Alfred Landau an Hugo Schuchardt (04-06219)

von Alfred Landau

an Hugo Schuchardt

Wien

04. 12. 1887

language Deutsch

Schlagwörter: language Jiddisch Gininger, Chaim (1938)

Zitiervorschlag: Alfred Landau an Hugo Schuchardt (04-06219). Wien, 04. 12. 1887. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9542, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9542.


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Wien 4 December 1887.1

Hochverehrter Herr Professor!

Sie fragen mich, wo ich meinen Aufsatz drucken lassen wolle? Ich kann darauf nur anworten, daß ich denselben gar nicht in dieser Absicht geschrieben habe. Ich war von vornherein überzeugt, daß bei den über Jüdisches im allgemeinen und über das Jüdischdeutsch im besonderen herrschenden Anschauungen keine sprachwissenschaftliche Zeitschrift einen derartigen Aufsatz annehmen würde, worin Sie mir wohl beistimmen werden. Aber auch eine speciell jüdischen Interessen ge- |2| widmete Zeitschrift würde einen Artikel, der sich ernsthaft mit dem verachteten und bespöttelten „Jargon“ befaßt, schwerlich zum Abdruck bringen, am wenigsten den meinigen, der allerdings ein Laienpublicum weder durch sein Thema noch durch seine Form anziehen kann. Für ein solches Blatt passend und zugleich der Sache förderlich wäre nur ein Aufsatz, welcher die Wichtigkeit der Volksmundarten populär darstellen und zu Stoffsammlungen anregen würde.

Aus diesem Grunde habe ich also meine kleinen Artikel nur zur privaten Mittheilung bestimmt, wie dies schon aus der Form derselben hervorgeht, da zur Veröffentlichung doch mindestens eine kurze Einleitung über Sprachmischung |3| im allgemeinen und eine Charakteristik des Jüdischdeutschen erforderlich gewesen wäre. Abgesehen davon daß mir die Arbeit eine lehrreiche Übung und nicht ohne Nutzen für die Grammatik und das Wörterbuch des Jdd. gewesen ist, wird sie ihren Zweck vollkommen erfüllt haben, wenn sie von Ihnen, hochverehrter Herr, mit Interesse gelesen werden und Ihnen Anlaß zu Bemerkungen gegeben haben wird, die nicht anders als höchst belehrend und anregend für mich sein können und denen ich deshalb mit größter Spannung entgegensehe.

Mit gewohnter Hochachtung

Ihr ergebenster
D r A Landau


1 Frau Martina Niedhammer, Collegium Carolinum - München, verdanken wir die Mitteilung, dass dieser Brief “in Ausschnitten im deutschen Original in einem jiddischsprachigen Artikel zu Landau zitiert wird (Der Artikelverfasser Chaim Gininger arbeitete in Vilna mit dem Nachlass Landaus, der von den Erben aus Wien an das dortige YIVO, dem damals zentralen Forschungsinstitut für das Jiddische unter der Leitung Max Weinreichs, verbracht worden war. Offenbar hatte Landau Abschriften seiner Briefe hinterlassen. Der Nachlass inkl. Landaus Wörterbuchtorso gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen.): Gininger, Chaim: Di korespondents A. Landoy – L. Sheyneanu. In: YIVO bleter 13 (1938), 275-300, hier 281f.”, Red.

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