Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (07-12813)

von Ernst Windisch

an Hugo Schuchardt

Leipzig

02. 01. 1881

language Deutsch

Schlagwörter: language Walisischlanguage Englischlanguage Keltische Sprachenlanguage Latein

Zitiervorschlag: Ernst Windisch an Hugo Schuchardt (07-12813). Leipzig, 02. 01. 1881. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9436, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9436.


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Leipzig, den 2. Jan. 1881.

Verehrter Freund und College!

Ihre freundliche Karte, für die ich herzlich danke, bringt mir die angenehme Gewißheit, daß mein Buch, bei allen seinen Mängeln, Ihnen und somit wohl auch Anderen brauchbar erscheint. Wenn Sie die Texte sich angesehen haben, so werden Sie gewiß gefunden haben, daß zwar das Meiste recht leicht ist, daß aber jeder Text seine rätselhaften Stellen hat. Ihre Schwierigkeit beruht entweder auf alter Corruptel oder auf gesuchter, dunkler Ausdrucksweise des dichtenden Gelehrten.

Ueber die aspirirende Aussprache der Dentale kann ich Ihnen leider Nichts berichten. Ich habe sie nicht gehört, gestehe aber, daß ich auf derlei Finessen vielleicht auch weniger geachtet habe, da meine Interessen mehr nach andrer Richtung liegen. Vor e und i dürfte jene Aussprache am wenigsten zu erwarten sein, denn te, ti, le, li, re, ri, ne, ni wird mouillirt gesprochen. Sie könnte höchstens vor a o u in Betracht kommen, und da ist sie mir weder früher noch jetzt aufgefallen.

Ueber das Kymrisch in Forth steht mir nur folgende Stelle in Black’s Picturesque Tourist of Ireland 16 ed.p.104 zu Gebote:1The barony of Forth, a district of Wexford inhabited by a race of people very different from the rest of Ireland in habits and appearance, is a little distance south of the county town. |2| It is believed that the district was colonized by Strongbow from Wales. Vallancy published a vocabulary of their language which bears more resemblance to Saxon than to either the English or Celtic“.2 – O’Curry, On the manuscript Materials3 p. 450 erwähnt a tribe of Britons, who were settled in the forests of Fotharta (now the barony of Forth in Wexford), die aber bereits unter König Eremon anno mundi 2925 (Ogygia) vernichtet worden seien. An dieser Stelle führt O’Curry den Dinnsenchus4 als Quelle an. Die ganze Geschichte erzählt Keating, A complete History of Ireland (geschrieben vor 1644), in der Ausgabe von 1811 mit engl. Uebersetzung p. 314.5 Sollten Sie diese Angaben brauchen u. Ihnen die Bücher nicht zugänglich sein, so bin ich gern bereit [Text: bereiten] sie für Sie abzuschreiben. Sonnabend und Sonntag sind jetzt, wo ich zunächst eine Sanskritarbeit vorhabe, meine celtischen Tage.

Ich richte aber noch eine Gegenfrage an Sie. Ich habe leider die Myvyrian Archeology6 mir noch nie genauer angesehen. Was bedeutet eigentlich Myvyrian?7 Ich vermuthe, daß es mit myfyr „muse, study“ offenbar = lat.memoria, zusammenhängt, und daß dieses Wort als Lehnwort so recht bezeichnend ist für den gemischten Charakter und Ursprung der sog. kymrischen Alterthümer.

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen zum Neuen Jahr

Ihr

EWindisch.


1 Adam and Charles Black, Black‛s picturesque tourist of Ireland. Illustrated with a Map of Ireland and Several Plans and Views, Edinburgh: Black, 1860 u. ö.; 1877.

2 Ein entsprechender Titel konnte nicht bibliographiert werden; vielleicht ist gemeint Charles Vallencey, An essay on the antiquity of the Irish language. Being a collation of the Irish with the Punic language. With a preface proving Ireland to be the Thule of the ancients. Addressed to the literati of Europe. To which is added, a correction of the mistakes of Mr. Lhwyd in reading the ancient Irish manuscript lives of the patriarches. Also, the mistakes committed by Mr. Baretti in his collation of the Irish with the Biscayan language (quoted in his late publications) exposed and corrected, Dublin: Printed by and for S. Powell, in Dame-street, opposite to Fownes's-street; M.DCC.LXXII. [1772] .

3 Eugene O’Curry, Lectures on the manuscript materials of ancient Irish history, Dublin: W. B. Kelly, 1873 (es gibt verschiedene ältere Ausgaben).

4 Vgl. z. B. Whitley Stokes, „The Bodleian Dinnshenchas“, Revue Celtique 15, 1894, 272-336 (es handelt sich um eine Edition dieses alten Traktats, der im Book of Leinster überliefert ist).

5 Geoffrey Keating, A Complete History of Ireland, from the first colonization of the island by Parthalon to the Anglo-Norman invasion, Dublin: John Barlow, 1911.

6 Die Myvyrian Archaiology ist eine Sammlung mittelalterlicher walisischer Literatur in 3 Bänden, die von 1801 bis 1808 von der Gwyneddigion Society herausgegeben wurden.

7 „Of or pertaining to Owain Myfyr ( Owen Jones), who was partly responsible for The Myvyrian Archaiology of Wales“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 12813)