Hermann Buchholz an Hugo Schuchardt (01-01436)

von Hermann Buchholz

an Hugo Schuchardt

Friedenau

09. 10. 1886

language Deutsch

Zitiervorschlag: Hermann Buchholz an Hugo Schuchardt (01-01436). Friedenau, 09. 10. 1886. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9463, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9463.


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[9.10.1886]

Verehrtester Herr Professor,

Zu meiner langjährigen Verehrung für Sie gesellt sich mir immer die Frage an Sie: sind Sie es oder sind Sie es nicht, bis mir nun heute, am frühen Morgen, ich weiß nicht wie die Kühnheit kommt Ihnen selbst einmal meine Frage vorzulegen. Ich bin ein Wittenberger. In Wittenberg an der Elbe in der Prov. Sachsen Rbz. Merseburg kannte ich als Untertertianer – nächstens bin ich 50 Jahre alt also etwa vor 43 Jahren einen Untertertianer1 Hugo Schuchardt, der mit seiner Mutter ich glaube im Gasthof zum Löwen wohl in der Schloßgasse |2| wohnte; er war blond und gern zu gutmütigem Scherz aufgelegt, ein Freund von Inwicke Kilz2 und mir. Sind Sie der? Es würde mich unendlich freuen. Sind Sie es nicht, so antworten Sie mir nicht, im anderen Falle aber wohl. Ich wäre im Stande Ihnen – jeder nach seinen Krusten und seiner Art mit meinem allerliebsten zu lohnen, Ihnen meine eben erschienenen deutschen Gedichte3 nebst Übersetzungen aus 50 Sprachen und Mundarten zu schicken, Sie wohl gar um eine Anzeige derselben zu bitten. Es wäre recht etwas für Sie bild‘ ich mir ein – ich bin eben noch unter dem Einfluß Ihrer schönen gesammelten Aufsätze. „Romanisches und |3| Keltisches“4 von denen ich kürzlich eine ganz bedeutungslose Anzeige einem dürftigen Blatte Zentral-Organ für Realschulen überschickt habe. Ja das Buch enthält was recht zu Ihren Gunsten sprechen würde – so wie ich Ihre Schriften kenne und wie ich jenen Knaben im Gedächtnis habe; dazu bringt es Neuheiten in Formen wie so viele von einem einzigen Dichter auf einmal noch nie erdacht wurden, glaube ich. Doch ich rede schon als wenn Sie es wären und Sie sind es am Ende gar nicht und habe dann viel zu viel gesagt.

In aufrichtiger Verehrung

Dr. Hermann Buchholtz

Friedenau bei Berlin
9. Oct. 1886


1 Da Buchholtz fünf Jahre älter ist als Schuchardt, kann er diesen nicht als Schüler der gleichen Klassenstufe gekannt haben, es sei denn, er selber sei wesentlich später eingeschult worden.

2 Nicht identifiziert.

3 Hermann Buchholtz, Die Leiter: Liederbuch, Cöthen: Schettler, 1886 .

4 Schuchardt, Romanisches und Keltisches. Gesammelte Aufsätze, Berlin: Oppenheim, 1886.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01436)