Wilhelm Max Müller an Hugo Schuchardt (01-07587)

von Wilhelm Max Müller

an Hugo Schuchardt

Philadelphia

26. 02. 1908

language Deutsch

Schlagwörter: language Arabischlanguage Berberisch Littmann, Enno Basset, René

Zitiervorschlag: Wilhelm Max Müller an Hugo Schuchardt (01-07587). Philadelphia, 26. 02. 1908. Hrsg. von Bernhard Hurch (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9960, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9960.


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Philadelphia, Pa, 26. 2. 08.

Lieber Herr Kollege !

Ich habe mich sehr gefreut, brieflich mit Ihnen bekannt zu werden und hoffe, es wird auch die persönliche Bekanntschaft in nicht allzu ferner Zeit folgen. Ich fürchte, diesen Sommer im Land bleiben zu müssen, aber 1909 werde ich sicher nach Wien kommen, vielleicht auf der Weiterreise auch durch Graz.

Mit der Frage nach meiner Untersuchung über die “libysche Frage”, sie Sie ganz treffend sich ausdrücken, setzen Sie mich recht in Verlegenheit. Vor sehr langer Zeit, als ich mich eingehend mit der sprachlichen Seite der Frage beschäftigt hatte, begann ich, eine größere historische Stude darüber; das Ms. ist mehr als in nonum annum liegen geblieben, teilweise ergänzt u. umgearbeitet, dann wieder ruhig |2| dem Zahn der Zeit u. dem Veralten überlassen. Littmann1, mit dem ich mündlich einiges daraus besprach, griff ein paar Einlzelheiten in mir recht unerwünschter Weise heraus. Schließlich ist kein Unheil daraus entstanden; um so besser! Ich habe seitdem an allem Möglichen gearbeitet, nur nicht an dieser Sache und habe auch jetzt erst andere Dinge zu erledigen. Es wird wohl rätlich sein, an die Sache zu gehen, sobald ich etwas Zeit finde — aber ich habe so viel anderes Material u. Angefangenes. Das Ms. muß jedenfalls total umgearbeitet werden.

Unter diesen Umständen bitte ich Sie, auf mich gar keine Rücksicht zu nehmen u. mit Ihrer Arbeit frisch drauf los zu gehen. Macht dieselbe meine Arbeit überflüssig, so werde ich mich freuen, andernfalls kann ich ja Ihre Arbeit benützen. Immerhin scheint mir aber , daß Sie in ganz anderer Weise u. von einer anderen Seite arbeiten werden, als ich, um so mehr sollten Sie vorwärts |3| arbeiten u. bald Ihre Resultate bringen.

Die Frage ist ja so verwickelt, daß sie nur durch Zusammenarbeiten mehrerer gelöst werden wird. (NB! Littmann’s Ansichten bitte ich nicht mit meinen sich vollständig deckend anzusehen).

Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, so werde ich es gerne tun, nur werden Sie finden, daß mein Zeitmangel mir im Wege steht. Auch bin ich aus dem Sprachlichen teilweise recht heraus man läßt solche Studien nicht ungestraft mehrere Jahre lang liegen. (Namentlich meine häufigen Orientreisen haben in der letzten Zeit das verschuldet). Wenn Sie übrigens etwas von René Basset2 brauchen, so werden Sie einen recht liebenswürdigen Menschen finden; berufen Sie sich eventuell auf mich. Die Inschriften interessieren ihn allerdings weniger als mich.

Ich würde es herzlich bedauern, wenn Sie meinetwegen |4| Ihre Arbeit einen Tag nur verzögert hätten.

Von manchen Ihrer Arbeiten würden mir Separatabzüge sehr willkommen sein, aber ich bitte Sie, sich damit keine Ungelegenheiten zu machen.

Ihnen viel Glück zu Ihren Forschungen wünschend, grüßt Sie

Ihr

W. Max Müller.3


1 Mit dem Orientalisten Enno Littmann [1855–1958], Professor in Straßburg, Göttingen, Bonn und 30 Jahre lang in Tübingen, stand Schuchardt ebenfalls in brieflichem Kontakt, vgl. HSA 06563–06568.

2 René Basset [1855-1924] war algerisch französischer Orientalist, der auf Arabisch und Berbersprachen spezialisiert war. Schuchardt stand mit Ihm ebenfalls in brieflichem Kontakt (HSA 00555–00569).

3 In dieser Form zu unterschreiben, soll wohl eine klare Reminiszenz an den Vater, den ungleich bekannteren Indologen in OxfordF. Max Müller sein.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07587)