Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (16-12821)

von Ernst Windisch

an Hugo Schuchardt

Leipzig

29. 12. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiet des Deutschen, Griechischen und Lateinischen Gaidoz, Henri Stokes, Whitley Schuchardt, Hugo (1881–1883)

Zitiervorschlag: Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (16-12821). Leipzig, 29. 12. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9445, abgerufen am 15. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9445.


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Leipzig, 29 Dec. 82

In Eile!
Lieber Fr. u. Coll.

Es freute mich sehr wieder einmal ein directes Lebenszeichen von Ihnen zu erhalten. Das Buch von Güterbock1 sollen Sie sofort nach dem Erscheinen erhalten, aber G. hat in unbegreiflicher Weise getrödelt, u. weiß Hirzel2 nicht, was er eigentlich treibt. Jedenfalls ist das Buch noch nicht fertig, denn das würde ich wissen, da ich mit Hirzel in fortwährender Verbindung stehe. G. lebt in glänzenden Verhältnissen,3 und solche Vögel singen nicht so viel wie andere, die sich über jeden Bissen freuen müssen! Seine Diss. ist gut, aber mit einigen Dingen bin doch ich nicht einverstanden. Ich freue mich auf Ihre Anzeige.4 Ich habe Gaidoz auch einen kleinen Beitrag eingeschickt, die Etymol. des irischen Artikels.5 An Joh. Schmidt6 habe ich schon vor ¾ Jahr einen Artikel über das irische Praes. sec. eingereicht.7 Im Laufe des Jahres gebe ich mit Stokes zusammen eine Fortsetzung der irischen Texte heraus (aber bitte um silentium darüber). Dieses Semester lese ich zum 1. Male Cymrische Gramm., privatiss. mit 6 Mann. Es macht mir Vergnügen, nur wird meine Aussprache schluderhaft sein. Stokes schreibt jetzt zugleich an drei Büchern! Rhys‘ neues Buch werden Sie gesehen haben. – Die Professur in Edinburg hat ein Mr. Mackinnon (?) erhalten, ein großer Unbekannter.8

Mit herzlichem Gruß u. Glückwunsch z. Neuen Jahr

Ihr

EW.


1 Bruno Güterbock (1858-1940), deutscher Privatgelehrter; hier geht es um seine Diss. Bemerkungen über die lateinischen Lehnwörter im Irischen. Teil 1: Zur Lautlehre, Leipzig: Pöschel & Trepte, 1882.

2 Salomon Hirzel (1804-1877), aus Zürich stammender Verleger in Halle a.S. – Güterbocks Diss. wurde jedoch nicht von Hirzel verlegt; Windisch nimmt dies irrtümtlich (oder „automatisch“) an, weil die Indices glossarum et vocabulorum Hibernicorum quae in grammaticae Celticae editione altera explanantur, composuerunt B. Güterbock et R. Thurneysen, Leipzig 1881 bei Hirzel erschienen waren.

3 Güterbock war der Sohn des Bankiers Gustav Güterbock (1820-1910); die Familie war vom Judentum zum Protestantismus konvertiert. Bruno Güterbocks Sohn war der bedeutende Hethitologe Hans Gustav G. (1908-2000).

4 Schuchardt, Revue Celtique 5, 1881-1883, 489-495, Schuchardts abschließendes Urteil lautet: „Durch die vorstehenden Bemerkungen soll keineswegs der Werth einer Arbeit herabgesetzt werden, welche mit Sachkenntnis, Sorgfalt und Scharfsinn verfertigt ist und die Gutes und Neues bringt; sie sollen dem Verfasser nur den Weg zeigen, auf welchem er ihren Werth zu erhoehen vermag“.

5 Windisch, „Mélanges: Der irische Artikel“, Revue Celtique 5, 1881-1883, 461-466.

6 Johannes Schmidt (1841-1901), Sprachwissenschaftler, Prof. in Berlin; Mithrsg. der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen.

7 Windisch, „Das irische praesens secundarium“, Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 27 (N. F. 7), 1885, 156-167.

8 Donald MacKinnon (1839-1914), er stammte von der Hebrideninsel Colonsay, war also keltischer „Muttersprachler“, und bekleidete die Edinburgher Professur bis zu seinem Tod.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 12821)