Hugo Schuchardt Archiv

Graz am 4. Febr. 1912

Hochverehrter Herr Hofrat!

Da Sie heute ohnehin stark in Anspruch genommen sind und mich auch Krankheiten in der Familie hindern, so behalte ich mir vor, Ihnen in den nächsten Tagen persönlich meine Glückwünsche zum neuen Abschnitt Ihres erfolgreichen Lebens darzubringen ¹. Nur von einem solchen will ich sprechen, denn als einen „Jubelgreis“ kann ich mir Sie gar nicht denken. Mit Stolz und Freude können Sie als „ein Fürst in der Wissenschaft“, wie Sie Mussafia zu nennen pflegte, auf Ihre Lebensarbeit zurückblicken und werden es weiter durch Taten bereichern.

Vor allem muss ich jedoch heute einem tiefen Bedauern Ausdruck geben. Ihr universaler Geist |2|brachte Sie auch der slavischen Philologie besonders nahe. Deshalb fühlten sich namentlich ihre beiden Vertreter in Graz auch verpflichtet, Ihnen zum Jubiläum eine dauernde Erinnerung unserer Hochschätzung und unseres Dankes zu überreichen. Štrekelj übernahm als der Ihnen näher stehende die Aufgabe und sammelte Material, aber leider dürfte es nur ein solches bleiben². Ich selber konnte jedoch wegen der Kürze der Zeit nicht mehr eine würdige und auf Sie Bezug nehmende Gabe in Angriff nehmen. Wollen Sie daher wenigstens unseren guten Willen zur Kenntnis nehmen.

Ein kleiner Beitrag³ zur Frage, wie Schriftsprachen entstehen, übersende ich Ihnen immerhin, aber er ist äusserlich so unvollkommen, dass ich nicht einmal eine handschriftliche Widmung drauf schreiben könnte. Die Redaktion der Belgrader Revue hatte solche Eile mit der Veröffentlichung desselben in der letzten Jahresnummer, dass sie ihn zu meinem Entsetzen ohne meine Korrektur zum Abdruck brachte.

Alle meine Wünsche fasse ich kurz zusammen: Na многаяа лыта – živio!

Ihr aufrichtig ergebener

MMurko