Wilhelm Meyer-Lübke an Hugo Schuchardt (72-07293)

von Wilhelm Meyer-Lübke

an Hugo Schuchardt

Bonn

20. 07. 1925

language Deutsch

Schlagwörter: Romania (Zeitschrift)language Hebräischlanguage Baskischlanguage Kaukasische Sprachenlanguage Semitische Sprachenlanguage Gallischlanguage Iberischlanguage Katalanisch Schuchardt, Hugo (1925) Trombetti, Alfredo (1925) Schuchardt, Hugo (1925) Meyer-Lübke, Wilhelm (1911–1920) Meyer-Lübke, Wilhelm (1901) Schuchardt, Hugo (1880) Meyer-Lübke, Wilhelm (1925) Weiss, Brigitta (1986)

Zitiervorschlag: Wilhelm Meyer-Lübke an Hugo Schuchardt (72-07293). Bonn, 20. 07. 1925. Hrsg. von Magdalena Rattey (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9368, abgerufen am 25. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9368.


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Hochverehrter herr kollege!

Für den neuen beitrag zur baskischen sprachforschung1 und auch zu vielem anderen besten dank. Wenn nordital. batta, wie einzelne lexikographen angeben, wirklich argotwort ist, so liegt der gedanke an das hebräische recht nahe. Ich habe lange damit geliebäugelt, und gehe nun, da ich bei Tr.2 die zusammenstellung3 allerdings historisch offenbar ganz anders gedacht, finde, der sache vielleicht noch nach.4 Gleichzeitig aber habe ich mich auch gefragt, ob jenes östliche baita mit dem westlichen nicht ebenso wenig zusammenhänge wie die afrikanische attegia mit der gallischen tegia.5

Der romanischen sprachdifferenzierung bin ich in meinem büchlein über das katal.6 vom standpunkt der kolonisierung und der romanisierung etwas nachgegangen. Ich glaube, dass wir diese zwei arten der sprachausdeh-|2|nung auseinanderhalten müssen, wenn sie sich auch vielfach berühren und kreuzen. Sie haben das büchlein wol bekommen?7

Beste grüsse

Ihr ergebenster

Meyer-Lübke


1 Der entsprechende Beitrag ist vermutlich: Schuchardt, Hugo. 1925. Das Baskische und die Sprachwissenschaft. Wien u. Leipzig: Hölder-Pichler-Tempsky. [Archiv-/Breviernummer: 765]. (= Schuchardt 1925a).

2 Alfredo Trombetti (1866-1929), italienischer Linguist, Professor an der Universität Bologna. U. a. Autor von Le origini della lingua basca (1925). Er ging von der Monogenese der Sprachen der Welt aus. So versuchte er eine Verwandtschaft zwischen dem Baskischen und den kaukasischen Sprachen nachzuweisen. Vgl. seine Briefe an Schuchardt (11782-11841, ed. in Hurch 2015b ). Trombettis Le origini wurden ML zugeschickt, denn in einer Karte Trombettis vom 12. Mai 1925 ( 59-11839, ed. ebd.) an Schuchardt heißt es: „Il mio lavoro sul Basco è stato accolto favorevolmente a giudicare da ciò che me ne scrivono quelli che lo hanno ricevuto. Perciò non so spiegare come mai W. Meyer-Lübke e il Signor De Urquijo – ai quali mandai il lavoro in omaggio – non mi abbiano neppure mandato un cenno di ricevimento. Mah!“

3 Vgl. Trombetti (1925: 114f.): Zu baskisch „ baita ‚casa’ in baita-n in casa > chez“ stellt er semitischbait, tscheschenisch beda und für die Alpenregion baita mit anschließender Erklärung. Vgl. dazu Schuchardt (1925b: 84).

4 Der Eintrag 884 s.v.* baita ( ahd.) ‚Rast’ im REW (1911) wird um einiges länger, d. h. ausführlicher, im REW (1935b) 884, s.v. * baita ‚Hütte’. Der „ungewohnte Diphthong ai“ spreche für eine Argotzugehörigkeit, dem wiederum hebräischbeth zugrunde liegen könnte. Eine Form batta (siehe Postkarte) findet sich darin nicht, nur baita.

5 Die afrikanische Herkunft von gallisch are genua *are tegia (s) aufgrund des bei Juvenal belegten attegia zweifelt ML bereits früh an (vgl. Meyer-Lübke 1901a: 13) an, mit Verweis auf Schuchardt (1880: 129), der Beispiele für tegia in der Romania liefert. Vgl. auch REW (1935b) 8616a s.v. těgia (gall.) ‚Hütte’ und Meyer-Lübke (1925c: 80f.) zum Suffix -igi in (baskisch-) iberischen Ortsnamen. Das iber. Suffix -tigi in Ortsnamen stellt er zu bask. tegi, welches Lehnwort aus dem gall. tegia sei.

6 Meyer-Lübke, Wilhelm. 1925. Das Katalanische. Seine Stellung zum Spanischen und Provenzalischen. Sprachwissenschaftlich und historisch dargestellt. Heidelberg: Winter. (= Meyer-Lübke 1925a).

7 Unter der Signatu I. 101.692 ist dieses „Büchlein“ im Katalog der Schuchardt-Bibliothek verzeichnet (vgl. Weiss 1986).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07293)