisieren, die jedoch in der geplanten Form nicht zustande kamen (vgl. dazu Găzdaru 1954: 1967). Zum einen war er entschlossen, eine neue Ausgabe der Diez'schen Grammatik der romanischen Sprachen zu veröffentlichen, "accompagnata da lavori complementari di parecchi tra i docenti che presso le varie nazioni si sono adoperati a fecondare la dottrina del Maestro" (Ascoli 1880-1883: 594). Das grundlegende Werk Diez' war zwar erst 1877 in vierter (und erster posthumer) Auflage erschienen, "[e]l éxito de la obra continuaba siendo tan grande, que también esta edición, sólo un año más tarde, se agotó casi por completo" (Găzdaru 1954: 659). Zum anderen hatte der Verleger erkannt, dass es "die Zeit der ersten großen synoptischen und enzyklopädischen Darstellungen des zeitgenössischen Wissensstandes und der Forschungsergebnisse für die romanische Philologie" (Kalkhoff 2010: 268) war und wollte in diesem neu entstehenden Markt mitmischen.2 Ihm schien es also notwendig, die Grammatik einerseits durch Anhänge zu ergänzen, in denen die mittlerweile errungenen Fortschritte in den einzelnen Bereichen dargestellt sowie Korrekturen zum Diezschen Werk vorgenommen werden sollten, andererseits mit einzelsprachlichen Special-Grammatiken zu begleiten.

Dafür wandte sich Flittner an Schuchardt, der nicht nur einer der wichtigsten Sprachwissenschaftler der Zeit, sondern auch einer der ersten und herausragendsten Rumänisten deutscher Sprache (vgl. u.a. Bahner 1965, Oancea 1985) war, mit dem Angebot, den Anhang und die Spezialgrammatik zum Rumänischen – und ggf. auch die zum Italienischen, die später an Ascoli3 (vgl. Găzdaru 1954: 660) und danach von diesem an Giovanni Flechia4 (ibid.) weitergereicht wurde – zu verfassen. Am Projekt nahmen neben den genannten einige weitere namhafte Romanisten der Zeit teil: Wendelin Foerster5, der als Hauptherausgeber tätig war und den französischen und eventuell provenzalischen Teil des Werkes übernehmen wollte, Alfred Morel-Fatio,6 welcher die spanischen Teile hätte behandeln sollen, Francisco Adolpho Coelho7 für das Portugiesische (vgl. Găzdaru 1954: 660) sowie Adolf Tobler,8 der am konzeptionellen Entwurf des Vorhabens maßgeblich mitbeteiligt war und dafür von ihm gesammelte Materialien zur Verfügung gestellt hatte.

Informationen

Dass das geplante Unterfangen letztlich scheiterte, scheint unterschiedliche Gründe gehabt zu haben: Darunter sind sicherlich die schwierigen Beziehungen zwischen dem Hauptkurator Wendelin Foerster und den Franzosen Gaston Paris9 und Paul Meyer10 zu zählen, die Graziadio Isaia Ascoli für das Projekt gewinnen wollten, wie Găzdaru (1954: 660f.) zurecht betont. Jedoch trug auch Schuchardts Ausscheiden dazu bei. Wie aus den hier edierten Briefen ersichtlich, hatte dieser schon im Mai 1878 den Verlagsvertrag unterschrieben, im Januar 1879 zog er sich aber zurück. Găzdaru vermutet dazu, dass

por el motivo de que, durante ese intermedio, se iniciaron algunas contribuciones rumanas a la filología románica, de manera que Schuchardt, con todo su genio, no tenía deseos, o no tenía aptitud para entrar, en concurrencia con los autóctonos, en el terreno de la gramática nacional de los mismos. (Găzdaru 1954: 661; vgl. auch Găzdaru 1971: 12)

Er bezieht sich auf einen Brief von Wendelin Foerster an Graziadio Isaia Ascoli vom 16. Dezember 1878, in dem der Bonner Romanist schrieb:

Schuchardt hat mir auf meine Anfrage geantwortet, dass er von dem Augenblicke an den Gedanken an eine walachische Grammatik u. sonstige Mitarbeiterschaft aufgegeben habe, als er Gasters Aufsatz über rumän. Vocale im Gröberschen Journal gelesen, er könne mit dem Eingebornen nicht concurrieren. (zitiert nach Găzdaru 1954: 679)

