Theodor Gartner an Hugo Schuchardt (132-3479)
von Theodor Gartner
an Hugo Schuchardt
24. 11. 1906
Deutsch
Schlagwörter: Gröber, Gustav Schädel, Bernhard Farinelli, Arturo Schädel, Bernhard (1905) Videsott, Paul (2008)
Zitiervorschlag: Theodor Gartner an Hugo Schuchardt (132-3479). Innsbruck, 24. 11. 1906. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2018). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9589, abgerufen am 16. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9589.
Innsbruck, 24. Nov. 06
Verehrter Freund!
Herzlichen Dank für die prompte Antwort. Ich habe eben an Gröber geschrieben. – Daß das Min. in den Fonds zur Ausbildung f. d. akad. Lehramt gegriffen habe, ist nur meine Vermutung; denn daß ein bestimmter Studienzweck angegeben war, ist ja richtig. Herr Schädel macht auf mich den Eindruck eines Marktschreiers1; immerhin hat er das Prae, daß er leben u. reisen kann. |2| Was Farinelli betrifft,2 hat das Min. dem Senat (auf dessen Ansuchen um weitere Beurlaubung Farinellis) zugegeben, daß eine Wiederaufnahme seiner Vorlesungen in I. untunlich sei. Ich weiß zwar nicht, ob die betreffenden Kollegen bei einigem guten Willen nicht im Stande wären, die Studenten der nationalen Verbindungen zu überzeugen, daß die diffamierenden Gerüchte über F. vom November 1904 nicht auf Wahrheit beruhen; aber F. ist |3| nun allerdings unmöglich, er sagte auch schon vor 1 ½ Jahren zu mir, daß es ihm unmöglich sei, in der Gesellschaft der Herren zu erscheinen, die damals im Senat waren und ihn nicht in Schutz nahmen, sondern unverhört fallen ließen. Die Kollegen sagen zum Teil jetzt noch: F. ist ein so aufgeregter Mensch, daß es möglich wäre, er hätte doch das getan, was man ihm vorwirft, und hätte es im nächsten Augenblick selber nicht gewußt. Die Studenten haben (angeblich) |4| drei Zeugen. Ich halte es für glaubwürdiger, daß diese Zeugen irren oder irregeführt sind, als dass F. wirklich die Deutschen mit einem zoolog. Namen belegt – die Fama schwankt bezüglich der Spezies – hinter den Revolverhelden gestanden und die deutschen Studenten beschuldigt hätte, geschossen zu haben. F. ist weder ein Narr, noch ein Trunkenbold. Ich habe nun+ (+ in der Komiteesitzung gestern) nur verhindern können, daß man vor F.s Abgang einen Vorschlag (Suppl.3 oder a.o. Prof.) macht.
Recht herzlichen Gruß!
Ihr
Gartner
1 Möglicherweise spielt Gartner auf Bernhard Schädel, Mundartliches aus Mallorca, Halle a.S.: Niemeyer, 1905 an.
2 Paul Videsott, „Jan Battista Alton und die Besetzung der Lehrkanzel in Innsbruck 1899. Quellen zur Geschichte der Romanistik an der Alma Mater Œnipontina“, Ladinia XXXII, 2008, 51-107; vgl. weiterhin Farinellis Briefe an Schuchardt, bes. die 14 Briefe, 10 Postkarten des Jahres 1906. Farinelli stellt Gartner und seinem Verhalten ihm gegenüber das allerbeste Zeugnis aus.
3 Supplieren, Supplent, österr. für Aushilfslehrer oder Vertreter, d. h. jemand anderen auf Farinellis Stelle setzt.