Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (10-12815)
von Ernst Windisch
an Hugo Schuchardt
08. 07. 1881
Deutsch
Schlagwörter: Revue celtique Keltische Sprachen Irisch Englisch Zimmer, Heinrich Stokes, Whitley Leskien, August Zimmer, Heinrich (1881)
Zitiervorschlag: Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (10-12815). Leipzig, 08. 07. 1881. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9439, abgerufen am 13. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9439.
Leipzig, den 8. Juli 1881.
Lieber Herr College!
Vor einiger Zeit habe ich an Gaidoz1 folgende Uebersetzung des Gedichtes Messe ocus2 Pangur Bán, Ir. Texte S. 316, eingeschickt:3
1. Moi et Pangur Bán chacun de nous deux à son art particulier son âme est à la chasse, mon âme [est occupée] d’un [autre] métier particulier.
2. J’aime à rester – [c’est] mieux que chaque gloire – chez mon livret avec diligente science,
Bangur Bán n’est pas envieux de moi, lui il aime son art juvénile.
3. Dès que nous sommes – conte sans ennui – dans notre maison, nous deux seuls,
il y a jeu séparé pour nous, nous ne faisons pas notre reproche à cela.
4. [Chose] ordinaire quelquefois pour les artifices d’exploits héroiques: un[e] souri[s] se trouve dans son filet.
Quant à moi [ce que] tombe dans mon filet [c’est] un devoir difficile avec sens fixe.
5. Lui il s’emporte [?] contre l’enceinte du mur, son oeil plein de sombresse,
moi je m’emporte [?] contre la sévérité de la science, mon oeil clair quoiqu’il soit très faible.
6. Lui joyeux – aller avec vitesse – où il y a un souri dans sa patte,
où je comprends une question difficile agréable, quant à moi, [c’est là que] je suis joyeux.
7. Quoique nous soyons ainsi tout le temps, l’un ne déserte pas l’autre
chacun de nous deux aime son occupation, s’amuse tout seul.
8. C’est lui même qui s’est le maître de la façon qu’il pratique chaque jour,
de proposer une difficulté pour être solue: [c’est] à ma façon [que] je suis.
|2|Ich habe diese Uebersetzung angefertigt, um zu zeigen, daß ich dieses Gedicht doch nicht so mißverstehe, wie Zimmer in der Praef. zu seinen Glossae Hibernicae4 behauptet. Neu erkannt habe ich allerdings, daß derban zu tessbanat deficiunt gehört, daß imdis sich durch dis i. deaoril (schwach) bei O’Clery erklärt; außerdem hat mir Stokes eine Stelle geschickt, in der Aeolus „coimsid na.n-gaeth“ (Herr der Winde) genannt wird. Dies diem docet. Wer andre Texte gelesen hat, als ich, wird natürlich immer im Stande sein bessere Beleuchtung etc zu geben. Es ist mir betrübend, daß Zimmer noch nie ein Wort der Anerkennung für mich gehabt hat, sondern mich nur nennt, wenn er mir Eines auswischen kann. Ich glaube das nicht verdient zu haben, auch aus persönlichen Gründen nicht, was ich aber nicht weiter aus einander setzen will. Grad wie mir die Spitzen von Zimmers Praef. von guten Freunden schon vorher annoncirt waren, damit ich recht lange beunruhigt würde, so ist mir jetzt von guten Freunden mitgetheilt worden, daß demnächst eine Schrift von Zimmer erscheinen wird, die sich in demselben angenehmen Tone speciell mit einer Kritik meines Buches Irische Texte beschäftigen wird. Ich werde also eines Morgens todt in meinem Bette erwachen. Nachdem mich diese Prophezeiung einige Tage wieder sehr beschäftigt hat, warte ich ruhig der Dinge, die da kommen sollen. –
Zimmer’s Pan Guebán „Dominus Gibber“ halte ich, unter uns gesagt, für Unsinn. Abgesehen von der Wunderlichkeit des Mannes, soll Pan im Südslawischen gar nicht vorkommen, wie mir Leskien sagt. Zimmern schweben wahrscheinlich schon für jene Zeiten die slowakischen Mausefallenverkäufer vor! In der Handschrift ist pangur bán bede Male deutlich getrennt geschrieben. Dazu kommt daß der Reim beide Male ein einsilbiges Wort am Ende der 1. Hälfte der Langzeile verlangt.
|3|In meiner hellen Verzweifelung von meinem Bischen Regulation zu retten, was zu retten geht, will ich demnächst noch Folgendes an Gaidoz schicken.
