Hugo Schuchardt an Ernst Kuhn (36-HSEK22)
von Hugo Schuchardt
an Ernst Kuhn
14. 10. 1890
Deutsch
Schlagwörter: Ruthenisch München
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Ernst Kuhn (36-HSEK22). Graz, 14. 10. 1890. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.9258, abgerufen am 19. 05. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.9258.
Graz 14 Okt 90.
Lieber Freund,
Ich glaubte nicht dass ich nach meiner Karte1 sobald einen Brief schreiben würde. Der Anlass dazu wird durch den Tod Malls2gegeben. Liegt wohl irgendeine Möglichkeit vor den biedern Gartner3 in Czernowitz|2| an die Stelle von Mall zu bringen? Er ist ein gediegener, peinlich gewissenhafter Linguist, der in Czernowitz wegen des fast gänzlichen Mangels litterarischer Hilfsmittel der Verzweiflung nahe ist und sich in Folge dessen auch intensiv mit Anderem, insbesondere dem Ruthenischen, beschäftigt. Die Czernowitzer Professoren werden in ihrer Weltabgeschiedenheit, förmlich auf andere Gebiete getrieben; der eine schreibt Lustspiele, der andere Novellen und Uebersetzungen spanischer Dramen u.s.w. Natürlich liegt es |3| mir durchaus fern mich in die Angelegenheiten anderer Universitäten einzumischen; aber wenn man in Halbasien sitzt, läuft man Gefahr ganz, auch dem Namen nach, vergessen zu werden. Und vielleicht könnte in München, bei einer sich darbietenden Gelegenheit (vielleicht fragen die Würzburger dort an – und jedenfalls wird doch die Sache entschieden), dieser Name wenigstens in Erinnerung gebracht werden. Gartner ist, was jetzt in Bayern sehr in die Wagschale fallen soll, Katholik, |4| zudem bajuwarischen Stammes (Oberöstreicher). Nun, auf jeden Fall ertheile mir Absolution.
Herzlich grüssend
Dein
HSchuchardt.
1 Nicht erhalten.
2 Eduard Mall (1843-1892), deutscher Romanist und Anglist, zuletzt in Würzburg. Er war am 10. April in Heidelberg verstorben.
3 Theodor Gartner (1843-1925), österr. Romanist; er kam zwar nicht in Bayern zum Zuge, aber in Innsbruck, wo er 1899 einen neu errichteten Lehrstuhl für Romanische Philologie erlangte; vgl. den umfangreichen Briefwechsel mit Schuchardt, HSA 03348-03570. – Schuchardts Intervention war übrigens nicht erfolgreich.
Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen (Sig. HSEK22)