Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (12-12817)

von Ernst Windisch

an Hugo Schuchardt

Leipzig

18. 11. 1881

language Deutsch

Schlagwörter: Revue celtique Deutsche morgenländische Gesellschaftlanguage Deutschlanguage Irischlanguage Englisch Arbois de Jubainville, Henry d´ Stokes, Whitley England Oxford Schuchardt, Hugo (1881)

Zitiervorschlag: Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (12-12817). Leipzig, 18. 11. 1881. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9441, abgerufen am 15. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9441.


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Leipzig, den 18. Nov. 1881

Lieber Freund und College!

Haben Sie herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 29. October. Mir thut nur leid, was Sie von Ihrer Stimmung schreiben. Hoffentlich wird diese allmählig besser, oder ist sie es vielleicht schon geworden. Man muß eben im menschlichen Leben mit vielerlei Dingen rechnen, darunter auch mit der ununterdrückten Gemeinheit. Ihre „Erklärung“1 habe ich mit Vergnügen gelesen, sie war mir namentlich auch dem trefflichen Hirzel2 gegenüber, auf den sie einen guten Eindruck gemacht hat, (ebenso z. B. auf Ebert3 u. C.4 Die Wendung mit der Sprache des Anstands ist sehr glücklich!) sehr angenehm. Die letzte Nummer, No. 45, der Revue Critique werden Sie wohl gesehen haben. Dieser Artikel von H. d’Arbois de Jubainville5 gereicht mir zur großen Genugtuung. Ohne auf Z‘s persönliche Gemeinheiten gegen mich einzugehen,6 setzt er dessen sachliche Perfidie ins helle Licht, und ich hoffe, daß er auch auf Fernerstehende seine Wirkung nicht verfehlen wird. Wenn mich Etwas über den Schimpf, der meiner langjährigen Arbeit angethan ist, trösten kann, so ist es die Entrüstung, die doch von sehr verschiedenen Seiten aus über den Fall zum Ausdruck gekommen ist. Aber eine Hauptsache ist, daß man die Flinte nicht ins Korn wirft, da würde doch schließlich der böse Feind der Triumphator sein. Ich erkenne übrigens an, daß Z. ein großes philologisches Talent hat und großen Fleiß besitzt, aber daß er besonders fruchtbar an neuen Ideen wäre oder eine besondere Höhe der Anschauung |2| besäße, habe ich bis jetzt nicht finden können. Es ist ihm als jungen Mann viel zu viel weiß gemacht worden, er hat sich rasch in die Höhe gearbeitet, hat es zu Wege gebracht, vom Volksschullehrer aus in kurzer Zeit bis zum Universitätsprofessor zu gelangen, und nun ist er außer Rand und Band. Ich fürchte, er wird im Wesentlichen immer ein solches enfant terrible bleiben.

Stokes wird im Frühjahr auf ein Jahr nach England kommen. Seine Adresse ist jetzt noch

Dr. Whitley Stokes

Secretary of the Legislative Council of India

Calcutta

British India.7

Sein Titel ist möglicher Weise jetzt etwas anders, er ist sogar möglicher Weise The Honorable Wh. St., doch weiß ich das nicht sicher, da er nie über andere als persönliche und celtische Dinge schreibt, nie über seine Stellung. Ich schreibe ihm immer unter obiger Adresse, und er hat meine Briefe stets erhalten. So ist er auch unter den Ehrenmitgliedern der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft verzeichnet. Ich habe jetzt einen tüchtigen jungen Celtologen hier, Kuno Meyer,8 leider dient er dieses Jahr. In der nächsten Nummer der Revue Celtique wird ein kleiner Artikel von ihm kommen.9 Er hat sich den Text selbst aus Oxford mitgebracht, denn er unterbrach seine Studien und ging als Landlehrer auf ein Jahr nach England. Promovieren wird er auf einen Irischen Alexander Text10 aus dem Leabhar Breac,11 auf den ich ihn aufmerksam gemacht hatte. |3| Gehen Sie doch nächstes Jahr einmal nach Irland! In der Weise, in der Sie in der Aussprache unterrichtet sein wollen, können Sie nur durch Hören der Laute unterrichtet werden. Sollte ich meinen Plan ausführen, und meinen Freund O‘Grady12 einmal zu mir einladen, – vorausgesetzt daß er kommt –, so könnten Sie vielleicht auch das Gewünschte von ihm hören. Uebrigens mache ich Sie auf das Buch des Dean of Lismore aufmerksam (ed. Skene).13 Dieses Ms. ist phonetisch geschrieben, und in dieser Beziehung von unschätzbarem Werthe. Eine Studie darüber würde sich sehr lohnen. Ich citire das Buch Irische Texte S. 148. Es muß so 15-20 Mark kosten, vielleicht auch weniger. Nach H. d. Arbois de Jubainville in s. Artikel 25 frs. Das wäre was für Sie! Z. behauptete zwar mir gegenüber in Dublin, daß er nächst DeutschIrisch am besten spräche. Soviel ich aber von seinem Englisch gehört habe, besitzt er nicht die Kunst die Laute fremder Sprachen täuschend ähnlich nachzuahmen, und das ist doch die pointe.

Mit herzlichen Grueßen

Ihr

aufrichtig ergebener

EWindisch.

Schreiben Sie doch bald mal wieder!


1 Schuchardt, „Erklärung“, LCBl 32, 1881, 1595-1596.

2 Rudolph Hirzel (1846-1917), ao. Prof. f. Klass. Philol. in Leipzig (später Jena).

3 Adolf Ebert (1820-1890), Romanist, Leipziger Kollege Windischs.

4 Georg Curtius.

5 Rez. von Windisch, Irische Texte, Revue critique d’histoire et de littérature 15e année, second semestre, N. S. t. XII, 29-32 . Die Conclusio lautet: „Le glossaire de M. Windisch pourrait certainement être l’objet de critiques de détail. Il est le résultat du dépouillement de textes trop peu nombreux pour que le résultat de ce dépouillement soit définitif. On fera certainement mieux dans l’avenir: on ne pouvait faire mieux aujourd’hui“.

6 D‘Arbois de Jubainville nennt Zimmers Namen an keiner Stelle seiner Rezension!

7 Auch Schuchardt hatte mit dem Keltisten Whitley Stokes (1830-1909) einen kurzen brieflichen Austausch; HSA 11280-11281.

8 Kuno Meyer (1858-1919), deutscher Keltist, der 1884 bei Windisch promovierte und später einige Jahre in Großbritannien und den USA lehrte.

9 Meyer, „Anecdota from the Stowe Ms. n° 992“, Revue celtique 6, 1883-85, 173-186 .

10 An Leabhar Breac, Ms. mit irischen und hiberno-lateinischen Texten, heute Library of the Royal Academy of Dublin RIA MS 23 P 16 / 1230; vgl. E Peters, „Die irische Alexandersage“, ZCP 30, 1967, 71-264 .

11 Meyer, Eine irische Version der Alexandersage, Leipzig 1884 (Phil. Diss.) .

12 Standish Hayes O’Grady (1832-1915), Irischer Altertumsforscher und Keltologe

13 The Dean of Lismore's Book, a Selection of Ancient Gaelic Poetry from a manuscript collection made by Sir James McGregor, Dean of Lismore, in the beginning of the 16th century. Edited with a translation and notes by Thomas MacLauchlan and an introduction and additional notes by William F. Skene, Edinburgh: Edmonston & Douglas, 1862 .

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