Emil Fischer an Hugo Schuchardt (02-03044)

von Emil Fischer

an Hugo Schuchardt

Bukarest

30. 11. 1903

language Deutsch

Schlagwörter: Archiv für slavische Philologielanguage Rumänischlanguage Lateinlanguage Albanischlanguage Griechisch Jagič, Vatroslav Ignaz Kairo

Zitiervorschlag: Emil Fischer an Hugo Schuchardt (02-03044). Bukarest, 30. 11. 1903. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9903, abgerufen am 02. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9903.


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Bukarest, 17. 30.XI.1903.

Sehr geehrter Herr Professor!

In meinem Auftrage hat sich mein Verleger erlaubt, Ihnen ein Exemplar meines Buches über „Die Herkunft der Rumänen“ zu übersenden & ich bitte Sie dasselbe freundlich entgegen zu nehmen.

Es steckt ehrliche Arbeit darinnen, die Ihnen das Buch – so hoffe ich – sympathisch machen wird.

Um den Bau meines Werkes noch mehr zu festigen, habe ich etwa 400 Gebirgs- u. Bergnamen Siebenbürgens etymologisch untersucht; die Arbeit wird im Jahrbuch des Siebenbürger Karpathenvereines 1904 |2| erscheinen. Ferner habe ich 2749 slav. Wörter (Wurzeln & ihre Derivate) in der rumän. Sprache untersucht und daraus kulturhistorische und (völker-)psychologische Schlüsse gezogen.

Mehr als die Hälfte der Benennungen der Körpertheile ist slavisch, fast ganz slav. die Benennung des Hauses vom Aufboden (podu) bis zum Keller ( pivniță); ebenso die Kleidung, – ausser dem Hemd (cămaşă) und dem Hut ( pălăria) ist fast nichts lateinisch. Der Pflug und der Webstuhl sind in allen ihren Theilen slavisch benannt. Die Kose- und Lästernamen der Hausthiere u. Ihre näheren Bezeichnungen sind ebenfalls slavisch. Unter den Fischen hat nur der Karpfen (nebenbei auch) einen lateinischen Namen. Die Speisen, Gartenblumen, Bäume, ja selbst die Liebe sind slavisch (Hochzeitsbräuche, Musik- |3| instrumente). Die kirchlichen Bräuche & der volksthümliche Glaube (Hexerei, Zauberei, Feen etc. etc.) sind mit Slavischem durch & durch durchtränkt.

Da nun Geist und Sprache eins sind und die Sprache unmöglich nur durch ihren Bau allein charakterisiert werden kann *, so kann das Walachische keine romanische Sprache schlechthin genannt werden.

Ich möchte diese Arbeit gerne bei Jagič (Arch. f. slav. Philologie) unterbringen u. wäre Ihnen überaus dankbar, wenn Sie mein Stre-

*Uebrigens ist dieser Bau durchaus nicht romanisch schlechthin. Siehe die slav. Vocative auf o und e, die Negation auf ha, die Affirmation auf ha da, die Comparation mit prea, die Zahlenbildung, die vielen Suffixe & Praefixe, die Lautbildung & Accentuation. Siehe die übrigen (albanesisch u. Griechischen) Abweichungen von der roman. Grammatik

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ben durch Ihre Fürsprache unterstützen wollten. Die Arbeit „Der Antheil des Slavischen an der rumänischen Sprache” ist nicht gross (die Vokabeln brauchen ja nicht, Wort für Wort, durchgeprüft zu werden), sie ist an zwei Abenden bequem zu lesen.

Sollten Sie durch meine „Herkunft der Rumänen” einiges Vertrauen zu meinem Fleiss & zu meiner Einsicht gewonnen haben, so bitte ich Sie, auch an meine slavische Unternehmung sich heranzumachen. Falls Sie zwei Abende für die Durchsicht meines Manuscriptes opfern wollten, so würde ich es Ihnen einsenden. Der Text umfasst 47 gross geschriebene Quartseiten.

Mag das grosse Vertrauen, das ich zu Ihnen habe, meine Bitte entschuldigen. Hochachtungsvoll sich empfehlend
Dr Emil Fischer,
Strada Modei 12.

P. S. Ich war im vergangenen Sommer auch in Syrien, Palaestina und Cairo.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03044)