Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (24-12827)

von Ernst Windisch

an Hugo Schuchardt

Leipzig

12. 12. 1890

language Deutsch

Schlagwörter: Graz

Zitiervorschlag: Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (24-12827). Leipzig, 12. 12. 1890. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9453, abgerufen am 27. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9453.


|1|

Leipzig 12. December 1890.

Lieber Schuchardt!

Da ich seit über einer Woche Zimmerarrest habe, bin ich ganz ohne Nachricht geblieben über das, was in der Welt vorgeht. Heute besucht mich der gegenwärtige Decan Ratzel1 und erzählt mir, auf meine Frage, daß mit Dir verhandelt wird, nach einer Notiz der Münchner Allgemeinen Zeitung. Da bekomme ich Angst, daß Du doch nicht übel Lust haben könntest, uns zu entfliehen! Weil diese Verhandlungen nämlich so lange dauern! Denn schon vor einer Woche soll jene Notiz in der Zeitung gestanden haben. Ich kann nur wiederholen, daß Du in hohem Grade hier willkommen sein würdest. Ratzel, dem ich sagte, ich würde Dir schreiben, trug mir einen freundlichen Gruß an Dich auf. Du kennst ja die Verhältnisse hier, und weißt daher auch, daß ein Leipziger Professor sehr frei gestellt ist. Niemand redet ihm hinein. Der gute Settegast2 kann Dir unmöglich ein Stein des Anstoßes sein. Aber so lange er da ist – ich vermuthe, er wird immer hier bleiben –, kannst |2| Du ihn sehr gut zu Deiner Entlastung, resp. Unterstützung gebrauchen. Mir kommt mehr darauf an, Dir jetzt ein freundliches Wort überhaupt zu senden, als lang zu schreiben, wo ich zumal nicht weiß, welche Punkte es sind, auf die Du besonderen Werth legst. Der Minister wird Dir doch ordentlich entgegengekommen sein? Nach dem, was mir Zarncke3 vor längerer Zeit sagte, hatte er die besten Absichten. Wie sehr würde ich mich freuen, wenn Du Ebert’s4 Nachfolger würdest. Und Graz würdest Du erst recht genießen, wenn Du zum Ferienaufenthalt dahin gingest! Laß Dir also zureden, und erfreue uns alle zu Leipzig recht bald mit der Nachricht, daß Du kommen willst!

Ich gebe diese Hoffnung nicht auf, und grüße Dich in derselben besonders herzlich als Dein

ergebener

EWindisch.


1 Friedrich Ratzel (1844-1904), deutscher Geograph, Professor in Leipzig; vgl. HSA 09147-09156.

2 Franz Settegast (1852-1931), 1876 in Leipzig romanistisch habilitiert, kehrte 1883 von Zürich zurück und wurde in Leipzig zum a. o. Prof. für Romanistik ernannt; vgl. HSA 10509.

3 Friedrich Zarncke (1825-1891), Germanist in Leipzig; vgl. HSA 12978-12995.

4 Adolf Ebert (1820-1890), deutscher Romanist in Leipzig; einer von Schuchardts Lehrern.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 12827)