In der Erzählung Echtra Condla Chaim (Kurzgef. Gramm. p. 118), läßt sich wunderschön für die ersten beiden mit R (d. i. Roic) bezeichneten Strophen eine Responsion ausfindig machen. Ich habe letzten Herbst denselben Text noch dreimal gefunden, freilich sind alle an den schwierigen Stellen mehr oder weniger corrupt, aber Einiges läßt sich doch gewinnen. Die Aenderungen im Folgenden sind bis auf [is] alle handschriftlichen Ursprungs:
Adgladadar mnái n-óic n-álaind | socheeneóil | 11 | |
nad fresci bás na sentaid | 7 | ||
ro charus Condla Rúad | cotngairim do Maig Mell | 6+6 | 12 |
inid rí boadag biduthain | rí cen gol cen mairg inna thír | 8+8 | 16 |
ó gabais flaith | 4 | ||
50 |
Tair lim a Chonlai Rúaid | muinbric chaindeld | 11 | |
[is] barr bude fordotá | 6[7] | ||
óas gnúis corcoda | bidordan do rígdelbæ | 7+5 | 12 |
má chotuméitís ní chrínfa | do delb a hóitiu a haldi | 10+6 | 16 |
co bráth m-brindach | 4 | ||
50 |
So redet ein junges schönes edles Weib
das nicht erwartet Tod noch Alter
Ich liebte C. R., ich rufe ihn nach Maig Mell,
wo ein siegreicher ewiglebender König ist, ein König ohne Klage ohne Jammer in seinem Lande
seit er die Herrschaft ergriff.
Komm mit mir, o C. R., nackengeflochte[ne]r, lichtrother
goldenes Haar ist auf dir
über einem purpurnen Antlitz die ewige Würde deiner Königsgestalt
wenn du mir nachgiebst, und nicht verwillern5 deine Gestalt, ihre Jugend, ihre Schöne bis zum Gericht. brindach?6
|4|Nach einem Ms. wär bradag Nom. propr., ich glaube das aber nicht. Wie fixirt, aber auch in seiner Unverständlichkeit, der Text war, zeigt sich darin, daß alle Ms. boaday nicht búadach haben. Ueberhaupt bin ich der Ansicht, daß in den späteren Jahrhunderten des Mittelalters das Interesse u. Verständniß für die ältesten Sagen dem für die Finnsaga7 etc. Platz gemacht hatte. Daher auch die Glossare für jene viel weniger Ausbruch gewähren. So viel ich bis jetzt sehe.
Manchmal kommt mir der Gedanke, daß die ganze irische Metrik ihre Wurzel in der christlich-griechisch-orientalischen Psalmen oder Hymnenpoesie hat. Aber eigentlich soll man nicht jeden dummen Gedanken, der Einem durch den Kopf schießt aussprechen, wenn man ihn nicht näher geprüft hat. Ich kam darauf durch Bickel,8 der in den Psalmen vielfach Strophen mit 7silbigen Zeilen nachweisen will. Freilich findet er wenig Glauben bei den Schriftgelehrten. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen mich über die altchristlichen Sprüche und griechischen Hymnen zu unterrichten.
Sie aber sind uns sehr nöthig. Sie bleiben hoffentlich ernstlich beim Keltischen, insbesondere auch beim Irischen, als Unparteiischer, d. h. auf Polemik ernster Art lasse ich mich nicht ein, hoffentlich nicht, und was Zimmer Gutes bringen wird, werde ich gewiß anerkennen mit Achtung vor seinem Intellect, nicht aber vor seiner übrigen Bildung.
Mit herzlichen Grüßen Ihr
aufrichtig ergebener
E. Windisch.
Meine kleine Gramm. wird jetzt ins Englische übersetzt,9 aber ich sage Ihnen, beim ersten Bogen standen mir die Haare zu Berge, über den Unsinn! Ich mache mir aus solchen Uebersetzungen gar nichts, kann sie aber nicht hindern. Wesentlich umgestalten, Ihren Wünschen entsprechend, kann ich natürlich Nichts, was Sie hoffentlich begreiflich finden. Es soll ja keine 2. Auflage sein. Nur positive Fehler werden hoffentlich berichtigt werden. Der Uebersetzer ist ein irischer Mediciner in London, Druck in Cambridge durch Bradshaw’s Befürwortung.10 Der irische Index zur Gramm. Celt. ist fertig gedruckt. D. O.11
1 Henri Gaidoz (1842-1932), franz. Historiker und Keltist, Herausgeber der Revue Celtique; vgl. HSA 03211-03307.
2 Windisch schreibt „Messe & Pangur Bán“; „Pangur Bán bezeichnet eine weiße Katze, also „Ich und meine weiße Katze“.
3 Vgl. Windisch, „Mélanges: Notes sur des textes irlandais”, Revue Celtique 5 (1881-1883), 128-129, 389-391, 478-479.
4 Heinrich Zimmer, Glossae Hibernicae e codicibus Wirziburgensi Carolisruhensibus aliis; adiuvante Academiae Regiae Berolinensis liberalitate. Accedit specimen scripturae e codice Wirziburgensi, Berlin: Weidmann, 1881.
5 Variante (meist niederdeutsch) von „verwildern“.
6 Offenkundig von Windisch nicht erschlossen.
7 Fionn Mac Cumhail; vgl. David Comyn, Magnimartha Finn. English and Irish, Dublin: Gill, 1881.
8 Philipp Bickel (1829-1914), baptistischer Theologe und Publizist.
9 Windisch, A Concise Irish grammar with peaces for reading, translated from the German by Norman Moore, Cambridge, at the University Press, 1882.
10 Henry Bradshaw (1831-1886), britischer Gelehrter und Bibliothekar, „extra assistant“ der Cambridge University Library.
11 „Der Obige“.