Emil Fischer an Hugo Schuchardt (04-03046)
von Emil Fischer
an Hugo Schuchardt
27. 11. 1909
Deutsch
Schlagwörter: Universität Graz Universität Berlin (Friedrich-Wilhelms-Universität) Graz Gotha Rumänien Fischer, Emil (1911)
Zitiervorschlag: Emil Fischer an Hugo Schuchardt (04-03046). Bukarest, 27. 11. 1909. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9905, abgerufen am 02. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9905.
Bukarest, 27. Nov. 1909.
Verehrter Herr Professor!
Erlauben Sie mir, als einem alten Grazer Studenten, dass ich mein Herz vor Ihnen ausschütte.
Ich habe in Graz zum Dor univers. medic. promovirt, aber noch ehe ich das Doctorat hatte, mich auf der philos. Fakultät inscribiert (v. Ettinghausen war Dekan)1. Die leidige|2|Noth: Brod verdienen zu müssen, zwang mich in die Praxis zu gehen. Ich habe, wie Sie vielleicht bemerkt haben werden, deshalb nicht aufgehört: Stud. philos. zu bleiben. Und ich betrachte Sie noch immer als meinen alten Grazer: professor iuventutis academicae u. wende mich daher in meinen wissenschaftlichen Nöthen an Sie.
Schon seit 17 Jahren habe ich Archive u. Urkunden durchstöbert u. ein- |3| dringende Studien zu einem grossen Werk gemacht, das schon seit Jahresfrist druckfertig bei Prof. Höniger2 in Berlin liegt: „Die Kulturarbeit des Deutschthum’s in Rumänien”3.
Prof. Höniger ist voll des Lobes über meine Arbeit u. hatte mir die Publikation in den „Schriften des Alldeutschen Verbandes” zugesagt. Seither ist Fürst Bülow gefallen u. die (dem Alldeutschen Verband) zugesagte Unterstützung |4| von 35.000 ℳ gestrichen worden.
Prof. P. Langhans ( Gotha)4, Prof. P. Lehmann (Berlin)5, Prof. Julius Jung (Prag)6, Prof. Brandl (Berlin)7 kennen auch meine Arbeit u. setzten sich für mich ein, aber: „kann ich Dukaten aus der Erde stampfen – Wächst mir u. s. w.“8
Meine Vaterstadt Kronstadt begeht anno 1911 die 700jähr. Feier ihrer Gründung durch |5| die Deutschen Ritter. Kronstadt hat den Löwenantheil an der Kulturarbeit in Rumänien. Ich möchte dem alten Kronen zu seinem Ehrentag mein Buch widmen.
Aber ohne Mittel – – . Vielleicht stehen der Grazer Universität, oder einem Steiermärk. wissensch. Verein Gelder zur Verfügung (ein Archiv oder drgl.) u. es könnte auf diese Weise meine Arbeit im Druck herauskommen. Ich ge- |6| höre doch noch immer der Grazer Alma Mater an, wenn auch nur ein unfertiger Stud. philos.
Verzeihen Sie, dass ich Sie in Ihrer Gelehrten Ruhe aufstöre, aber ich wusste mir keinen anderen Ausweg. Vielleicht dass ein Wort von Ihnen, an geeignetem Orte, etwas wirken|7| mag.
In Erwartung einer gütigen Antwort bleibe ich Ihr
ergebener
Dr Fischerstud. philos.
1 Constantin von Ettingshausen (1826-1897), seit 1871 o. Prof. der Botanik und Paläophytologie an die Universität Graz.
2 Robert Hoeniger (1855-1829), ab 1894Titular-, ab 1920 o. Hon.-Prof. d. Wirtschafts- u. Sozialgeschichte der Univ. Berlin.
3 Emil Fischer, Die Kulturarbeit des Deutschtums in Rumaenien: ein Versuch zur Grundleging ihrer Geschichte, Hermannstadt 1911.
4 Paul Langhans (1867-1952), deutscher Kartograph und Geograph.
5 Friedrich Wilhelm Paul Lehmann (keine Daten), Geograph.
6 Julius Jung (1851-1910), Prof. für alte Geschichte in Prag.
7 Alois Brandl (1855-1940), Prof. d. Anglistik in Berlin.
8 Angelehnt an Schiller, Die Jungfrau von Orleans. Eine romantische Tragödie, 1801. 1. Akt, 3. Auftritt, Karl.