Hugo Schuchardt an Ernst Windisch (27-HSEW03)
von Hugo Schuchardt
08. 10. 1895
Deutsch
Schlagwörter: Institut de France Baskisch Linschmann, Th. Leipzig Graz Herkulesbad Weimar Paris Schuchardt, Hugo (1895) Schuchardt, Hugo (1895)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Ernst Windisch (27-HSEW03). Gotha, 08. 10. 1895. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9456, abgerufen am 24. 03. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9456.
Gotha, Sieblebenstr. 33.
8 Oct 1895
Lieber Freund,
Es ist längst meine Absicht gewesen einen oder einen halben Tag in Leipzig zuzubringen, um meinen alten Bekannten die Hand zu drücken, etwaige Reste von Missverständnissen beseitigen, über das und jenes zu verhandeln. Diesmal wird wohl aus der Absicht Wirklichkeit werden, entweder auf meiner Heimreise nach Graz oder in Gestalt eines Abstechers von hier aus. Ich treffe doch ausser Dir jetzt auch Leskien, Brugmann, Sievers;1 auch meinen |2| Spezialkollegen,2 den ich noch nicht kenne sowie Stumme3 der mich als Hamitist interessirt? Weigand4 habe ich unten in der Nähe der Donau getroffen; er besuchte mich in Herkulesbad.5
Ich schicke Dir unter Kreuzband zwei Caucasica6, sie sollten eigentlich am Festtag der D. M. G.7 eintreffen, um den Antheil auszudrücken den ich von Weitem an dem Blühen und Gedeihen dieser Gesellschaft nehme. Aber von Friedrichsroda aus, wo ich gerade während der Zeit war, liess sich das nicht gut machen.
Ich möchte Dir jetzt schon von einem Plane reden, der allerdings gar Nichts mit dem Orientalistentag zu thun hat, vielmehr |3| den äussersten Occident (aber nicht des Maghreb) betrifft. Ich brauche Dir wohl nicht auseinanderzusetzen welchen Werth das Studium des Baskischen hat; erfolgreich und in weiterer Ausdehnung kann dasselbe aber erst dann betrieben werden wenn das N. T. von Liçarrague (16. Jhrht.) durch einen Neudruck zugänglich gemacht worden ist. Nun befindet sich (wie van Eys8 – den ich im Frühjahr in San Remo besuchte – entdeckt hat) ein Exemplar des sehr seltenen Buches in der Stadbibliothek zu Leipzig.9 Das hat mich auf den Gedanken gebracht ob nicht etwa die Jabl. Ges.10 sich bestimmen liesse einen solchen Neudruck zu veran- |4| stalten. Unsere Freunde vom Institut de France *) scheinen von dergleichen nichts wissen zu wollen, obwohl doch der grosse Mäcenas der Basken A. d‘Abbadie11 zu ihnen zählt. Die Kosten wären – da es keiner besonderen Typen bedürfte – keine ausserordentlichen, und würden wahrscheinlich zum grössten Theil wieder eingebracht werden. Ich habe gestern mit Pfarrer Linschmann der mich besuchte, eingehender über die Sache gesprochen; er ist ein solider Kenner des Baskischen und hat schon einen guten Teil des N. T. (das Stuttgarter Exemplar wurde ihm nach Weimar geschickt) abgeschrieben. Mündlich mehr.
In grosser Eile
– mit herzlichem Gruss –
Dein
H. Schuchardt
*Dabei fällt mir ein: gehst Du etwa nach Paris? dann würde ich Dich wahrscheinlich nicht in L. treffen.
1 August Leskien; Karl Friedrich Brugmann; Eduard Sievers.
2 Adolf Birch-Hirschfeld (1849-1917), Schüler von Adolf Ebert und 1891 dessen Nachfolger.
3 Hans Stumme (1864-1936), Orientalist in Leipzig; vgl. HSA 11356-11394.
4 Gustav Ludwig Weigand (1860-1930), Sprachwissenschaftler, bes. Rumänist; vgl. HSA 12700-12716.
5 Schuchardt hatte dort im August dieses Jahres eine Kur gemacht.
6 Schuchardt, Über das Georgische, Wien: Selbstverlag des Verfassers, 1895; „Über den passiven Charakter des Transitivs in den kaukasischen Sprachen“, Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien 133, 1895, 1-91.
7 Richard Pischel, Die Deutsche Morgenländische Gesellschaft; 1845-1895; ein Überblick, Leipzig: Brockhaus, 1895 . Die D.M.G. feierte in diesem Jahr also ihren 50. Geburtstag.
8 Willem Jan van Eys (1825-1914), niederländischer Baskologe; vgl. HSA 02845-02868.
9 Heute ist nur noch ein Ex. in Stuttgart, LB und München, BStB nachweisbar.
10 Fürstlich Jablonskische Gesellschaft (Societas Jablonovianna) zu Leipzig.
11 Arnaut-Michel d’Abbadie (1810-1897), aus Irland stammender, die meiste Zeit im Baskenland lebender franz. Geograph und Baskologe (als solcher nicht unumstritten).
Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Universitätsarchiv Leipzig. (Sig. HSEW03)