Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (048-s.n.)

von Hugo Schuchardt

an Julio de Urquijo Ybarra

Graz

08. 12. 1907

language Deutsch

Schlagwörter: Revue de linguistique et de philologie comparée Revue internationale des études basques Euskal-Erria: Revista bascongadalanguage Baskischlanguage Französisch Vinson, Julien Dauzat, Albert Campión y Jaymebon, Arturo Spanien Vinson, Julien (1907) Schuchardt, Hugo (1908) Schuchardt, Hugo (1911)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (048-s.n.). Graz, 08. 12. 1907. Hrsg. von Bernhard Hurch und Maria José Kerejeta (2007). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.935, abgerufen am 16. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.935.


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Graz, 8 Dez. 1907.

Sehr geehrter Herr und Freund!

Ich bin geradezu genötigt Ihnen in meiner Muttersprache zu schreiben: sonst würde ich überhaupt nicht dazu kommen, Ihnen ausführlich zu schreiben. Abgesehen von den Ihnen schon bekannten Umständen, besonders meiner Kränklichkeit, hat mich neuerdings auch der Bau einer Villa, die jetzt glücklicherweise unter Dach ist, sehr in Anspruch genommen.1

Gerade in der letzten Zeit war ich so beschäftigt dass ich nicht dazu gekommen bin den zweiten Bogen der letzten Sendung von der Lastrasschen Übersetzung zu erledigen. Das soll nun aber doch demnächst geschehen. Mir liegt ja auch viel daran dass man sich in Spanien ein Urteil über meine Argumente für die ibero- baskische Verwandtschaft bilde. Nun hat Vinson wie Sie ja wissen, kürzlich in der Rev. de ling. eine "Antwort" an mich gerichtet - nebenbei gesagt, er hat mir weder diese Antwort geschickt, noch seinen früheren Aufsatz: La langue ou les langues ibériennes, obwohl ich ihm mein Baskisch und Romanisch und meine Iberische Deklination hatte zugehen lassen (von der ersteren Arbeit hat er gar keine Notiz genommen). Nun werde ich ihm auf seine Réponse replizieren; was ich sagen werde, werden Sie dann seiner Zeit erfahren - ich will nicht vorgreifen. Da Sie mit Vinson auf bestem Fusse stehen und ihm verpflichtet sind, so |2|wünsche ich in keiner Weise zwischen Sie beide zu treten. Vielleicht drucken Sie seine Réponse ab; daraus würde folgen, dass auch meine Replik in Übersetzung in der R.I. mitgeteilt würde. Aber das verlange ich gar nicht, höchstens die Notiz dass eine solche Replik erschienen ist.2 Vinson behandelt diese und ähnliche Angelegenheit trop cavalièrement und im Interesse der wissenschaftlichen Wahrheit bin ich genötigt, ihm einige Wahrheiten zu sagen. Er wird sie übel nehmen, und das tut mir aus persönlichem Grunde leid. Wenn ich auch mit seiner Arbeitsweise auf linguistischem Gebiete ganz und gar nicht einverstanden bin, so schätze ich ihn doch als gründlichen Kenner des Baskischen und seiner Literatur, insbesondere als Bibliographen.

Das Buch von Dauzat, das ich selbst besitze, habe ich Ihnen empfohlen weil es zur ersten Einführung wohl geeignet ist und kein anderes derartiges in französischer Sprache existiert. Nun bitte ich zu bemerken dass er keineswegs sehr hoch steht und auch schon recht scharfe Kritiken erfahren hat. Ich sehe davon ab dass er mir einmal Unrecht tut. Ich wollte Ihnen nur sagen dass Sie das Buch nicht als ein unfehlbares Vademecum betrachten sollten.

Wegen dauntza3 usw. werde ich mich später einmal äussern, in der R.I., wie ich denke. Es ist schwer für unsereinen mit Leuten zu diskutieren, denen unsere Schulvorstellungen und -ausdrücke fremd sind.*)

Ich werde überhaupt auf die in der R.I. erschienenen linguistischen Artikel in irgend |3|einer Weise Bezug nehmen; eine eingehende Besprechung Ihrer Zeitschrift hatte ich, wie Sie wissen, beabsichtigt — ich bin nicht dazu gekommen, und weiss nicht ob ich noch dazu kommen werde. Ich freue mich jedesfalls so aufrichtig wie kein anderer über ihre Tätigkeit, insbesondere auch über die Gewissenhaftigkeit mit der Sie das Einzelne behandeln (so die span. Übersetzung meiner Iber. Dekl.). Von dem Fortgang Ihrer Unternehmungen lasse ich mich stets mit dem grössten Interesse unterrichten. Es ist ja noch so viel zu tun! Unter anderem halte ich es schon seit Jahren für wünschenswert dass die Sprichwörter von 15964 von einem Guipuzkoaer oder Bizkayer zum Gegenstand eines ausführlichen Studiums gemacht werden - wir in der Ferne sind dazu nicht befähigt. Ethnographisches vonseiten Aranzadis u.a. wird wohl auch an die Reihe kommen. - Von Freund Campión habe ich nichts wieder gehört - ich hatte ihm zuletzt geschrieben. Wie gut wäre es wenn er seine in unzähligen Bruchstücken in der Euskal-erria veröffentlichten Arbeit in Buchform herausgäbe. Auch wenn ich die letzten Jahrgänge dieser Zeitschrift besässe, würde mir die Benutzung der Artikel wegen der Unübersichtlichkeit sehr sauer werden. Anderseits möchte ich doch in Campións eigenem Interesse, seinen Arbeiten die ihnen gebührende Beachtung nicht vorenthalten.

Ich wünsche Ihnen mit Ihrer Frau Gemahlin frohes Weihnachten!

Mit herzl. Gr.

Ihr

H. Schuchardt

*)Vinson drückt auch seine Ansicht darüber aus; sie ist für mich unannehmbar.


1 Schuchardt se hizo construir una casa en Graz, Johann Fux Gasse 30 según plano diseñado por él mismo que llamó „Villa Malwina“ en memoria de su madre a la que estuvo enfermizamente unido durante toda su vida.

2 La „réponse“ deVinson „L'ibère et le basque“ (1907b)sale sólo en RLPhC y la subsiguiente „Replik“ deSchuchardt „Vinson über Iberisch und Baskisch“ en la ZrPh 32 (1908a).

3 Con relación a este tema J. Vinson (1908a) publicará a finales de 1908 „Les formes irrégulières basques gauntza, zauntza, dauntza“, RIEV 2 y Schuchardt en 1911b „Gauntza, zauntza, dauntza“, RIEV 5.

4 Refranes y sentencias comunes en Bascuence …Pamplona 1596.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Koldo Mitxelena Kulturunea - Liburutegia (Fondo Urquijo). (Sig. s.n.)