Wilhelm Meyer-Lübke an Hugo Schuchardt (36-07259)

von Wilhelm Meyer-Lübke

an Hugo Schuchardt

Wien

15. 10. 1906

language Deutsch

Schlagwörter: Zeitschrift für romanische Philologielanguage Walisischlanguage Baskischlanguage Romanische Sprachenlanguage Keltische Sprachenlanguage Irischlanguage Gallischlanguage Lateinlanguage Katalanischlanguage Französisch Diez, Friedrich Schuchardt, Hugo (1906) Schuchardt, Hugo (1907) Meyer-Lübke, Wilhelm (1911–1920) van Eys, Willem J. (1873) van Eys, Willem J. (1879) Diez, Friedrich Christian (1853)

Zitiervorschlag: Wilhelm Meyer-Lübke an Hugo Schuchardt (36-07259). Wien, 15. 10. 1906. Hrsg. von Magdalena Rattey (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9327, abgerufen am 30. 11. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9327.


|1||2|

Hochgeehrter Hr. Hofrat!

kymrischeirin1 entspricht ir.airne, sodass wir eher auf urkelt. *arinio- oder -[one] kommen. Sollte nun südwestromanisches arañón (langued., gask., arag., kat. mallork.) nicht besser darauf beruhen als auf bask. , das seinerseits ja wol ebenfalls gall. Lehnwort sein wird?2 Namentlich das rom. ñ käme dabei besser auf seine Rechnung. Damit würde ich gerne noch zusammenstellen, was Mistral unter arnaveu3 bringt, auch katal.ar, das eigentlich Plur. wäre, aber wie? – Meine Bemerkung, dass v.E.4 bask. andera nicht verzeichne, beruht auf einer Verwechslung. Diez5 giebt bask. landera ‚Feuerbock’, das offenbar Lehnwort ist aus frz; da bask. an(d)era6 ‚junge Frau’ in die Diskussion bezogen wurde u. ich aus Diez II. c. landier ein entsprechendes Wort für ‚F..bk’ im Gedächtnis hatte, verwechselte ich die beiden u. da ich bei v.E. nur and(e)re ‚ junge Frau’, nicht ‚F..ck’ fand u. D. nicht noch nachschlug, entstand die ja allerdings sehr dumme Bemerkung.

Beste Grüsse

Ihr ergebenster

Meyer-Lübke


1 Vgl. Schuchardt (1906a: 11, FN 1): „‚Pflaume’ heißt bask.aran, wozu man kymr. eirin dass. (Koll.) vergleiche“. Bask. sei Schuchardt zufolge ins Aragonesische übergegangen und von dort aus in die Schriftsprache als arañón ‚Schlehe’ gelangt. Den obigen Hinweis MLs nimmt Schuchardt später in seine Abhandlung über Die iberische Deklination (1907: 65) auf: „Vom kelt.-bask. ‚Schlehe’ hatte ich Rom. u. Bask. S. 11 Anm. 1 angenommen, daß das Baskische es an das Romanische abgegeben habe, aber nach der Verbreitung im Romanischen zu urteilen, auf die mich Meyer-Lübke brieflich aufmerksam gemacht hat, wird es hier direkt aus dem Keltischen stammen.“

2 Vgl.REW (1911)/ REW (1935b) 294 s.v. *agranio, -one (gall.) ‚Schlehe’. In der ZrP erschien 1907 in dem Sammelartikel Zur romanischen Sprachgeschichte u. a. „Prov. hon ‚Schlehe’“ ( Meyer-Lübke 1907c: 586–87 ), worin er die direkte Herkunft des romanischen Wortes aus dem Gallischen in Betracht zieht. Sodann wirft er die Frage nach der Herkunft des baskischen Wortes aus dem Romanischen oder Gallischen auf, lässt sie aber noch unbeantwortet (vgl. ebd.: 587). In seinem Artikel Keltobaskisches? in der RIEV ( Meyer-Lübke 1929b: 424 ) hält er fest, dass aran aus dem Bearnesischen stamme.

3 Unsichere Lesart, aber aufgrund Mistrals und Ronjats Eintrag im Trésor dou Félibrige (1879) identifizierbar mit « arnavèu [...] (rom. arnavez, arn, b. lat. ernes, lat. erinaceus, hérisson, chardon) ».

4 Van Eys. Denn in Meyer-Lübkes Nachtrag (1906a: 423) zu Meringers Artikel „Zu französisch landier“ schreibt er am Schluss: „Daß man in bask. andera, in kat. anderris die gallische a-Form zu sehen habe, möchte ich nicht ohne weiteres behaupten. Es frägt sich zunächst, ob das a in dem baskischen Worte, das van Esyss [sic] nicht anführt, nicht der Artikel sei.“ Der holländische Jonkheer Willem Jan van Eys (1825-1914) verfasste u. a. den Dictionnaire Basque-Français (Paris 1873) und die Grammaire comparée des dialectes basques (Paris 1879). Er stand in brieflichem Kontakt zu Schuchardt (vgl. Van Eys’ Briefe: 02845-02868). Die Korrespondenz zwischen den beiden ist veröffentlicht in: Hurch & Lackner & Kerejeta & Schwaiger & Stangl (2016) .

5 Diez, Friedrich Christian. 1853ff. Etymologisches Wörterbuch der Romanischen Sprachen. Bonn: Marcus. Vgl. II. c., s.v. Landier „fr. feuerbock zum auflegen des holzes; bask. landera.“

6 Vgl. Van Eys (1873: 17), s.v. andre.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07259)