Mathias Murko an Hugo Schuchardt (42-07621)

von Mathias Murko

an Hugo Schuchardt

Graz

18. 11. 1914

language Deutsch

Schlagwörter: Revue internationale des études basqueslanguage Slowenischlanguage Deutsch Schuchardt, Hugo (1914) Schuchardt, Hugo (1914) Schuchardt, Hugo (1914) Schuchardt, Hugo (1914)

Zitiervorschlag: Mathias Murko an Hugo Schuchardt (42-07621). Graz, 18. 11. 1914. Hrsg. von Helena Reimann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9806, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9806.


|1|

Graz 18/11 14

Sehr geehrter Herr Hofrat!

Besten Dank für die SA.. aus der „Revue Basque 1914-„1! Von den Aufsätzen hat mich natürlich „Zur method. Erforschung der Sprachverwandtschaft“ am meisten interessiert. Über Sprachmischung machte ich in den letzten Jahren öfters Beobachtungen, namentlich an den Kindern, leider unsystematisch und nur vorübergehend, da ich nicht genug Zeit und Ruhe dafür fand; man muss wie Radloff2 bereits Großvater sein, um die Enkel so beobachten zu können. Nur eines möchte ich bezüglich der bilingues bemerken: auch da sind die Individualitäten sehr verschieden. Mein |2| Vladko unterschied genau zwischen Slowenisch und Deutsch, als er kaum sprechen konnte; er hatte ein deutsches Kindermädchen und überraschte uns einmal bei Tisch mit der Erklärung: Betti sagt Löffel, wir žlica. Als er heranwuchs, beobachtete ich äusserst selten eine Sprachmischung, er fing, wenn er einen Ausdruck in der einen oder anderen Sprache nicht wusste, gleich, wie das Wort slov. oder d. heisse. Dafür war aber die Jelka speziell unter den Kindern berühmt wegen ihrer Sprachmischerei, sie sprach ohne weiteres Deutsch mit vielen slowenischen Wörtern *) oder sich für alle drei Personen. Das dankbarste Beobachtungsobjekt wäre aber meine erste Köchin

*) sogar: peč je pokvarjen = der Ofen ist verdorben!

|3|

gewesen ein nervöses und lebhaftes Frauenzimmer, die besonders grob war in syntaktischen Mischungen z. B. sprach sie geradezu Deutsch mit slowenischen Wörtern. Mit Recht betonen Sie daher, auf die Berücksichtigung der Syntax. Viele Sprachmischungen sind auf Unkenntnis und auf Bequemlichkeit zurückzuführen; so kaufte ich einmal meiner Frau und Köchin ein slov. Kochbuch, damit sie nicht meine Ohren beleidigen, aber ohne besonderen Erfolg.

Ihr „Deutsch gegen Fr. u Eng.“3 habe ich erst heute erhalten. Darüber vielleicht einmal mündlich.

Mit den besten Grüssen

Ihr

ergebenster

MMurko


1 Revista Internacional de los Estudios Vascos. RIEV, 8, 2, 1914. In dieser Nummer erschienen drei Beiträge von H. Schuchardt: Tusuri Teufel, S. 324, Die Herleitungen aus dem baskischen bzw. Iberischen in Meyer-Lübkes Rom. Etym. WB.: (bis S. 560), S. 325-337, und Zur methodischen Erforschung der Sprachverwandtschaft II., S. 389-396.

2 Friedrich Wilhelm Radloff (1837-1918), ein deutsch-russischer Sprachwissenschaftler, Turkologe und Ethnograph.

3 H. Schuchardt, Deutsch gegen Französisch und Englisch. Graz: Leuschner & Lubensky, 1914.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07621)