Es war jedoch sicherlich nicht der Respekt vor der wissenschaftlichen Leistung seiner rumänischen Kollegen, die Schuchardt dazu bewegte, die Mitarbeit am Projekt aufzukündigen, und es war auch nicht der Rumäne Bogdan Petriceicu Hasdeu,11 wie Găzdaru (1971: 12) vermutete, den Schuchardt für einen möglichen Ersatzautor hielt. Schuchardt hatte in Wirklichkeit schon den tschechischen Sprachwissenschaftler und Rumänisten Jan Urban Jarník12, Sekretär und Schüler Mussafias, als Co-Autor bestellt – ohne jedoch den Verlag davon in Kenntnis zu setzen (vgl. Melchior 2015).13 Nach seinem Ausscheiden aus dem Projekt schlug Schuchardt Jarník vor, dass Letzterem der junge rumänische Forscher Moses Gaster14, ein Schüler Gustav Gröbers (und späterer Mitverfasser des rumänischen Teils des Gröberschen Grundriss), zur Seite gestellt werden sollte. Dieser jedoch lehnte die Zusammenarbeit mit Jarník sofort ab15.

Schuchardt begründete seinen Verzicht mit einer bevorstehenden Reise nach Spanien, die er in der Tat 1879 unternahm und die zu einem sechsmonatigen Aufenthalt vorwiegend in Sevilla führte (vgl. Melchior 2015). Es scheinen ihn aber auch finanzielle sowie konzeptionelle Unstimmigkeiten in dem Unternehmen dazu bewegt zu haben, seine Mitarbeit aufzukündigen, vielleicht aber auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Unternehmens.16

Der Plan einer Ausgabe der Diezschen Grammatik, die erweitert und erneuert hätte sein sollen, wurde wie erwähnt nie umgesetzt. Die fünfte Auflage, die erst einige Jahre später erschien (Diez 51882), war ein einfacher Abdruck (in einem Band) der dritten, von Diez selbst korrigierten Ausgabe, die als einziges Novum das Inhaltsverzeichnis zu den ersten drei Büchern von Friedrich Apfelstedt17 und das Inhaltsverzeichnis zum vierten Buch sowie ein Verzeichnis der Abkürzungen von Emil Seelmann18 beinhaltete.

Die vorliegende Edition versteht sich als ein Beitrag zur Erforschung der externen Faktoren, welche die Entwicklung der Romanistik und der Sprachwissenschaft im 19. Jahrhundert beeinflussten bzw. diese begleiteten.19 Wie schon erwähnt ist das verlegerische Vorhaben Flittners vor dem Hintergrund der damaligen Entwicklungen auf dem wissenschaftlichen Buchmarkt, der Etablierung neuer Fächer und Disziplinen – die "Neuphilologie" zunächst, die einzelnen modernen Philologien später – zu sehen. Die Verlage der Zeit hatten den Bedarf an Überblicks- und Einführungswerken für Lehre und Forschung erkannt und bemühten sich, darauf zu reagieren – wohl auf ihre unternehmerischen Interessen bedacht. Die hier zur Edition gebrachten Briefe sind ein klares Zeichen dafür. Sie gewähren zudem einen Einblick in die Vertragsverhandlungen zwischen Verlegern und Wissenschaftlern – z.B. in Urheberrechte und Entlohnung betreffenden Fragen – und liefern somit wichtige Informationen zur externen Wissenschaftsgeschichte.

Gegenbriefe

Es war nicht möglich, weitere Unterlagen zu dieser Angelegenheit zu finden. Auch die Briefe Schuchardts an Flittner konnten trotz intensiver Recherche nicht gefunden werden.

Briefedition und Kommentare

Die Briefe Flittners sind von einer gewissen formalen Nachlässigkeit: Häufig schreibt er z.B. "rumanisch" statt "rumänisch", darüber hinaus "franzosisch" statt "französisch" und "Ruckkehr" statt "Rückkehr", "Schuchard" statt "Schuchardt" oder "Grass" statt "Graz", teils irrt er sich im Datum der Briefe. Es wurde im Text weitestgehend verzichtet, auf die einzelnen Stellen mit [sic] hinzuweisen, es wurden jedoch auch keine Korrekturen vorgenommen, sondern die Texte wurden dem Original getreu wiedergegeben.20

Die Webedition wurde unter Mitarbeit von Katrin Purgay erstellt.

Bibliographie

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Lebensdaten aus https://de.findagrave.com/memorial/73539764/julius-flittner [27.03.2015].

Herkunft der Digitalisate

Die von Julius Flittner an Hugo Schuchardt verschickten Briefe befinden sich in:

Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen