Hugo Schuchardt Archiv

Leipzig den 10. Juli 1894

Lieber Freund!

Soeben erhalte ich Deinen l. Brief u. schreibe Dir sogleich einige beflügelte Worte der Beruhigung. Ich habe natürlich Leskien selbst zu fragen nicht sofort Gelegenheit gehabt, aber nach meiner Kenntniß der Sache und der Personen ist kein Gedanke daran, daß Leskien Dir Etwas übel genommen haben sollte. Ich setze den Fall, er schreibt an die Contribuenten oder Gratulanten nach der Ordnung des Alphabets ein Paar Zeilen des Dankes, so könnte er beim S Deines Namens noch nicht angelangt sein. Es ist ja kaum eine Woche her, daß das Jubiläum gefeiert worden ist. Ich war bei der Ueberreichung des Festbandes am 4. Juli Vormittag mit dabei.¹ Deiner Abhandlung² wurde gedacht, und Brugmann versicherte uns schon damals, daß die Einladung an Dich zu einem Beitrag von ihm abgesandt worden sei. Ich habe Deine Schrift mit großem Vergnügen gelesen, und danke Dir herzlich, daß Du mir auch ein Exemplar geschickt hast. Du wirst doch nicht etwa bereuen, daß Du über ein strittiges Dogma ein Wort in anderem Sinne gesagt hast? Das fehlte |2| noch! Ich bin übrigens viel stärker als Du belastet, da ich einst viel unmittelbarer in dem Streit drin stand, als der gute Curtius noch lebte! Wenn Leskien oder Brugmann Dir etwas übel genommen hätten – was ich wie gesagt nach Deiner loyalen Erklärung nicht für möglich und nicht für wirklich halte –, so würde das ihre Schuld und nicht die Deinige sein. Ich werde aber L. in vorsichtiger Weise darnach fragen, ob er Dir geschrieben hat, so wie ich ihn sehe, was spätestens nächsten Sonnabend der Fall ist.

Mit herzlichen Grüßen

Dein

EWindisch