Karl Engler an Hugo Schuchardt (11-02754)

von Karl Engler

an Hugo Schuchardt

Karlsruhe

27. 06. 1877

language Deutsch

Schlagwörter: Kraus, Gregor Italien Graz Halle

Zitiervorschlag: Karl Engler an Hugo Schuchardt (11-02754). Karlsruhe, 27. 06. 1877. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9890, abgerufen am 01. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9890.


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Carlsruhe d. 27. Juni 77.

Lieber Schuchardt!

Ihre herzlichen Glückwünsche üben einen derart hydraulischen Druck auf die Dinte in meiner Feder aus, daß ich ihm nicht widersprechen kann & Ihnen meinen ebenso herzlichen Dank aus derselben herauspressen lassen muss. – Ja lieber Freund, also doch! Es hat mich, & vorbei ists mit dem Lebensabschnitt, in dem ich mich leider nur etwas zu lange aufgehalten habe. Vor 9 Wochen sah ich das Mädchen zum ersten Mal beim Diner eines Freundes (in Emmendingen bei Freiburg) dessen Schwägerin sie ist.1 Es trat|2| dann eine Pause von 4 Wochen ein bis ich sie vor 5 Wochen mit eben jenem Freunde in Lahr besuchte. Vor 3 Wochen habe ich mich mit dem Mädchen verlobt, vor etwas über 8 Zeugen die Eltern gefragt. Diese, in anderen Plänen befangen, machten zwar einige Schwierigkeiten, doch die Sache gieng & im September wird die Hochzeit sein. Daß wir nach Italien reisen ist selbstverständlich; ich glaube bald unsere Mädchen resp. Frauen glaubten sie seien noch ledig, wenn sie das eheliche Glück nicht unter dem blauen Himmel Italiens genossen haben! Außerdem hat auch die Meier’sche Reise nach Südfrankreich so ungenügende Resultate ergeben, daß ich lieber die so viel bewährte Straße wandere! Allerdings ist es mir fraglich, |3| ob sie über Graz führt; da spricht aber jetzt noch Jemand mit. Aber wenn ich es irgend einrichten kann, so komme ich dahin, denn es gehört zu meinen Herzenswünschen, Sie wieder einmal zu sehen & zu sprechen. Ich hätte Ihnen auch so Vieles zu erzählen, was man nicht schreiben darf: von Briefen, die ich in meinem Schreibtisch in Halle liegen gelassen & die von der Christel cuvertirt & an mich zurückgeschickt wurden. Es waren Briefe einer Schauspielerin. Nicht völlige Discretion der Christel, Gerücht in Halle über aufgefundene Damenbriefe in Engler’s Schreibtisch, Panik bei verschiedenen Leuten, die sich in Briefen an mich Luft machten; Trostbrief meinerseits, außer nur die Briefe einer Schauspielerin waren aus dem Jahr 1869. In der That war es nur diese Sammlung. Auch sonst ist viel passirt, das uns gemeinsam interessirt. Vieles werden Sie übrigens |4| schon von Frau Clara2 gehört haben, mit der Sie gewiß eifrige Correspondenz unterhalten.

Trotzalledem sind mir jedoch aus Halle wieder herzliche Glückwünsche von allen Seiten zugekommen & auch die Damen scheinen nicht, wie Sie meinen, Thränen zu vergießen, sondern stimmen in die Freude ein. Siehe Gratulationskarten von Lina Büttner, Olga Zimmermann, Tony Rögner-Fingen3 etc. etc. ! – – Uebrigens hätte ich auch gar nichts dagegen wenn sie weinten! – Eine Niederlage für dieselben bleiben ja immerhin die Facten: Müller4 eine Österreicherin, Rathke5 eine Tirolerin, Konrad6 eine Leipzigerin, denen ich mich nun mit einem Breisgauer Mariele anschließe. Sie scheinen auch nicht die Absicht zu haben, sie herausreißen zu wollen & ob Kraus, Steudener7 & Fellenius8 versuchen etwas für die Ewigkeit zu liefern ehe sie völlig zu Mumien geworden sind, wird mir mehr & mehr fraglich. Wie steht es denn mit den Grazerinnen? um nicht die geschmacklosen Huyschen9 Grazien zu nennen?

Herzliche Grüße von Ihrem
C. Engler


1 Gemeint ist: Maria Magdalena (1854-1945), Tochter des Fabrikanten Adolf Frdr. Bader in Lahr, ⚭ mit Engler Lahr 1877.

2 Es gibt sechs Korrespondentinnen mit dem Vornamen „Clara“: Heyler, Ludwig, Meyern-Hohenberg, Schlieckmann, Wernecke, Zwiedineck.

3 Namen nicht mit Sicherheit entziffert, keine Identifikation.

4 Es gibt vier Professoren dieses Namens, die in Frage kommen.

5 Bernhard Rathke (1830-1923), Prof. f. Chemie und chemische Technologie.

6 Vermutlich ist gem. Johannes Conrad (1839-1915), Chemie und Bodenkunde.

7 Friedrich Steudener (1839-1880); 1874 wurde zum außerordentlichen Professor für pathologische Anatomie und 1876 zum ordentlichen Professor ernannt. Gemeinsam mit Hermann Welcker leitete er das anatomische Institut.

8 Nicht identifiziert.

9 Sollte Huy im Landkreis Harz (Sachsen-Anhalt) gemeint sein?

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 02754)