Hugo Schuchardt an Ernst Windisch (22-HSEW02)

von Hugo Schuchardt

an Ernst Windisch

Graz

15. 10. 1890

language Deutsch

Schlagwörter: language Ruthenisch

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Ernst Windisch (22-HSEW02). Graz, 15. 10. 1890. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9451, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9451.


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Graz 15 Okt. 90

Lieber Freund,

Verzeihe wenn ich mir eine grosse Freiheit nehme; wenigstens soll es in kurzen Worten geschehen.

Mit Euren ersten Vorschlägen für die romanistische Lehrkanzel habt Ihr kein Glück gehabt; jetzt kommt die zweite Garnitur dran. Könnte dabei wohl Gartner in |2| Czernowitz wenn auch nur den bescheidensten Platz finden? Er ist ein sehr tüchtiger Linguist, gewissenhaft und sorgfältig wie kein zweiter, allerdings nicht speziell Altfranzose. Doch ich wollte ihn nicht eigentlich anempfehlen, sondern nur an seine Existenz erinnern. Wenn man das Glück hat in Czernowitz1 zu sitzen, kann man leicht von der übrigen Welt vergessen werden. Gartner der längst die vierzig überschritten hat, entbehrt dort fast ganz der wissenschaftlichen Hilfsmittel und ist dadurch |3| in seinen romanistischen Arbeiten sehr behindert. Aus Verzweiflung beschäftigt er sich mit dem Ruthenischen in dem er schon durchaus kompetent ist. Diese ganz besonderen, mich menschlich ergreifenden Verhältnisse haben mich zu einem Schritt bestimmt wie ich ihn nie gethan habe und wohl auch nicht wieder thun werde und den Du hoffentlich nicht als „unbefragte Einmischung“ charakterisiren wirst. Gartner selbst weiss noch Nichts von meinem kühnen Unterfangen.

Mit herzlichem Gruss

Dein ganz ergebener

HSchuchardt


1 Theodor Gartner (1843-1925), österr. Romanist, 1885 o. Prof. in Czernowitz, 1899 in Innsbruck; vgl. HSA 03348-03570. Er wurde im Leipziger Berufungsverfahren nicht in die nähere Wahl gezogen.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Universitätsarchiv Leipzig. (Sig. HSEW02)