Wilhelm Meyer-Lübke an Hugo Schuchardt (47-07270)

von Wilhelm Meyer-Lübke

an Hugo Schuchardt

Wien

17. 10. 1910

language Deutsch

Schlagwörter: Germanisch-Romanische Monatsschriftlanguage Französisch Schröder, Heinrich Wien Schuchardt, Hugo (1899)

Zitiervorschlag: Wilhelm Meyer-Lübke an Hugo Schuchardt (47-07270). Wien, 17. 10. 1910. Hrsg. von Magdalena Rattey (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9343, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9343.


|1|

W 27.10. 10

Sehr geehrter Hr. Kollege!

Wenige Tage nach Ihrem letzten Briefe habe ich die durch ein Versehen der hiesigen Post nach Wien statt nach Lovrana geschickten Briefe bekommen, darunter zwei von Dr. Schröder; der eine datiert vom 22.III, worin er mir Ihre Erklärungen1 schickt und frägt, was damit zu machen sei; der zweite 26.III, in folge Ihres Telegrammes als Eilbrief mit einer Wiederholung der Frage. Am 16. April (dh. also einen Tag nach Ihrem Schreiben) kam dann ein vom 7. datirter, worin Schröder mir mitteilt, dass Sie die Erklärungen zurückgezogen haben und dazu hinzufügt: ‚es kommt jetzt nur noch darauf an Schuchardt zu versöhnen, |2| denn er grollt mir sehr. Ich würde es sehr bedauern, wenn er an der GRM2 nicht mitarbeiten wollte. Ich will versuchen ihn zu beruhigen, hoffentlich gelingt es.’

Sie sehen daraus 1. dass an dem Ausbleiben einer Antwort auf Ihre ersten Briefe und das Telegramm das Postamt Wien 117 schuld ist, das in ganz unverantwortlicher Weise plötzlich meine diesjährige Osteradresse durch meine vorjährige ersetzt hat.

2. Dass Schröder sich dessen voll bewusst ist, dass in dem allerdings durch ihn nicht verschuldeten Schweigen auf Ihre Briefe eine Ungezogenheit gesehen werden kann, so |3| lange die Sache unaufgeklärt ist, und dass er die volle Absicht hatte, alles gut zu machen, auch, was ja selbstverständlich ist, grossen Wert auf Ihre Mitarbeiterschaft legt.3

Ein Raetsel (ein neues!) bleibt mir, warum Sch. seit dem 7. IV. nicht an Sie geschrieben hat.4 Ich denke, auch das wird sich in einer Sie befriedigenden Weise lösen.

Mit besten Grüssen

Ihr ergebenster

Meyer-Lübke

|4|

[Anhang: Handschrift Meyer-Lübke und Ernst Robert Curtius] Zu Rom. Et. 2, 1295 , mir von H. Dr. Curtius6 mitgeteilt. M-L

‘Rababouiller7est un mot berrichon qui peint admirablement ce qu’il veut exprimer : l’action de troubler l’eau d’un ruisseau en la faisant bouillonner à l’aide d’une grosse branche d’arbre dont les rameaux sont disposés en forme de raquette. Les écrevisses, effrayées par cette opération dont le sens leur échappe, remontent précipitamment le cours d’eau, et, dans leur trouble, se jettent au milieu des engins que le pêcheur a placés à une distance convenable.’

Balzac, Un ménage de garçon. Ausgabe ds Nouvelle Collection Michel Lévy (Paris, Calmann-Lévy), ohne Datum, p. 165.8


1 Vgl. die Karte vom 15. April 1910 ( 45-07268).

2 Germanisch-Romanische Monatsschrift.

3 Bevor Schröder Schuchardt antworten konnte, musste er, zumindest dürfte dies so ausgemacht gewesen sein, Rücksprache mit ML halten. Das gibt letzterer selbst bekannt: „In romanistischen Dingen tut Schr. einfach was ich wünsche [...]“ (vgl. die Karte 45-07268).

4 Jene zwei Briefe Schröders, die im Schuchardt-Nachlass vorhanden sind, datieren vom Mai 1910. Das heißt also, dass Schröders Briefe Schuchardt erst lange Zeit nach dem Versand erreichten.

5 Vgl. Schuchardt (1899b: 129) zu franz. bouiller.

6 Ernst Robert Curtius (1886-1956), Ordinarius für romanische Philologie in Marburg, dann in Bonn, wo er als Nachfolger MLs im Amt war. 1910 promovierte Curtius bei Gustav Gröber (s. oben den Titel „Dr.“) (vgl. Romanistenlexikon). Ein Briefwechsel zwischen Schuchardt und Curtius ist als Webedition veröffentlicht in Hurch (2015c) .

7 Hier beginnt Curtius’ Handschrift. Es handelt sich um einen Briefbogen, der bereits ML zugekommen war.

8 Balzac, Honoré de. [189?]. Un Ménage de garçon. Œuvres complètes de H. de Balzac. Scènes de la vie de province. Nouvelle Collection Michel Lévy. Paris: Calmann-Lévy.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07270)